Nach den Waldbränden in Griechenland gerät die Regierung unter Druck

Während die Waldbrände, die seit Ende letzter Woche in mehreren griechischen Regionen toben, langsam unter Kontrolle gebracht werden, entfacht sich mehr und mehr ein politisches Nachspiel.

In großen Teilen der Bevölkerung herrscht angesichts der Verluste, die die Feuer angerichtet haben, nicht nur Trauer und Verzweiflung, sondern vor allem Wut über die konservative Regierung von Premierminister Kostas Karamanlis und die gesamte offizielle Politik, die einen Großteil der Verantwortung für die Katastrophe trägt.

In fast allen größeren griechischen Städten kam es zu Protesten, an denen sich mehrere Zehntausend Menschen beteiligten. Die Schweigemärsche fanden unter dem Motto "Stummer Zorn - ohrenbetäubendes Schweigen" statt. In der Hauptstadt Athen versammelten sich am Mittwoch Abend etwa 15.000 Menschen. Aus Trauer um die 64 Toten waren die meisten schwarz gekleidet.

Der Protest war von Nichtstaatlichen Organisationen und erst in den letzten Tagen entstandenen Bürgerverbindungen organisiert worden. In einem hauptsächlich über SMS und E-Mail verbreiteten Aufruf heißt es: "Sie haben Griechenland brennen lassen". Am Rande der friedlichen Demonstration kam es zu Ausschreitungen. Etwa 300 zumeist jugendliche Personen lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei, die mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern vorging.

In Thessaloniki gingen einige Tausend Menschen auf die Straße. Auch hier machten sie keinen Hehl aus ihrem Ärger über die Regierung. "Unsere Geduld ist am Ende. Das Maß ist voll", war auf einigen Transparenten zu lesen. Ähnlich waren die Proteste in anderen griechischen Städten.

Die Regierung und die gesamte politische Elite des Landes werden zu Recht für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Die immer schärfer vorangetriebene Kürzungspolitik, Korruption und Vetternwirtschaft sind ursächlich dafür, dass sich die für die Region nicht ungewöhnlichen Waldbrände zu einer solchen Tragödie entwickelten.

Besonders kritisiert wird, dass weder die jetzige noch die vorherige Regierung etwas gegen die ständigen Brandstiftungen unternommen haben, die jedes Jahr durch Bodenspekulanten angestiftet werden. Diese zünden unbebaute Waldflächen an, errichten auf den abgebrannten Grundstücken illegal Fundamente von Häusern und lassen diese im Nachhinein von den Behörden absegnen. Die Methode ist altbekannt und wird von der Regierung in Athen von jeher toleriert.

Durch die Brände wurden auch die katastrophalen Zustände bei den Feuerwehren ersichtlich. Berichten zufolge sind von den 12.500 Planstellen für Feuerwehrleute nur 8.000 tatsächlich besetzt. Die Ausrüstung spottet teilweise jeder Beschreibung. In vielen Fällen hatten kleinere Feuerwehreinheiten nicht einmal eine grundlegende Ausrüstung. Wie die Bewohner waren sie gezwungen, mit Wassereimern und Ästen gegen die Flammen anzugehen.

Auch die miserable Organisation der Einsätze geht auf das Konto der Regierung. Um Forderungen nach mehr Mitteln für die Brandbekämpfung einen Riegel vorzuschieben, hatte die konservative Regierung im letzten Jahr die komplette Führung der Feuerwehr des Landes ausgetauscht. Erfahrene Beamte wurde durch Anhänger Karamanlis’ mit ND-Parteibuch ersetzt. Dass erst zwei Tage nach Ausbruch der Brände ein Verantwortlicher für die nationale Koordinationsstelle ernannt wurde, spricht Bände über die Verantwortungslosigkeit der Regierungsbeamten.

Auch die staatlichen Forstverwaltungen können aufgrund leerer Kassen kaum ihren Aufgaben nachkommen. Brandschutzstreifen in den Wäldern existieren nicht. Ähnlich verhält es sich bei der Müllentsorgung. Um Gelder zu sparen investierte die Regierung nicht, wie von vielen Seiten seit Jahren gefordert, in moderne Müllverbrennungsanlagen, sondern duldete offene Müllhalden, die sich bei starker Hitze regelmäßig entzünden.

Angesichts der erst jetzt in vollem Umfang deutlich werdenden Schäden ist die weitverbreitete Wut nur allzu verständlich. Nachdem nun viele Feuer gelöscht oder eingedämmt sind, werden die katastrophalen Folgen sichtbar. Nach ersten Schätzung betragen die Schäden etwa 5 Milliarden Euro. Etwa 16.000 Menschen wurden obdachlos. Über 100.000 Hektar Boden sind verwüstet. In den ländlichen Gebieten stehen unzählige Menschen vor dem Nichts. 4,5 Millionen Olivenbäume, für viele Bauer der Lebensunterhalt, wurden vernichtet. Über die Viehbestände, die den Flammen zum Opfer vielen, gibt es nur vage Vermutungen. Zur Beseitigung der Zigtausend Tierkadaver wurde bereits die Armee hinzugezogen.

Auch das Versprechen der Regierung, schnell und unbürokratisch Hilfe für die Opfer zu leisten, mindern den Zorn kaum. Jeder Obdachlose soll 3.000 Euro erhalten, für den Verlust eines eigenen Hauses sollen die Betroffenen mit 10.000 Euro entschädigt werden. Zum einen decken diese Summen nicht einmal annähernd den Schaden, und zum anderen ist es mehr als fraglich, ob wirklich jeder Geschädigte die versprochenen Summen erhält.

Die Bevölkerung zeigt auch hier wenig Vertrauen in die offizielle Politik. Laut der griechischen Tageszeitung Eleftheros Typos sind bereits private Spenden in Höhe von rund 200 Millionen Euro gesammelt worden. Besonders Griechen, die im europäischen Ausland leben, spenden großzügig.

Wiederwahl Karamanlis in Gefahr

Die Brandkatastrophe und ihre Folgen, die gegenwärtig die Medien des Landes dominiert, wird zweifellos auch die am 16. September anstehenden Parlamentswahlen beeinflussen. Vor gut zwei Wochen hatte sich die regierende ND dazu entschlossen, die eigentlich im nächsten Jahr anstehenden Parlamentswahlen vorzuziehen. Karamanlis begründete dies damit, dass er ein "starkes Mandat des Volkes" wolle, um anstehende Projekte zu bewältigen.

Letzten Umfragen zufolge liegt die ND nicht einmal mehr zwei Prozentpunkte vor den oppositionellen Sozialdemokraten der PASOK. Vor drei Monaten waren es noch fast zehn Prozent gewesen. Einige Kommentatoren rechnen damit, dass die ND bis zu den Wahlen sogar hinter die PASOK fallen könnte. Dies nicht zuletzt, weil Karamanlis und andere Regierungsvertreter jede Verantwortung von sich weisen und sich statt dessen in die dreiste Behauptung versteigen, die Brände seien durch "Terroristen" gelegt worden, die die politische Stabilität des Landes ins Wanken bringen wollten.

Die Karamanlis-Regierung ist verhasst wie kaum eine andere Regierung der jüngeren Geschichte Griechenlands. Seit der Regierungsübernahme vor drei Jahren zog Karamanlis den Unmut der Wähler auf sich. Durch eine rigide Haushaltspolitik, für die er aus Brüssel ausdrücklich gelobt wurde, verschlechterte sich die Lage der einfachen Bevölkerung im Land zusehends. Mehrfach kam es zu Protesten, beispielsweise gegen Rentenkürzungen.

Karamanlis hat die Wahlen vorgezogen, um den immer knapper werdenden Vorsprung der ND vor der PASOK rechtzeitig zu nutzen, um in einer zweiten Amtszeit weitere tiefgreifende "Reformen", insbesondere im Steuerbereich, durchzuführen. Erst vor kurzem kam die Regierung unter massiven Druck, weil sie in einen Skandal um die Sozialkassen des Landes involviert war. Staatliche Vertreter der Kassen stehen in Verdacht, mit den Geldern widerrechtlich spekuliert zu haben. Ein Untersuchungsbericht wurde bereits erstellt, er soll nun aber erst nach den Wahlen diskutiert werden.

Karamanlis selbst kommt aus einer alten griechischen Politiker-Dynastie. Sein Onkel ist der mehrmalige Premier und Staatspräsident Konstantinos Karamanlis, der die Nea Demokratia 1974 nach dem Sturz der Militärjunta gegründet hatte. Die Partei wurde bewusst als rechtes Gegengewicht zu den starken sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien ins Leben gerufen. In ihr versammelten sich Roylisten, pro-amerikanische Liberale und Anhänger der christlich-orthodoxen Union.

Auch heute ist der Antikommunismus ein wichtiges Standbein der Partei. Im Gegensatz zur PASOK pflegte die ND ein unkritisches Verhältnis zu den USA und den mächtigen europäischen Staaten. Konstantinos Karamanlis gilt als der "Europa-Architekt" Griechenlands. Unter seiner Führung wurden die Grundsteine für den EU-Beitritt des Landes gelegt.

Trotz der immensen Unbeliebtheit Karamanlis’ gelingt es der PASOK kaum, daraus Kapital zu schlagen. Die Anklagen von PASOK-Chef Georgios Papandreou gegen die ND-Regierung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine eigene Partei genau die selbe Politik durchführte, wie jetzt die ND. Die PASOK hat das Land mit kurzen Unterbrechungen über die letzten zwanzig Jahre hinweg regiert. Unter ihrer Führung wurden unentwegt Gelder für öffentliche Einrichtungen und die Infrastruktur gekürzt, um die Vorgaben aus Brüssel und die Kriterien für die Einführung des Euro zu erreichen. Es ist beizeichnend, dass sich die Proteste nicht nur gegen die ND-Regierung, sondern gegen die gesamte politische Elite richten.

Möglicherweise können kleinere Parteien bei der Wahl aus der Ablehnung der beiden großen Parteien Nutzen ziehen. Im linken politischen Spektrum hoffen vor allem die Kommunistische Partei (KKE) und Synaspismos auf die Stimmen ehemaliger PASOK-Wähler.

Die KKE, die älteste Partei Griechenlands ist gegenwärtig mit zwölf Sitzen im griechischen Parlament vertreten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor auch die KKE zusehends an Mitgliedern, Geld und Einfluss. Nach der Abspaltung mehrerer Flügel ist heute nur noch ein harter Kern von Ex-Stalinisten übrig geblieben, und selbst dieser wird von internen Grabenkämpfen zerrissen. Politisch kommt sie über halbherzige reformistische Forderungen an die jeweilige Regierung nicht hinaus und stellt keine Alternative zu PASOK da.

Synaspismos ist ein Sammelbecken verschiedenster linker Gruppierungen. Grüne, Pazifisten, Feministen, radikale Linke und ehemalige Stalinisten haben sich in ihr vereint. So heterogen die Zusammensetzung der Partei, so schwammig und unklar ist auch ihr Programm. Trotz ihres teilweise radikalen Auftretens vertritt sie wie andere Parteien der Europäischen Linkspartei, deren Mitglied sie ist, rein reformistische Standpunkte, mit denen sie PASOK von links unter Druck setzen wollen.

Auch die extreme Rechte hofft, gestärkt aus den kommenden Wahlen hervorzugehen. Die rassistische LAOS, die 2000 aus einer Abspaltung der ND hervorging, konnte in den letzten Jahren hinzugewinnen und stellt mittlerweile bereits einen Abgeordneten im europäischen Parlament. Sie verbindet oberflächliche Kritik an der unsozialen Regierungspolitik mit anti-europäischer, nationaler Rhetorik. Sie stellt sich vehement gegen die Globalisierung und führt regelmäßig Hetzkampagnen gegen Immigranten, vorwiegend gegen Albaner. Trotz Differenzen bildet die ND in Kommunalwahlen Bündnisse mit LAOS.

Siehe auch:
Eine von Menschen gemachte Katastrophe
(28. August 2007)
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