Dividende für die Aktionäre, Entlassung für Tausende Arbeiter

ThyssenKrupp verschärft Konzernumbau

Die Situation bei ThyssenKrupp, dem größten deutschen Stahl- und Rüstungsunternehmen, spitzt sich weiter zu. Nachdem der Aufsichtsrat vor vier Wochen mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter einen radikalen Konzernumbau beschlossen hatte, kündigte der ThyssenKrupp-Vorstand vor wenigen Tagen noch schärfere Maßnahmen zur Kostensenkung an.

Für die Beschäftigten bedeutet das, dass weit mehr als die bisher angekündigten 3.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen und auch Lohnsenkung und Sozialabbau in verschärfter Form angestrebt werden.

Vor vier Wochen hatten die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte ihre Zustimmung zu den Umbauplänen, die eine Kostenreduzierung von 500 Millionen Euro im Jahr bringen sollen, damit gerechtfertigt, dass sie den Konzernvorstand zur Unterzeichnung eines gemeinsamen "Eckpunkte Papiers" gezwungen hätten. Darin habe sich der Verstand verpflichtet auf betriebsbedingte Kündigungen weitmöglichst zu verzichten.

Nur wenige Wochen später machte die Geschäftsleitung deutlich, welche Bedeutung derartige Vereinbarungen für sie haben. Am 23. April trafen Konzernchef Ekkehard Schulz und sein Personalchef Ralph Labonte in der Konzernzentrale in Düsseldorf die Betriebsräte und erklärten ihnen, der Plan vom 27. März sei Makulatur.

Die Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte standen plötzlich nackt da und beschwerten sich. Lautstark lamentierten sie über "Wortbruch" und "Kulturbruch". Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Thomas Schlenz, drohte: "Schulz spielt mit dem Feuer". Doch seine Drohung mit dem Feuer bestand lediglich in der Ankündigung, dass die Arbeitnehmervertreter künftig nicht mehr alles im Aufsichtsrat abnicken würden.

Auch sein Kollege Markus Bistram von der IG Metall, der neben ihm im Aufsichtsrat sitzt, erklärte: "Die andere Seite hat den Prozess eskalieren lassen. Wir werden jetzt zu allen Veränderungen Nein sagen."

IG Metall und Betriebsräte befürchten, dass der wahre Charakter der Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft derart offensichtlich wird, dass wütende Arbeiter, ähnlich wie in Frankreich, Gewerkschaftsfunktionäre attackieren. Dort hatten vor einigen Tagen Beschäftigte von Caterpillar in Grenoble CGT-Funktionäre daran gehindert die Verhandlungen mit der Unternehmensleitung weiter zu führen und die Entlassung von mehreren hundert Arbeitern zu unterschreiben. Als die Gewerkschaftsfunktionäre den Verhandlungsraum betreten wollten, wurden sie mit Eiern beworfen und mussten zurückweichen.

Bei ThyssenKrupp wird sehr deutlich, was von Seiten der Gewerkschaft und der Betriebsräte gespielt wird. Sie wollen unter allen Umständen jeden ernsthaften Widerstand der Beschäftigten verhindern. Ihre wortradikalen Attacken auf die Konzernleitung dienen nur dazu, ihre enge Zusammenarbeit zu vertuschen. Denn auch Personalchef Ralph Labonte, der eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung der gegenwärtigen Umstrukturierungspläne und den damit verbundenen Angriffen auf die Beschäftigten spielt, ist ein ehemaliger Gewerkschafter.

Nach seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker von 1972 bis 1974 war Labonte erst bei der Karstadt AG, Essen, tätig und wurde anschließend hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), wo er 1976 Bundesjugendsekretär beim Vorstand der Gewerkschaft wurde. Von 1979 bis 1987 war er Gewerkschaftssekretär der IG Metall, Verwaltungsstelle Duisburg. Anschließend wechselte er als Gewerkschaftssekretär in den Vorstand der IG Metall, Zweigbüro Düsseldorf. 1994 erfolgte seine Bestellung zum Arbeitsdirektor der Thyssen Guss AG. Von dort aus begann sein Aufstieg in die Chefetage von ThyssenKrupp.

Die enge Zusammenarbeit und Verflechtung von Gewerkschaft und Management richtet sich direkt gegen die Beschäftigten. Von beiden Seiten wird erklärt, dass angesichts der verheerenden Auswirkungen der internationalen Stahlkrise einschneidende Maßnahmen und der Abbau von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen unvermeidlich seien.

Auch die Gewerkschaften und Betriebsräte verschweigen allerdings, dass der Vorstand trotz geplanter Entlassungen und der Einsparung von jährlich 500 Millionen Euro für diese Jahr bereits eine Dividende von 669 Millionen Euro an seine Aktionäre ausgeschüttet hat, genauso viel wie im vorangegangenen Jahr.

Radikale Umstrukturierung

Der Umbauplan vom 27. März sah vor, dass die Bereiche Stahl, Edelstahl und Dienstleistungen zu der Division/Sparte Materials und Aufzüge, Anlagenbau- und Werften zu der Division Technologies zusammengefasst werden sollten.

Wenn die neuen Pläne umgesetzt werden, fallen mehrere Führungsebenen in den bisher eigenständig geführten Unternehmensbereichen weg und auch die damit verbundenen Aufsichtsratsgremien. Laut einem Bericht der Zeitung Welt-online vom 25. April 2009 würde der Umbau in der vorgelegten Form zur Folge haben, "dass von bislang sechs Aufsichtsräten auf den ersten beiden Führungsebenen des Konzerns nur einer übrig bliebe. Allein 50 Arbeitnehmervertreter würden somit ihre Aufsichtsratsposten verlieren."

Bei dem Umbauplan von Ende März wurde mit dem Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen infolge des Konzernumbaus und dem drastischen Auftragsrückgang im Stahlbereich gerechnet, jetzt sind Zahlen von 4.000 Arbeitsplätzen und 3.000 zusätzlich im Umlauf.

Der Unternehmensvorstand begründet das radikalere Umbau- und Sparprogramm für den Konzern damit, dass die Krise im Stahlbereich eskaliert und dass sich das Unternehmen "das Weiterdenken nicht verbieten lasse". Darüber hinaus wären in der Vergangenheit bestimmte Entwicklungen zu spät an der Spitze angekommen und man hätte deswegen nicht schnell genug darauf reagieren können.

Dies ist vor allem eine Anspielung auf die Kostenexplosion beim Bau von neuen Stahlwerken in Brasilien und Alabama, USA. Allein beim Bau des Stahlwerks in Brasilien sind die ursprünglich geplanten Kosten von 1,5 Milliarden Euro auf 4,5 Milliarden Euro explodiert. Die Entscheidung für den Bau dieser Werke fiel vor einigen Jahren, als die weltweite Nachfrage nach Stahl kaum befriedigt werden konnte. Jetzt sind die noch nicht fertig gestellten Werke für den Konzernvorstand vor allem ein schwer kalkulierbarer Kostenfaktor.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung RWI rechnet für 2009mit einem weltweiten Rückgang der Stahlproduktion um 15 bis 20 Prozent. Für Deutschland erwartet es einen Einbruch der Stahlproduktion um 30 Prozent und den Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen.

Nach Informationen der Wirtschaftsvereinigung Stahl ist in den meisten Ländern der EU sowie in den USA, Brasilien und Japan die Stahlerzeugung im ersten Quartal 2009 um 40 bis 50 Prozent gesunken, in Deutschland um knapp 40 Prozent.

Selbst diese Zahlen (die Zahlen des RWI) erscheinen angesichts des Rückgangs der Stahlproduktion in den letzten Monaten und des angekündigten Arbeitsplatzabbaus allein bei ThyssenKrupp und ArcelorMittal noch zu optimistisch. Die deutsche Stahlproduktion hat sich im März im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Das ist der stärkste Rückgang seit 1990/91. Im ersten Quartal 2009 sank die Produktion um 40 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2008.

Das heißt die Stahlwerke sind derzeit nur zu 60 Prozent ausgelastet. Von fünfzehn Hochöfen wurden bereits fünf stillgelegt. Die restlichen laufen nur mit verminderter Kapazität. Etwa 45.000 der 94.000 Stahlarbeiter in Deutschland sind schon von Kurzarbeit und Einkommensverlusten betroffen.

Bereits am 6. April demonstrierten 10.000 Arbeiter von ThyssenKrupp in Duisburg gegen den geplanten Konzernumbau auf ihre Kosten und am 26. Februar waren 10.000 Stahlarbeiter in Duisburg auf die Straße gegangen, um gegen drohende Entlassungen zu demonstrieren.

Es wird aber immer deutlicher, dass diese Proteste nur dann Wirkung zeigen werden, wenn sie nicht länger unter der Kontrolle der Betriebsräte und IG Metall-Funktionäre bleiben. Es ist notwendig, dass die Beschäftigten von ThyssenKrupp mit ihren Kollegen von ArcelorMittal Kontakt aufnehmen. Auch in diesem Konzern werden 1.200 der 8.000 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut. Dies trifft die Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt.

Darüber hinaus ist es wichtig mit den Autoarbeitern über alle Grenzen hinweg Kontakt aufzunehmen und den Angriffen der Konzernleitung und ihren Handlangern in den Betriebsräten einen gemeinsamen Kampf und eine internationale sozialistische Strategie entgegenzustellen, in der die Bedürfnisse der Arbeiter und ihrer Familien an erster Stelle stehen und nicht die Profite der Konzerne und Banken.

Siehe auch:
ThyssenKrupp-Arbeiter demonstrieren gegen Konzernumbau auf ihre Kosten
(8. April 2009)
Massiver Arbeitsplatzabbau bei ThyssenKrupp - Arbeitnehmervertreter stimmen Konzernumbau zu
( 31. März 2009)
10.000 Stahlarbeiter demonstrieren in Duisburg gegen drohende Entlassungen
( 3. März 2009)
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