Von Tätern und Wohltätern

Zur Umbenennung der Kunsthalle Bielefeld

Pünktlich zum 30jährigen Bestehen der Bielefelder Kunsthalle wurde der lokalen Bevölkerung ein alter Skandal in Erinnerung gebracht: der Einfluß des Großindustriellen und "Puddingkönigs" Rudolf August Oetker auf die (Kultur-)Politik der Stadt.

Das Haus Oetker finanzierte maßgeblich den Bau der 1968 eröffneten Bielefelder Kunsthalle und bestimmte somit sowohl den Entwurf und die Architekten, wie auch die Benennung der Kunsthalle als "Richard-Kaselowsky-Haus".

Gestaltet wurde das monumentale Gebäude von den Architekten Philip Johnson und Cäsar Pinnau. Johnson war 1934 Mitbegründer der profaschistischen National Party in den USA und Anhänger der Naziherrschaft in Deutschland. Auf Einladung des Reichspropagandaministeriums besuchte er das besetzte Polen und schrieb von dort: "Die grünen Uniformen der Deutschen sorgten dafür, daß der Ort fröhlich und glücklich wirkte. Juden waren nicht viele zu sehen. Wir sahen Warschau in Flammen und die Bombardierung von Modlin. Es war ein erregendes Schauspiel."

Cäsar Pinnau war Mitarbeiter des NS-Architekten Albert Speer und entwarf Triumphstraßen für die geplante Reichshauptstadt Germania. Nach dem Krieg baute er unter anderem das Oetker-Altenstift.

Doch den größeren Skandal machte die Taufe zum "Richard-Kaselowsky-Haus" aus. Richard Kaselowsky war der zweite Mann von Ida Oetker und Ziehvater des jetzigen Konzernchefs Rudolf August Oetker.

Während der faschistischen Diktatur in Deutschland war er nicht nur Leiter des "NS-Musterbetriebs" Oetker, sondern er gehörte auch zu den Industriellen, die offen und mit Sympathie die NSDAP unterstützten und sich selbst zur nationalsozialistischen Elite zählten. So war Richard Kaselowsky an der Arisierung des Bielefelder Verlagshauses Gundlach beteiligt und gab die antisemitische Tageszeitung Westfälische Neueste Nachrichten heraus. Er saß im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und gehörte als einer von zwanzig Großunternehmern dem "Freundeskreis Reichsführer SS Heinrich Himmler" an. Gauleiter Meyer schrieb 1941 in einem Grußwort zum 50jährigen Jubiläum der Firma Oetker: "Es gab eine Zeit, da es nicht populär war, sich zur Partei zu bekennen. Damals schon tat es Euer Betriebsführer."

1944 tötete eine Bombe der alliierten Luftstreitkräfte das Ehepaar Kaselowsky in ihrem Privatbunker, was den Mäzen Oetker dazu veranlaßte, Richard Kaselowsky auf einer Gedenktafel im Foyer der Kunsthalle als "Opfer des Zweiten Weltkriegs" zu bezeichnen.

Bereits zur Eröffnung der Kunsthalle 1968 hatte es Auseinandersetzungen über ihren Namen gegeben, und aufgrund der öffentlichen Proteste ging man in den folgenden Jahren dazu über, den Namenspatron nicht mehr zu erwähnen, das Haus nannte sich selbst nur noch "Kunsthalle Bielefeld". Diese stillschweigende Unterschlagung war dem Stifter Oetker nicht genehm und wiederholt kritisierte er Ausstellungen. So geißelte er Picassos letzte Bilder als "obszön" und "eine Provokation, eine Beleidigung für die Kunsthalle" und schimpfte: "Einer Frau ist es nicht zuzumuten, dort überhaupt hinzugehen."

Angesichts der leeren Stadtkasse sollen Ausstellungen nun künftig vor allem aus privaten Mitteln finanziert werden, und der Leiter der Kunsthalle Dr. Thomas Kellein bemühte sich um ein entspanntes Verhältnis zum Mäzen Oetker, indem er den Namen "Richard-Kaselowsky-Haus" wieder in den Vordergrund stellte.

Die "Radiogruppe im ArbeiterInnenjugendzentrum" produzierte daraufhin eine Sendung für den Bürgerfunk über Richard Kaselowsky und die Rolle der Firma Oetker im Nationalsozialismus. Diese Sendung wurde vom Lokalsender "Radio Bielefeld" zensiert, da es sich um "unwahre Tatsachenbehauptungen" handele, wie dem Chefredakteur "vom Hause Oetker bestätigt" wurde. Diese willkürliche Zensurmaßnahme, der auch die als Schiedsinstanz angerufene Landesrundfunkanstalt nicht zustimmte, verhalf dem Thema letztendlich zu einer großen Öffentlichkeit. Eine Künstlergruppe "Leidenschaft für die Kunst" forderte die Umbenennung des Museums und "keine bedingungslose Übergabe an finanzstarke Unternehmen". Der Historiker Hans-Ulrich Wehler nannte die Namensgebung eine "Verletzung der politischen Scham" und warnte vor einem "Kotau vor der ökonomischen Macht".

Schließlich sah sich die rot-grüne Stadtregierung aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, die Namensgebung im Stadtrat neu zu verhandeln. Von der Oberbürgermeisterin Dopheide (SPD) stammte der Vorschlag, die Halle nach Ida Kaselowsky zu benennen und so den Konzernchef nicht zu verprellen. Als bekannt wurde, daß Frau Kaselowsky dem Kreisvorstand der NS-Frauenschaft angehört hatte, war dieser "Kompromiß" jedoch unhaltbar geworden. Ende Oktober beschloß der Stadtrat den Wegfall des Namens "Richard-Kaselowsky-Haus", das Museum heißt fortan nur noch "Kunsthalle Bielefeld".

Rudolf August Oetker hat daraufhin seine finanzielle Unterstützung aufgekündigt und seine Leihgaben aus der Kunsthalle zurück in sein Wohnzimmer geholt. Seine Drohung an die Stadt, die Ehrenbürgerschaft zurückzugeben und den Firmensitz nach Hamburg zu verlegen, hat er allerdings bislang noch nicht wahr gemacht.

Zur Geschichte des Oetker-Konzerns siehe auch:

http://www.geocities.com/CollegePark/Library/5228/

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