Griechische Gewerkschaften stützen PASOKs Kürzungsprogramm

In dem Maße, wie die griechische Regierung beginnt, ihre Kürzungsmaßnahmen durchzusetzen, demobilisieren die beiden großen Gewerkschaftsverbände für die Privatwirtschaft (GSEE) und für den öffentlichen Dienst (ADEDY) systematisch die Opposition gegen PASOKs Angriffe auf Arbeitsplätze und -bedingungen und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung.

Gestern hätte im ganzen öffentlichen Sektor gestreikt werden sollen. ADEDY hatte ursprünglich für den 16. März zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen. Der aber wurde angeblich zugunsten eines gemeinsamen 24-stündigen Streiks mit der GSEE am 11. März abgesagt. Aber der gemeinsame Streik war nicht der Auftakt für einen einheitlichen Kampf gegen die Kürzungen, sondern die Absage des Streiks am 16. März signalisierte verstärkte Bemühungen der Gewerkschaftsbürokratie, die Arbeiterklasse zurückzuhalten und zu verraten.

Am 5. März verabschiedete die sozialdemokratische PASOK-Regierung von Giorgos Papandreou ein zusätzliches Kürzungspaket, das Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und Steuererhöhungen über 4,8 Mrd. Euro vorsieht. Die Mehrwertsteuer wurde um zwei Prozentpunkte erhöht, die Löhne im Staatsdienst um zehn Prozent gesenkt, das 13. und 14. Monatsgehalt um 30 Prozent gekürzt, die Steuern für Benzin, Tabak und Alkohol weiter erhöht und die staatlichen Renten für 2010 eingefroren. Hinter diesen Schritten stand die Haltung der Europäischen Union, dass die Kürzungen des ersten Plans von 11,2 Mrd. Euro nicht ausreichten.

Nach dem in Kraft treten der ersten Kürzungen in dieser Woche erklärte ADEDY, sie habe für den 23. März zu einer nicht näher definierten "Protestversammlung" aufgerufen und noch kein Datum für weitere Streikaktionen festgelegt. ADEDY-Generalsekretär Ilias Iliopoulos erklärte am Montag, dass die Gewerkschaft im Laufe des Monats entscheiden werde, ob weitere Kampfmaßnahmen "vor oder nach Ostern" stattfinden würden.

Am Montag wurden einige der schärfsten Angriffe des Kürzungsprogramms wirksam, als die Erhöhung der Mehrwertsteuer viele Waren verteuerte. Durch die Steuererhöhung will die Regierung zusätzlich 1,3 Mrd. Euro, oder 0,5 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts, einnehmen. Diese Maßnahme wird vor allem auf die ärmsten Schichten der Arbeiterklasse verheerende Auswirkungen haben. Hellenic Radio behauptete unter Berufung auf eine Quelle, dass die Mehrwertsteuererhöhung auf Nahrungsmittel die Haushalte jährlich mit zusätzlich 1.300 bis 1.500 Euro belasten werde.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wirkt sich auf alle nach dem 15. März ausgestellten Rechnungen aus. Das gilt selbst für Rechnungen die für die Periode bis zum 14 März gestellt wurden, als noch der alte Steuersatz galt. Die Mehrwertsteuer erhöht sich von neun auf zehn Prozent für Nahrungsmittel, Restaurants, Cafes, Energie, Arzneimittel und Hotelübernachtungen und von 19 auf 21 Prozent für Kleidung, Schuhe, Telefonrechungen, Kosmetik, Getränke, Reinigungsmittel, Elektrogeräte, elektronische Geräte und Möbel.

Auch die Mautgebühren sind am Montag gestiegen. Die Autobahngebühren kosten jetzt zwei Prozent mehr. Auch die Steuern auf Benzin, Zigaretten und Luxusgüter sind gestiegen und werden nach der Erwartung der Regierung 1,1 Mrd. Euro mehr einbringen.

Eine Übersicht der Athener Industrie- und Handelskammer über vier europäische Länder sagt aus, dass die griechischen Konsumenten schon jetzt bis zu 70 Prozent mehr für Zahnpasta, alkoholfreie Getränke und Deodorants bezahlen. Der Preis von Mehl und Mehlprodukten ist bis zu fünf Mal höher.

Am 24. Februar und am 11. März führten der Gewerkschaftsverband für die Privatwirtschaft, GSEE, und ADEDY, die zusammen ungefähr die Hälfte der Beschäftigten Griechenlands vertreten, gemeinsame 24-Stunden-Streiks durch. Aber diese zielten darauf ab zu verhindern, dass der soziale Unmut in einen politischen Kampf gegen die Regierung umschlug.

Die Gewerkschaften kritisieren die Papandreou-Regierung zwar gelegentlich in populistischer Manier, weil sie sich den Finanzmärkten unterwerfe, aber letztlich haben sie der Regierung geholfen, die Kürzungen durchzusetzen.

Sie haben die Arbeiter bewusst isoliert und in der letzten Woche mit getrennten und eng begrenzten Streiks und Protesten beschäftigt. Am Montag besetzten Arbeiter des staatlichen Stromkonzerns DEH die zentrale Verwaltung OAED. Die Beschäftigten gehören der Gewerkschaft GENOP an und starteten ihre Aktion kurz vor einem zweitägigen Streik, der gestern begann. Sie protestieren gegen Lohnkürzungen und gegen eine zehnprozentige Kürzung des staatlichen Beitrags zum Versicherungsfond der DEH. GENOP gab an, dass sieben Werke in Athen, Megalopolis und Ptolemaida von dem Arbeitskampf betroffen waren.

Wie bei den vorhergehenden Aktionen von ADEDY/GSEE führte GENOP den Streik so, dass er möglichst keine Auswirkung hatte. Der Gewerkschaftsvorsitzende Nikos Photopoulos sagte am Montag: "Einige Werke werden vom Netz gehen, aber wir wollen im Moment nicht, dass auch nur eine Glühbirne wegen des Streiks dunkel bleiben muss."

Gestern waren Ärzte und Krankenschwestern in Streik getreten und mehrere hundert demonstrierten vor dem Gesundheitsministerium in Athen. Die Hauptforderungen im Gesundheitswesen sind: mehr Einstellungen, Arbeitssicherheit, mehr Arbeitsplatzsicherheit und bessere Bezahlung. Der Streik, der an einem Athener Krankenhaus begann, hat sich auf andere Krankenhäuser ausgeweitet. Für die nächsten Tage wird ein landesweiter Streik erwartet.

Ärzte und Krankenschwestern vor dem Gesundheitsministerium verlangen mehr Stellen, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung Ärzte und Krankenschwestern vor dem Gesundheitsministerium verlangen mehr Stellen, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung

Vor einer Arbeitsvermittlungsstelle für Behinderte demonstrierten 50 bis 80 behinderte Arbeiter. Die Arbeiter forderten Arbeitsplätze, Arbeitsplatzsicherheit und eine starke Anhebung der Sozialausgaben für Behinderte.

Behinderte protestieren vor einer Regierungsstelle in Athen Behinderte protestieren vor einer Regierungsstelle in Athen

Am Donnerstag sollen Arbeiter an den Tankstellen in Streik treten.

Jetzt, da die Proteste zunehmen und die Kürzungen zu wirken beginnen, ruft die GSEE zu einem nationalistischen Konsumentenboykott auf, anstatt zu Streiks. Am 12. März erklärte die GSEE in einer Presseinformation, dass der 15. März, der Tag der Mehrwertsteuererhöhung, zum "Tag der Konsumenten" gemacht werden solle und rief eine "Kauft Griechisch"-Kampagne aus.

In der Erklärung hieß es: " Jetzt sind sinnvolle und richtige Konsumentscheidungen notwendig. Das Konsumverhalten sollte sich an unserer wirklichen Stärke und unseren wirklichen Bedürfnissen orientieren."

Die GSEE hat die Stirn, die arbeitende Bevölkerung, die jeden Cent umdrehen muss, dafür anzuklagen, billige (importierte) Waren zu kaufen, anstatt aus patriotischen Gründen die "griechische Wirtschaft" zu unterstützen. "Die Tendenz, Produkte und Dienstleistungen von billiger Qualität zu kaufen, ist daher eine Sackgasse", fügte sie hinzu.

Sie fordert eine nationalistische und protektionistische Strategie, in der "unser Konsum direkt die nationale Produktion unterstützt."

In einer integrierten globalen Wirtschaft ist diese Perspektive für jedes Land eine zutiefst reaktionäre Antwort auf die Wirtschaftskrise. Aber im Fall der kleinen griechischen Wirtschaft, in der die produzierende Wirtschaft vom Import von Rohstoffen, Maschinen, Ersatzteilen und Treibstoff abhängig ist, ist eine solche Perspektive reiner Schwachsinn.

Die GSEE bringt damit griechische Arbeiter gegen ihre Klassenbrüder und -schwestern in ganz Europa in Stellung, lässt aber kaum irgendwelche Kritik an der PASOK-Regierung verlauten, die diese Angriffe im Namen des globalen Finanzkapitals durchsetzt.

Es wird immer offensichtlicher, dass die Gewerkschaften nur daran interessiert sind, die Opposition zu demobilisieren. In dem Moment liefern ihnen die beiden pseudo-linken Koalitionen in Griechenland - SYRIZA (Koalition der Radikalen Linken) und Antarsya (Kooperation der Antikapitalistischen Linken für den Umsturz) - und die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) einen Deckmantel.

SYRIZA und Antarsya setzen sich aus mehreren "antikapitalistischen" und Umweltgruppen zusammen. Aber diese Gruppen, die sich damit brüsten "sozialistisch", gar "revolutionär" zu sein, haben es noch nicht einmal fertig gebracht, den Sturz der PASOK-Regierung zu fordern. Gegenüber den Gewerkschaften legen sie die gleiche großmütige Haltung an den Tag

SYRIZA kritisiert in ihrer jüngsten Erklärung noch nicht einmal das Fehlen eines Streikaufrufs. Stattdessen verkündet sie, dass der "Kampf jetzt beginnt. Wir unterstützen weiter die Kundgebungen von ADEDY." Antarsya, die angeblich radikalere Alternative zu SYRIZA, amnestiert die Gewerkschaften in ähnlicher Weise. Sie lobt die beiden vorhergehenden Generalstreiks und unterscheidet sich nur dadurch, dass sie jetzt einen "48-stündigen Generalstreik" fordert.

Siehe auch:
Die Medienhetze gegen Griechenland
(10. März 2010)
EU diktiert griechisches Sparpaket
( 18. Februar 2010)
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