Telekom lagert 55.000 Stellen aus

Mehr Arbeit - weniger Lohn

Die Konjunktur "brummt", die Arbeitslosenzahl sinkt - doch derartige Erfolgsmeldungen können nicht verbergen, was sich hinter dem "Aufschwung" der deutschen Wirtschaft verbirgt. Fast zeitgleich mit der Ankündigung massiver Stellenstreichungen bei der international geführten Airbus-Gesellschaft präsentierte auch die Deutsche Telekom ihr Konzept zur Eigensanierung.

Am vergangenen Mittwoch kündigte Telekom die Auslagerung von etwa 55.000 Mitarbeitern in eine eigens dafür neu zu gründende Service-Gesellschaft an. Die Gesellschaft mit dem geplanten Namen "T-Service" soll zu hundert Prozent im Besitz der Telekom verbleiben und vor allem Angestellte aus der Internet-Sparte des Unternehmens aufnehmen. Gleichzeitig wurde angekündigt, eine neue Billigmarke auf den Markt zu bringen.

Für die Beschäftigten bringt dieses Manöver eine drastische Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen mit sich: Die wöchentliche Arbeitszeit soll von derzeit 34,5 auf 40 oder gar 40,5 Stunden erhöht werden, die Monatsgehälter dagegen "etwa konstant" bleiben, verlautete aus Unternehmenskreisen - was deutlich gesenkte Stundenlöhne bedeutet.

Über die Zahl der tatsächlich betroffenen Arbeiter herrscht indes zunächst noch Unklarheit. Unterschiedliche Quellen - zum Teil nicht namentlich genannte Konzernvertreter - in Wirtschaft und Medien gehen von zusätzlichen 25.000 Auslagerungen aus. Vielerorts wird auch von einer völligen Neustrukturierung des Unternehmens ausgegangen.

In der am Mittwochabend folgenden Aufsichtsratsitzung wurde der Plan des Vorstandsvorsitzenden René Obermann in einer Kampfabstimmung gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter angenommen. Ausschlaggebend war lediglich die Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Zumwinkel. In deutschen Großunternehmen gilt dies als sehr unüblich, da zumeist versucht wird, Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen.

Gegen das Vorhaben gingen seit vergangenen Mittwoch wiederholt Tausende Arbeiter auf die Strasse. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di reagierte auf die Sparpläne der Unternehmensleitung mit der rituellen Ankündigung von Widerstand bis hin zu Streiks. Bereits in den Ankündigungen wurde allerdings deutlich, dass sie den eingeschlagenen Kurs keineswegs grundlegend ablehnt und es ihr lediglich um begrenzte Zugeständnisse geht.

Die angekündigte Auslagerung steht im Zusammenhang mit dem Bemühen des einstigen Staatsbetriebes, sich an der Börse zu behaupten. Es handelt sich lediglich um einen einzelnen Schritt in einem umfassenden Plan, das Unternehmen zu "sanieren" - d.h. durch niedrige Kosten und möglichst hohe Gewinne für Finanzanleger attraktiv zu machen.

Im Jahre 1995 wurden im Rahmen der Privatisierungswelle der neunziger Jahre die verschiedenen Teile der ehemaligen Deutschen Bundespost in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Telekom blieb dabei zunächst im alleinigen Besitz des Bundes als einzigem Aktionär, doch schon im Herbst 1996 erfolgte der Börsengang.

Der Staat bleibt dennoch stark involviert - 32 Prozent der Anteile an dem Unternehmen befinden sich in Bundeshand. Die Bundesregierung war durchaus angetan von den Plänen zur Umstrukturierung. Die Süddeutsche Zeitung zitierte eine unmissverständliche Aussage aus "Regierungskreisen": "Wir wollen einen nationalen Champion in diesem Bereich, der als Global Player international alle Chancen hat." Obermanns Agenda habe "den Aufsichtsrat überzeugt, er macht bislang einen guten Job. Es ist gut, dass er das gesamte Unternehmen einmal auf- und durchmischt."

Seit der Privatisierung ist die Telekom dem Zwang zum Wettbewerb ausgesetzt. Das bedeutet für das börsennotierte Unternehmen heftigen Druck von zwei Seiten: Zum einen muss es mit billigen Angeboten um die Gunst der Kunden zu kämpfen, zum anderen im Interesse der Anleger die Unternehmensgewinne - und damit den Börsenwert - hoch halten.

Druck der Anleger - die Gruppe Blackstone

In beiden Fällen war die Telekom bislang wenig erfolgreich. Die Unternehmensgewinne fielen von 5,6 Mrd. Euro im Jahr 2005 auf 3,2 Mrd. im Folgejahr; im letzten Quartal wurde dabei sogar ein Verlust erwirtschaftet. Dies zog massiven Druck von Seiten der Anleger nach sich.

Besonders die Investment-Gruppe Blackstone, die im vergangenen Jahr von der bundeseigenen "Kreditanstalt für Wiederaufbau" 4,5 Prozent der Anteile erworben hatte und damit über einen Sitz im Aufsichtsrat verfügt, drängt seither heftig auf eine Umstrukturierung des Unternehmens hin.

Schon der Verkauf des Aktienpaketes an Blackstone galt als der Versuch der Bundesregierung, mittels eines ausschließlich gewinnorientierten Teilhabers die Sanierung der Telekom zu beschleunigen. Zuvor waren wiederholt Ängste vor einer Übernahme der Anteilsmehrheit durch ausländische Telekommunikationsunternehmen laut geworden. Die Börse reagierte damals auf den Verkauf des Aktienpaketes mit einem Kurssprung der T-Aktie um ca. 4 Prozent.

Blackstone war bald nach dem Einstieg bei der Telekom für die Ablösung des vorigen Konzernchefs Kai Uwe Ricke im hohen Masse mitverantwortlich. Seinem Nachfolger René Obermann wurde eher zugetraut, das Unternehmen "einmal auf- und durchzumischen".

Es lohnt sich, einen etwas näheren Blick auf Blackstone zu werfen: Zum Beraterstab der Gruppe gehören u.a. der berüchtigte Unternehmensberater Roland Berger, dessen Name für radikale Kostenersparnis und rücksichtslosen Stellenabbau steht, sowie der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Telekom selbst, Ron Sommer.

In Sommers Amtszeit fällt u.a. der Ruin Tausender Kleinaktionäre, denen die T-Aktie als "ein Stück Zukunft" (Sommer) präsentiert worden war. Nach unrentablen Transaktionen und der Korrektur des zuvor mit Absicht dreist übertriebenen Wertes des Immobilienbesitzes der Telekom fiel die Aktie zeitweise weit unter ihren Ausgabewert.

Trotz gegenteiliger Versicherungen aus der Bundesregierung rechnet man in Börsenkreisen mittelfristig durchaus mit einer Ausweitung des Engagements von Blackstone. Chris-Oliver Schickentanz, seines Zeichens Telekom-Experte der Deutschen Bank, sagte, Blackstone sei bekannt dafür, langfristig kontrollierende Mehrheiten anzustreben, in Sachen Telekom könnten nun "Übernahmefantasien" aufkommen.

Wozu die "kontrollierenden Mehrheiten" dienen, wurde am Beispiel des amerikanischen Chemie-Unternehmens Celanese deutlich. Mittels ihrer "kontrollierenden Mehrheit" veranlasste Blackstone eine radikale Abwertung des Kernstücks von Celanese, namentlich des Amerika-Geschäfts, das sich eine Teilgesellschaft derselben Blackstone-Gruppe anschließend zum Spottpreis einverleibte. Hiernach wurde eine durch Anleihen finanzierte Ausschüttung von 500 Millionen Dollar an Blackstone veranlasst und die Anteile alsbald danach abgestoßen. Die Geprellten waren kleine Aktionäre Die "Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger" urteilte in ihrem "Schwarzbuch der Börse" für 2006: "Auch auf diese Weise kann man ein Unternehmen offensichtlich ausquetschen."

Ganz anders dagegen die Einschätzung des sozialdemokratisch geführten Bundesfinanzministeriums. Etwa ein Jahr, nachdem sich der damalige SPD-Chef Franz Müntefering in seiner polemischen "Heuschrecken"-Schelte ergangen hatte, in der die Gruppe Blackstone ein Hauptangriffspunkt gewesen war, erfolgte die Abgabe des Aktienpaketes an eben jene Gruppe.

"Ich bin froh, dass mit Blackstone ein strategischer Investor, der an langfristiger Wertsteigerung und Wertschöpfung interessiert ist, jetzt bei der Telekom einsteigt", äußerte anlässlich des Einstieges der Gruppe Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), und weiter: "Das ist ein guter Tag für die Telekom und ein guter Tag für ihre vielen Aktionäre." Es wird davon ausgegangen, dass in Zukunft weiter ausländisches Kapital angelockt werden soll. Trotz der öffentlichen Brandmarkung der "Heuschrecken" erfahren diese durch Politiker derselben SPD eine geradezu liebevolle Pflege.

Im vergangenen Jahr verlor die Telekom um die zwei Millionen Telefonanschlüsse an die Konkurrenz. Die Angebote der Telekom gelten als zu teuer, die Service-Dienstleistungen als miserabel.

Der Druck des Anlagekapitals, sich mittels der Beteiligung an Unternehmungen möglichst schnell und möglichst gut zu verwerten, kann unter Bedingungen des globalen Kapitalismus nur auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

Siehe auch:
Eine Antwort auf die Angriffe des Airbus-Konzerns
(8. März 2007)
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