Scottish Socialist Party fördert Nationalismus

Anfang September beschloß die Scottish Socialist Alliance, sich künftig Scottish Socialist Party zu nennen. Die Scottish Socialist Alliance ist eine Dachorganisation kleinbürgerlicher Radikaler, ehemaliger Labour-Mitglieder und Stalinisten. Geführt wird sie von Scottish Militant Labour, die auch die Umwandlung in die Scottish Socialist Party angeregt hat.

Die englische Schwesterorganisation von Scottish Militant Labour, die Socialist Party, hatte sich gegen die Umwandlung ausgesprochen. Dennoch wurde sie beschlossen. Das Committee for a Workers International, das Gesinnungsgenossen der Socialist Party in mehreren Ländern umfaßt (in Deutschland die Sozialistische Alternative Voran; SAV), hatte sich ebenfalls gegen die Bildung der Scottish Socialist Party gewandt. Entsprechend wird diese auch nicht Mitglied des Committee for a Workers International sein. Sie wird eine Vielzahl unterschiedlicher politischer Strömungen auf der Linken vereinen, deren gemeinsamer Nenner der schottische Separatismus und vage reformistische Vorstellungen sind. Scottish Militant Labour hat angekündigt, innerhalb der neuen Partei als Fraktion zu arbeiten.

In einer Reihe interner Dokumente äußerte sich Scottish Militant Labour (SML) abschätzig über ihre internationale Organisation und rechtfertigte die Abspaltung von ihr mit opportunistischen und chauvinistischen Beweggründen. Die Mitgliedschaft im Committee for a Workers International (CWI) sei kontraproduktiv, weil "dieses in Schottland nicht über dieselbe Autorität verfügt, wie die SML. Dasselbe gilt für die Socialist Party. Manche Aktivisten, die eng mit der SML zusammenarbeiten, hegen nach wie vor ein gewisses Mißtrauen gegenüber politischen Führern, die ihren Sitz in London haben" (Mitgliederbulletin, April 1998, Punkt 132). Weiter: "Wenn man darauf besteht, daß die Mitgliedschaft im CWI die Voraussetzung für die Gründung einer neuen Partei darstellt, dann errichtet man eine Mauer zwischen der SML und allen anderen Kräften, nur um dem formalen Protokoll zu genügen." (Punkt 138)

Die "anderen Kräfte", die Scottish Militant Labour anführt, sind nicht jene kleinen Gruppen, die sich gegenwärtig im Umfeld der Scottish Socialist Alliance befinden. Man denkt in anderen Maßstäben. Die Scottish Socialist Party soll bei Wahlen von dem wachsenden Unmut über die Labour Party profitieren. In Schottland ist dieser besonders stark, weil dort Labour während der 18jährigen konservativen Regierungszeit die überwiegende Mehrzahl der Wahlkreise gehalten und dort die Angriffe der Zentralregierung nicht bekämpft, sondern durchgesetzt hatte.

Scottish Militant Labour ging aus den Reihen der alten Militant-Tendenz hervor, die ursprünglich in ganz Großbritannien aktiv gewesen war. Bekannt wurde sie durch ihre Kampagne gegen die Kopfsteuer, die die Thatcher-Regierung Ende der achtziger Jahre einführen wollte. Nachdem sie für diese Kampagne beträchtliche Unterstützung in der Bevölkerung gewonnen hatte, kandidierte sie bei verschiedenen Wahlen und holte gelegentlich mehr als 10 Prozent der Stimmen. Ihr bemerkenswertester Erfolg war die Wahl ihres Vorsitzenden Tommy Sheridan zum Stadtrat in Glasgow, während er wegen seiner Aktivitäten gegen die Kopfsteuer im Gefängnis saß.

Hauptnutznießer der Unzufriedenheit mit Labour war jedoch bisher die Scottish National Party (SNP). In 17 Kommunalwahlen in Schottland sank der Stimmenanteil für Labour von 45 auf 24 Prozent, während jener der Scottish National Party von 25 auf 32 Prozent anwuchs. Während der gesamten achtziger Jahre hatte die rein bürgerliche SNP versucht, sich als Verteidiger der Sozialreformen zu verkaufen, die von Labour aufgegeben wurden. Mit der Behauptung, in London regierten eben nur Parteien, denen das Schicksal Schottlands gleichgültig sei, lenkte sie die Unzufriedenheit der Arbeiter in separatistische Kanäle. Eine kürzliche Umfrage der Zeitung Glasgow Herald ergab, daß etwa 73 Prozent der 18- bis 24jährigen heute für die Unabhängigkeit Schottlands sind.

Scottish Militant Labour versucht, diese politische Fehlorientierung auszunutzen, um selbst bekannter zu werden und zu wachsen. Anstatt auf der Grundlage eines sozialistischen Programms für einen gemeinsamen Kampf der Arbeiter in ganz Britannien gegen die Unternehmer und deren Labour-Regierung einzutreten, behauptet die Organisation: "Diese Verschiebung der öffentlichen Meinung zugunsten der schottischen Unabhängigkeit ist vorwiegend progressiv." Die Gegner der Unabhängigkeit, behauptet sie, bestehen aus "den am weitesten rechts stehenden, konservativen Teilen der Bevölkerung, insbesondere aus der schottischen herrschenden Klasse der Landbesitzer, der Finanz- und Geschäftswelt." (Scottish Socialist Voice, Juni 1997)

Ihr Hauptvorwurf an die Adresse der Scottish National Party lautet, daß diese keinen wirklichen Kampf um die Unabhängigkeit führen könne, weil sie am Gängelband der Großunternehmen hänge.

Der führende Theoretiker von Scottish Militant Labour, Alan McCoombes, vertritt den Standpunkt, daß die Arbeiterklasse für ihre eigene Sorte Nationalismus eintreten müsse. Er hat eine mythische Darstellung der schottischen Geschichte entwickelt, worin das schottische Volk "seit Urzeiten" gegen die verräterische herrschende Klasse Schottlands den Kampf für ihre eigene Nation führe. (siehe Scottish Socialist Voice, Juni 1997)

"Die Scottish Socialist Party", heißt es dementsprechend in den Dokumenten von SML, "wird die einzige Partei in Schottland sein, die bereit ist, der chaotischen Herrschaft des multinationalen Kapitalismus entgegenzutreten." Ein unabhängiges Schottland werde Sozialreformen ermöglichen, indem der neue Staat die global organisierten Konzerne kontrolliere und nach und nach ein sozialistisches Schottland herbeiführe. "Die Forderung nach Unabhängigkeit widerspiegelt den Wunsch der einfachen Bevölkerung nach mehr Demokratie und nach einer Kontrolle über die Entscheidungsprozesse im globalen Kapitalismus... Durch die Befreiung vom britischen Staat wäre es leichter für Schottland, sich zu einer egalitäreren Gesellschaft zu entwickeln."

Scottish Militant Labour will die neue Partei rechtzeitig aus der Taufe heben, so daß ihre Kandidaten zu den Wahlen zum schottischen Parlament antreten können, das 1999 in Edinburgh zusammentreten soll. Die Partei erklärt rundheraus, daß die Wahl von nur einem oder zwei Abgeordneten der Scottish Socialist Party "mit einem Schlag... eine unaufhaltsame Wiedergeburt des Sozialismus in Schottland auslösen" würde. (Mitgliederbulletin der SML, März 1998)

Diese Traumtänzerei unterstreicht, wie weit Scottish Militant Labour von prinzipiellen Überlegungen entfernt ist, die den Aufbau einer sozialistischen Partei in der Arbeiterklasse als unumgänglich erscheinen lassen. Für Marxisten ist der Aufbau einer solchen Partei das Ergebnis eines konsequenten und langen Kampfs, um das Bewußtsein der arbeitenden Bevölkerung so weit zu heben, daß sie sich politisch und organisatorisch von der Bourgeoisie und deren Vertretern abnabelt. Scottish Militant Labour spricht eine andere Sprache, und zwar jene des kurzfristigen Erfolgs im plumpesten Sinne. Sie hält es für ausreichend, sich pragmatisch an die vorherrschende politische Rückständigkeit anzupassen, um im Staatsapparat zu Macht und Einfluß zu gelangen.

Eine der ersten Neuzugänge der neuen Partei ist Hugh Kerr, Mitglied des Europa-Parlaments, der kürzlich aus der Labour Party ausgetreten ist. Von ihm stammt die treffendste Schilderung der politischen Rolle, die die Scottish Socialist Party erfüllen soll - die Rolle einer linken Stütze der Labour-Regierung.

In Bezug auf den Mitgliederschwund bei Labour sagte er: "Wir müssen auf der Linken einen Unterschlupf für jene Labour-Leute schaffen, die von New Labour die Nase voll haben... Die Wahl zum schottischen Parlament wird zur Krönung von Alex Salmond [dem Vorsitzenden der Scottish National Party] führen. Wir müssen unseren eigenen ‘Kronprinzen' [Tommy] Sheridan im schottischen Parlament haben, um dieses Parlament nach links zu treiben."

"Vielleicht werden wir für das Zünglein an der Waage", fuhr Kerr fort. In diesem Falle könnte man im Gegenzug für einige Zugeständnisse die Labour Party unterstützen. Der Labour-Vorsitzende in Schottland, Donald Dewar, "sollte uns gut behandeln. New Labour wird keine absolute Mehrheit erringen und wird vielleicht auf die SSP angewiesen sein, um eine Mehrheit zu erhalten."

Internationalismus und Sozialismus

Für Marxisten ist der Sozialismus das Ergebnis der unabhängigen politischen Aktion der Arbeiterklasse. Dies setzt auf Seiten der Arbeiter das Verständnis voraus, daß ihre gesellschaftlichen und politischen Interessen nicht mit jenen der Bourgeoisie versöhnt werden können. Seit Erscheinen des Kommunistischen Manifests im Jahr 1848 bildet der Internationalismus den Eckpfeiler des Kampfs für den Sozialismus. Der Nationalismus ist die Ideologie der Bourgeoisie. Ihre Herrschaft entwickelte sich auf nationaler Gundlage und führte zur Konsolidierung des Nationalstaats. Der Sozialismus kann von seinem ganzen Wesen her nur ein Weltsystem sein, das durch den Zusammenschluß der Arbeiter über alle Grenzen hinweg verwirklicht wird. Sein Ziel besteht darin, die Aufspaltung der Weltwirtschaft in gegnerische Nationen zu überwinden, indem die Produktion von den Fesseln des Privateigentums befreit und in den Dienst der Weltbevölkerung gestellt wird. Die Voraussetzung hierfür ist die Schaffung einer konsequent internationalistischen Einstellung unter den Arbeitern.

Scottish Militant Labour hat kein Interesse daran, den politischen Einfluß der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräfte auf die Arbeiterklasse zu überwinden. Die neue Partei basiert auf der Annahme, daß die Förderung des Nationalismus eine neue Grundlage für den Sozialismus schaffen werde. Aber die Perspektive des schottischen Separatismus - ein Kampf "gegen Großbritannien" und "für Schottland" - grenzt die besonderen Interessen der Arbeiterklasse nicht von jenen der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Schichten ab, die für die Unabhängigkeit eintreten. Sie fesselt die Arbeiterklasse politisch an die Bourgeoisie und stellt die schottischen Arbeiter jenen in anderen Ländern entgegen.

Die außerordentliche Integration der Weltwirtschaft, die sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten ergeben hat - ein Prozeß, der allgemein als Globalisierung bekannt ist - zeigt besonders plastisch, daß Arbeiter ihre Kämpfe auf eine internationalistische Perspektive begründen müssen. Im Gegensatz dazu stellt Scottish Militant Labour den Sozialismus als Ergebnis eines allmählichen Reformprozesses dar, der durch das neue schottische Parlament verwirklicht werden soll. "Das Parlament wird wahrscheinlich über einige bedeutsame Vollmachten verfügen - zum Beispiel die Möglichkeit, die kostenlose Schulbildung wieder einzuführen, die Verschuldung des Wohnungsbaus zu streichen und eine Reihe progressiver Maßnahmen einzuführen, die eine direkte Herausforderung an die New-Labour-Regierung in Westminster bilden würden."

Abgesehen von ihrer Beschränkung auf Schottland unterscheidet sich diese Perspektive im Grunde nicht von dem Reformismus, der um die letzte Jahrhundertwende von den britischen Fabiern erfunden und dann von der Labour Party und ähnlichen Parteien in der ganzen Welt aufgegriffen wurde. Scottish Militant Labour untersucht nicht, weshalb diese Organisationen gescheitert sind und sich in offene Handlanger des globalen Kapitalismus verwandelt haben. Sie versucht auch nicht, sich über den Zusammenbruch der Sowjetunion Rechenschaft abzulegen - denn dieser illustriert gerade die tragischen Folgen der Ablehnung des sozialistischen Internationalismus. Genau dies war der Inhalt der stalinistischen Perspektive des "Sozialismus in einem Land" gewesen. Statt dessen führt SML die Degeneration der alten Organisationen einfach auf ein paar verräterische Führer zurück, die zu feige seien, um den globalen Konzernen entgegenzutreten.

Auch die bitteren Erfahrungen der Arbeiter mit separatistischen Bewegungen auf der ganzen Welt, nicht zuletzt im ehemaligen Jugoslawien, kümmern Scottish Militant Labour wenig. Man kann den Klassencharakter der Forderung nach staatlicher Lostrennung nicht einfach anhand der Anzahl von Arbeitern ermitteln, die sie unterstützen. Man muß die Frage stellen, welchen Interessen der schottische Nationalismus dient.

Im Gegensatz zu den Behauptungen von Scottish Militant Labour gibt es in der Geschäftswelt ganz erhebliche Unterstützung für die Unabhängigkeit. Beispiele sind der Medienmogul Rupert Murdoch sowie die Multimillionäre der Transportbranche, Brian Souter und Anne Gloag. Die Weltwirtschaft beherrscht heute sämtliche nationalen Wirtschaften. Riesige transnationale Konzerne verlagern die Produktion dorthin, wo ihr Kapital den höchsten Profit abwirft. Um Investitionen anzuziehen und auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, versucht jedes Land und sogar konkurrierende Regionen innerhalb jedes Landes, so rasch wie möglich Sozialleistungen abzubauen und den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung zu dezimieren. Hier liegen die Wurzeln der Bewegung für die schottische Unabhängigkeit.

Die Scottish National Party erklärt ausdrücklich, daß der Zweck der schottischen Unabhängigkeit in der Schaffung einer Billiglohnregion liege, die mit dem übrigen Vereinigten Königreich und mit Irland um Investionen von Unternehmen konkurriert, welche Zugang zum europäischen Markt suchen. Die Blair-Regierung wollte zwar keine vollständige Lostrennung, setzte aber eine größere Autonomie für Schottland, Wales, London und die englischen Regionen durch, um die Arbeiterklasse zu spalten und die Konkurrenz unter den Regionen für leichtere Haushaltskürzungen zu nutzen. Breite Teile der Scottish Labour Party und des Gewerkschaftsapparat setzten sich für eine völlige Lostrennung ein, weil sie sich beträchtlichen Nutzen von ihren eigenen Beziehungen zu den globalen Konzernen erhoffen.

Der Zweck des schottischen Parlaments, das von Scottish Militant Labour als neues demokratisches Forum gefeiert wird, besteht darin, einen regionalen Verwaltungsapparat zu schaffen, der den Konzerninteressen direkter gerecht werden kann. Es wird auch in einer besseren Ausgangslage sein, um die soziale Unzufriedenheit unter Arbeitern politisch zu kontrollieren. Wie die Zeitung Scotsman ("Der Schotte") schreibt, wird das neue Parlament einen "neuen Konsens-Stil in der Politik" pflegen, der auf einem gemeinsamen nationalen Interesse basieren soll. Der Versuch seitens Scottish Militant Labour, dem Nationalismus ein sozialistisches Gewand umzuhängen, leistet in diesem Zusammenhang der herrschenden Klasse einen wertvollen Dienst. Niemals hat SML geäußert, daß die Arbeiterklasse ihre eigenen Organisationsformen schaffen müsse, die vom Staatsapparat der herrschenden Klasse unabhängig sind und sich ihm entgegenstellen.

Eine Frucht opportunistischer Politik

Vorbereitet wurde die Gründung der Scottish Socialist Party durch die opportunistische Politik der Socialist Party und des Committee for a Workers International. Es sind keine prinzipiellen Gründe, die letztere zur Ablehnung der SSP veranlassen. Nicht einmal eine öffentliche Erklärung hat die Socialist Party bisher herausgegeben. In einem internen Mitgliederbulletin, "Verteidigung der revolutionären Partei", betonte der Parteivorstand jedoch, daß er "zur nationalen Frage in Schottland stets eine einfühlsame Haltung" eingenommen habe. Die Partei habe ihre langjährige Opposition gegen die Teilautonomie aufgegeben und sei schließlich dafür eingetreten, "gegen viele auf der Linken (und einige in unseren eigenen Reihen)". Der Vorstand habe auch die Gründung von Scottish Militant Labour als getrennter Organisation unterstützt und "wir sind uns mit ihr einig, daß die heutigen Entwicklungen die Forderung nach einem unabhängigen, sozialistischen Schottland notwendig machen."

Der Führer der Socialist Party Peter Taaffe kann nur noch vom Standpunkt des organisatorischen Zusammenhalts und der Finanzierung her gegen die praktische Auflösung von Scottish Militant Labour argumentieren. "Unter allen Umständen muß die Führung im Bewußtsein unserer Mitglieder das Verständnis wachhalten, daß sie eine eigenständige, revolutionäre Organisation oder Partei darstellen", schreibt er. "Wenn wir in breiten Bündnissen arbeiten, ist es von wesentlicher Bedeutung, daß wir uns regelmäßig getrennt treffen, am besten wöchentlich, um das weitere Vorgehen zu besprechen und Beiträge einzusammeln." (Mitgliederbulletin, April 1998)

Die Militant-Gruppe hatte in den achtziger Jahren als Fraktion innerhalb der Labour Party einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, war jedoch schon zu Beginn der fünfziger Jahre ins Leben gerufen worden. Ihr Gründer Ted Grant gehörte einer Strömung innerhalb der Vierten Internationale an, die nach dem Zweiten Weltkrieg Trotzkis grundlegende Ideen zurückwies.

Grant und seine Gesinnungsgenossen paßten sich an die Stabilisierung des Kapitalismus nach dem Krieg an und erklärten, daß die Arbeiterklasse nicht länger die Kraft der gesellschaftlichen Veränderung darstelle. Die Machteroberung der Stalinisten in Osteuropa und dann in China habe gezeigt, daß auch ohne eine bewußte revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse "Arbeiterstaaten" geschaffen werden könnten. Die stalinistischen und reformistischen Bürokratien würden diese Rolle erfüllen. Die Sozialstaats-Reformen und die Verstaatlichungen der Labour-Regierung in Großbritannien wurden als Beweis dafür gefeiert, daß mittels solcher Parteien auch der Sozialismus verwirklicht werden könne. Den Marxisten blieb nur noch die Aufgabe, die stalinistischen und reformistischen Bürokratien nach links zu drängen.

Militant arbeitete mehr als vierzig Jahre innerhalb der Labour Party und rief diese ständig auf, ein links-reformistisches Programm zu verwirklichen und in großem Umfang Verstaatlichungen durchzuführen. Als Labour unter der Führung Neil Kinnocks einen Rechtskurs einschlug, wurde die Gruppe innerhalb der Partei verfolgt und mit Ausschlüssen überzogen. Die Rechtswende der Labour Party, die im Aufstieg Tony Blairs gipfelte und schließlich dazu führte, daß sie die Forderung nach Vergesellschaftung aus ihrem Programm strich, überzeugte die Mehrheit der Militant-Anhänger, die Arbeit innerhalb der Labour Party aufzugeben. Darüber kam es zum Zerwürfnis mit Ted Grant, und Peter Taaffe übernahm die Führung.

Im Jahr 1995 verfaßte Taaffe eine Erklärung, in der er zur Schaffung einer neuen "sozialistischen Massenpartei in Britannien" aufrief. Die Orientierung der Gruppe auf die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie änderte sich damit allerdings nicht. Laut Taaffe sollte die neue sozialistische Partei aus linken Elementen innerhalb der Labour Party, den verschiedenen Überresten der alten stalinistischen Kommunistischen Partei und kleineren linken Gruppen wie Militant selbst hervorgehen. Als Vorbilder führte er die mittlerweile beinahe untergegangene Socialist Labour Party des Vorsitzenden der britischen Bergarbeitergewerkschaft Arthur Scargill und die italienische Rifondazione Comunista an, die aus einer Spaltung der kommunistischen Partei Italiens hervorgegangen war. Solche Parteien, erklärte er, würden sich dann auf ein reformistisches Programm stützen, und Marxisten könnten in ihnen tätig werden, genau wie einst Militant innerhalb der alten Labour Party.

Die Taaffe-Gruppe gründete in ganz Britannien sogenannte Socialist Alliances ("Sozialistische Bündnisse"), die diese Umgruppierung in die Wege leiten sollten. Das Projekt scheiterte zwar in England und wurde dort aufgegeben, fand seinen vollendeten Ausdruck jedoch in der Bildung der Scottish Socialist Party. Scottish Militant Labour erklärt heute, daß "die ideologischen Streitpunkte, die die Linke spalten", mittlerweile so unbedeutend geworden seien, daß sich alle in einer gemeinsamen Organisation zusammenschließen könnten.

Einiges deutet bereits darauf hin, daß die Mitglieder der Socialist Party in Wales den Fußstapfen der schottischen Organisation folgen wollen. Selbst innerhalb von England fordert der Verband Liverpool bereits eine größere Autonomie vom Zentrum. Auf internationaler Ebene unterstützt die Sektion in Pakistan die Linie von Scottish Militant Labour, und die Gruppe in Australien versucht sich ihrerseits mit einer größeren radikalen Gruppe, der Democratic Socialist Party zu verschmelzen. Die Gründung der Scottish Socialist Party ist also nur der sichtbarste Ausdruck des Auseinanderbrechens des Committee for a Workers International entlang nationaler Linien.

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