USA verstärken Drohungen gegen Syrien

Die Bush-Regierung hat das Angebot des syrischen Präsidenten Bashir Assad, die syrischen Truppen in begrenztem Maße aus dem Libanon zurückzuziehen, rund heraus zurückgewiesen und ihre Anstrengungen verstärkt, das syrische Regime zu isolieren und die Bedingungen für eine imperialistische Intervention in den beiden arabischen Ländern zu schaffen.

Assad hatte einen schrittweisen Rückzug seiner Truppen auf Positionen entlang der syrisch-libanesischen Grenze in den nächsten Monaten bekannt gegeben. Er reagierte damit auf eine diplomatische und ökonomische Drohkulisse, die von den USA und Frankreich aufgebaut und von Deutschland und den beiden wichtigsten Stützen Damaskus‘, Russland und Saudi Arabien, unterstützt wird.

Die Reaktion aus Washington war schroff ablehnend. Eine Sprecherin des Weißen Hauses verurteilte Assads "halbherzige Schritte" und erklärte, das sei "nicht genug". Syrien müsse alle Truppen und Geheimagenten "völlig und sofort" zurückziehen, sagte sie.

In seiner am Freitag aufgezeichneten und am Samstag, zwei Stunden vor Bekanntgabe von Assads Abzugsplänen, gesendeten Radioansprache, wies Bush den Vorschlag Assads schon einmal vorbeugend zurück. Sich auf die Zusammenarbeit Frankreichs und der USA berufend, sagte Bush, die Welt spreche "mit einer Stimme, damit Demokratie und Freiheit im Libanon erblühen können".

In einem Ton, der verdächtig an die Propagandakampagne vor der US-Invasion im Irak erinnert, zitierte Bush die Resolution des UN-Sicherheitsrats vom vergangenen Herbst, die nach seinen Worten, "den Abzug aller ausländischen Truppen sowie freie und faire Wahlen ohne ausländische Einflussnahme" verlangt.

Eine Destabilisierungskampagne

Die Bush-Regierung begann ihre Kampagne gegen die Anwesenheit Syriens im Libanon nach der Ermordung des libanesischen Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri, einem ehemaligen Verbündeten Syriens, der am 14. Februar in Beirut von einer verheerenden Autobombe getötet wurde. Hariri brach im Herbst vergangenen Jahres mit Assad, weil dieser versucht hatte, die Amtszeit des libanesischen Präsidenten Emil Lahoud zu verlängern.

Die riesige Sprengkraft und die professionelle Herstellung der Autobombe weisen eher auf einen Geheimdienst als wahrscheinlichen Täter hin, als auf eine geheime Terrorgruppe. Die Nationalität des Geheimdienstes ist allerdings ungeklärt. Hariris Tod begünstigt die politischen Ziele der Vereinigten Staaten und Israels mindestens ebenso sehr, wie die Syriens. Ganz sicher aber was das Attentat für die Bush-Regierung ein gefundenes Fressen, um ihr seit langem gehegtes Ziel, das syrische Regime zu destabilisieren und zu beseitigen, in die Tat umzusetzen.

Der nächste Schritt in der Kampagne der USA wird wohl der Gipfel der Arabischen Liga sein, der am 22.-23. März in Algerien stattfindet. Dort erwartet die Bush-Regierung von ihren wichtigsten Vasallen im Nahen Osten, Ägypten und Saudi Arabien, verstärkten Druck für einen syrischen Rückzug aus dem Libanon.

Im Hintergrund droht eine noch gewaltsamere Option: ein offener Militärschlag gegen Damaskus. In einem Interview mit der italienischen Zeitung La Republicca sagte der syrische Präsident Assad auf die Frage nach einer möglichen US-Invasion: "Washington hat auch früher schon Sanktionen gegen uns verhängt und uns isoliert, aber es kam noch niemals zum Äußersten. Wenn Sie mich allerdings fragen, ob ich einen militärischen Angriff erwarte, so muss ich Ihnen sagen, dass ich ihn seit Ende des Irakkriegs kommen sehe."

Die politische Atmosphäre in Washington machen die Äußerungen eines Parteigängers von Bush aus Texas deutlich, des republikanischen Kongressabgeordneten Sam Johnson, die kürzlich von der Parlamentszeitschrift Roll Call zitiert wurden. Johnson erklärte einer Besuchergruppe aus seinem Wahlkreis bei einem Kirchenfrühstück, er sei bei einer Diskussion im Weißen Haus anwesend gewesen, bei der das Thema der im Irak unauffindbaren Massenvernichtungswaffen erörtert wurde. Der pensionierte Air-Force-Kampfflieger berichtet, er habe zu Bush gesagt: "Syrien ist das Problem. Meiner Ansicht nach sind die Massenvernichtungswaffen in Syrien. Wissen Sie, ich kann eine F-15 fliegen, geben Sie mir zwei Atombomben, und wir brauchen uns um Syrien keine Sorgen mehr zu machen."

Washingtons Heuchelei

Was an der US-Kampagne gegen Syrien am meisten auffällt, ist ihre plumpe, unverhüllte Heuchelei. Ganz nach der Methode der "großen Lüge" von Hitler und Göbbels beschuldigt die US-Regierung andere genau der Verbrechen, die sie selbst verübt.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Erin Healy, verkündete am Samstag: "Die Welt wird die Regierungen des Libanon und Syriens für jede Einschüchterung, Konfrontation und Gewalt, die sie gegen das Volk des Libanon verüben, zur Rechenschaft ziehen."

Dies von einer Regierung, die massivste Gewalt gegen das Volk des Irak verübt! Bis zu 100.000 Iraker sind seit der US-Invasion des Landes im März 2003 getötet worden. Die Besatzungsmacht ist mit Massenverhaftungen, Inhaftierung ohne Anklage und Folter gegen den irakischen Widerstand vorgegangen. Zum Thema "Einschüchterung" ist zu sagen, dass Vertreter der Bush-Regierung und die amerikanischen Medien militärische Maßnahmen gegen Syrien diskutieren, seit US-Truppen vor fast zwei Jahren die syrisch-irakische Grenze erreicht haben.

In einer Radioansprache vom Samstag erklärte Bush, Syrien sei "seit fast drei Jahrzehnten Besatzungsmacht im Libanon". Er forderte den sofortigen Rückzug aller syrischen Truppen aus dem Libanon, und ein Berater erläuterte dies gegenüber den Medien mit den Worten, alles andere - ein schrittweiser Rückzug, ein Teilrückzug, das Zurücklassen der Geheimagenten - sei eine Verletzung der Sicherheitsratsresolution.

Die Vereinigten Staaten halten den Irak mit 150.000 Truppen besetzt, der zehnfachen Anzahl der syrischen Truppen im Libanon. Und auch Israel hält die Westbank und den Gazastreifen seit 1967 mit Tausenden Soldaten besetzt, zehn Jahre länger, als Syrien im Libanon ist. Israelische Truppen kontrollieren die meisten Städte der Westbank, während die syrischen Truppen sich aus Beirut und anderen libanesischen Städten zurückgezogen und auf das Bekaa-Tal konzentriert haben, einem möglichen Einfallstor israelischer Truppen im Falle eines Krieges mit Syrien.

Bei mehreren öffentlichen Auftritten in der vergangenen Woche erhöhte Bush den Druck auf Syrien, indem er einen Termin für den Abzug aus dem Libanon setzte. Alle syrischen Truppen müssten das Land bis zur Parlamentswahl im Mai verlassen haben. Ein hoher Vertreter des Weißen Hauses sagte der Presse: "Wie fair kann eine Wahl im Libanon sein, wenn dort Truppen stehen, die Wähler, Kandidaten und Amtsinhaber einschüchtern?"

Wenn eine solche Wahl im Libanon eine Farce wäre, was ist dann mit den Wahlen vom 30. Januar im Irak, die unter den drohenden Gewehrläufen einer riesigen amerikanischen Besatzungsarmee durchgeführt wurden, oder mit den palästinensischen Wahlen, bei denen die Wähler israelische Militärkontrollposten passieren mussten, um ihre Stimme abgeben zu können? Im Irak durften keine Kandidaten aufgestellt werden, die gegen die Besatzung waren. Bei der Wahl in Palästina saß der beliebteste Kandidat, der Fatah-Führer Marwan Barghouti, in einem israelischen Gefängnis, damit der von den USA und von Israel unterstützte Mahmoud Abbas freie Bahn hatte.

Die vergessene Geschichte

Die Ironie der gegenwärtigen Krise liegt darin, dass ausgerechnet Syrien ins Visier des amerikanischen Imperialismus geraten ist, dessen Präsenz im Libanon ursprünglich von den USA gebilligt worden war, um im Libanon Stabilität zu garantieren und den "Terrorismus" zu unterdrücken.

Syrische Truppen kamen 1976 auf Bitten der libanesischen Regierung ins Land, die damals von der faschistischen Falange-Partei rechter maronitischer Christen gestellt wurde. Die maronitische Elite wurde von einer Massenbewegung von unten bedroht. Palästinensische Flüchtlinge und die armen schiitischen Massen hatten sich unter Führung der PLO und der schiitischen Amal-Milizen zusammengeschlossen.

Die Regierungen der USA und Israels, beide langjährige Verbündete der Falange, stützten sich bei der Unterdrückung des Volksaufstands und der Rettung des Beiruter Regimes auf Syrien. Die blutigste Folge war 1976 das Massaker im Flüchtlingslager Tel al-Zaatar vor den Toren der libanesischen Hauptstadt. Damals wurden Hunderte Palästinenser von den Häschern der Falange unter den Augen der syrischen Truppen abgeschlachtet, die das Lager umzingelt hatten.

1982 war Ariel Scharon, damals israelischer Verteidigungsminister, mit der Unterdrückung der Palästinenser und der libanesischen Milizen, zu denen damals schon die vom Iran unterstützte Hisbollah gehörte, durch die Syrer nicht mehr zufrieden. Scharon schickte die israelische Armee in den Libanon, um die Aufgabe selbst zu erledigen, und die syrische Armee wich zurück, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.

Nun übernahm die israelische Armee bei den Flüchtlingslagern Sabra und Schatilla die gleiche Rolle wie zuvor die syrische in Tel al-Zaatar: Sie umstellte die Lager und erlaubte falangistischen Todesschwadronen, einzudringen und nach Belieben zu morden. Später wurde Scharon für diese Gräueltaten vor einen israelischen Untersuchungsausschuss gestellt und er musste als Verteidigungsminister zurücktreten.

In den seither vergangenen zwei Jahrzehnten haben die syrischen Truppen eine stabilisierende Rolle im Interesse der Imperialisten und der libanesischen herrschenden Klasse gespielt. Zu dieser gehörte auch Rafik Hariri, der angeblich reichste Mann des Landes, der sein Milliarden-Dollar-Vermögen in der saudischen Bauindustrie erwarb.

Die Eroberung des Irak hat in Washington zu neuen politischen Kalkulationen geführt. Syrien ist zum wahrscheinlich nächsten Opfer einer Politik geworden, die auf die amerikanische Vorherrschaft im Nahen Osten abzielt. Und der Libanon gilt als Syriens Schwachpunkt, der am ehesten für amerikanische und israelische Machenschaften anfällig ist. Die gegenwärtige amerikanische Kampagne gegen Damaskus hat trotz aller Krokodilstränen über die Ermordung Hariris nicht das geringste mit Sympathie mit dem libanesischen Volk unter syrischer Besatzung zu tun.

Die amerikanischen Medien sind unfähig zu einer historischen Analyse oder einer kritischen Haltung gegenüber der imperialistischen Außenpolitik Washingtons. Eine der unerträglichsten Äußerungen dieser Unfähigkeit findet sich in einem Leitartikel der New York Times vom 4. März.

Die Times lobt die Isolation Syriens und die Solidarisierung Saudi Arabiens, Russlands, Deutschlands und Frankreichs mit der Bush-Regierung. Sie verurteilt die Politik Syriens, die den Libanon als "profitables Lehen" missbrauche, und seine "verabscheuungswürdige Taktik", die Hisbollah-Miliz nicht zu unterdrücken. "Präsident Assad kann es sich nicht länger leisten, die wachsende Ungeduld der Weltgemeinschaft zu ignorieren", empören sich die Leitartikler.

Die Schlagzeile des Leitartikels fasst den Zynismus und die Verlogenheit der amerikanischen Außenpolitik zusammen: "Der Libanon den Libanesen". Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Ziel der Bush- und der Scharon-Regierung nicht darin besteht, den Libanon den Libanesen zu geben, sondern den USA und Israel, wobei auch noch ein Knochen für Frankreich abfallen könnte.

Die Washington Post berichtete am 5. März, dass die Bush-Regierung schon Diskussionen mit Frankreich über den Charakter der ausländischen Truppen führe, die die syrischen Soldaten nach ihrem Abzug ersetzen könnten, denn: "Die Vereinigten Staaten befürchten, die libanesische Armee könnte nicht stark genug sein, das ganze Land zu kontrollieren, besonders weil die Hisbollah, die Partei Gottes, große Teile des Südens kontrolliert."

Die Post fährt fort: "Eine Option, die die USA in Betracht ziehen, besteht laut amerikanischen und europäischen Diplomaten darin, die UN-Kontingente, die seit 1978 an der libanesischen Grenze zu Israel patrouillieren, einzusetzen, um das Sicherheitsvakuum in dem von Syrien dominierten Gebiet zu füllen. Zufällig verlängerte die UN-Resolution 1583 im Januar das Mandat der Truppe mit Formulierungen, die auch eine Änderung oder Erweiterung der Mission erlauben..."

Tatsächlich, was für ein Zufall! Eine neue imperialistische Aufteilung des Libanon hat schon begonnen, noch bevor die syrischen Truppen abgezogen sind.

Siehe auch:
Der Mord an Rafiq Hariri: Wem nützt es?
(18. Februar 2005)
Loading