US-chinesische Gespräche zeigen eine fragile Beziehung

Am 27./28. Juli fand ein strategischer und wirtschaftlicher Dialog zwischen den Vereinigten Staaten und China statt. Er warf ein Schlaglicht auf die Abhängigkeit des hochgradig verschuldeten US-Kapitalismus von China als einer wichtigen Quelle der Kapitalbeschaffung. Gleichzeitig machte das Forum die zunehmend gegensätzlichen strategischen und wirtschaftlichen Interessen der beiden Länder sichtbar.

Erstmalig von der Regierung Bush eingeführt, um unter dem früheren Finanzminister Henry Paulson finanzpolitische Themen mit der chinesischen Regierung zu diskutieren, erweiterte die Obama Regierung das Treffen durch die Einbeziehung des Außenministeriums und strategischer Themen, die in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen eine immer größere Rolle spielen.

US Präsident Barack Obama und Chinas Präsident Hu Jintao verabredeten das Treffen während des G-20-Gipfels im April in London, als die globale Wirtschaftskrise schon wütete. Das US-Handelsdefizit wird in diesem Jahr auf mehr als 1,85 Billionen US Dollar anwachsen. Die Regierung unter Obama braucht China, das mittlerweile größte Gläubigerland (mit Schatzbriefen im Wert von mehr als 800 Milliarden Dollar und mehreren hundert Milliarden an Regierungsanleihen), um ihre massiven Rettungsaktionen für die Wall Street zu finanzieren. Allein in dieser Woche gab die amerikanische Regierung Staatsanleihen im Wert von 200 Milliarden Dollar heraus.

Die Regierung in Peking, die mit steigender Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat, hofft verzweifelt dass die amerikanischen Nachfrage wieder anzieht, was dem danieder liegenden Exportsektor Chinas Absatzmärkte bieten würde. Im der Stadt Jilin im Nordosten Chinas töteten 30.000 rebellierende Stahlarbeiter letzte Woche ihren Manager während eines Protests gegen Privatisierung und Arbeitsplatzvernichtung, was die tief sitzenden sozialen Spannungen deutlich macht, die durch die Ausbeutung der chinesischen Arbeiterklasse als billige Arbeitskräfte für das globale Kapital entstanden sind.

Die amerikanische Delegation wurde von Außenministerin Hillary Clinton, Finanzminister Timothy Geithner und dem Vorsitzenden der Zentralbank, Ben Bernanke, geführt. Peking entsandte seine bisher größte Delegation nach Washington, bestehend aus 150 leitenden Regierungsbeamten unter der Führung von Regierungsberater Dai Bingguo (zuständig für auswärtige Angelegenheiten), Vize Präsident Wang Qishan (zuständig für Wirtschaftsangelegenheiten) und Zentralbankchef Zhou Xiaochuan.

Während die Amerikaner eine hochrangige Delegation zu den Gesprächen sandten, war keiner der chinesischen Gesandten Mitglied des einflussreichen ständigen Ausschusses des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).

Präsident Obama eröffnete das Treffen und erklärte, die chinesisch-amerikanischen Beziehungen "werden das 21. Jahrhundert prägen". Obama versuchte, Vorhaltungen abzuwehren, China werde die Überlegenheit der USA in Frage stellen, und sagte: "Einige in China denken, wir versuchten Chinas Ambitionen einzudämmen; einige in Amerika denken, ein aufstrebendes China sei eine Bedrohung. Ich sehe das anders. Ich glaube an eine Zukunft, ... in der unsere Nationen nicht nur aus Notwendigkeit, sondern auch wegen der darin liegenden Chancen Partner sind."

Clinton und Geithner schrieben gemeinsam einen Artikel für das Wall Street Journal, in dem sie erklärten: "Einfach ausgedrückt, können wenige globale Probleme von China oder den USA alleine gelöst werden. Und wenige können ohne die USA und China gelöst werden. Eine gesunde Weltwirtschaft, eine intakte globale Umwelt, die Festigung instabiler Staaten und die Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen hängen in großem Maße von der Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und China ab."

Clinton hatte China im Februar besucht und die Regierung in Peking gedrängt, weiterhin US-Staatsanleihen zu kaufen, eine bisher noch nie da gewesene Aktion einer amerikanischen Außenministerin. Im Juni war Geithner in Peking um der chinesischen Führung zu versichern, dass das Weiße Haus unter Obama die gewaltigen Staatsanleihen Chinas sichern werde, indem es rigide Sparmaßnahmen ergreife, um so das Haushaltsdefizit drastisch zu reduzieren.

In seiner ersten offiziellen Erklärung im Januar hatte Geithner gedroht, die neue Regierung werde China der "Wechselkursmanipulation" bezichtigen, da es angeblich den Yuan unterbewerte, um seinen Export anzukurbeln, was das riesige Handelsdefizit der USA mit China vertiefe. Auf dem Treffen der letzen Woche schwieg Geithner zu diesem Thema. In den Worten des Ersten Vizepräsidenten der US-Handelskammer, Myron Brilliant: "Dies ist kein Thema, das die Regierung an die große Glocke hängt".

Die chinesische Seite hingegen bewahrte Stillschweigen bezüglich der zuvor erhobenen Forderung nach einer Ablösung des Dollars als Weltreservewährung. Der Chef der chinesischen Zentralbank, Zhou, erzählte Reportern, dass in den Gesprächen mit Geithner keine Diskussion über eine neue internationale Reservewährung stattgefunden habe, während Chinas Wechselkursmanipulation nur "gestreift wurde".

Nichtsdestotrotz bekräftige Premierminister Wang Pekings Position, dass die USA den Wert des Dollars stützen müssten. Das wachsende Haushaltsdefizit der USA drohe sonst, Chinas riesige auf Dollar lautende Währungsreserven und Wertpapiere zu schmälern. Zwei Drittel der zwei Billionen chinesischen Währungsreserven werden in Dollar gehalten. Geithner antwortete: "Genau wie China werden wir in den Vereinigten Staaten darauf hinwirken, unser Finanzdefizit mittelfristig zu senken, und wir werden daran arbeiten, die außergewöhnlichen Maßnahmen rückgängig zu machen, die wir ergreifen mussten, um die Krise zu stabilisieren."

Die mehrere Billionen schweren Rettungsaktionen für die Wall Street unter der Regierung Bush und dann unter Obama, waren darauf ausgerichtet, die astronomischen finanziellen Verluste auf den Rücken der amerikanischen Arbeiterklasse abzuwälzen. Das bedeutet, elementare soziale Leistungen im Gesundheits- und Bildungswesen zu zerstören und weitere Reallohnsenkungen durch zu führen. Das ist die Bedeutung von Geithners Versprechen an Peking, das US-Haushaltsdefizit durch Sparmaßnahmen zu senken.

Trotzdem wird der schrumpfende Konsum der amerikanischen Arbeiter nicht nur die chinesische, sondern auch die Wirtschaft anderer asiatischer Länder in große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Geithner forderte China auf, sich im Dienste "eines ausgewogenen und nachhaltigen globalen Wachstums" stärker der Entwicklung des Binnenmarkts zuzuwenden, während Amerika sich von einem auf Verschuldung beruhenden Konsum weg, und auf größere Sparquoten ausrichten werde. Im Rahmen des so genannten wirtschaftlichen Rebalancing werden die Einschnitte im amerikanischen Konsum in scharfen Konflikt mit Pekings Wunsch geraten, die Produktion auszuweiten, um so Millionen neuer Jobs zu schaffen und die Unzufriedenheit der Bevölkerung gering zu halten.

Zu den gigantischen Konjunkturprogrammen Chinas meinte Michael Pettis, ein Wirtschaftprofessor an der Universität in Peking, im Wall Street Journal : "Weil China in nur sechs Monaten das System mit Krediten in Höhe von mehr als einem Viertel des BIP des letzten Jahren überschwemmte, schuf es zwar kurzfristig Arbeitsplätze, aber auch zusätzliche Überkapazitäten und verschlechterte die Staatsfinanzen... Falls die steigenden Spareinlagen in Amerika mit den von der chinesischen Regierung geförderten Produktionssteigerungen zusammenstoßen, könnten beide Staaten zu einer für beide Seiten schädlichen Politik gezwungen werden. Die Konsequenzen, insbesondere für China, könnten brutal sein".

Wohl wissend, dass die chinesische Regierung auf einer sozialen Zeitbombe sitzt, hat die amerikanische Regierung zu den Unruhen in der Uiguren-Provinz Xinjiang weitgehend geschwiegen. Während Dutzende uigurischer Aktivisten vor dem Weißen Haus Slogans wie "China, schäm Dich" skandierten, drückte drinnen der chinesische Vize-Außenminister Wang Guangya "unsere Wertschätzung für die moderate Haltung Amerikas" zu den Unruhen in Xinjiang aus. Er erzählte Reportern, das Washington "unausgesprochen zu verstehen gab, dass dieses Ereignis eine vollständig innere Angelegenheit Chinas sei."

Nicht nur, dass der amerikanische Kapitalismus von der brutalen Ausbeutung der chinesischen Arbeiterklasse als billige Arbeitskräfte abhängig ist. Die Obama Regierung ist sich auch darüber im Klaren, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis infolge der grausamen sozialen Angriffe auf die Arbeiterklasse auch in den Vereinigten Staaten große soziale Unruhen ausbrechen werden.

Der chinesisch-amerikanische Dialog kennzeichnet den Niedergang des US-Kapitalismus. Das Treffen wurde angesetzt, um China einige Zugeständnisse zu machen und es unter das Dach einer von den USA dominierten Weltordnung zu bringen. Diese Strategie wurde erstmalig im Januar in Peking von dem früheren nationalen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski vorgeschlagen, der eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung von Obamas Außenpolitik spielt. Brzezinski hielt eine Rede im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Bestehen der chinesisch-amerikanischen diplomatischen Beziehungen. Er gehörte zu der US-Delegation, die Schlüsselpersonen wie den früheren US-Präsidenten Jimmy Carter und den früheren Außenminister Henry Kissinger umfasste, die vom chinesischen Präsident Hu Jintao und Premier Wen Jiabao empfangen wurden.

Brzezinskis Rede wurde von der Financial Times am 13. Januar unter der Überschrift: "Die Gruppe der Zwei, die die Welt verändern kann" veröffentlicht. Er bemerkte: "Ein global aufsteigendes China ist eine revisionistische Macht. Deswegen muss es wichtige Änderungen im internationalen System anstreben, die es aber geduldig, klug und friedlich zu erreichen sucht. Brzezinski forderte eine größere Zusammenarbeit über die Wirtschaftskrise hinaus, einschließlich einer Mitwirkung Chinas beim Umgang der USA mit dem Iran, bei amerikanisch-chinesischen Absprachen zu Indien und Pakistan und einer Rolle für China im israelisch-palästinensischen Konflikt und dem Nahen Osten im Allgemeinen. Er forderte eine Partnerschaft mit China "analog zu unseren Beziehungen mit Europa und Japan".

Das G-2 Konzept hat in Europa und Japan hingegen die Besorgnis geweckt, dass China auf ihre Kosten eine größere Rolle in der Weltpolitik spielen wolle. Obama nannte in seiner Rede im Rahmen der amerikanisch-chinesischen Gespräche die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und China bemerkenswerter Weise so "wichtig wie jede andere bilaterale Beziehung auf der Welt" - eine Formulierung die vermeiden wollte, Japan zu verärgern, das seit dem zweiten Weltkrieg der Hauptverbündete der USA in Asien ist.

Im Wesentlichen forderte Brzezinski eine Annäherung an China, um einen neuen Weltkrieg zu vermeiden. "In einer Zeit in der die Risiken für einen äußerst destruktiven "Zusammenstoß der Kulturen" wachsen, ist die gut überlegte Förderung einer aufrichtigen Versöhnung der Kulturen dringend geboten."

Wie dem auch sei, das Washingtoner Treffen brachte wenige substantielle Übereinkommen. Die Spannungen zwischen den Großmächten werden nicht verschwinden, sondern durch die globale Finanzkrise noch verschärft. Weil die Vereinigten Staaten weniger wirtschaftlichem Einfluss auf China besitzen, als je zuvor, ist ihre militärische Überlegenheit das einzige Mittel, mit dem sie ihre Hegemonie durchsetzen können. Auch diese Überlegenheit kommt mit Chinas Wunsch in Konflikt, selbst eine wichtige Militärmacht zu werden.

Im März hat die Regierung Obama ein Beobachtungsschiff in die südchinesische See gesandt, um chinesische U-Boote zu überwachen, was zu einer Konfrontation mit Patrouillenschiffen der chinesischen Marine führte. Nur ein paar Tage vor diesem Zwischenfall hatte ein Leitartikel in der Financial Times gewarnt: "Die größte Herausforderung, vor der die Welt steht, ist die Bewältigung von Chinas Aufstieg. Relativ stabile Weltordnungen gewöhnen sich nicht einfach an den Aufstieg neuer Mächte." Im günstigsten Falle gibt es schmerzvolle Verschiebungen; im schlimmsten Fall katastrophale Tragödien.

Soweit die gegenwärtige globale Finanz- und Wirtschaftskrise zum Teil aus dem Ungleichgewicht aufgrund des enormen chinesischen Handelsüberschusses herrührt -was Peking bestreitet -, ist das potentielle Ausmaß solcher Erschütterungen schon klar. Das gleiche gilt für Chinas Ambitionen seine diplomatische und militärische Macht zu entwickeln."

Trotz allen Lächelns und aller Fototermine während des chinesisch-amerkanischen "Dialogs" treiben mächtige wirtschaftliche Gegensätze die beiden Mächte in Konflikte von möglicherweise katastrophalem Ausmaß.

Siehe auch:
Unruhen in Xinjiang legen Schwäche des chinesischen Staates bloß
(15. Juli 2009)
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