Die NPD zieht in den Schweriner Landtag ein

Die rechtsextreme NPD hat die Ernte eingefahren, die SPD und Linkspartei.PDS mit ihrer rechten Politik gesät haben. Die NPD, die offen an nationalsozialistische Traditionen anknüpft, zog am vergangenen Sonntag mit sechs Abgeordneten in den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns ein. In Berlin gelang ihr der Einzug in vier von zwölf Bezirksvertretungen.

In Mecklenburg-Vorpommern erhielt die NPD fast 60.000 Stimmen. Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung von 58 Prozent entspricht das 7,3 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen erreichte sie 2,6 Prozent - 4 Prozent im Osten und 1,6 Prozent im Westen der Stadt. Sie ist damit nicht im Landesparlament vertreten, zog aber in mehrere Bezirksvertretungen ein, wo keine Fünf-, sondern lediglich eine Drei-Prozent-Hürde existiert.

Insbesondere in strukturschwachen, von Massenarbeitslosigkeit betroffenen Regionen Vorpommerns erzielte die NPD Erfolge. In den Wahlkreisen Ostvorpommern I und II erreichte sie 12,2 und 11,5 Prozent (hier sitzen bereits seit zwei Jahren zwei NPD-Mitglieder im Kreistag), in Uecker-Randow I und II sogar 15 und 13 Prozent. In den städtischen Wahlkreisen von Rostock und Schwerin lag sie dagegen zwischen 3,8 und 6,7 Prozent.

Während Mecklenburg-Vorpommern als ganzes mit 18,2 Prozent die höchste Arbeitslosenquote unter den Bundesländern für sich reklamiert, erreicht diese Quote im Landkreis Uecker-Randow mit 26,6 Prozent den höchsten Wert in ganz Deutschland. Das Gebiet des Landkreises ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt und liegt an der polnischen Grenze.

In Ostvorpommern und Uecker-Randow gibt es Gebiete, in denen fast jeder Zweite ohne Arbeit ist, so zum Beispiel im Dorf Postlow in Ostvorpommern. Die 500-Seelen-Gemeinde nahe Anklam hatte am Wahlsonntag prozentual die meisten NPD-Wähler, 38 Prozent. Eine Plattenbausiedlung im Osten Ueckermündes am Stettiner Haff kam auf 35,2 Prozent.

Eine erste Analyse des Meinungsforschungsinstituts Infratest-dimap zeigt, dass die NPD vor allem bei jungen Wählern punkten konnte. In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen votierten 15 Prozent für die Neofaschisten. Unter den 25- bis 34-Jährigen waren es immer noch zwölf Prozent. Nach sozialen Gesichtspunkten unterteilt erhielt die NPD den höchsten Stimmenanteil bei Arbeitslosen, 15 Prozent.

In Berlin kandidierte die NPD in fünf Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit und Armut. In vieren gelang ihr der Einzug in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) - in Neukölln (3,9 Prozent), Treptow-Köpenick (5,3), Lichtenberg (6,0) und Marzahn-Hellersdorf (6,4). In Tempelhof-Schöneberg scheiterte sie mit 2,1 Prozent. In Marzahn-Hellersdorf - zum großen Teil durch Plattenbausiedlungen geprägt - erzielte die NPD mit 5,4 Prozent auch ihr bestes Stimmenergebnis bei der Abgeordnetenhauswahl.

Die NPD hatte sich mit den ebenfalls rechtsextremen Republikanern (Reps) die Bezirke aufgeteilt. Diese kandidierten in den verbleibenden sieben Bezirken, zogen aber nur in Pankow ins Bezirksparlament ein.

Warum wächst die NPD?

Vor allem zwei Faktoren sind für das Anwachsen der NPD verantwortlich.

Der erste ist soziale Verzweiflung, gepaart mit Empörung über die Arroganz, die Abgehobenheit und die Doppelzüngigkeit der etablierten Parteien - insbesondere jener, die vorgeben, die Interessen der Benachteiligten zu vertreten.

Sowohl in Schwerin wie in Berlin hatten vor der Wahl rot-rote Koalitionen aus SPD und Linkspartei.PDS regiert. Beide erlitten empfindliche Verluste. In Berlin verlor die Linkspartei.PDS die Hälfte ihrer Wähler, in Mecklenburg-Vorpommern büßte die SPD einen Stimmenanteil von 10 Prozent ein. Beide haben ihren Anspruch, die sozial Schwachen zu vertreten, in der Regierung gründlich verspielt.

In Schwerin setzte Arbeitsminister Helmut Holter von der Linkspartei.PDS die Hartz-Gesetze in die Praxis um, gegen die seine eigene Partei öffentlich protestierte. In Berlin spielte sein Parteifreund Harald Wolf als Wirtschaftsminister eine führende Rolle bei den Sozialkürzungen und beim Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst.

In Mecklenburg-Vorpommern trat Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) mit der Parole an: "Den Erfolg fortsetzen." Die 160.000 Arbeitslosen des Landes werden dies anders gesehen haben. In Berlin konnte die von den Sozialkürzungen betroffene Bevölkerung mitverfolgen, wie eine kleine Schicht in Reichtum schwelgt und feiert - unter ihnen nicht selten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

In Berlin setzte die Linkspartei.PDS dieser Dreistigkeit die Krone auf. Sie gab für den Wahlkampf eine kleine rote Broschüre heraus, in der sie erklärt, warum sie in den letzten fünf Jahren "das ganze Sparen in Berlin mitgemacht" und "zulasten der Schwachen und Armen in der Stadt" gespart habe. An einer Stelle wird gefragt: "Auf der Straße protestiert die Linkspartei.PDS gegen Hartz IV, im Senat setzt sie es um. Ist das kein Widerspruch?" Der erste Satz der Antwort lautet: "Nein, das ist vernünftig."

Das ist die Hefe, auf der die rechte Brut gedeiht. SPD und Linkspartei.PDS sind sowohl für die soziale Katastrophe als auch für die politische Verwirrung verantwortlich, die ihre Politik hervorgerufen hat. Sie stellen selbst die unsozialsten Maßnahmen noch als "linke Politik" dar. In diesen trüben Wassern fischt dann die NPD, indem sie Ohnmacht, Verzweiflung, Minderwertigkeitsgefühle, Wut und Hass deklassierter Bevölkerungsschichten ausnutzt.

In Mecklenburg-Vorpommern gewann die NPD etwa ein Viertel ihrer Wähler direkt aus dem Lager von SPD und Linke-PDS, ein weiteres Viertel stammte von der CDU, ein Viertel waren frühere Nichtwähler und der Rest stammte von kleineren Parteien.

Der zweite Faktor, der den Rechtsextremen zugute kommt, ist die Sanktionierung ausländerfeindlicher Parolen durch die offizielle Politik. Die Hetze gegen Moslems - von der Regensburger Papstrede bis zu Debatte der Innenminister über die Aufnahme der Religionszugehörigkeit in die Anti-Terror-Datei - ist Wasser auf die Mühlen der Neonazis. Ebenso die Propagierung einer "deutschen Leitkultur" durch die Union sowie die Diskriminierung von Asylbewerbern und Immigranten, die von Union und SPD gleichermaßen betrieben wird.

Wie fließend der Übergang von der CDU zur extremen Rechten ist, zeigt die Kampagne gegen den Bau einer Moschee im Ostberliner Bezirk Pankow, die sowohl von der NPD wie vom CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger unterstützt wurde. Der örtliche CDU-Chef Karl Henning, der den Bau befürwortete, trat aus Protest gegen Pflügers Haltung sogar aus der Partei aus. Erst als eine weitere CDU-Lokalgröße, Bernhard Lasinski, Seite an Seite mit Neonazis und Skinheads durch die Straßen marschierte, musste sich Pflüger distanzieren und den Parteiausschluss Lasinkis fordern.

Die Methoden der NPD

Hatten die Rechtsextremen früher vor allem Proteststimmen angezogen, sind sie heute insbesondere auf dem Land zum Teil in der Gesellschaft verankert.

1988 hatte die Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Verlegers und Multimillionärs Gerhard Frey in Sachsen-Anhalt überraschend 13 Prozent der Stimmen gewonnen, ohne über eine regionale Organisation zu verfügen. Bei der nächsten Wahl verschwand die DVU dann wieder von der Bildfläche. Die NPD verfügt zwar im Mecklenburg-Vorpommern auch nur über 200 Mitglieder, aber diese leben dort und verfügen über gesellschaftliche Kontakte.

Hintergrundreportagen sprechen übereinstimmend davon, dass die NPD "in die Mitte der Gesellschaft" vorgedrungen sei. Gemeint ist damit, dass sie als respektierte Bürger in ihren Dörfern leben. So betreibt der NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs im Ort Lübtheen einen Uhren- und Schmuckladen. Auch Taxiunternehmer sind in der Partei vertreten.

Die NPD besucht Stammtische, beteiligt sich an Bürgerinitiativen, organisiert Kaffee-Nachmittage und gibt sich ordentlich und familienfreundlich. Dabei knüpft sie unverkennbar an die völkischen Ideale der Nazis an. Ihr Frauen- und Familienbild demonstrierte Pastörs Rede am Wahlabend. Er lobte, "dass mich meine Frau so hervorragend bekocht hat, dass sie meine Wäsche gewaschen hat, dass sie mir geholfen hat, die Kraft aufzubringen, dass ich diesen Wahlkampf überstanden habe".

In einigen verwahrlosten Landstrichen ließen sich die Regierungsparteien überhaupt nicht blicken und überließen das Feld der NPD, deren Wahlpropaganda das Bild beherrschte.

In ihrer Wahlpropaganda stellte die NPD soziale Fragen in den Mittelpunkt und gab sich - ganz im Stile des Strasser-Flügels der NSDAP - als antikapitalistische Bewegung. Sie stellte sich als Partei dar, die sich um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung kümmert.

Die "Grundlage für eine sozial gerechte Ordnung" sei beseitigt worden, heißt es in einem Aufruf. "Täter sind die Systemparteien und das Medienkartell als Handlanger des Großkapitals." Sie seien dabei, "aus maßlosem Profit-Streben", die bestehende Ordnung zu zerstören, und hätten damit das politische und wirtschaftliche System der BRD und der EU selbst in Frage gestellt.

Das Pamphlet vermischt sozialen Protest und Fremdenhass. "Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Industrieflucht, soziale Entwurzelung, Überfremdung, Gewalt und Bildungsnotstand sind nur einige Schlagworte für die Situation unserer Stadt." Einen zentralen Platz nimmt auch die Forderung nach der Revision der deutsch-polnischen Grenze und der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 ein.

Während sich die NPD auf der einen Seite bürgernah und familienfreundlich gab, setzte sie auf der anderen gezielt auf Einschüchterung durch Schlägerbanden. Die NPD, deren Funktionäre meist aus Westdeutschland stammen, hat sich in den letzten Jahren mit den örtlichen Neonazi-Gruppen, den so genannten "Freien Kameradschaften" verbunden, unter denen sich auch zahlreiche vorbestrafte Schläger befinden. Sie traten im Wahlkampf gewalttätig gegen andere Parteien auf.

Mitglieder von SPD, Linkspartei.PDS und selbst CDU wurden an Wahlinformationsständen auf den Straßen Berlins und Mecklenburg-Vorpommerns massiv bedroht, teilweise auch angegriffen.

Eine Woche vor der Wahl zog ein Rechter die Leiter unter einem Plakatierer der Linkspartei.PDS weg, der eine Werbetafel anbringen wollte. Der junge Mann stürzte und verletzte sich dabei an der Wirbelsäule. In der Nacht zuvor hatten Rechtsextremisten zwei Wahlhelfer der SPD überfallen, einer von ihnen wurde krankenhausreif geschlagen.

Schlägertrupps der NPD sprengten auch in SA-Manier Versammlungen anderer Parteien und wurden selbst am Wahlabend gegenüber Journalisten und Gegendemonstranten gewalttätig.

Ruf nach dem starken Staat

Die etablierten Parteien reagierten auf das Erstarken der NPD mit dem Ruf nach dem starken Staat.

Der grüne Innenpolitiker Volker Beck sagte, der NPD müsse "durch konsequentes polizeiliches und staatsanwaltliches Vorgehen aktiv" entgegengewirkt werden. Beck forderte: "Dies muss mit einer intensivierten Beobachtung der NPD und der rechtsextremen Szene einhergehen." Dies setze voraus, dass die Verfassungsschutzämter der Länder und das Bundesamt für Verfassungsschutz ihren Informationsaustausch verbessern.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte ein härteres Durchgreifen der Polizei und ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD. 2002 war ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil die Führungsebene der NPD so massiv mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war, dass drei Verfassungsrichter zum Schluss gelangten, sie sei eine "Veranstaltung des Staates".

Schon während des Wahlkampfs hatten die Behörden auf das Auftreten der NPD reagiert, indem sie die demokratischen Rechte aller Parteien beschnitten. Nachdem die NPD in Berlin Wahlveranstaltungen in öffentlichen Räumen durchgeführt hatte, wurde sämtlichen Parteien die Nutzung solcher Räume verwehrt. Dies, lautete die Begründung, sei die einzige Möglichkeit, die offiziell zur Wahl zugelassene NPD rauszuhalten. Den Anfang machte dabei das von der Linkspartei.PDS geführte Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Auch die "Einheit aller Demokraten", die nun wieder allenthalben beschworen wird, bedeutet in der Praxis, dass die etablierten Parteien noch enger zusammenrücken und jede politische Auseinandersetzung dieser "Einheit" opfern. In Frankreich hatten vor vier Jahren sämtliche Parteien, bis hin zur äußersten Linken, mit diesem Argument zur Unterstützung des Gaullisten Jacques Chirac bei der Präsidentenwahl aufgerufen. Chiracs Herausforderer war damals der Faschist Jean-Marie Le Pen. Chiracs seitherige Politik hat Le Pen weiter gestärkt.

Die Aufrüstung des Staatsapparats und das Zusammenrücken der etablierten Parteien fördern letztlich die Bedingungen, unter denen die braunen Demagogen Einfluss gewinnen können. Nur eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, die die Verteidigung von demokratischen und sozialen Rechten mit einem internationalen, sozialistischen Programm verbindet, kann dem braunen Spuk Einhalt gebieten.

Siehe auch:
Berliner Bezirksämter behindern den Wahlkampf der kleinen Parteien
(12. September 2006)
Loading