Obama beruhigt das Großkapital

Am vergangenen Freitag gab der künftige US-Präsident Barack Obama eine Pressekonferenz. Vor diesem ersten öffentlichen Auftreten nach seinem Wahlsieg hatte er sich einige Stunden lang mit einer Gruppe handverlesener Wirtschaftsberater getroffen, zu der Banker, Unternehmensvorstände und frühere Regierungsbeamte gehörten.

Als Obama die Fragen der Reporter beantwortete, hatten sich Mitglieder seines Wirtschaftsberaterteams sowie andere Wirtschaftsfachleute hinter ihm aufgereiht, darunter der frühere Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve Board, Paul Volcker, und der Finanzminister Clintons und amtierende Vorstand der Citigroup, Robert Rubin.

Um den Ernst der Wirtschaftskrise zu betonen, eröffnete Obama die Pressekonferenz mit einem Zitat aus einem am gleichen Tag veröffentlichten Bericht, dass seit Oktober 240.000 Arbeitsplätze verloren gegangen seien. "Insgesamt haben wir in diesem Jahr 1,2 Millionen Arbeitsplätze verloren und mehr als 10 Millionen Amerikaner sind zur Zeit arbeitslos", sagte er. "Viele Millionen Familien müssen sich sehr anstrengen, um ihre Rechnungen zu bezahlen und um in ihren Häusern bleiben zu können. Ihr Schicksal muss uns daran erinnern, dass wir vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung unseres Lebens stehen und schnell handeln müssen, um die Probleme zu lösen."

Er machte keine unmittelbar umzusetzenden Vorschläge, und wies darauf hin, dass Präsident Bush noch bis zum 20. Januar im Weißen Haus residiere. Es war deutlich, dass Obama die Verantwortung für die wirtschaftliche Notlage, deren rasche Verschlimmerung in den nächsten zwei Monaten zu erwarten ist, von sich weisen wollte.

"Sobald ich Präsident bin", sagte er, "werde ich sofort die notwendigen Schritte unternehmen, um dieser Wirtschaftskrise zu begegnen, die Kreditvergabe zu erleichtern, hart arbeitenden Familien zu helfen und das Vertrauen in Wachstum und Wohlstand wieder herzustellen." Aber er nannte wenige politische Einzelheiten, außer dass er eine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung als Teil eines Pakets zur "Ankurbelung der Wirtschaft" befürworte.

Obama erkannte an, dass es sich um eine tiefe Krise handelt, und bemühte sich, die Hoffnung auf eine rasche Erholung zu bremsen. Er meinte: "Es wird nicht leicht werden, uns aus dem Loch herauszuarbeiten, in das wir geraten sind."

Obama erklärte: "Wir benötigen einen Rettungsplan für die Mittelklasse". Doch die Zusammensetzung seines Wirtschaftsberaterteams straft seine Behauptung Lügen, dass er sich um die Wirtschaftsprobleme der einfachen Menschen sorge. Seine Berater rekrutieren sich ausschließlich aus der Elite der Unternehmen und der Finanzwirtschaft sowie dem Demokratischen Flügel des politischen Establishments.

Zu den siebzehn Mitgliedern des Gremiums gehören der Milliardär Warren Buffet, der reichste Mann Amerikas, die Vorstandsvorsitzenden von Xerox und Google, der Aufsichtsratschef von Time Warner, die Erbin der Hyatt Hotels, Penny Pritzker, und der Vizechef der Citigroup, Rubin.

An dem Treffen vor der Pressekonferenz hatten außerdem die ehemaligen Mitglieder der Clinton-Regierung William Daley, Robert Reich, Laura Tyson und Laurence Summers teilgenommen, dazu kamen zwei ehemalige Angehörige der amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission, Volcker und der stellvertretende Vorsitzende der Fed Roger Ferguson, der ehemalige Kongressabgeordnete der Demokraten David Bonior, die Gouverneurin von Michigan Jennifer Granholm und der Oberbürgermeister von Los Angeles Antonio Villaraigosa.

Dieses Gremium wies die pflichtgemäße Ausgewogenheit nach Geschlecht und Hautfarbe auf - zwei Schwarze, zwei Vertreter der spanisch sprechenden Minderheit, vier Frauen - aber nicht einen Hauch von Ausgewogenheit nach sozialen Interessen. Nicht eine einzige Person repräsentierte Arbeiter, Arbeitslose, Konsumenten, Hausbesitzer oder diejenigen, denen Zwangsversteigerung und Obdachlosigkeit drohen.

Selbst Vertreter der Gewerkschaften - der AFL-CIO und ihrer Change-to-win-Kampagne, die Hunderte Millionen Dollar für Obamas Wahlkampf ausgegeben haben - oder der Organisationen der Afroamerikaner, der Amerikaner lateinamerikanischer Abstammung und der Frauenvereinigungen, wie der NAACP oder NOW, fehlten.

Vor etwa 16 Jahren, als zum letzten Mal ein Demokrat einen Republikaner im Weißen Haus ablöste, bemühte sich der gewählte Präsident Bill Clinton sehr, zu seinem Wirtschaftsgipfel Spitzenvertreter der Gewerkschaften einzuladen. Aber die Gewerkschaften sind inzwischen gesellschaftlich so irrelevant geworden, dass Obama und seine Berater es nicht einmal für nötig befunden haben, sie auch nur pro forma zu einer Beratung über die Wirtschaftspolitik einzuladen.

Aus zwei Anzeichen auf der Pressekonferenz lassen sich Rückschlüsse auf die künftige Wirtschaftspolitik der Demokraten ziehen. Obama setzte sich stark dafür ein, den 700-Milliarden-Dollar-Rettungsschirm für die Banken - den die Demokraten, einschließlich Obamas selbst, mit ihrer Mehrheit im Kongress verabschiedet haben - auch auf die Autoindustrie auszudehnen.

Als er unmissverständlich gefragt wurde, ob er zu seinem Wahlversprechen stehe, die Steuern für alle zu senken, die weniger als 200.000 Dollar im Jahr verdienen, ließ er in seiner Antwort die Möglichkeit offen, darüber noch einmal nachzudenken.

"Ich glaube, dass der Plan, den wir gefasst haben, richtig ist, aber es ist ganz klar, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten erst einmal alle Daten prüfen und untersuchen müssen, was in der Wirtschaft insgesamt vor sich geht," erklärte Obama.

"Das Ziel meines Planes ist, den Familien Steuererleichterungen zu verschaffen, die sich in Schwierigkeiten befinden, aber wir müssen die Fähigkeit der Wirtschaft unterstützen, von sich aus zu wachsen", fügte er hinzu, was sich wie ein Zugeständnis an die Unternehmer und die Republikaner anhörte, die behaupten, Steuererhöhungen für die Reichen würden das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.

Obama kritisierte mit keinem Wort das Vorgehen der Bush-Regierung bei der Rettung der Banken. Er sagte lediglich, sein Beraterteam werde das Finanzministerium beaufsichtigen, damit "Steuerzahler geschützt werden, Hausbesitzern geholfen wird und die Spitzenmanager von Finanzinstituten, die Hilfe von der Regierung erhalten, keine unangemessenen Entschädigungen erhalten."

Die Formulierungen, mit denen jegliche Kritik an den Spekulanten der Wall Street vermieden wurde, sprechen Bände und stimmen ganz und gar mit dem Tenor der Wahlkampagne Obamas überein. Er vermied, genau wie schon während des Wahlkampfs, jede Bloßstellung, geschweige denn Verurteilung der sozialen Interessen, die für die Wirtschaftskrise verantwortlich sind und der Wirtschaftspolitik der Bush-Regierung zugrunde liegen.

Trotz dieser oder jener Kritik an Bush oder dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner John McCain repräsentiert der Demokrat als neu gewählter Präsident die gleichen Klasseninteressen - die der Finanzaristokratie, die Amerika regiert und das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben des Landes ihrem eigenen Bereicherungsstreben unterordnet.

Siehe auch:
Ein historischer Meilenstein? Gedanken zu Klasse und Hautfarbe in Amerika
(8. November 2008)
Der Raubzug der Wall Street
( 4. November 2008)
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