20 Jahre seit dem Tod von Keerthi Balasuriya

Erster Teil

Mit tiefem Respekt und anhaltender Trauer begeht das Internationale Komitee der Vierten Internationale den 20. Jahrestag des plötzlichen und viel zu frühen Tods von Keerthi Balasuriya. Selbst nach so vielen Jahren empfinden alle, die Genossen Keerthi gekannt und mit ihm gearbeitet haben, schmerzlich seinen politischen und persönlichen Verlust.

Er starb am Morgen des 18. Dezembers 1987 während der Arbeit im Büro der srilankischen Revolutionary Communist League (Vorgängerin der Socialist Equality Party) ohne jede Vorwarnung. Weniger als einen Monat zuvor war er aus Europa zurückgekehrt, wo er an einem Treffen des Internationalen Komitees teilgenommen hatte. Keerthi saß an seinem Schreibtisch und schrieb an einer Erklärung zu den politischen Lehren der Spaltung im Internationalen Komitee von 1985-86, als er einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Er war erst 39 Jahre alt. Genosse Keerthi stünde jetzt, wäre er noch am Leben, erst kurz vor seinem 60. Geburtstag.

Aber obwohl er viel zu früh gestorben ist, hat Genosse Keerthi ein bedeutendes und dauerhaftes politisches Erbe hinterlassen, das zu den wesentlichen Grundlagen der trotzkistischen Weltbewegung gehört.

Ungeachtet der enormen politischen und ökonomischen Veränderungen der letzten zwei Jahrzehnte sind die Fragen und Probleme, mit denen Keerthi sich auseinandergesetzt hat, heute ebenso dringend und relevant wie zur Zeit seines Todes.

Keerthi wurde am 4. November 1948 geboren. Ein Jahr davor hatten Indien und Ceylon (wie Sri Lanka bis 1972 genannt wurde) auf der Grundlage übler Vereinbarungen zwischen dem britischen Imperialismus und den nationalen Bourgeoisien des Subkontinents die Unabhängigkeit erlangt. Die Abmachungen, die damals zwischen der nationalen Bourgeoisie Indiens und Ceylons und dem Imperialismus erzielt wurden, haben in mehrfacher Hinsicht die Voraussetzung für sämtliche politischen Tragödien geschaffen, die sich in den nächsten sechs Jahrzehnten ereignen sollten.

Diese Abmachungen machten deutlich, dass die nationale Bourgeoisie Indiens und Ceylons die soziale Revolution weit mehr fürchtete, als dass sie wirkliche Unabhängigkeit wollte. Gandhi und Nehru akzeptierten die Teilung Indiens auf religiöser Grundlage. Dieser Verrat an den demokratischen und sozialen Bestrebungen der Massen hat Millionen das Leben gekostet, den Subkontinent immer wieder in Kriege gestürzt und die Kontrolle des Imperialismus über die Region gefestigt. In Ceylon bereitete die von der Bourgeoisie gestaltete "Unabhängigkeit" den Boden für die systematische Diskriminierung der tamilischen Minderheit und für den zukünftigen Bürgerkrieg.

Der Verrat des Unabhängigkeitskampfs durch die nationale Bourgeoisie bestätigte die zentralen Lehren von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution. Diese Theorie besagt, dass die historisch fortschrittlichen Aufgaben des demokratischen, antiimperialistischen Kampfs nur durch die Machteroberung der Arbeiterklasse gelöst werden können, die von einer marxistischen Partei angeführt wird und sich auf ein internationalistisches, sozialistisches Programm stützt.

Die Führer der ceylonesischen trotzkistischen Bewegung beriefen sich nach der formellen Übergabe der Macht an die indische und ceylonesische Bourgeoisie auf die Theorie der permanenten Revolution und verurteilten die Bedingungen, unter denen die Unabhängigkeit zustande gekommen war. In Verlauf des nächsten Jahrzehnts bewegte sich die Lanka Sama Samaja Party (LSSP), die trotzkistische Partei, jedoch kontinuierlich nach rechts.

Dieser Prozess war eine Reaktion auf den Druck des nationalen Milieus, das eine opportunistische Anpassung beim Streben nach parlamentarischen Erfolgen begünstigte. Ein entscheidender Faktor bei der Degeneration der LSSP war aber auch das Anwachsen revisionistischer Tendenzen innerhalb der Vierten Internationale. Unter Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel haben diese Tendenzen die opportunistische Orientierung der LSSP systematisch gedeckt und sogar ermutigt.

Die lange politische Degeneration erreichte 1964 ihren Höhepunkt, als die LSSP sich bereit erklärte, in die krisengeschüttelte bürgerliche Regierung von Frau Bandaranaike einzutreten. Die LSSP verfügte zu dieser Zeit immer noch über Massenunterstützung in der Arbeiterklasse. Der Regierungseintritt kennzeichnete einen Wendepunkt in der Geschichte Ceylons und der Vierten Internationale. Im Fall der letzteren entlarvte der Eintritt der LSSP in eine reaktionäre politische Koalition mit der Bourgeoisie den konterrevolutionären Charakter des pablistischen Revisionismus. Was Ceylon betrifft, so setzte die Bildung dieser Koalition einen Prozess in Gang, der im Zeitraum von weniger als 20 Jahren unaufhaltsam zum Ausbruch des Bürgerkriegs führte.

Keerthi Balasuriyas politische Ausbildung bestand vor allen Dingen darin, sich die politischen Lehren dieser Erfahrungen anzueignen. Das Internationale Komitee spielte in diesem Prozess die entscheidende Rolle. Hervorgegangen aus dem politischen Kampf gegen Pablo und Mandel, der 1953 in der Vierten Internationale entbrannt war, hatte das Internationale Komitee die Entwicklungen in Ceylon verfolgt und auf den zunehmend opportunistischen Kurs der LSSP aufmerksam gemacht.

Nach dem Eintritt der LSSP in die Koalition begannen die britischen Trotzkisten unter der Führung von Gerry Healy eine politische Offensive gegen die LSSP, die bei den besten Teilen der trotzkistischen studentischen Jugend in Ceylon Resonanz fand. Der politische Klärungsprozess, die sich über mehrere Jahre hinzog, führte 1968 zur Gründung der Revolutionary Communist League. Keerthi wurde zu ihrem Generalsekretär gewählt

Es dauerte nicht lange, bis die RCL und Genosse Keerthi einer größeren politischen Prüfung unterzogen wurden. Der Verrat der LSSP schwächte die Arbeiterbewegung, trug dazu bei, die Arbeiter von den Bauern zu spalten, verursachte enorme politische Verwirrung und schuf ein Klima, das den maoistischen Einfluss unter bedeutenden Teilen der bäuerlichen und studentischen Jugend anwachsen ließ. Das führte zur Gründung und zum schnellen Anwachsen der JVP (Janatha Vimukthi Peramuna - Volksbefreiungsfront).

Diese Organisation legte einen grimmigen Anti-Imperialismus an den Tag. Es erforderte politischen Mut und marxistischen Scharfblick, um die kleinbürgerliche und reaktionäre politische Perspektive zu erkennen und zu entlarven, die sich hinter der revolutionären Rhetorik der JVP verbarg.

1970 schrieb Keerthi Der Klassencharakter und die Politik der JVP. Das Buch wies den kleinbürgerlichen und antimarxistischen Charakter dieser Organisation nach. Ihr Führer Wijeweera drohte, Keerthi aufzuhängen, wenn die JVP an die Macht käme

Aber 1971 setzte die Koalitionsregierung eine grausame Unterdrückungswelle gegen die JVP und ihre Anhänger unter der bäuerlichen Jugend in Gang. Ungeachtet ihrer unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten mit der JVP startete die RCL eine Kampagne gegen die Unterdrückungsmaßnahmen der Regierung. Sogar die JVP war gezwungen, den prinzipienfesten Charakter der RCL-Politik anzuerkennen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, ging Wijeweera persönlich zum Büro der RCL, um seine Anerkennung für die Kampagne der Partei auszudrücken. (Das hat die JVP nicht davon abgehalten in den 1980er Jahren Kader der RCL anzugreifen.)

Ein noch bedeutsameres Zeugnis von Keerthis politischer Festigkeit und Charakterstärke war seine Kritik an der Haltung der britischen Trotzkisten der Socialist Labour League, als diese die Entscheidung der indischen Premierministerin Indira Ghandi unterstützten, Truppen zur angeblichen Unterstützung der bengalischen Befreiungsbewegung nach Ostpakistan zu schicken. In einer Erklärung aus der Feder von Michael Banda von der SLL (Vorläuferin der Workers Revolutionary Party), die am 6. Dezember 1971 veröffentlicht wurde, hieß es: "Wir geben der Entscheidung der bürgerlichen Regierung Indiens, Bangladesh militärische und wirtschaftliche Hilfe zu gewähren, unsere kritische Unterstützung."

Die Haltung der RCL war der Haltung der SLL diametral entgegengesetzt. Eine Erklärung der RCL, die am 8. Dezember 1971 veröffentlicht wurde, sagte dazu: "Die trotzkistische Bewegung, die die revolutionären Interessen des Proletariats repräsentiert, definiert ihre Stellung zu all diesen Bewegungen, Kämpfen und Konflikten vom Standpunkt des proletarischen Kampfs für den Sozialismus. Sie erklärt nachdrücklich und unmissverständlich, dass die Aufgabe des Proletariats nicht darin besteht, eine Fraktion der Bourgeoisie zu unterstützen, sondern jeden Konflikt im Lager des Klassenfeinds für die Eroberung der Macht auszunutzen, unter der Perspektive einer vereinigten sozialistischen Republik, die alleine in der Lage ist, die gesellschaftlichen und nationalen Bestrebungen der Millionen Arbeiter des Subkontinents zu erfüllen."

Da es die schnellen Kommunikationsmöglichkeiten, die heute existieren, noch nicht gab, kannte die RCL den Standpunkt der SLL nicht, als sie ihre eigene Erklärung veröffentlichte. Als die Erklärung der SLL Colombo erreichte, wies Keerthi die RCL sofort an, ihre Position nicht mehr in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Er tat das, weil - wie er Cliff Slaughter, dem Sekretär des IKVI schrieb - "Klarheit innerhalb der Internationale wichtiger ist als alles andere" und "es unmöglich ist, eine nationale Sektion aufzubauen ohne den Kampf, die Internationale aufzubauen". Als er jedoch in seinem Brief an Slaughter vom 16. Dezember 1971 die Meinungsverschiedenheiten der RCL mit der SLL erklärte, nahm Keerthi kein Blatt vor den Mund:

"Es ist nicht möglich, den nationalen Befreiungskampf des bengalischen Volks und die freiwillige Vereinigung Indiens auf sozialistischer Grundlage zu unterstützen, ohne gegen den indo-pakistanischen Krieg zu kämpfen. Ohne den Krieg aus Indien und Pakistan heraus zu bekämpfen, ist es völlig sinnlos, von einem vereinigten sozialistischen Indien zu sprechen, das alleine das Recht auf Selbstbestimmung für die vielen Nationen des indischen Subkontinents garantieren kann."

Am 11. Januar 1972 schickte Keerthi einen weiteren Brief nach London, dieses Mal als Antwort auf Mike Bandas begeisterte Unterstützung für Ghandis Eingreifen. Er stellte in Bandas Haltung ein Abweichen von den trotzkistischen Prinzipien fest, die früher vom IKVI gegen die Pablisten verteidigt worden waren.

"Die Logik der falschen politischen Position des IK zu Bangladesch würde zur Preisgabe sämtlicher vergangener Erfahrungen der marxistischen Bewegung in Bezug auf den Kampf der kolonialen Massen führen, und hat das auch schon getan. Jetzt ist offenkundig, dass diese Bemühungen tendenziell dazu führen, die großen Errungenschaften, die die SLL-Führung im Kampf gegen die SWP in der Zeit von 1961-63 gemacht hat, zu revidieren. Dein Brief vom 27. Dezember war nichts weiter als der Versuch, eine politische Position zu verteidigen, die völlig mit dem Marxismus bricht. Indem du versucht hast, sie zu verteidigen, hast du den Marxismus entstellt, hast dich in Verwirrung verstrickt und deinen politischen Bankrott offenbart."

Keerthis vorausschauende Briefe wurden von der Socialist Labour League innerhalb des Internationalen Komitees nicht verbreitet. Als die Socialist Labour League erkannte, dass die RCL in der Lage war, eine unabhängige und kritische Haltung gegenüber der Arbeit des IKVI einzunehmen, begann sie, die srilankischen Trotzkisten und Genossen Keerthi zu isolieren.

Je weiter sich die SLL (und dann die WRP) nach rechts bewegte, umso bösartiger und schonungsloser wurden die Bemühungen, die RCL zu isolieren. Erst mit dem Ausbruch der politischen Krise in der britischen Organisation und dem Internationalen Komitee im Jahr 1985 konnten diese wertvollen Briefe in der internationalen Organisation Gehör finden.

Fortsetzung folgt

Siehe auch:
Sozialismus in einem Land oder Permanente Revolution
(26. November 2005)
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