Opel vor Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen

Standort Bochum droht das Aus

Angesichts der Krise des Mutterkonzerns General Motors in den USA und dem Absatzeinbruch in Europa rechnen Opel-Arbeiter in Bochum mit allem, selbst mit der Werksschließung. Die Gewerkschaften und Betriebsräte reagieren auf die Bedrohung, indem sie Lohnverzicht anbieten, die Belegschaften gegeneinander ausspielen und nationalistische Stimmungen gegen "die Amerikaner" schüren.

Carl-Peter Forster, Europachef von General Motors (GM) hat in einem Brief an die Belegschaften der Opel-Werke angekündigt, kurzfristig die Arbeitskosten um mindestens zehn Prozent zu senken. Vorerst wolle man ohne Personalabbau auskommen, heißt es in dem Schreiben, das der Zeitschrift Auto Motor Sport vorliegt. Aber: "Wenn sich die Marktverhältnisse in Europa weiter verschlechtern sollten, ist es sehr wahrscheinlich, dass weitere Schritte notwendig werden, um weiterhin überlebensfähig zu bleiben", so Forster.

Zudem droht nach Angaben der Opel-Spitze und der Gewerkschaft IG Metall das Aus für den Autohersteller, wenn die Muttergesellschaft in den USA tatsächlich Insolvenz anmeldet. Die Anzeichen verdichten sich, dass dieser Fall eintritt.

So erwäge der Verwaltungsrat von General Motors, der bisher wie GM-Konzernchef Richard Wagoner gegen eine Insolvenz war, inzwischen eine Insolvenz mit Gläubigerschutz nach US-Recht (Chapter 11). Aufgrund schwindender Kapitalreserven hätten mehrere Verwaltungsräte sich für die Prüfung "aller Optionen" ausgesprochen, einschließlich der Insolvenz, berichtete das Wall Street Journal.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, GM erwäge nun den Verkauf von vier Automobilmarken, um doch noch an milliardenschwere Regierungskredite zu gelangen, die GM und den beiden anderen großen amerikanischen Autoproduzenten Ford und Chrysler bislang verweigert werden. Zu den zum Verkauf stehenden Marken sollen Pontiac, Saturn, Hummer und der schwedische Hersteller Saab zählen. Das GM-Direktorium wolle darüber am 30. November und am ersten Dezember beraten.

Wenn die Finanzströme aus Amerika ausbleiben, hat dies weit reichende Auswirkungen für Opel. Dann benötigt Opel Kredite in Milliardenhöhe. Mitte November haben Forster, der deutsche Opel-Chef Hans Demant sowie der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz schon bei Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgesprochen, um für Bürgschaften in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zu werben. Die Initiative ging vom Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Franz aus.

Am Tag vor der Runde im Kanzleramt hatte Franz in der sonntäglichen Fernseh-Talkrunde "Anne Will" gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) Kredite für Opel gefordert und Opfer der Belegschaften angekündigt. Anschließend haben die beiden laut Presseberichten in Berlin einige Flaschen Rotwein geleert, um Details auszumauscheln. "Fragen Sie nicht, wie viele Flaschen wir getrunken haben", zitiert die Süddeutsche Zeitung Franz.

Franz spricht in Manier des Co-Managers mit Politikern, Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Investment-Bankern. Dabei versteht er sich nicht als Vertreter der Arbeiter, sondern deutscher Wirtschaftsinteressen. Für ihn ist die Sache ausgemacht: Ohne GM würde Opel gut dastehen. Er spricht vom "schwarzen Loch" von General Motors, in dem angeblich das ganze Geld von Opel verschwinde.

Während Franz die führende Rolle des Einpeitschers gegen "die Amerikaner" übernimmt, setzen die Betriebsräte vor Ort schon jetzt Kürzungen um. Sie haben alle Produktionsstopps akzeptiert, die über kurz oder lang mit Lohneinbußen verbunden sind.

In Bochum und Eisenach wird diese Woche erneut nicht produziert. Die gesamte Opel-Belegschaft wurde in den Zwangsurlaub geschickt. Davon sind in Kaiserslautern wiederum etwa 500 von insgesamt 2.300 Arbeitern betroffen, die diesen Werken zuarbeiten. Auch sie müssen zu Hause bleiben.

Laut Opel-Sprecher Andreas Kroemer wird derzeit in allen Werken nur von Woche zu Woche geplant. Der WSWS konnte er aber schon ankündigen, dass alle deutschen Werke und auch die europäischen Werke in Spanien, Großbritannien, Belgien und Polen für mindestens drei Wochen in die verlängerten Weihnachtsferien von Mitte Dezember bis Anfang Januar 2009 geschickt werden.

Bei vielen Arbeitern dürften die angesammelten Überstunden inzwischen aufgebraucht sein, so dass jeder weitere Produktionsstopp Lohnkürzungen mit sich bringt. Im nächsten Jahr erwarten die Betriebsräte ohnehin Kurzarbeit und damit empfindliche Lohneinbußen.

Standort Bochum droht die Schließung

Für das Opel-Werk in Bochum könnte am Ende dieser Runde von Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen sogar die endgültige Schließung stehen.

Hinter dem Rücken der Arbeiter laufen intensive Gespräche zwischen der Bochumer Geschäftsleitung und dem dortigen Betriebsrat, in denen Mechanismen vereinbart werden, um die von Forster verlangten Kostensenkungen durchzusetzen.

Anfang der 1990er Jahre arbeiteten in Bochum noch fast 20.000 Männer und Frauen bei Opel. Seitdem hat der Betriebsrat in einem so genannten "Zukunftsvertrag" nach dem anderen dem Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen zugestimmt. Viele Bereiche sind ausgelagert und an Fremd- oder Tochter-Unternehmen verkauft worden, in denen für jüngere Arbeiter nur noch die Hälfte der Löhne gezahlt wird.

Vor dem "Zukunftsvertrag 2005" waren noch rund 10.000 Arbeiter bei Opel in Bochum beschäftigt, heute sind es knapp 5.000. Nach drei Jahren ohne Lohnerhöhung sind die einst übertariflich bezahlten Opel-Arbeiter auf dem niedrigeren Metall-Tarif angelangt.

Rainer Einenkel, der als ehemaliges Mitglied der stalinistischen DKP Ende 2004 den Vorsitz des Betriebsrats übernahm, würde zwar niemals wie sein Vorgänger Rolf Breuer in den 1980er Jahren behaupten, er sei bis zur Kinderarbeit erpressbar. Doch die Tatsachen belegen, dass es so ist.

Alle Zugeständnisse der letzten Jahre wurden mit der Begründung unterzeichnet, es gelte "den Standort Bochum zu erhalten". Das Ergebnis ist, dass eine Schließung des Standorts Bochum immer wahrscheinlicher wird. Das Werk 1, in dem der "Astra" und der "Zafira" hergestellt werden, benötigt Investitionszusagen für die Produktions-Nachfolge ab 2011. GM hat aus Kostengründen den Produktionsstart des neuen "Astra" ohnehin schon um ein Jahr verschoben. Angesichts der jetzigen Situation sieht es schlecht aus. Schon werden Gerüchte gestreut, die Bochumer Produktion könnte 2011 im Stammwerk Rüsselsheim weitergeführt werden.

Für das Bochumer Werk 2 steht es noch schlechter. 830 Arbeiter fertigen dort Getriebe und Achsen. Zeitungen berichten, dass GM offenbar kein neues Getriebe in Bochum entwickeln lassen will. Im Gespräch sei dafür derzeit ein Standort in Asien.

Eine Schließung des Bochumer Opel-Werks würde weite Kreise ziehen. Gut 7.000 Arbeiter sind direkt im Werk beschäftigt: 5.000 bei Opel, 600 bei Power Train, 500 bei Caterpillar-Logistik (Werk 3), 570 bei Johnson Controls (Zulieferer für Autositze), 200 bei SCB (Ferrostaal) Logistik, 135 bei TCM (Werk 2, Werkzeugherstellung) und 70 bei der Allgemeinen Fahrzeuggesellschaft, die den Transport der Neuwagen zur Weiterverladung auf die Schiene oder Autotransporter organisiert.

Zudem wären mindestens 2.000 Beschäftigte bei Spediteuren, Entsorgern und Reparaturbetrieben betroffen. Hinzu kommen zahlreiche Zulieferbetriebe aus dem Umfeld und bundesweit. Tillmann Neinhaus, Hauptgeschäftsführer der Bochumer Industrie- und Handelskammer, veranschlagt die Zahl der Betroffenen allein im Bochumer Umfeld mit über 11.000.

Die drohende Schließung Bochums und anderer Werke kann nur durch die Solidarität und den gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten des globalen GM-Konzerns abgewendet werden. Die Betriebsräte dagegen spalten die Bekegschaften.

Die amerikanischen GM-Arbeiter kommen in den Reden der deutschen Betriebsräte niemals vor. Für Franz, Einenkel und Co. scheinen sie gar nicht zu existieren. Doch nicht nur zwischen die US-Belegschaften und die europäischen und deutschen wird ein Keil getrieben. Derzeit bringen die deutschen Betriebsräte sich schon in Stellung für ein eifriges Hauen und Stechen, um die Belegschaften der einzelnen Standorte gegeneinander auszuspielen.

Franco Biaggiotti, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Bochum, meint: "Wir in Bochum haben immer am meisten geblutet." Damit will er sagen, diesmal müssten andere bluten, etwa in Rüsselsheim.

Die nordrhein-westfälische IG Metall und der Bochumer Opel-Betriebsrat fordern in einem gemeinsamen Positionspapier Investitionen für neue Modellreihen in Bochum in Höhe von 420 Millionen Euro. Ohne diese sei das Aus für Bochum vorprogrammiert, schreiben sie. In ihrem Positionspapier listen sie auch zehn Gründe für den Erhalt des Bochumer Werks auf: "Die Bochumer sind Spezialisten für Produktionsanläufe und haben auch als Zulieferer eine sehr wichtige Funktion im gesamten Konzernverbund." Der Anlauf einer fortgeführten Modellreihe in Bochum koste nur "ein Drittel bis die Hälfte" einer Erstausrüstung in einem anderen Werk. So habe der fünftürige Astra in Bochum nur 20 Millionen US-Dollar an Investitionen benötigt, statt der sonst fälligen 40 Millionen.

IG Metall und der Bochumer Betriebsrat richten sich damit gezielt gegen ihre Kollegen in Rüsselsheim. Man darf getrost annehmen, dass hinter den Gerüchten der Produktionsverlagerung von Bochum nach Rüsselsheim ihrerseits die Rüsselsheimer Betriebsräte und IGM-Funktionäre stecken.

Die Betriebsräte in Bochum werden alle Kürzungen akzeptieren, um den "Standort Bochum" zu retten. Betriebsratschef Rainer Einenkel versucht abzuwiegeln: "Wir schauen mal, was die Unternehmensleitung vorschlägt", zitiert ihn die Presse. Sein Stellvertreter Biagiotti sekundiert aber bereits: "Unsere derzeitige 35-Stunden-Woche kann auf 30 Stunden gekürzt werden." Das gebe der Tarifvertrag her.

Anfang des Jahres hat der Nokia-Konzern seine Handyproduktion in Bochum stillgelegt. 2.300 Beschäftigte verloren ihren Job. Biagiotti behauptet: "Wir lassen uns nicht zu einem zweiten Nokia in Bochum machen. Wir würden uns nicht beerdigen lassen und dabei noch zuschauen." Nein, Biagiotti und der gesamte Betriebsrat schauen nicht zu. Sie sind dabei, mit ihren Kürzungen und Zugeständnissen die Beerdigung zu organisieren.

Siehe auch:
Betriebsräte und IG Metall bieten Lohnsenkung und Kurzarbeit an
(21. November 2008)
Die Debatte über die Opel-Bürgschaft
( 22. November 2008)
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