Vorgezogene Neuwahlen in Australien

Trotzkisten nehmen mit sechs Kandidaten teil

Nur eine Woche nach der Bundestagswahl in Deutschland werden auch in Australien Parlamentswahlen stattfinden. Dies gab der australische Ministerpräsident John Howard (Liberale Partei) am 30. August überraschend bekannt. Für eine Wahlkampagne wird dabei kaum Zeit bleiben: Die Wahlen zum australischen Senat und Repräsentantenhaus finden nur fünf Wochen nach ihrer Bekanntgabe am 3. Oktober statt und fallen mitten in die Ferienzeit.

Auf den ersten Blick überraschen die Neuwahlen. Die dreijährige Amtszeit der liberal-konservativen Koalitionsregierung läuft erst im kommenden März aus, und die Wahlen hätten sogar bis zum Mai 1999 hinausgeschoben werden können. Außerdem ist der Wahlausgang völlig ungewiß. Keine der traditionellen Parteien - Liberale, Konservative, Labor und Demokraten - verfügt über nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung. Obwohl Liberale und Konservative, die 1996 die Labor-Regierung abgelöst hatten, im 148köpfigen Repräsentantenhaus über eine Mehrheit von 43 Sitzen verfügen, weigern sich die Meinungsforscher, eine klare Aussage über den Wahlausgang zu machen.

Vor allem zwei Gründe dürften die Regierung bewogen haben, das Risiko vorgezogener Neuwahlen einzugehen.

Der erste ist die Wirtschaftskrise, die sich im Zuge der globalen Währungsturbulenzen massiv verschärft hat. Unmittelbar vor Howards Erklärung war die australische Währung auf den bisher tiefsten Stand gegenüber dem amerikanischen Dollar gefallen. Australische Aktien hatten an einem Tag fast sieben Milliarden Mark an Wert verloren. Kurz zuvor hatten Howard und sein Schatzkanzler Peter Costello noch beteuert, die australische Wirtschaft sei dank den Haushaltskürzungen der Regierung vor den globalen Auswirkungen der Asienkrise sicher. Inzwischen zeigt sich, wie stark sie vom Währungszerfall an den Weltbörsen in Mitleidenschaft gezogen wird. Nun versucht die Regierung die Wirtschaftsturbulenzen auszunützen, um sich so schnell wir möglich im Amt bestätigen zu lassen.

Laut Howard sollen die Wahlen angesichts einer immer feindlicheren internationalen Umgebung über "wirtschaftliches Management und wirtschaftliche Kompetenz" entscheiden. Er hofft, die Angst vor einer wirtschaftlich ungewissen Zukunft werde die Wähler veranlassen, kein Risiko einzugehen und die amtierende Regierung zu bestätigen. Es fiel auf, daß er in seiner kurzen Ankündigung der Neuwahlen nicht weniger als zwölfmal den Ausdruck "Plan" benutzte. So soll der Anschein erweckt werden, die Regierung habe eine Strategie oder einen "Plan", wie die Krise zu meistern sei. Kim Beazley von der Labor Party konterte sofort und erklärte, die Sozialdemokraten würden ihrerseits einen "Plan" vorlegen, "wie die Nation wieder aufgebaut werden kann".

Tatsächlich stehen alle Parteien den Auswirkungen der globalen Krise auf die australische Wirtschaft ratlos gegenüber. Die Australian Financial Review zitierte am 31. August den ehemaligen Finanzminister Tony Cole mit den Worten, das Land stehe "auf der Schwelle" einer Krise, und es gebe keine wirtschaftspolitischen Instrumente, die daran etwas ändern könnten. Er warnte, daß jeder Versuch der Regierung, die Wirtschaft anzukurbeln, "eine außerordentlich feindliche Reaktion der internationalen Währungsmärkte" auslösen würde. "Senkt man die Zinsen, um die Wirtschaft zu stimulieren, wird der australische Dollar entwertet. Internationale Verleiher werden uns zwingen, mehr für unser Geld zu bezahlen, und gezwungenermaßen werden die Zinsraten sogar noch mehr als vorher ansteigen... Wenn also die Entwicklung aufgrund der ausländischen Einflüsse einmal abwärts geht, dann kann man daran nichts mehr ändern. Das einzige, was man tun kann, ist das Volk ruhig zu halten, und das ist bis jetzt hervorragend gelungen. Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, Wahlen abzuhalten, weil das die Leute ablenkt."

Ein zweiter Grund für die vorgezogenen Neuwahlen ist das neue Steuerpaket der Regierung. Nachdem sich die Wachstumsprognosen, auf denen es beruht, sich als viel zu optimistisch herausgestellt haben und es auf immer breitere Opposition stößt, soll die Diskussion darüber mittels der Wahl abgeblockt werden.

Die Regierung plant, eine Senkung der Einkommens- und Gewinnsteuern durch die Einführung einer 10prozentigen Verbrauchssteuer, der Goods and Services Tax (GST), zu finanzieren. Durch die GST sollen jährlich 30 Milliarden Dollar aufgebracht werden. Sie würde vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen belasten, die den größten Teil ihres Geldes für Essen, Kleidung und andere unmittelbare Bedürfnisse ausgeben. Unternehmen und Menschen mit hohem Einkommen könnten dagegen mit einer erheblichen steuerlichen Entlastung rechnen.

Mit der Ankündigung der Neuwahlen setzte Howard die für den nächsten Tag geplante Parlamentsdebatte über das Steuerpaket ab und verhinderte damit eine öffentliche Diskussion darüber. Von seiten der Labor Party kam kein Protest, weil ihr "alternatives" Steuerpaket genauso wie das der Regierung die Einkommenssteuern senken will. Auch ihre Pläne stützen sich auf unrealistische Voraussagen über ein ungebremstes Wirtschaftswachstum.

Mögliche Neuwahlen waren seit Jahresbeginn im Gespräch. Die Regierung stand unter starkem Druck der Wirtschaft, schnell und energisch unpopuläre Maßnahmen durchzuführen, stieß jedoch immer wieder auf Schwierigkeiten. Neben der Einführung der GST betraf dies auch die Privatisierung der Telefongesellschaft Telstra und den Versuch, die Arbeitsbedingungen in den Häfen und anderen Wirtschaftsbereichen zu verschlechtern.

Im Frühjahr hatte die Regierung gegenüber streikenden Hafenarbeitern den Rückzug antreten müssen. Eine weiteren Schlag erhielt sie am 13. Juni bei den Wahlen in Queensland, wo die rechtsextreme One Nation Party (Partei für Eine Nation) mit ihrer nationalistischen und populistischen Demagogie 23 Prozent der Stimmen einheimsen konnte. Dies erlaubte der Labor Party, in Queensland eine Minderheitsregierung zu bilden, während die One Nation Party sich zu einer Art Zünglein an der Waage entwickelte.

Nur wenige Wochen danach kippte der Senat in letzter Minute ein Gesetz, auf dessen Grundlage die Regierung die verbliebenen zwei Drittel von Telstra hätte verkaufen können. Zu diesem Zeitpunkt sickerten erstmals Gerüchte durch, daß Howard Neuwahlen ansetzen wolle, um die öffentliche Reaktion zu testen. Zwar wurde dies mehrfach dementiert, aber mit den jüngsten dramatischen Auswirkungen der Währungsturbulenzen sind nun alle Spekulationen beiseite gewischt worden.

Der letzte Anstoß für die Entscheidung Howards war eine weitere Wahlniederlage auf der Insel Tasmanien im Süden Australiens. Dort verlor Howards Parteigänger Tony Rundle im August die Mehrheit knapp an die Labor Party. Auch Rundle hatte in seinem Wahlkampf versucht, Angst vor einer globalen Krise zu schüren und so Unterstützung für ein drastisches Programm von Kürzungen und Privatisierungen zu erhalten. Er wollte die Wasser- und Stromversorgung im Wert von vier Milliarden Dollar verkaufen und mit dem Erlös die Schuldenlast reduzieren. Howard hatte ihn unterstützt und versprochen, die Bundesregierung werde Tasmanien 150 Millionen Dollar Schulden abnehmen, vorausgesetzt die Wasser- und Stromwerke würden tatsächlich verkauft.

Unabhängig vom Ausgang der Wahl werden die Angriffe auf die Bevölkerung danach verschärft weitergehen. Der bereits erwähnte Artikel der Australian Financial Review macht deutlich, was für ein Druck von seiten der Wirtschaft ausgeht. Er kritisiert Howard wegen seiner Unentschlossenheit bezüglich der Hafenarbeiter, Telstra und der Steuerpolitik und gelangt zum Schluß: "Australien muß die Hindernisse, die dem freien Spiel der Marktkräfte entgegenstehen, schneller als bisher beseitigen."

Die australische Sektion der Vierten Internationale, die Socialist Equality Party, hat sechs Kandidaten aufgestellt, um der arbeitenden Bevölkerung in dieser Wahl eine Alternative anzubieten. Der nationale Sekretär der Partei, Nick Beams, kandidiert im bevölkerungsreichsten Bundesstaat New South Wales für den Senat.

Die Socialist Equality Party tritt für eine Neuorganisation der Gesellschaft auf der Grundlage sozialer Gleichheit ein. Sie fordert eine Arbeiterregierung und strebt eine weltweit geplante Wirtschaft an. Wie sie in ihrem Wahlprogramm erklärt, kann erst dadurch der enorme Reichtum, den die moderne Technologie und die kollektive Arbeit der Weltbevölkerung hervorbringen, aus dem Griff des kapitalistischen Profitsystems befreit und in den Dienst der Menschheit als Ganzes gestellt werden.

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