Bush schließt größere Bundeshilfe für Hurrikan-Opfer aus

Wenige Stunden nach bekannt werden erster Informationen, dass der Hurrikan Katrina vermutlich Tausende Opfer gefordert hat, gab George W. Bush einen oberflächlichen Kommentar ab. Außer einer herablassenden Sympathieerklärung für die Opfer der größten Naturkatastrophe in der amerikanischen Geschichte hatte der Präsident wenig zu bieten.

Nichts an Bushs Worten, seinem Gesichtsausdruck oder seiner Gestik wies darauf hin, dass er die Bedeutung dieser ungeheuren Katastrophe erfasst hat oder deswegen besorgt ist, obwohl in einer der bedeutendsten und geschichtsträchtigsten Städte des Landes Hunderttausende betroffen sind.

Grinsend räumte er ein, dass "diese Tage für die Betroffenen fürchterlich düster aussehen" - ein Satz, der unter diesen schrecklichen Umständen nur von jemandem ausgesprochen werden konnte, der sich nicht zu diesen Unglücklichen zählt. Und das vom Präsidenten der Vereinigten Staaten!

Es war aber nicht nur eine schlechte Wortwahl. Für die Bush-Regierung ist die Tragödie in New Orleans nicht besonders bedeutsam. Sie erfordert keine besonderen Maßnahmen von Seiten des Staates.

In seiner kurzen, neunminütigen Erklärung an die Presse machte Bush keinerlei Zusagen über breit angelegte Hilfsmaßnahmen der Regierung, um den Bürgern von New Orleans oder der anderen vom Hurrikan zerstörten Gebiete zu helfen.

Im Verlauf seiner kurzen Ansprache wiederholte er mehrfach, dass die Regierung in Washington mit den "lokalen Behörden" zusammenarbeiten werde. Die Regierung werde den "lokalen Behörden in New Orleans Hilfestellung leisten", um die verbliebenen Bewohner zu evakuieren, die Küstenwache werde bei Such- und Rettungsmaßnahmen "mit den lokalen Behörden und Institutionen zusammenarbeiten", die Nationalgarde werde bei Katastrophenmaßnahmen "den Gouverneuren und lokalen Behörden zur Seite stehen", und die Regierung werde "mit der lokalen Bevölkerung und den lokalen Behörden zusammenarbeiten, um eine vernünftige Strategie zu entwickeln, die betroffenen Ortschaften wiederaufzubauen".

Der Wiederaufbauprozess wird Bush zufolge "Jahre" dauern. Ein solcher Zeitplan deutet nicht gerade auf große Dringlichkeit hin.

Die Worte wurden von Bushs Beratern bewusst gewählt, um eine definitive Aussage zu treffen: die Regierung wird für die Katastrophe keinerlei finanzielle Verpflichtungen eingehen.

Abgesehen von den dringendsten und grundlegendsten Rettungsmaßnahmen wird die Lösung der immensen humanitären Probleme weitgehend in den Händen der lokalen Behörden verbleiben, die keinen Zugang zu den Dutzenden Milliarden Dollar haben, die für die Opfer vor allem in New Orleans nötig wären.

Bush vermied jegliche konkrete finanzielle Festlegung. Im Laufe seiner Rede sprach er nur einmal, am Ende über Geld: "Beim gegenwärtigen Stand der Rettungsmaßnahmen ist es wichtig, dass diejenigen, die spenden wollen, Geld spenden." Er sprach "dem Amerikanischen Roten Kreuz, der Heilsarmee, den katholischen karitativen Organisationen und allen anderen Helfern der Armeen des Mitgefühls" seinen Dank aus.

Die Bedeutung dieser Worte ist klar: Hilfsmaßnahmen werden durch private mildtätige und religiöse Institutionen organisiert - genauso wie die Regierung versucht hat, "glaubensgestützte" Initiativen als Ersatz für staatlich garantierte Sozialprogramme zu fördern. Das Amerikanische Rote Kreuz hofft, 135 Millionen Dollar Spenden für die Hurrikan-Hilfe einzusammeln - eine Summe, die von dem geschätzten Schaden, der zumeist nicht versichert ist und in die Dutzende Milliarden geht, weit in den Schatten gestellt wird.

Bush ließ mehr als zwei Tage verstreichen, bevor er auf den Hurrikan reagierte. Bisher hat er das Katastrophen-Gebiet noch nicht besucht. Stattdessen nutzte er sein Flugzeug, die Air Force One, für einen Pressegag: Um sein Mitgefühl und seine Sorge zu beteuern, überflog er die Gebiete, damit er sehen konnte, "wie zerstört alles ist".

Seit Tagen steht das ganze Land angesichts des wachsenden Horrors über die extremen Zerstörungen des Hurrikans unter Schock. Bush aber kann mit seinem Benehmen, seinem Ton und seinen Handlungen nur ein Gefühl der Gleichgültigkeit vermitteln. Nichts von dem, was er am 31. August sagte, deutete darauf hin, dass er über die schrecklichste Katastrophe sprach, von der die amerikanische Bevölkerung jemals betroffen war.

Bush machte klar, dass er nichts gegen die schamlose Preistreiberei der Energiekonzerne unternehmen wird, die die Katastrophe nutzen, um die Benzinpreise im ganzen Land immer weiter zu erhöhen und ihre ohnehin schon gigantischen Profite zu steigern. Die Preise für Benzin wurden buchstäblich über Nacht fast überall im Land um 30 bis 75 US-Cent pro Gallone auf nunmehr über 3 Dollar erhöht (d. h. um 6 bis 16 Euro-Cent auf über 64 Euro-Cent pro Liter). Für die nächsten Wochen oder Monate wird schon über Benzinpreise von bis zu 5 Dollar pro Gallone gesprochen (d. h. 1,06 Euro pro Liter).

Das bürdet der amerikanischen Bevölkerung weitere Lasten auf, die ohnehin schon durch die Kombination von stagnierenden Löhnen und der sich beschleunigenden Inflation hart getroffen ist. Bush aber erklärte scheinheilig, dass "unsere Bürger verstehen müssen, dass dieser Sturm unsere Fähigkeit, Benzin herzustellen und zu verbreiten, unterbrochen hat".

Mit anderen Worten: es werden keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, den wilden Wucher Bushs früherer Geschäftspartner und Begünstigter in der Ölindustrie zu stoppen.

Vor dem Hintergrund der Katastrophe, die die Südstaaten heimgesucht hat, den hohen Opferzahlen und dem fürchterlichen Leiden spiegelt Bushs Reaktion die gefühllose Gleichgültigkeit wider, die die gesamte Politik seiner Regierung kennzeichnet. Das Weiße Haus verpulvert zwar Monat für Monat fast sechs Milliarden Dollar, um die irakische Bevölkerung zu unterdrücken und die Kontrolle über die Ölressourcen des Landes zu erlangen, hat aber kein Interesse daran, die notwendigen Mittel für die Überwindung der Katastrophe in Louisiana bereitzustellen.

New Orleans versinkt: In einigen Teilen der Stadt erreicht der Wasserstand eine Höhe von 5 bis 7 Metern. Fast das gesamte Stadtzentrum, in dem noch bis vor kurzem über eine Million Menschen lebten, steht unter Wasser. Die von dem Hurrikan aufgepeitschten Sturmfluten haben das unzureichende System von Deichen und Pumpen überwältigt.

Am 31. August warnte der Bürgermeister der Stadt, dass die Zahl der Toten in die Tausende gehen könne. Hunderte kamen in den Bundesstaaten Mississippi und Alabama ums Leben. Und Zehntausende sind in New Orleans auch weiterhin von den Wassermassen in Häusern, Wohnblöcken und Krankenhäusern eingeschlossen.

Zehntausende Häuser wurden zerstört oder so stark beschädigt, dass sie nicht mehr saniert werden können. Eine Million Menschen wurden zu Flüchtlingen, denen eine Rückkehr für Wochen und Monate, wenn nicht für immer versperrt bleiben wird. Diese Menschen verfügen über kein Einkommen.

New Orleans ist eine überflutete Ebene, die jetzt wieder dem Zustand vor ihrer Besiedlung 1718 ähnelt. Die in New Orleans erscheinende Times-Picayune schrieb am 31. August, dass "das einzig trocken gebliebene Land aus einem schmalen Streifen im Französischen Bezirk und Teilen der Oberstadt besteht - der gleiche Streifen, der von [Jean-Babtiste Le Moyne] Bienville mitten in den Sümpfen besiedelt wurde... Angesichts der geschlossenen Wasseroberfläche, die vom See bis zum Französischen Bezirk reicht, haben wir es mit der Überflutung und Entvölkerung einer ganzen amerikanischen Stadt zu tun."

Die Überwindung dieser Katastrophe macht den Einsatz von mehreren Dutzend Milliarden Dollar für Rettungsmaßnahmen, Krankenversorgung, die Bereitstellung von Wohnraum und Lebensmitteln für die, die ihr Haus und Hab und Gut verloren haben, und die Mammutaufgabe des Wiederaufbaus nötig. Die Menschen, die - ja nicht durch ihr eigenes Verschulden - ihre Angehörigen, Häuser, Arbeitsplätze und ihr lebenslang erworbenes Eigentum verloren haben, müssen entschädigt werden.

Der extreme Mangel an Vorbereitung auf den Hurrikan und das völlig ungenügende Deichsystem der Stadt sind eine Anklage an das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem - den Kapitalismus -, das alle menschlichen Bedürfnisse den Profiterfordernissen der Konzerne und Banken und der persönlichen Anhäufung von Reichtum unterordnet. Diese archaischen und reaktionären Wirtschaftsprinzipien, die New Orleans schutzlos gemacht haben - und die von Bush ungeachtet der Konsequenzen für die Menschen verteidigt werden -, dürfen nicht auch die Bewältigung der Katastrophe diktieren.

Die arbeitenden Menschen müssen die Organisation eines umfangreichen nationalen Hilfsprogramms fordern, dem alle notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die zerstörten Gebiete wiederaufzubauen und den Überlebenden ihre früheren Bedingungen zurückzugeben. Diejenigen, die jetzt zu Flüchtlingen geworden sind, brauchen Geld für Unterkunft, Lebensmittel und andere notwendige Dinge, bis sie zurückkehren können und ihre Lebensverhältnisse abgesichert sind.

Menschen, die ihre Häuser und ihr Eigentum verloren haben, müssen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden, um umzuziehen oder ein neues Haus zu bauen, und - so weit dies überhaupt möglich ist - vollständig für die Folgen der Katastrophe entschädigt werden.

Der Wiederaufbau von New Orleans wird eine enorme Aufgabe sein. Aber es ist eine Aufgabe, die gelöst werden kann und muss. Es müssen nicht nur die Häuser und Gebäude wiedererrichtet werden, sondern auch ein neues und viel besseres Deichsystem geschaffen und ernsthafte Anstrengungen für eine längerfristige Abwehr von Hurrikan-Gefahren unternommen werden.

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