Perspektive

Medienkampagne für neue Rechtspartei

Am vergangenen Freitag veröffentlichte der Berliner Tagesspiegel einen Gastkommentar, in dem Norbert Bolz zur Gründung einer „Rechtspartei des selbstbewussten Konservativismus“ aufruft. Bolz ist Professor für Medienwissenschaft an der Technischen Universität Berlin.

Seinen Aufruf zu einer rechts-konservativen Sammelbewegung beginnt Bolz mit einer scharfen Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe „aus der CDU endgültig eine sozialdemokratische Partei gemacht“ und damit wichtige konservative Vordenker, wie den früheren CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz und den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, aus den Spitzenämtern der CDU verdrängt.

Die neue Rechte tritt für den Abbau des Sozialstaates und das uneingeschränkte Recht auf Ausbeutung ein. Bolz formuliert das mit den Worten: „Die Rechte ist gegen den Paternalismus des vorsorgenden Sozialstaates, für mehr Selbstverantwortung und den unzweideutigen Schutz des Eigentums.“ Darüber hinaus fordert er „einen fröhlichen Patriotismus und eine christliche Leitkultur“. Er betont: „Die Rechte hält am Vorrang der traditionellen Familie und an einem mehrgliedrigen Bildungssystem fest.“

Die neue Rechte müsse die „Medienmacht der Linken“ brechen und dürfe nicht länger die „Denkblockade“ akzeptieren, die der „nachträgliche Kampf gegen die Nazis in den letzten fünfzig Jahren“ geschaffen habe, fährt Bolz fort. Die „groteske Gleichung: konservativ=reaktionär=faschistisch“ werde als ideologische Keule benutzt, um einen selbstbewussten Konservativismus einzuschüchtern und mundtot zu machen.

Professor Bolzs Aufruf ist Teil einer gezielten Medienkampagne.

Ende Juli hatte das Meinungsforschungsinstitut Emnid eine Umfrage im Auftrag des Nachrichtenmagazins Focus veröffentlicht. Es behauptete, 20 Prozent der Befragten würden die Gründung einer neuen Rechtspartei begrüßen und unterstützen. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts, Klaus-Peter Schöppner, gab zeitgleich Interviews, in denen er gute Chancen für die Gründung einer christlich geprägten konservativen Partei rechts von den Unionsparteien darlegte. „Ausgerechnet die treuesten Unionswähler strömen derzeit in Scharen zu den Nichtwählern“, erklärte der Emnid-Gründer in einem Beitrag für Bild am Sonntag. In einem anderen Beitrag bot er auch schon einen Namen für die neue Rechtspartei an. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ könnte sie heißen.

Nach Einschätzung Schöppners hätte eine neue Rechtspartei mit Politikern wie dem scheidenden hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, dem ehemaligen Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) „beste Chancen, sich zu etablieren“. Auch der ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck, der im Mai von SPD und Grünen als Kandidat für die Präsidentschaftswahl nominiert worden war, nannte er als mögliches Gründungsmitglied.

Anfang des Jahres hatten rechts-konservative CDU-Funktionäre ein „Manifest gegen den Linkstrend“ veröffentlicht. Seitdem sammeln sie Unterschriften für eine Rechtswende. Das Manifest beginnt mit den Worten: „Mit großer Sorge registrieren die Unterzeichner, wie sich die Führung der CDU mit der ‚Berliner Erklärung‘ vom 15. Januar 2010 offenbar endgültig von ihren Wurzeln und langjährigen Stammwählern verabschieden und die ‚Öffnung nach links‘ unumkehrbar weiter vorantreiben will.“ Die CDU müsse zu ihren christlich-konservativen und marktwirtschaftlichen Wurzeln und damit zu den Positionen von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard zurückfinden.

Zu den Erstunterzeichnern des Manifests gehören unter anderem Ferdinand Fürst von Bismarck, Urenkel des „Eisernen Kanzlers“ (verwandt mit Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen, der Frau von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg), Johanna Gräfin von Westphalen, Vorsitzende der von ihr gegründeten klerikalen Antiabtreibungs-Stiftung „Ja zum Leben“, Prof. Dr. Hubert Gindert, Vorsitzender des Forums Deutscher Katholiken und Chefredakteur der katholischen Zeitschrift Der Fels, Prof. Dr. Klaus Hornung, der ehemalige Präsident des rechtskonservativen Studienzentrums Weikersheim, und Martin Lohmann, Publizist und Vorsitzender des „Bundesverbands Lebensrecht“, einer Juristenvereinigung gegen Abtreibung.

Die Kampagne zur Gründung einer Rechtspartei steht in direktem Zusammenhang mit dem Aufbrechen der Union als Volkspartei. Mehr noch als die SPD waren CDU und CSU die Verkörperung jener Form des Korporatismus, die den Wesenskern des „rheinischen Kapitalismus“ der Nachkriegsordnung ausmachte. Sie vereinten die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und Interessen unter einem Dach: Unternehmer, Handwerker, Bauern, Beamte und Arbeiter, Katholiken und Protestanten, Sozialreformer und Wirtschaftsliberale.

Angesichts der Wirtschaftskrise und der damit verbundenen wachsenden sozialen Spannungen wie auch der zunehmenden Polarisierung in Arm und Reich brechen die politischen Formationen auf, mit denen die Politik der Sozialpartnerschaft in den vergangenen Jahrzehnten organisiert wurde.

Allerdings gehen die Rechten davon aus, dass sie gegenwärtig nur über begrenzten politischen Einfluss verfügen. Rechte, klerikale Initiativen, wie etwa die rechtsradikale Kleinpartei „Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen“, konnten in vergangenen Wahlen trotz starker finanzieller Ausstattung nur wenig Unterstützung gewinnen.

Die rechten Strategen richten sich daher nicht auf morgen, sondern auf übermorgen aus. Sie erwarten, dass eine „Links-Regierung“, die gegenwärtig von Teilen der herrschenden Elite angestrebt wird, nur ein kurzes politisches Intermezzo sein wird. Denn SPD, Grüne und Linkspartei betonen bei jeder Gelegenheit, dass sie die Sozialkürzungen, die von den Banken und Wirtschaftsverbänden gefordert werden, besser und konsequenter durchsetzen werden, als es die Merkel-Regierung bisher getan hat.

Die politische Frustration, die durch die rechte Politik einer so genannten Link-Regierung ausgelöst wird, soll dann den politischen Nährboden für den Aufstieg einer Rechtspartei schaffen.

Dass derartige Überlegungen und Pläne durchaus Erfolg haben können, zeigt die politische Entwicklung in Großbritannien, Ungarn und den Niederlanden. Dort sind rechts-konservative Parteien – in Budapest und Den Haag sogar offen faschistische Parteien – an die Macht gekommen, die die Empörung, Wut und Verzweiflung von Teilen der Bevölkerung in ihre rechten Kanäle lenken konnten.

Die Behauptung von Funktionären der Linkspartei und der Gewerkschaften, die rechte Offensive könne durch eine „Einheit gegen Rechts“, das heißt durch eine politische Sammelbewegung zur Unterstützung der Linkspartei und der SPD gestoppt werden, ist daher grundfalsch. Denn eine vorübergehende Links-Regierung ist in den Plänen der Rechten durchaus einkalkuliert.

Gestoppt werden kann der rechte Spuk nur durch das unabhängige politische Eingreifen der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms, das darauf abzielt, die Macht der Banken und der Finanzaristokratie zu brechen und eine Arbeiterregierung zu errichten.

Loading