Die "Option Salvador"

Das Pentagon plant Todesschwadronen im Irak

Um dem anwachsenden und hartnäckigen bewaffneten Widerstand im Irak beizukommen, will das Pentagon jetzt Todesschwadronen aufstellen, deren Aufgabe es sein soll, politische Opponenten zu ermorden und die Bevölkerung zu terrorisieren. Entsprechende Pläne wurden am 8. Januar vom Nachrichtenmagazin Newsweek enthüllt. Im US-Verteidigungsministerium tragen sie den Decknamen "Option Salvador". Die Pläne machen deutlich, wie sehr sich die Situation für die Besatzer im Irak mittlerweile verschlechtert hat.

"Wir müssen einen Weg finden, um gegen die Aufständischen in die Offensive zu gehen" sagte ein höherer Militärbeamter gegenüber Newsweek. "Derzeit sind wir in der Defensive und deshalb im Begriff zu verlieren."

Knappe drei Wochen vor der von den USA protegierten Wahl werden die Anschläge immer häufiger und ihre Auswirkungen immer gravierender. Die militärische Belagerung der Stadt Falludscha, die in Schutt und Asche gelegt wurde, hat es nicht geschafft, "das Rückgrat des Widerstandes" zu brechen, wie es die amerikanische Militärführung ankündigt hatte; sie hat den Widerstand im ganzen Land im Gegenteil verstärkt.

Die Wahlen selbst sollen eine Übergangsregierung schaffen, deren Aufgabe angeblich die Ausarbeitung einer Verfassung sein wird. Sie werden aber nichts lösen.

Der Newsweek -Artikel zitiert die wenig beachtete Einschätzung von Muhammad Abdallah al-Shahwani, dem Geheimdienstchef der irakischen Marionettenregierung. Laut Al-Shahwani umfasst der Widerstand etwa 200.000 Menschen und genießt besonders in sunnitischen Gebieten große Sympathie.

Ein US-Militärsprecher, der diese Einschätzung teilte, sagte Newsweek : "Die sunnitische Bevölkerung hat bisher für die Unterstützung, die sie den Terroristen gewährt, keinen Preis bezahlt. Aus ihrer Sicht ist das kostenfrei. Diese Gleichung müssen wir verändern."

In den Augen der Besatzungsbehörden zahlen ihre politischen Kollaborateure dagegen einen hohen Preis. Deren Führer werden umgebracht, Polizeistationen in die Luft gejagt und Milizionäre getötet. Der Zweck des Planes besteht nun darin, einen vergleichbaren Preis vom Widerstand einzufordern. Das ist die Schlüsselaufgabe der "Option Salvador". Da die Unterstützer und Mitglieder des Widerstands aber weit schwerer zu identifizieren sind als die Iraker, die in der Übergangsregierung und den Sicherheitskräften mit der Besatzungsmacht kollaborieren, kann der Plan nur in Form einer kollektiven Bestrafung der gesamten irakischen Bevölkerung umgesetzt werden.

So wird die Verwirklichung der "Option Salvador" zwangsläufig dazu führen, dass es in den Dörfern und Wohngebieten, in denen US-Truppen und ihre irakischen Verbündeten unter Feuer geraten, zu Massakern an der Zivilbevölkerung kommt. Die Rechtfertigung dafür lautet, solche Gräuel würden die Bevölkerung davon abhalten, den Widerstandskämpfern Unterschlupf zu bieten. Folter wird im Irak auch heute schon häufig eingesetzt, um Aussagen zu erzwingen, aber in Zukunft wird sie auch der Einschüchterung der Gefolterten und all jener dienen, die davon erfahren.

Das blutige Vorgehen Washingtons und der Diktaturen in El Savador, Guatemala und Honduras in den 1970-er und 1980-er Jahren stützte sich auf solche Methoden. Wie man sehen kann, werden sie von Spitzenvertretern der Bush-Regierung auch heute noch als effektiv erachtet.

Nicht wenige dieser Spitzenvertreter spielten schon bei den damaligen blutigen Ereignissen eine führende Rolle. Washingtons derzeitiger Botschafter im Irak, der im Hintergrund die Fäden der irakischen Übergangsregierung zieht, ist JohnNegroponte. Von 1981-1985 war er Washingtons Gesandter in Honduras. Das Land diente damals als Brückenkopf für die beiden von der CIA organisierten "Contra"- Kriege gegen Nicaragua und El Salvador und für militärische Operationen in der gesamten Region. Washington vervierfachte die Militärhilfe für Honduras zu dem Zeitpunkt, als die Todesschwadronen im ganzen Land Menschen ermordeten oder "verschwinden" ließen.

Auch Elliott Abrams, der unter Präsident Reagan stellvertretender Minister für Interamerikanische Angelegenheiten war und als wichtigster Verteidiger der rechten Diktaturen Zentralamerikas in der Öffentlichkeit fungierte, kam unter Bush wiederzu Amt und Würden. Abrams, 1991 verurteilt, weil er dem Kongress Informationen über die Iran-Contra-Affäre vorenthalten hatte, ist heute Nahost-Chefberater von Bush im Weißen Haus.

Washington gelang es damals nur mit massivem Blutvergießen, die Volksaufstände in Zentralamerika zu unterdrücken. In El Salvador wurden auf dem Höhepunkt der Repression in den frühen 1980-er Jahren jährlichetwa 13.000 Menschen durch Todesschwadronen umgebracht. Ganze Schichten der Bevölkerung wurden systematisch ausgelöscht - militante Arbeiter, Studenten und Bauern mit ihren Familien und Freunden. Um sich die Bedeutung des Blutzolles für dieses Land von fünf Millionen Menschen zu verdeutlichen, muss man sich vorstellen, dass er bezogen auf die Bevölkerungszahl der USA jährlich 750.000 Menschenleben kosten würde.

In dieser Zeit erhöhte die Reagan- Regierung die Militärhilfe für das Regime in Salvador, während dem Kongress Berichte vorgelegt wurden, die angebliche "gemeinsame und wichtige Anstrengungen" zur Verbesserung der Menschenrechtssituation belegten. Kommandanten der Todesschwadronen wie Roberto D’Aubuisson, der sich durch seinen persönlichen Einsatz bei Folterungen den Spitznamen "Major Blowtorch" (Major Lötbrenner) erwarb, erhielten zum Dank hohe Schecks von der CIA.

Socorro Juridico, die Hilfsorganisation der katholischen Erzdiözese von Salvador, veröffentlichte im Juni 1980 einen Bericht, der die Folter, Morde und Massaker der Todesschwadronen an mehr als 2.000 Menschen über einen Zeitraum von 50 Tagen dokumentierte:

"Die Schreckensherrschaft des Terrors erscheint als das auffälligste Merkmal dieser Zeit. Die Grausamkeit der Folter, die gegen die Opfer der Repression angewandt wurde, ist beispiellos. Die Menschen wurden skalpiert, enthauptet, ihnen wurden die Kehlen durchgeschnitten, sie wurden zerstückelt. Die Köpfe der Enthaupteten hatte man an Bäume gehängt oder auf Zäune aufgespießt. Außer der paramilitärischen Repression führte man großangelegte militärische Operationen in den nördlichen und östlichen Regionen des Landes durch. Die Massaker erstreckten sich auch auf Frauen und Kinder, die zu fliehen versuchten.... In den Städten wurden Lehrer und Studenten, Beschäftigte des Gesundheitswesens und der Kirche gnadenlos der militärischen Repression ausgesetzt."

Amnesty International veröffentlichte 1982 einen Bericht, der die anhaltende Repression im Land beschrieb:

"Die Sicherheitskräfte in El Salvador haben ein systematisches und breit angelegtes Programm der Folter, des ‚Verschwindenlassens’, des Mords an Einzelnen und der Massaker gegen Männer, Frauen und Kinder durchgeführt. Ihm fielen nicht nur Menschen zum Opfer, die im Verdacht der Opposition zu den Behörden standen, sondern Tausende, die einfach nur in den Zielgebieten der Armeeoperationen lebten. Ihr Tod oder ihre Verstümmelung erscheinen völlig unverständlich."

Im benachbarten Guatemala ging es nicht weniger grauenhaft zu. Eine Kommission der UN kam zu dem Schluss, dass unter den aufeinanderfolgenden, von den USA gestützten Diktaturen etwa 200.000 Menschen in dem Land ermordet wurden. Unter General EfrainRios Montt, der von der Reagan-Regierung begeistert unterstützt wurde, erreichte das Massaker an den Maya-Indianern das Ausmaß eines Völkermords, wie der Bericht feststellte.

Das ist die wirkliche Bedeutung des Begriffs "Option Salvador" in den Erwägungen des US- Verteidigungsministeriums. Es gibt jedoch wichtige Unterschiede zwischen der Intervention der USA in Zentralamerika und der Besetzung des Irak. In Guatemala und Salvador war es dem US-Imperialismus noch möglich, sein Werk durch die dort fest verwurzelten, einheimischen Oligarchien und ihre vom Pentagon ausgebildeten Armeen verrichten zu lassen. Diese selbst hatten bereits jahrzehntelange Erfahrung in der Niederhaltung der Massen.

Im Irak steht Washington vor einer Situation, in der die neu geschaffenen Sicherheitskräfte in sich zusammenfallen, sobald sie auf ernsthaften Widerstand irakischer oppositioneller Kräfte stoßen.

Wie es im Newsweek -Artikel heißt, gehen die Pläne dahin, US-Spezialkräfte sowohl direkt, als auch als "Berater" etwa für die kurdischen Peschmerga oder die Schiitenmilizen einzusetzen, um Todesschwadronen aufzubauen. Gelingtes Washington, solche einheimische Kräfte zu rekrutieren, um sie die Schmutzarbeit machen zu lassen, wird das zu einem umfassenden Bürgerkrieg zwischen ethnisch oder religiös unterschiedlichen Bevölkerungsteilen führen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Töten jedoch überwiegend den US-Truppen selbst überlassen bleiben. Der Bericht der Newsweek stellt fest, man erwäge, von Green Berets geleitete, grenzüberschreitende Einsätze in Syrien durchzuführen, deren Ziel es sei, oppositionelle Iraker im Exil zu "schnappen" oder zu ermorden. Das Magazin schreibt, dass man die Entführten in "geheime Untersuchungseinrichtungen" bringen werde. Damit ist gemeint, dass die in Abu Ghraib aufgedeckten Foltermethoden weite Verbreitung finden werden.

Der Idee der "Option Salvador" liegt der Gedanke zugrunde, dass man dem gezielten Mord und Terror, den der irakische Widerstand gegen Kollaborateure der US-Besatzung anwendet, nur mit noch viel größerem Terror von Seiten Washingtons und seiner Strohmänner begegnen könne.

Die Opposition gegen die Besatzung umfasst jedoch breite Massen der irakischen Bevölkerung. Um diesen Widerstand mit salvadorischen Methoden zu brechen, muss man das Morden in einem Maß ausweiten, das jedes bisherige Blutbad im Irak in den Schatten stellt. Der von der Bush-Regierung geführte "Krieg gegen Terrorismus" im Irak droht die US-Armee in einen beispiellosen Massenterror zu verwickeln.

Siehe auch:
Die Nominierung Negropontes - Eine Warnung an das irakische Volk
(27. April 2004)
Von den Medien unbeachtet: Massengräber in Guatemala
( 5. Juli 2003)
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