Abhören, Bestechen und Erpressen - wie die USA eine UN-Mehrheit erzwingen wollen

Um für einen Irakkrieg die Rückendeckung der UN zu erhalten, wendet die Bush-Regierung Methoden an, die über das Wesen des drohenden Angriffs Bände sprechen. Sie benimmt sich nicht nur gegenüber Bagdad, sondern auch gegenüber den anderen Sicherheitsratsmitgliedern wie ein internationaler Gangster.

Seit Wochen setzt die US-Regierung die sechs Länder im Sicherheitsrat, die sich noch nicht festgelegt haben - Angola, Kamerun, Chile, Mexiko, Guinea und Pakistan - mittels Bestechung und Drohung unter Druck. Laut einem Bericht auf der Titelseite des britischen Observer vom 2. März machte die US-Kampagne auch vor der systematischen Überwachung von Telefongesprächen und E-mails der UN-Vertreter vieler dieser Staaten nicht Halt.

Der Bericht im Observer mit der Überschrift "USA wendet schmutzige Tricks an, um die Abstimmung über den Irakkrieg zu gewinnen", beschuldigt den US-Geheimdienst NSA, er habe Privat- und Diensttelefone abgehört und E-mail-Nachrichten der Delegierten an ihre Regierungen abgefangen. Die verschärften Überwachungsmaßnahmen soll von Condoleezza Rice, Bush’s nationaler Sicherheitsberaterin, angeordnet worden sein.

Die Zeitung, die offenbar von Sicherheitspolitikern ungenannter europäischer Regierungen einen Wink erhalten hatte, erhielt sogar die Telefonnummer des NSA-Beamten Frank Koza, der angeblich die Spitzelkampagne leitet, und rief ihn in seinem Büro in der NSA-Abteilung für Regionale Ziele an.

Koza hatte in einem Memo vom 31. Januar eine Überwachungs"welle" gegen die Delegationen des UN-Sicherheitsrats verlangt. Die Abhörspezialisten sollten herausfinden, welche "politischen Maßnahmen", "Verhandlungspositionen" und "Bündnisse" geplant waren, sowie "den amerikanischen Entscheidungsträgern eine Skala von Informationen an die Hand geben, damit sie Ergebnisse im Sinne der USA erzielen und vor Überraschungen gewappnet sein können".

Die Reaktion von US-Regierungsvertretern und der amerikanischen Medien auf diese Enthüllung ist bemerkenswert. Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, verweigerte jeden Kommentar, leugnete aber nicht, dass die USA die UN-Delegierten anderer Länder abhören. Die New York Times erwähnte den Vorwurf nicht einmal, während die Washington Post einen kurzen Bericht veröffentlichte und verschiedene UN-Diplomaten zitierte, welche die Bedeutung der amerikanischen Spionagemaßnahmen herunterspielten. "Das ist ihr Heimvorteil", soll einer gesagt haben.

Anonyme "führende Regierungsbeamte" erklärten der Washington Post, sie hätten während der Verhandlungen vom letzten Herbst über die Resolution 1441 französische und russische Konversationen belauscht. Die Los Angeles Times berief sich auf "amtierende und ehemalige US-Beamte, die mit den Operationen der NSA vertraut sind", und schrieb, dass "das Abhören bei den Vereinigten Nationen seit langem gängige Praxis ist". Dazu gehöre die elektronische Überwachung anderer UN-Büros, darunter desjenigen für Blauhelm-Einsätze. James Bamford, Verfasser zweier Bücher über die NSA, sagte der Los Angeles Times, die US-Regierung habe 1945 darauf bestanden, die UN-Zentrale in New York City zu etablieren, um solche Lauschangriffe zu erleichtern.

Kein Pressebericht bemerkte den schreienden Widerspruch in der Haltung der USA zu den Vereinten Nationen. Einerseits erklären Bushs Regierungssprecher, ein Krieg sei notwendig, um die Autorität des UN-Sicherheitsrates gegen seine angebliche Missachtung durch den Irak zu verteidigen. Andererseits macht die US-Regierung den Sicherheitsrat zum Ziel von Abhörmaßnahmen und offener Subversion.

Druck auf die "unentschiedenen Sechs"

Im UN-Sicherheitsrat sind vier Länder - die USA, Großbritannien, Spanien und Bulgarien - für einen Resolutionsentwurf, der einen Krieg gegen den Irak autorisiert. Fünf Länder - Russland, China, Frankreich, Deutschland und Syrien - haben sich dagegen ausgesprochen. Die übrigen sechs von insgesamt fünfzehn Nationen haben sich noch nicht definitiv für oder gegen die Resolution entschieden und sind das Hauptziel der Drohungen und Schmeicheleien der USA.

So bemerkte die Washington Post, die einen Krieg glühend befürwortet, am 2. März: "Ihre Unentschlossenheit bezieht sich nicht auf einen Krieg gegen den Irak; sie haben alle zu verstehen gegeben, dass sie das Vorgehen der USA ablehnen und einen Kompromiss vorziehen würden, der eine Verlängerung der Inspektionen bis zu einem zukünftigen Ultimatum erlaubt. Unentschieden sind sie über die Frage, ob sie einen Konflikt mit den USA riskieren können."

Anders gesagt, fühlen sich diese sechs Regierungen nicht vom Irak, sondern von den Vereinigten Staaten bedroht - ein Umstand, den die führende Tageszeitung der US-Hauptstadt nicht einmal zu verschleiern versucht. Wenn sie nach ihrem freien Willen abstimmen könnten, würde die von den USA unterstützte Resolution eine schwere Niederlage erleiden.

Diese sechs Länder haben guten Grund, die Vereinigten Staaten zu fürchten. Presseberichte dokumentieren seit Wochen den außerordentlichen Druck - finanzieller, diplomatischer und sogar militärischer Art - den die Bush-Regierung gegen diese angeblich souveränen und unabhängigen Länder ausübt. Sie alle wurden an das Schicksal des Jemen erinnert, der sich bei einer Sicherheitsratsabstimmung mit Kuba gegen die USA verbündete, als es um die Autorisierung des ersten Golfkriegs von 1991 ging. Der damalige Außenminister James Baker warnte, der Jemen würde damit die "teuerste Stimme seiner Geschichte" abgeben. Drei Tage später stellten die USA so gut wie alle Hilfeleistungen für das verarmte Land ein.

Die USA haben weitreichende Druckmittel gegen die meisten dieser Länder in der Hand und zögern keinen Moment, ihren Vorteil rücksichtslos auszunutzen.

Angola - Die Vereinigten Staaten sind der größte Absatzmarkt für den angolanischen Export, vor allem für Öl, und der größte ausländische Investor, weil Chevron-Texaco seit langem die führende Rolle auf den Ölfeldern der Enklave Kabinda spielt. Die US-Regierung bürgt für angolanische Verträge über 200 Millionen Dollar mit Halliburton, dem großen Lieferanten von Ölförderanlagen, der früher von Richard Cheney geleitet wurde. Angola ist unter dem "Africa Growth and Opportunity Act" (AGOA) nach wie vor vom Zugang zu den US-Märkten ausgeschlossen. Der Grund ist die alte Feindschaft der USA gegen die MPLA-Regierung, die während des Kalten Kriegs - im Kampf gegen die von der CIA unterstützten UNITA-Rebellen - die Sowjetunion auf ihrer Seite hatte.

Guinea und Kamerun - Die zwei ehemaligen französischen Kolonien in Westafrika genießen laut AGOA und dem "Generalized System of Preferences" (GSP) Vorzugszugang zu den amerikanischen Märkten. Die AGOA-Bestimmungen aus dem Jahr 2000 sehen vor, dass bevorzugte Länder in der Subsahara "sich nicht an Aktivitäten beteiligen dürfen, die die nationalen Sicherheits- oder außenpolitischen Interessen der USA untergraben". Ein Zusatz, der im August 2002 vom Kongress verabschiedet wurde, erlaubt es der US-Regierung, den Handelsvorzug eines Landes zu streichen, "wenn es keine Schritte unternommen hat, um die Bemühungen der Vereinigten Staaten in der Terrorismusbekämpfung zu unterstützen". In Anbetracht der Tatsache, dass die Bush-Regierung die Invasion im Irak als Fortsetzung ihres "Kampfs gegen Terrorismus" bezeichnet, könnte eine Stimmabgabe gegen die USA als Vorwand herhalten, um die Vorzugsbehandlung einzustellen, die Kamerun mit seinen Öl- und Guinea mit Bauxit-, Gold-, Diamanten- und Kaffeeexporten genießt.

Pakistan - Dieser alte Bundesgenosse der USA aus dem Kalten Krieg diente zur Zeit des Kampfs gegen die Sowjetarmee in Afghanistan als Hauptstützpunkt für die von der CIA unterstützten islamischen Fundamentalisten, den Vorläufern sowohl der Taliban als auch der al-Qaida. Nach dem 11. September entschied sich das Militärregime von General Pervez Musharraf im Krieg gegen Afghanistan für die vollständige Kollaboration mit den USA. Dafür wurde es mit der Streichung von einer Milliarde Dollar Schulden und von Handelsrestriktionen belohnt, die 1998 verhängt worden waren, als Pakistan seine erste Atombombe getestet hatte. Angesichts der weitverbreiteten öffentlichen Ablehnung eines zweiten US-Kriegs gegen ein vorwiegend muslimisches Land, würde eine Unterstützung durch Pakistan einen noch größere Geldinfusion erfordern.

Chile - Der Knüppel, den die USA hier schwingen, ist der chilenische Beitritt zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA), der Ende letzten Jahres versuchsweise von den amerikanischen und chilenischen Verhandlungsführern unterzeichnet wurde. Der amerikanische Handelsbeauftragte hat dem Kongress das Abkommen noch nicht zur Ratifizierung vorgelegt. Würde Chile im Sicherheitsrat mit "Nein" stimmen, würde das Abkommen wahrscheinlich nicht zustande kommen. Amerikanischer Druck wird auch auf den chilenischen Militärapparat ausgeübt, der seit dem von der CIA unterstützten Putsch von 1973 enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten unterhält. Der Außenminister Colin Powell spielte dunkel auf den Putsch an, als er vor kurzem mit chilenischen Abgesandten in Washington zusammentraf.

Mexiko - Achtzig Prozent des Exports des Landes, das durch NAFTA eng mit den USA verbunden ist, gehen nordwärts. Die Regierung von Vicente Fox hat versucht, die Zollsenkungen beim Import von Hühnern und anderer Agrarprodukte, die ab Januar gelten sollten, zu verschieben, um die Auswirkungen auf die mexikanische Landwirtschaft abzumildern. Die Bush-Regierung hat einer Verschiebung zugestimmt, will aber die Frage noch in diesem Monat erneut prüfen.

Zwei führende Außenpolitiker, Marc Grossman und Kim Holmes, fuhren laut Presseberichten letzte Woche nach Mexico City und drohten, Mexiko würde einen "sehr hohen Preis" bezahlen, wenn es in der Frage des Irakkriegs gegen die USA stimmen würde. Die britische Zeitschrift The Economist schilderte den Grossman-Besuch und schrieb, ein nicht genannter US-Diplomat habe davor gewarnt, ein mexikanisches "Nein" könnte gegen Mexikaner in den Vereinigten Staaten "eine schlechte Stimmung schüren". Er zog den Vergleich mit den japanischstämmigen Amerikanern, die nach 1941 interniert worden waren, und fragte, ob Mexiko wirklich beabsichtige, "während eines Kriegs das Feuer des Chauvinismus zu nähren".

Dieser Bericht über amerikanische Erpressungsmaßnahmen, wie auch weitere Berichte über Bestechung und Einschüchterung, hatten Fragen an den Pressesprecher im Weißen Haus, Ari Fleischer, zur Folge. Laut dem Protokoll der Pressekonferenz vom 25. Februar reagierte Fleischer arrogant auf Fragen, was die US-Regierung Mexiko für seine Stimme geboten habe.

Fleischer: "Ich kenne diesen Bericht nicht. Und Sie haben schon die Antwort, nach welchen Kriterien dies entschieden wird. Aber denken Sie auch an die Konsequenzen von dem, was Sie da sagen. Sie sagen, die Führer anderer Nationen seien käuflich. Und das ist keine akzeptable Unterstellung." (Gelächter)

Die hartgesottenen Zyniker im Pressestab des Weißen Hauses lachten schallend, als der Sprecher von Bush den Stimmenkauf als unakzeptabel bezeichnete. Fleischer verließ darauf die Pressekonferenz.

Siehe auch:
Buch stellt der UNO zum Irakkrieg ein Ultimatum
(28. Februar 2003)
Öl und der bevorstehende Krieg gegen den Irak
( 1. März 2003)
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