Die USA und die europäischen Mächten begegnen Angebot Irans mit Drohungen und Schikanen

Die USA und ihre europäischen Alliierten zeigen eine deutlich unterkühlte Reaktion auf den betont offensiven Versuch Irans, ein von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) vermitteltes Abkommen wiederaufleben zu lassen. Das Abkommen würde es Teheran erlauben, den Atomforschungsreaktor des Landes in Betrieb zu lassen und damit die Versorgung des Landes mit dringend benötigten medizinischen Isotopen sicherzustellen.

Entsprechend dem Abkommen würde Teheran 70 Prozent oder mehr von seinem augenblicklichen niedrig angereicherten Uran ins Ausland bringen, um es von 3,5 auf 20 Prozent anreichern und daraus Brennstäbe herstellen zu lassen.

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner erklärte, das iranische Angebot, das Präsident Mahmoud Ahmadinedschad am Dienstag in einer Rede gemacht hatte, sehe aus wie der Versuch "Zeit zu gewinnen". "Ich bin verblüfft und auch ein bisschen pessimistisch", erklärte Kouchner. Am darauf folgenden Mittwoch kündigte der französische Premierminister Francois Fillon an, Frankreich werde neue "verschärfte Sanktionen" gegen den Iran fordern. Frankreich hat gegenwärtig den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne. "Es ist noch nicht zu spät, um den Iran auf politischem Weg daran zu hindern, sich Atomwaffen zu beschaffen, aber die Zeit drängt", erklärte Fillon.

Außenminister Guido Westerwelle erklärte, wenn der Iran Vorschläge vorlegen wolle, dann soll er sie der IAEO in Wien vorlegen: "Es ist jetzt die Aufgabe des Iran zu signalisieren, dass er sich nicht mehr weigert zu verhandeln... In den letzten zwei Monaten und in den letzten Jahren hat der Iran sehr viel manövriert und deshalb zählen nur Taten und nicht Worte."

Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor erklärt, der Februar sei der "entscheidende" Monat, um die ausweglose Situation zwischen den Großmächten und dem Iran wegen seines Atomprogramms zu überwinden. Sie fügte hinzu, Deutschland werde in der Europäischen Union darauf drängen, weitere Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, wenn die UNO nicht handelt.

Washingtons erste Reaktion auf die Äußerungen Ahmadinedschads bestand in der Forderung, der Iran müsse die von der IAEO ausgehandelte Abmachung ohne Änderungen akzeptieren. Die USA, erklärte der Sprecher des Außenministeriums, P.J. Crowley, "sind nicht bereit diese Abmachung zu verändern. Wir wollen nicht erneut darüber verhandeln."

Später wurde dies, wenn auch nur leicht, verändert: "Wenn der Iran etwas Neues mitzuteilen hat", erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses, "sind wir bereit, es uns anzuhören."

In den Tagen vor und nach Ahmadinedschads Angebot taten die USA alles, um den diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Druck auf Teheran zu verschärfen.

Letzte Woche erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton, für die USA sei die Zeit gekommen, sich von der Politik der Gesprächsbereitschaft mit Teheran zu einer Politik des "Drucks und der Sanktionen zu bewegen". Diese Ankündigung war gekoppelt mit der schonungslosen Warnung an China, es riskiere "wirtschaftliche Unsicherheit und diplomatische Isolierung", wenn es sich den anderen P5+1-Mächten (die permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland) nicht anschließe und weitere Sanktionen gegen den Iran unterstütze und verhänge.

Im Anschluss daran gab die Obama-Regierung bekannt, dass sie die Stationierung von land- und seegestützten Raketenabwehrsystemen im persischen Golf als Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit dem Iran ausgeweitet habe. Die USA haben neue Patriot-Raketenstützpunkte in vier Golf-Staaten - Kuwait, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain - errichtet und werden von nun an jederzeit Schiffe im persischen Golf stationiert haben, die mit dem Aegis-Raketenabwehrsystem ausgerüstet sind.

Innerhalb von 24 Stunden nach Ahmadinedschads Auftritt im Fernsehen verurteilten die USA den Abschuss einer neuen iranischen Rakete, die in der Lage ist, Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen, als "provokativ". Außerdem wiesen sie den iranischen Vorschlag scharf zurück, drei Amerikaner, die im letzten Sommer im Iran festgenommen worden waren, gegen mehrere Iraner auszutauschen, die in US-Gefängnissen sitzen. Die amerikanischen Staatsbürger hatten die Grenze vom Irak her überquert.

Die USA verbreiten zurzeit ein Dokument unter den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats, in dem die möglichen Einzelheiten einer vierten Runde von UN-Sanktionen gegen den Iran skizziert werden. Wie verlautet sind die Iranischen Revolutionsgarden (Iranian Revolutionary Guard Corps, IRGC) Zielscheibe der Sanktionen. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts sind die IRGC zu einem bedeutenden Faktor in der iranischen Wirtschaft geworden und sie werden von den USA regelmäßig angeprangert, weil sie die Hisbollah und die Hamas unterstützen.

Im letzten Jahr haben Hillary Clinton und andere Vertreter der USA wiederholt davon gesprochen, "lähmende Sanktionen gegen den Iran" zu verhängen. Das wurde allgemein als weltweites Embargo von Benzinexporten in den Iran interpretiert. Trotz seiner riesigen Ölreserven importiert der Iran gegenwärtig 40 Prozent seines Benzins, weil er nicht genügend Raffinerien besitzt.

Wenn die Obama-Regierung jetzt für "gezielte" oder "empfindliche" Sanktionen statt eines Benzin-Embargos eintritt, dann geschieht dies aus zwei Gründen. Erstens rechnet sie nicht damit, für eine solch aggressive Maßnahme die Unterstützung Moskaus oder speziell Pekings zu bekommen. Washington möchte so lange wie möglich den Anschein internationaler Einheit gegen den Iran aufrecht erhalten, um in den Augen des amerikanischen Volks möglichst jede unilaterale Aktion zu legitimieren, einschließlich eines möglichen Militärschlags, den sie zu einem späteren Zeitpunkt gegen den Iran führen könnte.

Zweitens erkennt sie, dass eine derart kriegslüsterne Aktion ihre Anstrengungen unterlaufen könnte, die tiefen Spaltungen auszunutzen, die sich im iranischen Regime über die Frage der Präsidentschaftswahlen im letzten Juni entwickelt haben.

Wie die neokonservative republikanische Regierung zuvor besteht die Obama-Regierung darauf, dass man dem Iran nicht erlauben dürfe, seine Rechte als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags auszuüben und ein umfassendes ziviles Atomprogramm zu entwickeln. Seine Absichten seien "verdächtig". Und wie George W. Bush droht Obama dem Iran mit Krieg und erklärt "alle Optionen lägen auf dem Tisch", wenn es darum geht das Atomprogramm des Iran zu verhindern. Die IAEO hat jedoch wiederholt erklärt, sie verfüge über keine Beweise, dass die Islamische Republik ein Atomwaffen-Programm habe oder jemals hatte. Und selbst die zahllosen US-amerikanischen Geheimdienste kamen in ihrer Einschätzung von 2007 zu dem Schluss, der Iran habe sein mutmaßliches Waffenprogramm 2003 eingestellt.

In einem Interview vom 2. Februar, das im nationalen Fernsehen übertragen wurde, erklärte der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad, der Iran habe keine Einwände dagegen, sein niedrig angereichertes Uran ins Ausland zu schicken, um es anzureichern und dann "vier oder fünf" Monate zu warten, bis die Bearbeitung im Ausland abgeschlossen ist.

Er zerstreute auch Sorgen darüber, die Großmächte könnten ihr Wort nicht halten, Irans niedrig angereichertes Uran weiterzuverarbeiten und das angereicherte nukleare Material zeitnah nach Teheran zurückzubringen.

"Wir haben keine Einwände gegen den Tausch", erklärte Ahmadinedschad, "aber die falsche Verhaltensweise des Westens führte zu der Verzögerung.

Wir hatten vorgeschlagen, dass der Tausch in drei Stufen stattfindet, aber sie [die P5 +1] erklärten, aus technischen Gründen sei das nicht möglich."

"Einige Leute im Iran", fährt Ahmadinedschad fort, "haben sich besorgt über diese Abmachung gezeigt und erklärt, wenn wir unser niedrig angereichertes Uran abgeben, werden sie uns den Brennstoff nicht liefern. Ich frage deshalb, was könnte denn passieren, wenn sie [der Westen] ihr Versprechen nicht einhalten? Sie würden sich blamieren und das internationale Klima würde sich zu unseren Gunsten ändern und uns erlauben, offen unsere eigenen Anstrengungen fortzusetzen."

Irans Regierung hatte anfänglich signalisiert, sie akzeptiere das Abkommen, das die IAEO in Gesprächen zwischen Teheran und den P5 + 1 Anfang Oktober vermittelt hatte. Sie zog ihre Zustimmung jedoch zurück, nachdem das Abkommen sowohl von konservativen Politikern, die dem Obersten Führer der Islamischen Republik, Ayatollah Khamanei, nahe stehen, wie z.B. der Parlamentssprecher Ali Laridschani, als auch von Führern der bürgerlichen grünen Opposition kritisiert wurde, darunter von ihrem wichtigsten Sprecher, Hossein Mussawi.

Die Gegner des Abkommens wiesen auf die lange Geschichte der Doppelzüngigkeit der Großmächte bei ihrem Umgang mit dem Iran hin, sowie auf die Weigerung der USA und anderer Großmächte, die Wirtschaftssanktionen gegen Teheran in irgendeiner Weise zu lockern und auf das Frohlocken in Washington. Die Obama-Regierung hatte das Abkommen lautstark angekündigt und erklärt, es würde zumindest für ein Jahr alle iranischen Pläne zur Entwicklung von Atombomben verhindern, weil es Teheran zwingen würde, den größten Teil seiner Vorräte an niedrig angereichertem Uran auszuliefern. Die USA und ihre Verbündeten könnten dann dieses Jahr nutzen, argumentierte die Regierung, um Iran dazu zu nötigen, der Forderung der USA nachzugeben und auf seine Rechte auf ein umfassendes ziviles Atomprogramm entsprechend dem Atomwaffensperrvertrag zu verzichten.

Um ihre inländischen Kritiker zu beschwichtigen, versuchte die Regierung Ahmadinedschad-Khamenei daraufhin, das IAEO-Abkommen abzuändern. Sie schlug zum Beispiel vor, das niedrig angereicherte iranische Uran solle von der IAEO auf iranischem Boden treuhänderisch beaufsichtigt werden bis zur Übergabe einer angemessenen Menge von auf 20 Prozent angereichertem Uran. Die Obama-Regierung erklärte jedoch unerbittlich, es werde keine Änderungen des ursprünglichen, provisorischen Abkommens geben.

Später erklärte Ahmadinedschad, Teheran werde alleine weitermachen und Uran auf 20 Prozent anreichern. Das wurde von Washington und seinen Verbündeten sofort als ein Schritt verurteilt, der Iran an die Schwelle einer Atomwaffe bringe. Allerdings wird zum Bau einer einsetzbaren Waffe Uran benötigt, das auf 85 Prozent oder mehr angereichert ist.

Es gibt ernsthafte Zweifel daran, dass Iran bislang die Fachkenntnis hat, um Uran auf 20 Prozent anzureichern.

Die technische Frage ist jedoch eindeutig zweitrangig.

Das klerikal-bürgerliche Establishment des Irans wurde durch den unverminderten Druck der USA, die Weltwirtschaftskrise und die sich vertiefenden gesellschaftlichen Widersprüche innerhalb des Iran in Aufruhr versetzt.

Die US-amerikanischen und die von den USA initiierten Sanktionen der UNO hatten eine im wachsenden Maße schwächende Wirkung auf die iranische Wirtschaft. Laut dem Vorsitzenden der Handelskommission der Teheraner Handelskammer sind die ausländischen Investitionen im Iran von März 2008 bis März 2009 um 96 Prozent gefallen. Obwohl die Weltwirtschaftskrise zweifellos eine wichtige Rolle dabei spielt, waren die USA mit wachsender Unterstützung ihrer europäischen Verbündeten aufgrund ihrer Vorherrschaft im Weltfinanzsystem immer erfolgreicher, dringend benötigte Investitionen in Irans Öl-Industrie abzuwürgen.

Vor kurzem erhielt Ahmadinedschad Zustimmung für seinen Plan, Zuschüsse in Höhe von 100 Milliarden Dollar für Energie, Lebensmittel und andere lebenswichtige Güter und Dienstleistungen auslaufen zu lassen. Seine Kritiker von der Grünen Bewegung hatten das schon lange befürwortet; man geht allgemein davon aus, dass diese Maßnahme die Inflationsrate um zweistellige Prozentzahlen nach oben schnellen lassen und verheerende Auswirkungen auf die Arbeiterklasse und die Armen auf dem Land haben wird.

Laut Stratfor, einer geopolitischen Ideenschmiede mit engen Beziehungen zum amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat, hat die iranische Regierung kürzlich versucht, erneut mit den USA Verhandlungen aufzunehmen. In dieser Hinsicht erscheint der Besuch von Ahmadinedschads Generalstabschef Esfandiar Rahim Mashaie am 1. und 2. Februar in der Schweiz äußerst bedeutungsvoll. Der angebliche Grund von Mashaies Reise war eine Diskussion über die Behandlung von Iranern, die in der Schweiz leben. Aber seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und den USA, kurz nach der iranischen Revolution 1979, übernahm die Schweizer Botschaft in Teheran die diplomatische Vertretung der USA, und die Schweizer Regierung hat häufig als Vermittler gedient.

Kurz vor seiner Reise in die Schweiz erklärte Mashaie laut einem Bericht in Press TV: "Es war Zeit, dass Washington erkennt, dass es die Hilfe Teherans braucht, wenn es aus dem Morast heraus will, den es im Irak und in Afghanistan angerichtet hat."

Die US-amerikanische Besetzung von zwei Nachbarn des Iran spielt eine ausschlaggebende Rolle für den fortdauernden Druck, den Washington auf Teheran ausübt, damit sich Teheran seiner strategischen Vorherrschaft im Nahen Osten beugt.

Teheran klammert sich dennoch an die Hoffnung, dass es seinen beträchtlichen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Einfluss in beiden Ländern als Druckmittel benutzen kann, um mit Washington eine weniger ungünstige Übereinkunft zu erreichen.

Im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte haben Republikanische wie auch Demokratische Regierungen Teherans Angebote gleichermaßen zurückgewiesen. Im Inland mit wirtschaftlichem Niedergang und im Ausland mit mächtigen Konkurrenten konfrontiert, sieht die herrschende Klasse der USA den Versuch der iranischen Bourgeoisie, sich als Vormacht am persischen Golf zu etablieren, als untragbare Herausforderung ihrer räuberischen Interessen an.

Darüber hinaus hat die Spaltung innerhalb von Irans klerikal-bourgeoiser Elite, die anlässlich der Präsidentschaftswahlen im letzten Juni an die Oberfläche durchgebrochen ist, die Wall Street und Washington weiter ermutigt.

In den letzten Wochen war die US-Presse voll von Kommentaren und Leitartikeln, in denen die Obama-Regierung aufgefordert wurde, den "Regime-Wechsel" im Iran noch energischer voranzutreiben.

In der Zwischenzeit hat sich der US-Senat den ausdrücklichen Wünschen der Obama-Regierung von Ende letzten Monats widersetzt und ein Gesetz verabschiedet, das die Regierung bei Zustimmung auch des Repräsentantenhaus zwingen würde, ein Benzinexport-Embargo gegen den Iran zu verhängen; außerdem würde mit Sanktionen gegen jede ausländische Firma gedroht, die gegen das Embargo verstößt, um es auch international durchzusetzen.

Siehe auch:
USA erhöhen Druck auf Iran
(9. Januar 2010)
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