Angriffe von Aufständischen auf Nato-Versorgungsrouten beleuchten Dilemma des US-Militärs in Afghanistan

Mehrere Angriffe am Sonntag und Montag auf militärische Ausrüstungslager der USA und der Nato in der im Nordwesten gelegenen Stadt Peschawar in Pakistan machen die zunehmend unsichere Situation der amerikanischen und alliierten Streitkräfte deutlich, die im benachbarten Afghanistan in die Bekämpfung des Aufstands eingebunden sind.

Bei drei verschiedenen Rebellenangriffen auf Versorgungslager der US-Streitkräfte wurden 200 LKW und Container mit militärischer Ausrüstung und Nachschub zerstört, die für die amerikanischen und Nato-Kräfte in der Gebirgsregion Afghanistans bestimmt waren,. Die LKW transportierten Humvees, Mannschaftstransporter und anderes Material.

Der dritte größere Angriff von Rebellen auf Nato-Versorgungsgüter in Pakistan in nur einem Monat war der bislang schwerste und erfolgreichste Angriff auf die Transitroute, auf der achtzig Prozent des militärischen Nachschubs für die Streitkräfte der USA und ihrer Alliierten in Afghanistan transportiert werden. Im letzten Monat entführten sechzig Rebellen, die von der Nato als Taliban bezeichnet wurden, am helllichten Tage einen LKW-Konvoi auf der Khyber Strasse die die beiden Länder miteinander verbindet.

Um 2:30 in der Nacht zum Sonntag überwältigten 200-300 Rebellen die wenigen Wachposten von zwei Stellplätzen, auf denen die LKW geparkt waren. Sie entwaffneten die Wachposten und nahmen dann die LKW mit Granaten und Raketenwerfern unter Feuer, und zerstörten ca. 150 Fahrzeuge. Montag in der Früh wurde über noch einen Angriff auf ein Nachschubdepot in derselben Gegend berichtet. Ein Wachmann sagte, dass 50 Container verbrannt und einige Fahrzeuge mit Raketen zerstört wurden.

Die Angriffe waren umso bemerkenswerter, weil sie inmitten einer Stadt durchgeführt wurden, in der das elfte Korps der pakistanischen Armee stationiert ist.

Vor der Zerstörung des Nato-Nachschubs fand am Freitag ein scheinbar nicht damit in Zusammenhang stehender Autobombenanschlag in der Stadt Peschawar statt, dem 29 Menschen zum Opfer fielen.

Die USA transportieren den Großteil ihres militärischen Nachschubs vom pakistanischen Hafen Karatschi über Außenposten in Peschawar und über den Khyber-Pass nach Afghanistan, das nicht mit dem Schiff erreichbar ist. Peschawar ist der letzte Checkpoint vor der Grenze, eine Stunde oder 40 Meilen von Afghanistan entfernt. Von Peschawar aus fahren pakistanische LKW mit dem militärischen Nachschub durch die Khyber-Region von Pakistans Federally Administered Tribal Areas (FATA). Die Region von Khyber wird praktisch vollständig von den Taliban und von anderen Aufständischen kontrolliert. Viele zivile Vertreter der Regierung wagen es bereits nicht mehr, auf denselben Straßen zu reisen, die auch von den LKW benutzt werden.

Sprecher der amerikanischen Regierung sagen, dass die Zerstörung des Depots in Peschawar nur "minimale" Auswirkungen auf die militärischen Operationen der amerikanischen und Nato-Kräfte in Afghanistan haben werde. Angaben zur Zahl der zerstörten Humvees und der anderen zerstörten Fahrzeuge wurden nicht gemacht.

Aber die Bedrohung für die primäre Versorgungslinie nach Afghanistan ist von enormer Bedeutung. Asia Times Online zitierte Dr. Farrukh Saleem wie folgt: "Die Niederlage der Sowjets in Afghanistan war in der Hauptsache der Unterbrechung der Nachschublinien geschuldet. Die Mudschaheddin konzentrierten sich auf die Erdrosselung der Nachschubwege aus Zentralasien in das nördliche Afghanistan. Gegenwärtig gibt es nur eine Kampfbrigade in Afghanistan [ca. 5000 Mann]. Im Dezember wird eine weitere Kampfbrigade eintreffen, zwei weitere Kampfbrigaden im nächsten Jahr. Deshalb werden mehr Vorräte benötigt. Wenn in dieser Situation die Aufständischen die Versorgungslinien abschneiden, wird es für die Nato-Kräfte in Afghanistan katastrophal."

Asia Times Online bemerkte, dass im Juli, als die Kämpfe zwischen den Taliban und der Nato in Afghanistan ihren Höhepunkt erreichten, die Taliban die Nachschublinien der Nato angriffen. Dadurch reduzierten sich die Lagerbestände an Nahrung und anderen Güter in den wichtigsten Basen wie Ghazni und Helmand, von einem Monat auf den Bedarf für eine Woche.

Die letzten Angriffe treffen mit zunehmenden Hinweisen zusammen, dass sich die Lage für die USA und die Nato in Afghanistan immer mehr zum Schlechteren wendet. Die New York Times berichtete am Sonntag, dass eine neue Kampfbrigade, die im nächsten Monat nach Afghanistan geschickt wird, in zwei Provinzen eingesetzt werden soll, die im Süden an die Hauptstadt grenzen, anstatt sie in den Regionen im Osten und Süden einzusetzen, in denen der Großteil der Kämpfe stattfindet.

Das ist ein Eingeständnis, dass der Aufstand in den letzten Monaten an Stärke gewonnen hat und nun Kabul selbst bedroht. Die Sicherheitslage in der Umgebung von Kabul hat sich in den letzten zwölf Monaten dramatisch verschlechtert.

Fast die gesamten 4.000 Mann der Dritten Brigade der Zehnten Gebirgsdivision werden in die Provinzen Logan und Wardak geschickt, die an Kabul grenzen. Der Times zufolge, waren "Wardak und Logan bis letztes Jahr relativ sicher. Berichten zufolge, haben sich die Aktivitäten der Taliban in den beiden Provinzen im letzten Jahr verstärkt. Die Rebellen haben ihre Angriffe auf afghanische und ausländische Truppen verstärkt. Sie kontrollieren zeitweise sogar Teile wichtiger Straßen die Kabul mit dem Osten und Süden verbinden."

Als Antwort auf die sich verschlechternde Situation plant die künftige Administration von Barack Obama, den Einsatz militärischer Gewalt in Afghanistan und den Stammesregionen an der pakistanischen Grenze zu eskalieren. Obama und Verteidigungsminister Robert Gates, der vom neu gewählten Präsidenten aus der scheidenden Bush-Regierung übernommen wird, planen in den kommenden Monaten mehr als 20.000 US Kampftruppen zu entsenden. Zusammen mit weiteren 6.000 Luft- und Unterstützungstruppen, wird die Zahl der US-Truppen von 32.000 auf 58.000 steigen.

Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung wird dementsprechend ansteigen. Vorfälle wie die Bombardierung des Dorfes Shena Kali im Nadali Distrikt von Helmand werden häufiger vorkommen. Anwohner haben ausgesagt, dass zwei Häuser bombardiert wurden, darunter das Haus eines Bauern, in dem neun Menschen getötet wurden. Ein zweiter Bewohner sagte, dass zehn Menschen, darunter Frauen und Kinder, unter den Trümmern des Hauses tot aufgefunden wurden.

Die militärische Eskalation in Afghanistan wird durch vermehrte Angriffe auf angrenzende Stammesgebiete in Pakistan und Forderungen an die pakistanische Regierung ergänzt, ihre eigenen Militäroperationen gegen die Aufständischen zu verstärken. Die USA versuchen den Terroranschlag von Mumbai im letzten Monat als Druckmittel gegen Islamabad zu verwenden, um die militärische Zusammenarbeit mit den USA in Afghanistan zu verstärken.

David Sanger, Korrespondent der New York Times im Weißen Haus, veröffentlichte letzten Montag einen Artikel, der enthüllte, dass die Bush-Regierung sich darauf vorbereitet, für Obama eine ausführliche und streng geheime strategische Übersicht zur Situation in Afghanistan und Pakistan zu erstellen. Ein zentraler Teil der Übersicht wird nach Sanger eine Empfehlung an Obama sein, die militärischen Beziehungen zu Pakistan zu verstärken und Islamabad zu drängen, sein Militär umzustrukturieren, weg von einer Konfrontation mit Indien, hin zu einer Konzentration auf die Ausschaltung der Rebellen in den Grenzregionen.

Dies bedeutet eine Ausweitung des Krieges, der zunehmend nicht nur Afghanistan, sondern auch Pakistan in seinen Strudel reißt. Die Times zitierte einen "hochrangigen Militärangehörigen" wie folgt: "Die Botschaft des Berichts lautet; dass man nicht in Afghanistan gewinnen kann, ohne zuerst Pakistan zu gewinnen. Aber auch wenn man in Pakistan gewinnt, wird das nicht genug sein."

Eine andere Pressemitteilung zitierte Ashley Tellis, einen ehemaligen Spezialisten des Nationalen Sicherheitsrats für Südasien, wie folgt, "Dies ist ein Projekt für Jahrzehnte", und weiter: "Der Übergang allein wird ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen, bis man der afghanischen Armee die Verantwortung übertragen kann."

Obama spricht in gewohnter Weise von "Afghanistan und seinen Grenzregionen mit Pakistan" als der "zentralen Front" im "Krieg gegen den Terror". In einem Interview vom Sonntag auf NBC News skizzierte Obama eine breit angelegte imperialistische Strategie in Zentralasien, die eine Ausweitung des Krieges in sich trägt. "Wir können nicht damit fortfahren, allein auf Afghanistan zu blicken", sagte er. "Wir müssen es als Teil eines regionalen Problems ansehen, das Pakistan, Indien, Kaschmir und den Iran umfasst." Er fügte hinzu, dass er "eine neue Nationale Sicherheitsstrategie [wolle], die alle Möglichkeiten der amerikanischen Macht mit einbezieht."

Siehe auch:
Angriff auf Karzai in Kabul erschüttert US-Marionettenregime
(3. Mai 2008)
Abzug aller Truppen aus Afghanistan! Eine sozialistische Antwort auf Krieg und Militarismus
( 19. September 2008)
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