Autoarbeiter brauchen eine internationale Strategie

Autoarbeiter in aller Welt sind mit Entlassungen, Betriebsschließungen und erneuten Forderungen nach Lohnsenkungen, Kürzungen der Sozialleistungen und größerer Arbeitshetze konfrontiert. Die transnationalen Autohersteller wollen die Arbeiter für die globale kapitalistische Krise bezahlen lassen.

Am vergangenen Donnerstag gab Peugeot Pläne bekannt, zusätzlich zu dem schon im Juli beschlossenen Abbau von 6.000 Arbeitsplätzen, weitere 2.700 Stellen wegfallen zu lassen. Wie verlautet, überlegt die Daimler-Benz AG in ihren vierzehn deutschen Werken die 30-Stunden-Woche einzuführen und ihre 150.000 deutschen Beschäftigten außerdem in einen vierwöchigen "Weihnachtsurlaub" zu schicken.

Industrieexperten in der Tschechischen Republik, die sich in den letzen Jahren den Ruf eines "Detroit des Ostens" erworben hat, sagen, dass 10.000 von den 120.000 Stellen des Landes in der Autoproduktion auf der Kippe stehen.

Mazda, Isuzu und Nissan haben Pläne bekanntgegeben, in ihren japanischen Werken 3.200 Tarifangestellte entlassen zu wollen, und Toyota will außer den 2.000 Zeitarbeitern, die Anfang des Jahres entlassen wurden, bis März 2009 zusätzlich 3.800 Tarifbeschäftigte abbauen.

In Thailand, dem weltweit zehntgrößten Autoexporteur, teilte ein hoher Vertreter der Autoarbeitergewerkschaft mit, Produktionskürzungen könnten dazu führen, dass 30 bis 40 Prozent der 500.000 Arbeiter in der Autoindustrie des Landes ihre Arbeitsplätze verlieren.

Auch in China, dem weltweit zweitgrößten Autoproduzenten, haben schon Produktionskürzungen und Entlassungen begonnen. Chery Automobile hat im Oktober 6.000 Arbeitsplätze gestrichen, das sind 30 Prozent der Belegschaft. Toyota hat die Produktion in seinen Anlagen in Guangzhou und Dengfeng vorübergehend eingestellt und Peugeot Citroen hat fast 1.000 Stellen gestrichen.

In Nordamerika hat sich die Debatte über die Rettung der Großen Drei von Detroit, Chrysler, Ford und General Motors schnell zu einem Konflikt innerhalb der kapitalistischen Elite darüber entwickelt, wie die Industrie am besten "nachhaltig" - als lukrative Profitquelle für Investoren - gestaltet werden könne: d. h, wie die Zerstörung der Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsplätze am besten zu bewerkstelligen sei.

Der Finanzelite haben der Kongress und die Bush-Regierung Billionen Dollar ohne jede Bedingung ausgehändigt. Aber die politischen und medialen Befürworter eines 25 Mrd. Dollar Rettungspakets für die Autoindustrie verlangen als Voraussetzung, dass die Autoarbeitergewerkschaft UAW bei weiteren massiven tarifvertraglichen Zugeständnissen der Autoarbeiter mitspielt. Die Gegner des Rettungspakets im Establishment argumentieren andererseits, dass das gemeinsame Ziel, eine "global wettbewerbsfähige Industrie" zu schaffen, besser mit einem Konkurs nach Kapitel 11 der US-Konkursgesetze erreicht werden könne, die den Autokonzernen ermöglichen, einseitig, Löhne, Renten und die Gesundheitsversorgung zu kürzen.

In Kanada sind Presse und Politiker nicht weniger entschlossen, ein Hilfspaket für die Autoindustrie als Hebel zu nutzen, um Rechte und Einkommen der Autoarbeiter auszuhöhlen, als ersten Schritt für einen Angriff auf die gesamte Arbeiterklasse. Der Globe and Mail, die traditionelle Stimme des kanadischen Finanzestablishments, verkündete: "Jetzt müssen auch die Autoarbeiter.... ihren Teil dazu beitragen, die Kosten zu senken. Nicht nur Firmen müssen konkurrenzfähig sein, sondern auch Belegschaften."

Auch europäische Wirtschaftsführer und Politiker arbeiten an Plänen, die Krise der Autoindustrie als Knüppel gegen die Arbeiterklasse einzusetzen. Sie drohen mit Arbeitsplatzvernichtung und Betriebsschließungen, um den Widerstand der Arbeiter gegen verschärfte Ausbeutung zu überwinden. "Man kann die Autoindustrie nicht mit dem Finanzsektor vergleichen - das ist etwas anders", sagte die Wettbewerbskommissarin der EU, Neelie Kroes vergangene Woche. Sie wollte damit begründen, warum Staatshilfen für die Autoindustrie nur "die Ausnahme" sein dürften, während den Banken praktisch unbegrenzte Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

Für ihren Kampf gegen die Angriffe der transnationalen Autokonzerne auf ihre Arbeitsplätze und Löhne brauchen die Autoarbeiter eine globale Strategie. Diese Strategie muss ein sozialistisches Programm beinhalten, das die Unterordnung des gesellschaftlichen Lebens und der Bedürfnisse der Menschen unter die Jagd nach kapitalistischem Profit ablehnt und von gemeinsamen Klasseninteressen aller Arbeiter ausgeht, gleich in welchem Land sie leben.

Der Kampf für eine solche Strategie erfordert einen politischen und organisatorischen Bruch mit den national orientierten und pro-kapitalistischen Gewerkschaften.

Die Antwort der Gewerkschaften auf die Entwicklung der weltweit integrierten Autoindustrie war, die Gnade der Autobosse zu erbitten und die Arbeiter gegeneinander in Verteilungskämpfe um eine schwindende Anzahl von Arbeitsplätzen zu jagen.

Die Gewerkschaften haben die Arbeiter gezwungen, um Produktionsstandorte und Investitionen zu sichern, dem Kapital die höchstmögliche Rendite anzubieten. Außerdem haben sie sich als Hilfstruppen des Managements betätigt, um Produktions- und Gewinnziele zu erreichen. Dies ging einher mit immer deutlicher geäußertem Chauvinismus und Protektionismus, die dazu dienten, die Arbeiterklasse zu spalten und die Arbeiter hinter dem einen oder anderen Vertreter der kapitalistischen Elite zu versammeln.

Die nationalistische, prokapitalistische Politik der Gewerkschaften hat sich für die Autoarbeiter und die Regionen, die von der Autoindustrie abhängig sind, als höchst katastrophal erwiesen. Zugeständnisse waren nicht dazu in der Lage, "Arbeitsplätze zu sichern". Vielmehr hat jede Runde an Zugeständnissen eine weitere nach sich gezogen. Die weltweit verflochtenen Autokonzerne haben dabei mit Hilfe und Unterstützung der Gewerkschaften jedes neue Nachgeben als Hebel benutzt, um die Arbeiter in einem anderen Land oder einem anderen Betrieb zu erpressen und zu weiteren Konzessionen zu zwingen.

Nehmen wir den Fall der kanadischen Autoarbeitergewerkschaft (CAW), die sich 1985 neu gegründet hat, indem sie sich aus nationalistischen Gründen von der UAW in den Vereinigten Staaten abspaltete. Die CAW-Führung rechtfertigte die Spaltung, indem sie auf die reaktionäre Politik der UAW-Führung verwies. Aber sie war weit davon entfernt, einen ernsthaften Kampf gegen der Konzessionspolitik einzuleiten. Vielmehr stärkte die Spaltung den rechten Flügel in der UAW-Führung und beseitigte organisatorische Hindernisse für die kanadische Gewerkschaftsbürokratie, um ihre eigene rechte Politik zu verfolgen.

Diese Strategie basierte auf der Ausnützung des Kostenvorteils, den die Großen Drei auf dem kanadischen Arbeitsmarkt genossen, weil der kanadische Dollar niedriger bewertet war und die kanadische Regierung das Gesundheitssystem finanziert. Das führte sehr rasch dazu, dass die CAW offen die Autokonzerne dazu aufrief, die Last der Umstrukturierung den "weniger produktiven" US-Betrieben aufzubürden.

Es erübrigt sich zu sagen, dass die Großen Drei die Spaltung begrüßten, weil sie es ihnen erleichterte, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen.

Zwei Jahrzehnte später leiden die kanadischen und die US-Autoarbeiter unter rivalisierenden bürokratischen Organisationen, die gleichermaßen einen unternehmerfreundlichen Kurs fahren, ihnen Zugeständnisse aufzwingen und die Opposition dagegen unterdrücken sowie systematisch jeden gemeinsamen Kampf gegen Arbeitplatzabbau und Lohnsenkungen von Autoarbeitern in Nordamerika verhindern.

Die Arbeiter dürfen sich nicht vor den Karren der Unternehmer, kapitalistischen Regierungen und Gewerkschaftsbürokratien spannen lassen. Sie alle wollen die globale Autoindustrie auf dem Rücken der Arbeiter umstrukturieren. Es gibt bereits Stimmen in Europa, die Rettungspakete für nordamerikanische Autokonzerne als wettbewerbswidrige Handelssubventionen verurteilen. Inzwischen sind die UAW und die CAW bereits dabei, ihre Mitgliedschaft auf erneute Opfer an Arbeitsplätzen und Lohnen für die Großen Drei vorzubereiten.

Auf die Versuche der Unternehmen und der Regierungen, die Krise der Autoindustrie auf die Belegschaften abzuwälzen, sollten Arbeiter an allen Standorten mit gemeinsamen, grenzüberschreitenden Kampfmaßnahmen reagieren, um alle Arbeitsplätze und die Löhne zu Verteidigen und jede Art von Sozialabbau zu verhindern.

Die Autoindustrie muss vom anarchischen und sozial zerstörerischen Profitstreben befreit und die Produktion muss zum Nutzen der Gesellschaft unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter geführt werden.

Die Durchführung eines solchen Kampfes erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse. Nur durch die Errichtung von Arbeiterregierungen und die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft kann eine weltweit integrierte Autoindustrie zum Nutzen der Menschheit organisiert werden und gutbezahlte Arbeitsplätze sowie erschwingliche und umweltverträgliche Transportmittel für alle zur Verfügung stellen.

Siehe auch:
Das Rettungspaket für die US-Autoindustrie und die sozialistische Alternative
(18. November 2008)
Opel-Krise: Betriebsräte und IG Metall bieten Lohnsenkung und Kurzarbeit an
( 21. November 2008)
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