Neuerscheinung im Arbeiterpresse Verlag

"Amerikas Demokratie in der Krise" von David North

David North, Amerikas Demokratie in der Krise ISBN 3-88634-084-8 ca. 145 Seiten 11,90 Euro

Diese Woche ist im Arbeiterpresse Verlag ein neues Buch erschienen, das sechs Vorträge und Artikel über die Hintergründe der amerikanischen Präsidentenwahlen 2000 und 2004 von David North enthält. David North ist Chefredakteur der World Socialist Web Site und Autor von "Das Erbe, das wir verteidigen. Ein Beitrag zurGeschichte der Vierten Internationale". Wir dokumentieren im Folgenden die Einleitung.

Einleitung

Die Wahl George W. Bushs zu einer zweiten Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten hat Millionen Menschen auf der ganzen Welt und in den Vereinigten Staaten selbst schockiert. Sie verspricht eine Eskalation des amerikanischen Militarismus und verschärfte Angriffe auf die demokratischen Rechte und die Lebensverhältnisse der amerikanischen Bevölkerung.

Das Ergebnis wirft wichtige politische und moralische Fragen auf. Die Regierung Bush hat das amerikanische Volk mit Hilfe von Lügen in einen Krieg gezerrt. Sie hat einen gewaltigen Vermögenstransfer von der arbeitenden Bevölkerung an die Finanzelite und die weitgehendsten Angriffe auf Bürgerrechte in der amerikanischen Geschichte zu verantworten. Wie konnte eine solche Regierung eine Stimmenmehrheit bekommen? Und warum war die Demokratische Partei unfähig, wirksam gegen eine Regierung aufzutreten, die ursprünglich an die Macht gelangt war, indem sie eine Wahl fälschte, und die anschließend in einem Sumpf von Verbrechen und Korruption versank?

Die meisten amerikanischen und internationalen Analysen, die vorgeben, die Wahl 2004 zu untersuchen, stellen diese Fragen nicht einmal ansatzweise, geschweige denn, dass sie eine Antwort darauf geben. In der Regel gehen sie nicht weiter als die letzte Meinungsumfrage.

Die in diesem Band gesammelten Vorträge analysieren die politische Entwicklung, die zur Regierungsübernahme durch Bush und zu seiner Bestätigung im Amt geführt hat. Sie entstanden zur Zeit der Ereignisse und stellen eine erste Annäherung an eine politische Situation dar,die sich in raschem Wandel befindet. Sie unterscheiden sich deutlich von konventionellen Untersuchungen der amerikanischen Politik. Darin liegt ihr Wert. Ihre zentrale These lautet, dass hinter den politischen Erschütterungen der jüngsten Zeit ein beispielloses Anwachsen der sozialen Ungleichheit steht. Aufgrund des politischen Monopols, das die beiden kapitalistischen Parteien ausüben, und des Fehlens einer Arbeiterpartei können die tiefen Klassengegensätze aber im Rahmen der Wahlen nur einen verzerrten Ausdruck finden.

David North, Chefredakteur der World Socialist Web Site und Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party, entwickelt diese These in vier umfassenden Vorträgen.

Den ersten hielt er im Dezember 2000, unmittelbar vor dem Höhepunkt der politischen Krise, die durch das umstrittene Ergebnis der Präsidentenwahl ausgelöst worden war. Der Oberste Gerichtshof der USA stand kurz davor, das berüchtigte Urteil zu verkünden, das einer republikanischen Regierung zur Macht verhelfen sollte, die von der Mehrheit der Wähler abgelehnt worden war. North warnte damals: "Die Entscheidung dieses Gerichts wird zeigen, wie weit die amerikanische herrschende Klasse bereit ist, die traditionellen, bürgerlich demokratischen und verfassungsmäßigen Normen zu brechen."

Die seitherigen politischen Ereignisse haben diese Warnung in vollem Umfang bestätigt. Die Regierung Bush hat trotz der massiven Opposition in den USA und auf der ganzen Welt einen Angriffskrieg entfesselt und sich polizeistaatliche Vollmachten angemaßt. Sie nimmt sich das Recht heraus, Leute ohne Anklage und Prozess einzusperren. Es reicht aus, wenn sie vom Präsidenten als "feindliche Kämpfer" bezeichnet werden. Die Regierung hat juristische Gutachten erstellen lassen, die die Anwendung von Folter rechtfertigen. Ihre konkreten Folgen waren auf den grotesken Bildern aus dem irakischen Gefängnis von Abu Ghraib zu sehen. North vertritt den Standpunkt, dass die Ursache für diese verhängnisvolle Entwicklung im amerikanischen politischen Leben in der beispiellosen Polarisierung zwischen Reichtum und Armut liege. Eine derart ausgeprägte soziale Ungleichheit lasse sich nicht mit politischer Demokratie vereinbaren.

2004 fanden die Wahlen inmitten einer politischen Krise statt, hervorgerufen durch den wachsenden Widerstand des irakischen Volkes gegen die militärische Besatzung durch die USA. Drei Vorträge in diesem Buch befassen sich mit diesen Wahlen.

North macht deutlich, dass der Krieg nicht einfach das Ergebnis einer Verschwörung war, ausgeheckt durch eine Handvoll rechtsextremer Ideologen im Weißen Haus und im Pentagon. Der Krieg offenbarte ein kolossales Versagen der amerikanischen Demokratie. Der illegale Einmarsch in ein Land, das keine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellte, wurde von Demokraten und Republikanern gleichermaßen unterstützt, von den Massenmedien verherrlicht und gerechtfertigt und von mächtigen Finanzinteressen ermutigt. Letztlich entsprang der Krieg dem Versuch des amerikanischen Imperialismus, den anhaltenden Rückgang seines relativen Gewichts auf den Weltmärkten durch den Einsatz militärischer Gewalt wett zu machen. Er verfolgte das Ziel, die strategischen Ölreserven unter Kontrolle zu bringen, von denen die wirklichen und potenziellen Rivalen der USA in Europa und Asien abhängig sind.

Im Verlauf des Wahlkampfs verhinderte die Demokratische Partei, dass sich die weit verbreitete Antikriegsstimmung politisch äußern konnte. Selbst als Kerry mit großer Verspätung Bushs Kriegsführung kritisierte, beharrte er weiterhin darauf, dass auch er die amerikanischen Truppen nicht aus Irak abziehen werde. Er versprach sogar, den Militäreinsatz auszudehnen, um den Widerstand zu zerschlagen. Mitten in der Kampagne gab er die berüchtigte Erklärung ab, er hätte selbst dann für die Invasion gestimmt, wenn er gewusst hätte, dass es in Irak keine Massenvernichtungswaffen gebe und keine Verbindungen zwischen Bagdad und Al Qaida existierten - die offiziellen Vorwände für den Krieg.

Die Unfähigkeit der Demokratischen Partei, der Regierung Bush auch nur in einer sozialen oder politischen Frage konsequent entgegenzutreten, wurzelt in ihrem Klassenstandpunkt. Obwohl sie sich als Volkspartei ausgibt, verteidigt sie die Interessen der Finanzelite, von der sie kontrolliert wird.

North unterwirft die Entwicklung dieser Partei einer sorgfältigen historischen Analyse, angefangen mit der Bürgerkriegsperiode, als sie sich um ein abwegiges Bündnis zwischen den südlichen Sklavenhaltern und der im Norden entstehenden Arbeiterklasse bemühte, über den New Deal bis hin zum Niedergang und Zusammenbruch des liberalen Reformismus im Anschluss an den Vietnamkrieg. Die Wahlen der Jahre 2000 und 2004, folgert North, haben gezeigt, welch fürchterlichen Preis die amerikanische Arbeiterbewegung für ihre jahrzehntelange Unterordnung unter die Demokratische Partei bezahlen muss.

"Für amerikanische Arbeiter", betont North, "beginnt das politische Denken mit der Erkenntnis, dass sie ihre Klasseninteressen nicht mittels einer Partei verteidigen können, die von Wirtschaftsinteressen kontrolliert wird und diesen hörig ist, dass sie sich in einer eigenen, politisch unabhängigen Partei organisieren und mit einem Programm bewaffnen müssen, das ihren Bedürfnissen und Hoffnungen klaren Ausdruck verleiht."

Die in diesem Band vorgestellte Analyse wurde nicht vom Standpunkt der geruhsamen akademischen Betrachtung erstellt. Sie war Bestandteil des aktiven Eingreifens der Socialist Equality Party in den Wahlkampf. Die SEP stellte eigene Kandidaten für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten auf - Bill Van Auken und Jim Lawrence - sowie einzelne Kandidaten für den Kongress und lokale Ämter.

Ihre Kampagne konzentrierte sich nicht so sehr auf das Sammeln von Stimmen, als auf die politische Erziehung der Arbeiterklasse und die Entwicklung ihres Klassenbewusstseins. Im Mittelpunkt stand der notwendige Bruch mit der Demokratischen Partei und der Aufbau einer neuen, unabhängigen Massenpartei der Arbeiterklasse, die sich auf ein sozialistisches Programm zur Neugestaltung der Gesellschaft stützt.

Die internationalistische Ausrichtung der Socialist Equality Party fand konkrete Gestalt, als sie entschied, die Kampagne auch nach Europa und Asien auszudehnen. Einer der hier gesammelten Vorträge wurde in Australien und Neuseeland gehalten. Weitere Veranstaltungen fanden in Deutschland, Großbritannien und Sri Lanka statt. Im Mittelpunkt stand dabei die Aussage, dass keines der Probleme, denen die Bevölkerung der USA und aller anderen Länder gegenübersteht - Krieg, Arbeitslosigkeit, Lebensstandard und demokratische Rechte - gelöst werden kann, wenn sich die Arbeiterklasse nicht über die Grenzen hinweg gegen den globalen Kapitalismus zusammenschließt.

Zusätzlich zu den vier Vorträgen über die Präsidentenwahlen 2000 und 2004 finden sich in diesem Buch ein Nachruf auf den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan sowie ein Artikel zum vierzigsten Jahrestag der Ermordung von John F. Kennedy.

Reagans Tod im Juni 2004 löste im politischen Establishment der USA außergewöhnliche Reaktionen aus. Der frühere Hollywood-Schauspieler wurde betrauert, als handle es sich um einen der Gründungsväter. North weist nach, dass die herrschende Elite mit dem überschwänglichen Tribut, den sie Reagan zollte, ihre eigene enorme Bereicherung während der vergangenen 25 Jahre feierte und die reaktionären sozialen und politischen Entwicklungen würdigte, die von der Regierung Reagan in Gang gesetzt worden waren und die zu der beispiellosen Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen einiger weniger führten.

Der Jahrestag von Kennedys Ermordung war einerseits durch sentimentale Legendenbildung geprägt, andererseits durch hasserfüllte Schmähartikel rechter Kommentatoren. Im Gegensatz dazu gibt der in diesem Buch wiedergegebene Artikel einen historischen Überblick über die Regierungszeit Kennedys. Er führt seinen Tod auf die heftigen internen Konflikte zurück, die bis heute im Herzen des amerikanischen politischen Systems toben.

Die Wahl 2004 ist vorbei, aber politische Ruhe ist deshalb nicht eingekehrt. Die zweite Amtszeit der Bush-Administration wird ohne Zweifel von scharfen sozialen, ökonomischen und politischen Krisen geprägt sein. Die in diesem Band erarbeitete Perspektive gibt eine wertvolle Orientierung für die unausweichlichen kommenden politischen Auseinandersetzungen.

Bill Van Auken

New York

10. Dezember 2004

Siehe auch:
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