Slowenische Regierung unterstützt Vertreibung von Roma

Seit mehreren Wochen eskalieren in Slowenien Proteste und Ausschreitungen gegen Roma. Mehrere Menschen wurden verletzt, als eine rechte "Bürgerwehr" die Rückkehr einer Romafamilie in das unterkrainer Dorf Ambrus mittels Straßensperren verhinderte.

Vor einem Monat war die Familie Strojan von Nachbarn mit Gewalt von ihrem Grundstück und aus dem Dorf vertrieben worden. Ein aufgebrachter Mob von über hundert Dorfbewohnern hatte Ende Oktober die Roma-Siedlung am Rande von Ambrus gestürmt. Sie beschimpften und bedrohten die Roma und drohten, ihre Kinder zu ermorden, sollten sie nicht sofort das Dorf verlassen. Die 35 Bewohner der Siedlung, darunter 14 Kinder, mussten um ihr Leben fürchten. Erst nachdem die Roma in den angrenzenden Wald geflohen waren und ein Haus der Roma angezündet worden war, schritt die Polizei ein und verhinderte Schlimmeres.

Die Lage war derart angespannt, dass Innenminister Dragutin Mate persönlich vor Ort erschien. Doch anstatt die Rechte der Romafamilie zu garantieren, beugten sich die Regierungsvertreter nach nächtlichen Gesprächen dem Willen der Dorfbewohner. Die Roma wurden gezwungen, ihre rechtmäßig erworbenen Grundstücke zu verlassen. Sie wurden in ein Ausländerheim im 90 Kilometer entfernten Postojna verfrachtet, mit dem vagen Versprechen, in den nächsten Wochen würde eine angemessene Bleibe für die Familien gefunden. Weil dies bislang noch immer nicht geschehen ist, musste Milan Zver, Chef der Regierungskommission zum Schutz der Roma, von seinem Amt zurücktreten.

Die slowenischen Staatsbürger wurden gezwungen, unter entwürdigenden Umständen in dem völlig herunter gekommenen Heim zu wohnen, das 1992 notdürftig eingerichtet worden war und in dem in den 90er Jahren vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge gelebt hatten. Es gibt dort heute nicht einmal eine funktionierende Heizung und Warmwasser.

Mittlerweile sind mehrere Versuche, die Familie Strojan unterzubringen, am Widerstand der lokalen Bevölkerung gescheitert. An mehreren Orten haben sich "Bürgerwehren" nach dem Vorbild von Ambrus gebildet, vor allem in ländlichen Gebieten. Aber auch in Sostro, einem Stadtteil der Hauptstadt Ljublijana, hinderten einige Duzend Menschen die Roma am Bezug eines Gründstücks, das die Behörden für sie ausgesucht hatten. Diese "Bürgerwehren bestehen meist aus rechtsradikalen Jugendlichen und aus arbeitslosen und verarmten Anwohnern, die die Roma für ihre eigene prekäre Lage verantwortlich machen.

Die Ereignisse lösten empörte Reakionen von Menschenrechtsaktivisten und Roma-Vertretern aus. Der slowenische Volksanwalt Matjaz Hanzek, der den Europarat in Kenntnis setzte, nannte die Vorgänge das "Ende des Rechtstaats". Der Europarat schickte zwar seinen Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg nach Slowenien, doch außer einer sehr oberflächlichen Kritik gab es von europäischer Seite keinen Versuch, die slowenische Regierung zum Umdenken zu bewegen.

Die Vertreibung der Roma-Gruppe war nicht nur ein eindeutiger Verstoß gegen die slowenische Verfassung und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, sie legte auch den Charakter der rechts-konservativen Regierung in Ljublijana offen. Diese hat nicht nur den Forderungen kleiner rechter Gruppen nachgegeben, sondern obendrein noch den Opfern die Schuld dafür zugeschoben.

Umweltminister Janez Podobnik erklärte, die Roma hätten den Konflikt selbst heraufbeschworen, weil sie angeblich eine nahe gelegene Wasserquelle verschmutzt hätten. Premierminister Janez Jansa unterstützte die Vertreibung vorbehaltlos. Bereits vor zwei Jahren hatte er als Oppositionsführer in Ambrus eine "Lösung" des "Problems" versprochen. Kritiker an der rassistischen Politik der Regierung, wie Volksanwalt Hanzek, bezeichnete Jansa als "Nestbeschmutzer".

An Zynismus kaum zu überbieten war die Anmerkung des Romabeauftragten Zver, die Familie fände in dem Ausländerheim ohnehin bessere Lebensbedingungen vor als in ihrer Siedlung. Er schreckte nicht einmal davor zurück, vor diesem Hintergrund die slowenische Romapolitik als "vorbildlich" zu bezeichnen.

Tatsächlich sind die Lebensumstände der Roma im Land katastrophal. Die Arbeitslosigkeit unter den Roma liegt bei etwa 80 Prozent. Kinder und Jugendliche sind meist jeder Zukunftsperspektive beraubt. Wie aus dem Jahresbericht von Amnesty International von 2006 hervorgeht, wurden Romakinder gezielt aus dem Bildungssystem ausgeschlossen. Die Behörden haben die Einrichtung von "Roma-Klassen" gefördert, an denen nur stark eingeschränkter Unterricht stattfand. Aufgrund behördlicher Schikanen sind rund 70 Prozent der Roma-Siedlungen noch nicht offiziell registriert. Häufig müssen die Bewohner ohne fließendes Wasser und Kanalisation auskommen.

Politische Hintergründe

Während die slowenische Bevölkerung den empörenden Umgang mit dieser systematisch unterdrückten Minderheit mehrheitlich ablehnt, stützt sich die Mitte-Rechts-Regierung in Ljublijana immer stärker auf die rechtesten und verkommensten Schichten.

Premierminister Jansa und seine Slowenische Demokratische Partei (SDS) regieren seit Ende 2004 in einer Koalition mit der konservativen Volkspartei (SLS) und der rechts-konservativen Partei Neues Slowenien (NSI). Sie haben die bis dahin regierenden Liberal- und Sozialdemokraten abgelöst, die sich durch ihre marktradikale Politik diskreditiert hatten.

Jansas Dreierkoalition verfügt allerdings über keine sichere Mehrheit im Parlament. Um ihre Projekte durchzusetzen, stützt sie sich auf die Pensionistenpartei DeSus. Da diese aber sehr empfindlich auf die von der SDS begonnen wirtschaftsfreundlichen Reformen - vor allem im Rentenbereich - reagiert, sieht sich die Regierungskoalition immer mehr dazu veranlasst, mit der faschistischen Slowenischen Nationalpartei (SNS) zusammenzuarbeiten.

Die SNS um ihren Vorsitzenden Zmago Jelincic vertritt recht offen eine ultra-nationalistische und rassistische Politik. Sie erhebt Gebietsansprüche an Kroatien und Italien und verbindet ihre soziale Demagogie mit ständigen Kampagnen gegen die Minderheiten im Land.

Verschiedene Gesetzesvorhaben, wie beispielsweise ein Anti-Korruptionsgesetz, wurden mit Hilfe der SNS verabschiedet. Im Gegenzug fordert die SNS eine harte Haltung in der Ausländer- und Minderheitenfrage. Zukünftig könnte die Zusammenarbeit der Regierung mit Jelincics Partei noch weiter gehen, da die Mitte-Rechts-Regierung in der Mitte der Legislaturperiode in einer ausgewachsenen Krise steckt.

Die Regierung Jansa genießt kaum noch Unterstützung in der Bevölkerung. Ihre radikale Reformpolitik im Interesse der europäischen Wirtschaft stößt auf breite Ablehnung. Im vergangenen Jahr führten die Pläne der Regierung, den Sozialstaat auszuhöhlen, zur größten Demonstration in Slowenien seit der Unabhängigkeit. Doch Jansa setzte seine Politik unbeirrt fort.

Um die Einführung des Euro im Januar 2007 sicherzustellen, verschärfte Jansa den Sparkurs seiner Vorgänger. Experten sagen vorher, dass die Einführung der europäischen Währung mit enormen Preissteigerungen verbunden sein wird. In Zusammenhang mit den stagnierenden Löhnen und dem ohnehin hohen Preisniveau im Lande, wird der Beitritt zur Euro-Zone für die Bevölkerung gravierende soziale Folgen haben. Durch mehrere Änderungen im Steuerrecht wurden die Lasten weiter von oben nach unten verschoben. Während für Unternehmen und hohe Einkommen ansehnliche Steuererleichterungen vereinbart wurden, werden die Bezieher mittlerer und kleiner Einkommen stärker belastet.

Derzeit arbeitet die Regierung noch an weiteren Reformen. Jansa erklärte vor kurzem, seine Regierung habe bislang etwa 60 Prozent der Reformvorhaben umgesetzt, der Rest werde folgen. Massive Eingriffe ins Arbeitsrecht sollen den Kündigungsschutz aufweichen und die Arbeitszeit verlängern. Dabei arbeiten auch die Gewerkschaften eng mit der rechten Regierung zusammen. Gleichzeitig treibt Jansa die Privatisierung voran. Schrittweise werden beispielsweise die Telekom Slovenija, die NKBM-Bank und staatliche Stromkonzerne an private Investoren verkauft.

In den Kommunalwahlen vom vergangenen Monat erhielt die Regierung für diese Politik die Quittung. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent mussten die Regierungsparteien deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Aber auch die großen Oppositionsparteien, die Liberal- und die Sozialdemokraten, konnten den Unmut über die Regierungspolitik nicht für sich nutzen. Die beiden größten Städte des Landes werden nun von unabhängigen Kandidaten regiert.

In der Hauptstadt erreichte die bisherige sozialdemokratische Amtsinhaberin nur noch rund 7 Prozent der Stimmen. Bürgermeister von Ljublijana wird Zoran Jankovic, ehemaliger Chef des Handelskonzerns Mercator. Auch in Maribor setzte sich ein Unabhängiger gegen die Kandidaten der etablierten Parteien durch.

Die Wahlniederlage verschärfte die Krise in der ohnehin brüchigen Regierungskoalition. Jansa ließ den bisherigen Sozialminister Janez Drobnic vom Parlament abberufen. Drobnics Posten wird zwar wieder durch eine Vertreterin der rechts-konservativen NSI besetzt, doch galt seine Abberufung durch Jansa als Provokation, da Drobnic gleichzeitig Vize-Vorsitzender der NSI ist.

Jansa versuchte durch diese Aktion offenbar, die NSI in ihre Schranken zu weisen, da sie die Regierungspolitik bereits mehrmals torpediert hatte. Und in der NSI macht sich die begründete Befürchtung breit, dass die Partei die nächsten Wahlen nicht überleben wird, falls sie weiter mit der unsozialen Politik der Regierung identifiziert wird.

Jansa hat keinerlei Skrupel, sich auf der Suche nach Mehrheiten der extremen Rechten anzunähern. Anfang der 90er Jahre wurde der frühere kommunistische Jugendfunktionär Verteidigungsminister unter Milan Kucan, dem ehemaligen Sekretär der slowenischen Kommunistischen Partei. Auf der Basis eines slowenischen Chauvinismus organisierte er die Bürgerwehren, die sich im so genannten Zehntagekrieg den jugoslawischen Truppen entgegenstellten. 1993 übernahm Jansa die Führung der damals noch sozialdemokratische SDS und setzte mit seinen nationalistischen und antikommunistischen Positionen einen scharfen Rechtsruck durch.

Bei allen Besonderheiten, die diese rechte politische Elite aufweist, ist die Diskriminierung von Minderheiten kein slowenisches Phänomen. In beinahe allen Ländern Osteuropas und des Balkans sehen sich gerade die Roma immer stärkeren Angriffen ausgesetzt. Im tschechischen Ostmähren beispielsweise hat Bürgermeister Jiri Cunek 330 Roma aus der Stadt Vsetin ausgesiedelt. Im Fernsehen verteidigte er seine Initiative mit den Worten: "Ich entferne doch nur ein Geschwür, das machen die Ärzte doch auch". Cunek ist Senator der tschechischen Christdemokraten (KDU-CSL) und bewirbt sich derzeit um den Parteivorsitz.

Siehe auch:
Slowenien: Protest gegen Reformkurs der Regierung
(9. Dezember 2005)
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