Schröder im Weißen Haus:

Anbiederung an Bush

Im Herbst 2002 gewannen SPD und Grüne die bereits verloren geglaubte Bundestagswahl, weil sich Bundeskanzler Gerhard Schröder deutlich gegen einen Irakkrieg aussprach. Obwohl es Schröder dabei vorrangig um die deutschen Interessen in der Region ging, fand seine Haltung Resonanz bei Wählern, die einen Angriffskrieg grundsätzlich ablehnten und für ein imperialistisches Verbrechen hielten. Die Union verlor die Wahl, weil sie sich zu sehr mit den Kriegsplänen von US-Präsident George W. Bush identifizierte.

Drei Jahre später, mitten in den Vorbereitungen für den nächsten Wahlkampf, ist von der angeblichen Antikriegshaltung Schröders nichts mehr zu sehen. Sein jüngster - und vermutlich letzter - Besuch im Weißen Haus war durch die Anbiederung an einen Präsidenten geprägt, dessen Kriegsgründe öffentlich als Lügen entlarvt wurden, der im Irak tief im Schlamassel steckt und der auch in den USA selbst zunehmend an Unterstützung verliert.

Der Bundeskanzler kam nach Washington, um vom Präsidenten die Zustimmung zu einem ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erbetteln - eine Forderung, für die sich Schröder und sein grüner Außenminister Joschka Fischer seit langem stark machen. Er hob zu diesem Zweck vor allem den deutschen Beitrag zur Stabilisierung des Irak, Afghanistans und des Balkans hervor und begründete seinen Anspruch auf den Einzug ins höchste UN-Gremium mit den Worten: "Daraus leiten wir bestimmte Rechte ab, das Recht, an vorderster Stelle mitzuentscheiden."

Bush speiste seinen Gast mit der diplomatischen Floskel ab: "Wir lehnen die Kandidatur keines Landes ab." Was Schröder als Erfolg wertete. Tatsächlich hatte sich US-Außenministerin Condoleezza Rice schon vor drei Wochen offen gegen einen ständigen deutschen Sitz im Sicherheitsrat ausgesprochen.

Bush selbst sah wenig Grund, Schröder offen zu brüskieren, zumal ihm die devote Haltung des ehemaligen Irakkrieggegners angesichts der wachsenden Antikriegsstimmung in den USA äußerst gelegen kommt und Schröder in Washington ohnehin als "lame duck" gilt, als lahme Ente ohne Einfluss.

"Wäre Schröder noch ernst zu nehmen," kommentierte die Neue Zürcher Zeitung, "hätte Bush sich wohl etwas klarer ausgedrückt. Zunächst hätte er dem deutschen Kanzler in unzweideutiger Sprache zu verstehen gegeben, dass ein ständiger Sitz für Deutschland im Uno-Sicherheitsrat nicht in Frage kommt."

Die Zeitung attestiert der deutschen Diplomatie "kolossale Wahrnehmungsdefizite", seit "Schröder und sein Außenminister Fischer als Herolde eines erweiterten Sicherheitsrats die Welt bereisen". Sie verkenne nicht nur die wahre Haltung Washingtons, sondern auch, "wie unbeliebt ein deutscher Uno-Sitz in vielen Ländern Europas wäre".

Die amerikanischen Medien nutzten Schröders Besuch und seine Anbiederung an Bush, um für eine aggressives Vorgehen gegen den Iran zu werben.

So überschrieb die Washington Post ihren Artikel über Schröders Gespräch im Weißen Haus mit der Zeile: "Schröder und Bush stimmen in der Iranfrage überein". Die Zeitung behauptet, Bush und Schröder hätten kurz nach der überraschenden Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten "eine gemeinsame Front gegenüber dem Iran" gebildet.

Sie zitiert Bush mit den Worten: "Meine Botschaft lautet: Wir arbeiten weiter mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland zusammen, um eine gezielte, gemeinsame und einheitliche Botschaft zu übermitteln, dass die Entwicklung von Nuklearwaffen nicht zu akzeptieren ist. Auch ein Prozess, der den Iran in die Lage versetzt, Nuklearwaffen zu entwickeln, ist nicht zu akzeptieren."

Schröder habe darauf geantwortet: "Ich stimme voll mit dieser Botschaft überein. Wir werden in alle diesen Fragen hart und fest bleiben."

In Wirklichkeit können die im Oval Office ausgetauschten diplomatischen Floskeln die tiefgreifenden Differenzen in der Iranfrage nicht überdecken. Während Bush warnt, ein ziviles Nuklearprogramm versetze das Land in die Lage, Atomwaffen herzustellen, hat Schröder das Recht des Iran, zivile Nuklearanlagen zu nutzen, wiederholt unterstrichen.

Aus der Sicht der europäischen Mächte dienen die Atomverhandlungen mit dem Iran dazu, einem militärischen Vorgehen der USA zuvorzukommen. Washington unterstützt die Verhandlungen, um den Iran verstärkt unter Druck zu setzen und Vorwände für ein aggressiveres Vorgehen zu finden. Vor allem für Deutschland hätte ein offener Konflikt mit dem Iran, einem wichtigen Öllieferanten und Absatzmarkt, verheerende wirtschaftliche Folgen, ganz abgesehen von den destabilisierenden Auswirkungen auf die gesamte Region, einschließlich der Türkei.

Diese Differenzen sind aber letztlich taktischer Natur. Schröder stellt das Recht des amerikanischen Imperialismus, seine Interessen auf der ganzen Welt gewaltsam geltend zu machen, nicht grundsätzlich in Frage. Er will lediglich, dass der deutsche und europäische Imperialismus dabei nicht zu kurz kommt. Daher zieht er es vor, diese Fragen hinter einem diplomatischen Vorhang zu verbergen.

Hätte er die Differenzen mit Bush offen angesprochen und ihn wegen seiner Lügen über den Irak zur Rede gestellt, wäre er damit nicht nur bei den Wählern in Deutschland, sondern auch in der amerikanischen Bevölkerung auf Resonanz gestoßen. Doch damit hätte er auch Erwartungen geweckt, die den Interessen der herrschenden Elite der USA und Deutschlands zuwider laufen.

Wie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, ist Schröder auch in der Außenpolitik ein ergebener Verteidiger bürgerlicher Interessen. Er gibt die Regierungsmacht lieber an Merkel und Westerwelle ab, als von der unpopulären Agenda 2010 abzurücken. Und er nimmt lieber eine Wahlniederlage in Kauf und arrangiert sich mit Bush sowie einem möglichen Angriff auf den Iran, als das Recht der imperialistischen Großmächte, schwächeren Ländern ihren Willen aufzuzwingen, grundsätzlich in Frage zu stellen.

Siehe auch:
Bush in Mainz: Freundlichkeiten können Konflikte nicht überdecken
(25. Februar 2005)
Europareise der US-Außenministerin: Scharfe Gegensätze zu Iran
( 5. Februar 2005)
Europa reagiert nervös auf US-Drohungen gegen den Iran
( 22. Januar 2005)
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