Der Erfolg der internationalen Verteidigungskampagne stärkt den Befreiungskampf der Tamilen

Die SEP und der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Tamil Eelam und Sri Lanka

Erklärung des IKVI zur Freilassung der SEP-Mitglieder

Die Socialist Equality Party (SEP) von Sri Lanka kann mittlerweile bestätigen, daß die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) sämtliche von ihr verschleppten SEP-Mitglieder wieder auf freien Fuß gesetzt haben.

Thirugnana Sambandan, Kasinathan Naguleshwaran und Rajendran Sudharshan wurden am 13. September nach beinahe 50 Tagen Gefangenschaft freigelassen, Rasarapnam Rajavale am 16. September nach 17 Tagen. Alle vier SEP-Mitglieder befinden sich bei guter Gesundheit. Keiner wurde während der Verhöre der LTTE gefoltert oder anderweitig körperlich mißhandelt.

Die Freilassung der SEP-Mitglieder ist ein wichtiger Erfolg im Kampf um demokratische Rechte und stärkt den Kampf der Tamilen in Sri Lanka und Eelam gegen staatliche Diskriminierung und nationale Unterdrückung.

Ohne die internationale Verteidigungskampagne der SEP, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) und des World Socialist Web Site wäre dieser Ausgang nicht möglich gewesen. Das IKVI setzte sich über unverhüllte Warnungen hinweg, daß eine öffentliche Kampagne für die Freilassung der SEP-Mitglieder zu deren Tod führen werde. Das IKVI vertraute darauf, daß die LTTE den Druck der fortschrittlichen und sozialistischen öffentlichen Meinung nicht ignorieren werde, daß sie internationale Empörung über die Verfolgung prinzipienfester Befürworter des sozialistischen Internationalismus nicht einfach vom Tisch wischen könne.

Am Ende traf die LTTE die politisch kluge Entscheidung, von einem Kurs abzulassen, der sie selbst und den tamilischen Kampf in große Gefahr gebracht hätte. Hätte die LTTE ihre Repressalien gegen die SEP weitergeführt, dann hätte sie die Beziehungen zwischen der tamilischen nationalen Bewegung und der Arbeiterklasse im Süden der Insel auf Jahre hinaus schwer beschädigt, wenn nicht vergiftet.

Die SEP und das IKVI danken allen Menschenrechts- und Arbeiterorganisationen sowie engagierten Einzelpersonen in Südasien und rund um die Welt, die die LTTE gedrängt haben, die SEP-Mitglieder bedingungslos freizulassen oder zumindest umgehend ihre Festnahme zu bestätigen und ihnen den Mindestschutz zu garantieren, der allen Gefangenen zusteht. Besonders dankbar sind wir den vielen Tamilen in Sri Lanka, in dem indischen Bundesstaat Tamil Nadu und in den tamilischen Exilgemeinschaften in Australien, Europa und Nordamerika, die die LTTE aufforderten, die SEP nicht länger mit Repressalien zu bedrängen. Sie haben erkannt, daß die Unterdrückung jener Arbeiterpartei, die für den Zusammenschluß der tamilischen und singhalesischen Massen gegen den srilankischen Staat und dessen Krieg eintritt, den nationalen Kampf der Tamilen untergrub und die Volksallianz-Regierung stärkte.

Auch künftig muß jedoch wachsam beobachtet werden, ob die demokratischen Rechte der SEP und die Bürgerrechte ihrer Mitglieder und Anhänger gewahrt bleiben. Weder die LTTE-Führung im Exil noch die Behörden der von der LTTE besetzten Gebiete in Vanni haben bisher in irgend einer Form zugesichert, daß die LTTE künftig das demokratische Recht der SEP, den tamilischen Massen ihr Programm vorzustellen, nicht antasten wird.

Das Programm der SEP

Die internationale Kampagne gegen die Unterdrückungsmaßnahmen, mit denen die LTTE ihre sozialistischen politischen Gegner überzog, löste zahlreiche Anfragen aus, die vorwiegend von Unterstützern des tamilischen Kampfes stammten. Sie erkundigen sich, wie die SEP die LTTE einschätzt, welche Strategie wir zur Abschaffung der nationalen Unterdrückung vertreten, und fragen nach unserer Geschichte und unserem Programm.

Die srilankische Sektion des IKVI, die SEP, kämpft für ein revolutionäres Bündnis zwischen der - singhalesischen und tamilischen - Arbeiterklasse und Bauernschaft, um Vereinigte Sozialistische Staaten von Sri Lanka und Eelam zu schaffen. Weder die demokratischen noch die sozialen Bedürfnisse der Massen können unter der Herrschaft der srilankischen Bourgeoisie oder im Rahmen des 1947/48 auf dem indischen Subkontinent geschaffenen Nationalstaatensystems gelöst werden. Die Rückständigkeit von Sri Lanka und Eelam - das Ergebnis ihrer Vergangenheit als Kolonien und der fortdauernden imperialistischen Vorherrschaft - kann nur durch die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernregierung als Teil der sozialistischen Weltrevolution überwunden werden.

Während des nunmehr 15jährigen Krieges, mit dem der srilankische Staat die Unterdrückung der Tamilen verewigen will, hat die SEP stets die Position des revolutionären Defätismus bezogen. Sie fordert den sofortigen und bedingungslosen Rückzug sämtlicher srilankischer Truppen aus dem Norden und Osten.

Die Opposition gegen den Krieg nimmt einen herausragenden Stellenwert im Kampf der SEP ein, die Arbeiterklasse von der politischen Bevormundung durch die Bourgeoisie zu befreien und sie in eine selbstbewußte revolutionäre Kraft zu verwandeln, die fähig ist, zur Führerin aller Unterdrückten zu werden. Nicht nur für die tamilischen Massen im Norden und Osten, auf deren Rücken die meisten Kämpfe ausgetragen werden, ist der Krieg eine Tragödie. Er wird von der srilankischen Bourgeoisie auch als Vorwand für systematische Angriffe auf die demokratischen Rechte und den Lebensstandard der Massen im Süden benutzt und dient ihr zur Verbreitung ihres singhalesischen Chauvinismus.

Gerade in den jüngsten Monaten berief sich die Volksallianz auf den Krieg, um die unbefristete Verschiebung der Wahlen zu den Provinzräten zu rechtfertigen, um die Notstandsgesetzgebung auf den gesamten Inselstaat auszuweiten und um sämtliche Berichte über die Operationen von Polizei und Militär der Zensur zu unterwerfen. Letzteres macht es rechtlich unmöglich, den zunehmenden Einsatz der Sicherheitskräfte zur Niederschlagung sozialer Unruhen im Süden öffentlich zu dokumentieren. Die Volksallianz-Regierung hat überdies den Staatsbeschäftigten eine weitere Lohnkürzung aufgezwungen - verkleidet als freiwilligen Beitrag zum Krieg. Mit Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie, die ihr Argument nachplappert, daß nachdrückliche Forderungen der Arbeiter in Zeiten einer "nationalen Krise" "unangebracht" seien, versucht die Regierung jetzt auch sämtlichen Beschäftigten im privaten Sektor niedrige Löhne zu verordnen.

Die Opposition der SEP gegen den Krieg bedeutet nicht die geringste Unterstützung für das national-separatistische Programm der LTTE. Die SEP warnt die tamilischen Massen im Norden und Osten, daß die LTTE in keiner Weise ihre eigentlichen Wünsche oder Interessen vertritt. In jenen Teilen Eelams, die sie gegenwärtig kontrolliert, haben sich die LTTE-Behörden mit den Transport und Handel kontrollierenden Kapitalisten verschworen, um den Arbeitern und Bauern die kriegsbedingten finanziellen Verluste aufzubürden. Außerdem legen sie den demokratischen Rechten der Massen gegenüber nicht mehr Achtung an den Tag, als der srilankische Staat. Würde ein Tamilenstaat geschaffen, so wäre er ebenso wie der bestehende srilankische ein kapitalistischer Staat, der den Diktaten des globalen Kapitals Folge leisten würde.

In ihrem Bemühen, die Massen im Süden gegen den Krieg und gegen die Volksallianz-Regierung zu mobilisieren, läßt sich die SEP in keiner Weise von dem Argument beeindrucken, daß die LTTE eine von der Arbeiterklasse geführte Massenbewegung gegen den Krieg ausnutzen würde, um im Norden und Osten ihre Herrschaft zu befestigen. Die Einheit der unterdrückten singhalesischen und tamilischen Massen kann nicht durch die Aufrechterhaltung der territorialen Unversehrtheit des reaktionären srilankischen Staates geschaffen werden.

Sollte der Krieg aufgrund eines eigenständigen Eingreifens der Arbeiterklasse enden, so würde sich die Dynamik der Klassenbeziehungen auf der Insel von Grund auf ändern. Ganz unabhängig von seinem unmittelbaren militärischen Ausgang würde eine erfolgreiche Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den Krieg die Voraussetzungen für den Zusammenschluß der singhalesischen und tamilischen Arbeiter und für ein Bündnis der Arbeiterklasse mit den kleinbürgerlichen Massen, singhalesisch und tamilisch, in Stadt und Land, durchgreifend verbessern. Indem die Arbeiterklasse ein Ende des Krieges erzwingt, würde sie den Anspruch erheben, als wahre Befreierin der tamilischen Massen und als Führerin einer alternativen Gesellschaftsordnung aufzutreten.

Die Aussicht, daß eine Arbeiter- und Bauernregierung in Colombo die Macht übernehmen könnte, würde die Klassengegensätze innerhalb Eelams zuspitzen und offenlegen, was die Entlarvung der LTTE und ihres separatistischen Programms sehr erleichtern würde. Während die tamilischen Arbeiter das Vorgehen ihrer Klassengenossen im Süden als ersten Schritt ansehen würden, um ihre demokratischen und klassenbedingten Anliegen im Rahmen Vereinigter Sozialistischer Staaten von Sri Lanka und Eelam einzufordern, würde die tamilische Bourgeoisie die Furcht ihrer singhalesischen Rivalen um Macht und Besitz teilen. Man kann getrost behaupten, daß unter solchen Umständen die Schaffung eines Tamilenstaates im Norden und Osten zum Sammelpunkt der Reaktion würde und ihm die Unterstützung des Imperialismus und selbst großer Teile der singhalesischen Bourgeoisie zuteil würde.

Die "Selbstbestimmung" im Lichte der Geschichte

Die LTTE und ihre Unterstützer in einer Vielzahl pseudo-sozialistischer Gruppen behaupten, daß jede Opposition - auch die der SEP - gegen die Errichtung eines Nationalstaates Tamil Eelam bedeute, das "Selbstbestimmungsrecht" der Tamilen zu leugnen. Die Opposition der Arbeiterklasse gegen ein ganz bestimmtes politisches Programm mit der Opposition der Reaktion gleichzusetzen, ist ein alter Trick, zu dem die nationale Bourgeoisie oft greift, um die Arbeiterklasse von ihrer eigenen politischen Selbstbestimmung, von ihrer eigenen Klassenalternative abzubringen. In Wahrheit kann der eigentlich progressive Inhalt der "Selbstbestimmung" - die Abschaffung der nationalen Unterdrückung - nur durch das Programm der SEP für Vereinigte Sozialistische Staaten von Sri Lanka und Eelam verwirklicht werden.

Die nationale Frage plagt die marxistische Bewegung schon seit langem. Große Ereignisse haben jedoch die Beziehung zwischen dem Kampf um national-demokratische und um sozialistische Forderungen sowie den Stellenwert von Forderungen nach nationaler "Selbstbestimmung" recht deutlich werden lassen.

Während Nationalisten die Nation als ewige Kategorie oder höchstes Entwicklungsstadium der Menschheit darstellen, fassen Marxisten Nationen als Produkt der Geschichte auf. Durch nationale Bewegungen und durch die Schaffung von Nationalstaaten verschaffte sich die aufsteigende Bourgeoisie in Westeuropa und Nordamerika die Kontrolle über einen Binnenmarkt und zerstörte die feudalen Gesellschaftsverhältnisse und Überbleibsel, die der Entwicklung des Kapitalismus im Wege standen.

Die Selbstbestimmung wurde in das Programm der bolschewistischen Partei und später der Kommunistischen Internationale aufgenommen, als sich in weiten Teilen der Welt, die noch wie Indien unter direkter Kolonialherrschaft standen oder wie China und Iran als Halbkolonien ausgebeutet wurden, kapitalistische Beziehungen erst im Anfangsstadium befanden.

Im zaristischen Rußland, einem von einer Feudalautokratie regierten Reich mit zahlreichen national-ethnischen Minderheiten auf grundverschiedenen Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung, stellten die Bolschewiki die Losung der Selbstbestimmung auf, um die wechselseitigen Animositäten zu überwinden, die im Rahmen der zaristischen Unterdrückung zwischen den Arbeitern unterschiedlicher Nationen geschürt worden waren, und um den fatalen Einfluß der bürgerlichen Nationalisten zu bekämpfen, die die verbreitete Opposition gegen den großrussischen Chauvinismus für ihre eigenen Klasseninteressen ausnutzen wollten.

Das Recht auf Selbstbestimmung, erklärte Lenin mit Nachdruck, war eine "negative" Forderung - sie bedeutete keine Unterstützung für den nationalen Separatismus und gab ihm nicht den Vorzug. Sie brachte aber die Opposition der Bolschewiki gegen das Vorgehen der Regierung zum Ausdruck, unterdrückte Nationalitäten mittels militärischer Stärke zum Verbleib in Zarenreich zu zwingen.

In der Folgezeit wurde die Bedeutung der Selbstbestimmung von den Stalinisten und anderen Verfälschern des Marxismus so verdreht, daß sie blinde Unterstützung für jede nationale Forderung bedeutete. Wenn man heute für Selbstbestimmung eintritt, so wird dies unweigerlich als Unterstützung für die Gründung eines separaten Staates aufgefaßt.

Lenin und die Sozialisten seiner Zeit legten sich klar Rechenschaft darüber ab, daß die Imperialisten das Schicksal kleiner Nationalitäten und deren nationale Forderungen manipulierten und ausnutzten. Hinsichtlich des Balkan stellte die sozialistische Bewegung dem Bestreben der Nationalisten, die Region durch periodisch wiederkehrendes Blutvergießen in ethnisch definierte Zwergstaaten aufzuteilen, die Perspektive Vereinigter Sozialistischer Balkanstaaten entgegen. Nur die wirklich demokratische Vereinigung des Balkan durch das revolutionäre Handeln der Arbeiterklasse und unterdrückten Massen konnte eine Staatsstruktur schaffen, die sowohl die Überwindung nationaler Spaltungen als auch die Schaffung einer modernen Industrie ermöglichen würde.

Die große polnische Marxistin Rosa Luxemburg erhob weitsichtige Einwände gegen die Losung der Selbstbestimmung. Sie warnte, daß diese unweigerlich von der nationalen Bourgeoisie aufgegriffen würde, um die Ziele ihrer Klasse zu verfolgen. Das Recht auf Selbstbestimmung postuliert einen nationalen Willen, wo doch, so Luxemburg, ein solcher Wille nicht außerhalb oder über dem Klassenkampf existiert, sondern erst durch ihn erzeugt wird.

Die permanente Revolution

In den Jahrzehnten vor und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hing die nationale Frage mit großen Bewegungen gegen die Kolonialherrschaft zusammen. Diese Bewegungen vereinten bislang durch Religion, Sprache, Kaste oder Stammeszugehörigkeit unterschiedene Völker und waren von ihrem Inhalt her zutiefst demokratisch und anti-imperialistisch. Aber selbst, wenn die nationale Vereinigung mit der Befreiung vom kolonialen oder halbkolonialen Joch verbunden war, mit der Abschaffung vorkapitalistischer Ausbeutungsformen sowie der Schaffung großer politischer und wirtschaftlicher Einheiten, die als Grundlage für die rasche Entwicklung einer modernen Wirtschaft dienen konnten, unterschied sich die Klassendynamik der nationalen Frage in Asien und Afrika grundlegend von ihrer Ausprägung in Westeuropa und Nordamerika während des 19. Jahrhunderts. Mit dem Aufkommen des Imperialismus und der Entstehung des Proletariats als revolutionärem Gegenspieler der Bourgeoisie wurde die nationale Bourgeoisie immer kraftloser und reaktionärer. Die historisch fortschrittlichen und notwendigen Aspekte der national-demokratischen Revolution konnten nicht länger unter der politischen Führung der Bourgeoisie verwirklicht werden.

Hierin lag die Bedeutung von Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution. In Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung können die wesentlichen Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution - die Abschaffung vorkapitalistischer Formen der Ausbeutung und Unterdrückung, die demokratische nationale Einigung und Gleichberechtigung - nur im Kampf gegen die nationale Bourgeoisie erfüllt werden. Dies erfordert ein revolutionäres Bündnis der unterdrückten Massen unter der Führung der Arbeiterklasse, das dem weltweiten Kampf des Proletariats gegen den Kapitalismus angegliedert ist.

Der Kampf gegen nationale Unterdrückung büßt damit seine Bedeutung oder Dringlichkeit in keiner Hinsicht ein. Trotzki unterstützte die Kämpfe des indischen, des chinesischen oder anderer Kolonialvölker für ihre nationale Unabhängigkeit, warnte jedoch im Jahr 1940, "daß ihre verspäteten Nationalstaaten nicht mehr mit einer selbständigen demokratischen Entwicklung rechnen können. In der Umgebung des faulenden Kapitalismus und in der Verstrickung der imperialistischen Widersprüche wird die Unabhängigkeit eines rückständigen Staates unvermeidlich eine halbe Fiktion sein, denn sein politisches Regime wird, unter dem Einfluß der inneren Klassenwidersprüche und des Drucks von außen, unabwendbar in eine Diktatur abgleiten, die sich gegen das Volk richtet: So ist das Regime der ‘Volks'partei in der Türkei und der Guomindang in China, so wird morgen das Regime Gandhis in Indien sein." (Trotzki Schriften, Bd. 2.2., Hamburg 1990, S. 972)

Die gesamte Erfahrung der Entkolonialisierung seit dem Zweiten Weltkrieg, bei der unter Auflösung der großen Kolonialreiche die politische Macht Regierungen der nationalen Bourgeoisie übertragen wurde, hat diese Perspektive auf tragische Weise bestätigt. Mit der Übernahme der Staatsmacht betätigte sich die nationale Bourgeoisie nicht als Befreier der unterdrückten Massen, sondern als Juniorpartner der imperialistischen Ausplünderung. Die neuen unabhängigen bürgerlichen Regierungen legten "nationale Entwicklungsprogramme" auf, die weder die Überbleibsel vorkapitalistischer Ausbeutungsformen beseitigten, noch die Abhängigkeit ihrer Länder vom Export einer Handvoll Rohstoffe und Agrarprodukte durchbrachen. Eines jedoch erreichten diese Programme, die üblicherweise als "Sozialismus" dargestellt wurden: die knappen Ressourcen flossen in die Taschen einer habgierigen, korrupten Bourgeoisie.

Nirgendwo bot die Entkolonialisierung die Grundlage für eine wirkliche Lösung des Problems der nationalen Unterdrückung. Im Gegenteil, das Fundament der neuen Staaten in Asien und Afrika bestand aus einer Perversion der demokratischen Prinzipien, denn sie beruhten auf politischen Einheiten, die von den kolonialen Raubzügen, von den Kriegen und diplomatischen Winkelzügen der Imperialisten geschaffen worden waren. Die Staatsgrenzen entsprachen in keiner Hinsicht den national-ethnischen oder geographischen Grenzen, vom demokratischen Willen der Massen ganz zu schweigen. Die Regierungen der nationalen Bourgeoisie konnten die Bedürfnisse der Massen nicht erfüllen und standen ihnen feindlich gegenüber. Sie beriefen sich nur auf demokratische Rechte, um sie zu brechen, und bedienten sich aller erdenklichen Zerwürfnisse zwischen verschiedenen Glaubensgemeinschaften, Stämmen oder Sprachgruppen, um soziale Unruhen in Bruderkriege umzumünzen und ihre mörderischen Kämpfe um Macht und Privilegien auszutragen.

Das klassische Beispiel der Entkolonialisierung war die Übertragung der politischen Macht auf dem indischen Subkontinent vom britischen Imperialismus auf die nationalen bürgerlichen Regierungen von Indien, Pakistan und Ceylon. Während der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war der indische Subkontinent von einer starken anti-imperialistischen Bewegung erschüttert worden, die sich vor allem aus der sozialen Unzufriedenheit der Arbeiter und Bauern nährte. Weil sie jedoch unter der Führung der nationalen Bourgeoisie verblieb, endete diese mächtige Bewegung mit einer Einigung mit dem britischen Imperialismus, derzufolge Indien in ein muslimisches Pakistan und ein hinduistisches Indien gespalten wurde, was die religiösen Spaltungen zementierte und verschärfte. Außerdem beinhaltete das Abkommen einen Kompromiß mit dem Großgrundbesitzertum und dem Kastenwesen. Der Indische Nationalkongreß ließ sein ursprüngliches Programm eines vereinten Indiens fallen und nahm die Teilung hin, weil er aufgrund seiner Klassenzusammensetzung und -einstellung vor dem einzigen Weg zurückschreckte, der die Bauern und Arbeitern der Hindu- und der Moslem-Religion hätte einigen können: ihrer vereinten Mobilisierung gegen ein und denselben Grundbesitzer, Geldverleiher und kapitalistischen Unterdrücker.

Heute, nach einem halben Jahrhundert nationaler bürgerlicher Herrschaft, ist das Elend der indischen Massen noch größer, als unter der britischen Krone. Rund 320 Millionen Inder leben in absoluter Armut - d.h. sie nehmen täglich weniger Kalorien auf, als für einen arbeitenden Menschen notwendig wären. 186 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, und beinahe 650 Millionen stehen keine sanitären Anlagen zur Verfügung. Je mehr sich die soziale Krise in den vergangenen Jahrzehnten zuspitzte, desto stärker nutzte die Bourgeoisie Spaltungen wegen Religion, Sprache oder Kastenzugehörigkeit aus. Dreimal zog Indien gegen Pakistan in den Krieg, und im letzten Mai zündete die indische Regierung, nun unter Führung der hindu-chauvinistischen Bharatiya-Janata-Partei, Atombomben zur Vorbereitung der nuklearen Aufrüstung der indischen Armee. Dem folgte ein entsprechender Atomtest Pakistans.

Im Unterschied zur indischen Bourgeoisie, die den Druck einer Massenbewegung bis zu einem bestimmten Grade guthieß, um das Ende der britischen Herrschaft zu erzwingen, hatte die Bourgeoisie Sri Lankas (damals Ceylons) überhaupt nichts mit einem Kampf gegen den Imperialismus zu tun. Sie klammerte sich an die politische Lostrennung Ceylons vom Festland, um zu verhindern, daß radikale Einflüsse über die Meerenge Palk Strait herüberschwappten und um das Bemühen militanter ceylonesischer Arbeiter, sich mit ihren indischen Kollegen zusammenzuschließen, zu hintertreiben. Nachdem die Briten ihr 1948 die Staatsmacht ausgehändigt hatten, begründete die srilankische Bourgeoisie ihre Herrschaft unverzüglich auf die Spaltung der Volksgruppen, indem sie die singhalesische Mehrheit des neuen Staates gegen die tamilische Minderheit aufhetzte. Mit Duldung der tamilischen politischen Elite raubte das erste Parlament des "unabhängigen" Ceylon den tamilischen Arbeitern der Teeplantagen auf den Bergen ihre Bürgerrechte. Das Gesetz über die Bürgerrechte von 1949 bildete die Grundlage für alle folgenden Übergriffe gegen die demokratischen Rechte der Tamilen in Sri Lanka und Eelam.

Die Krise der Führung in der Arbeiterklasse und die Entstehung der LTTE

Die LTTE kann schwerlich behaupten, daß die Tamilen im Norden und Osten schon immer oder auch nur seit längerer Zeit einen unabhängigen Staat haben wollten. Der tamilische Nationalismus nährte sich von der Krise der Führung in der Arbeiterklasse, die durch den Bruch der Lanka Sama Samaja Party (LSSP) mit der Vierten Internationale hervorgerufen worden war. Die LSSP hatte das Programm der permanenten Revolution fallengelassen.

In der auf die Unabhängigkeit folgenden Periode war Ceylon insofern einmalig gewesen, als daß dort die trotzkistische Bewegung die Führung der Arbeiterklasse innehatte. Seit der Auseinandersetzung um die Bürgerrechte für die tamilischen Plantagenarbeiter 1948 war der Kampf, die demokratischen Rechte der Tamilen in dem neuen Staat zu wahren und dem singhalesischen Chauvinismus entgegenzutreten, direkt von der Arbeiterklasse und ihrer Führung, der trotzkistischen LTTE übernommen worden. Die tamilischen Massen sahen in der Arbeiterklasse die Kraft, die ihre demokratischen Rechte sichern werde. Dies zeigte sich deutlich in dem Generalstreik von 1953 und in der "Bewegung der 21 Forderungen" in den Jahren 1963-64.

Die nationalistische Degeneration der LSSP zerstörte jedoch die Beziehung zwischen dem tamilischen Kampf und der Arbeiterbewegung und schuf Bedingungen, unter denen die tamilischen Massen vor den Karren bürgerlich-nationalistischer Politik gespannt werden konnten. Im Jahr 1964, zehn Jahre nach ihrer Unterordnung unter das nationale Entwicklungsprogramm der srilankischen Bourgeoisie, vollendete die LSSP ihren Bruch mit dem Trotzkismus, indem sie in eine Regierungskoalition mit der Sri Lanka Freedom Party eintrat, deren Gründer S.W.R.D. Bandaranaike an prominenter Stelle für die Einführung des Singhalesischen als ausschließlicher Amtssprache eingetreten war. Im Jahr 1972, während ihrer zweiten Koalition mit der SLFP, beteiligte sich die LSSP federführend an der Verabschiedung einer neuen Verfassung, die den privilegierten Status des Singhalesischen festschrieb und den Buddhismus zur Staatsreligion erhob.

Im Glauben, sie seien von der Arbeiterklasse aufgegeben worden, suchten breite Schichten der tamilischen Massen nach neuen Wegen zum Widerstand gegen die nationale Unterdrückung, nachdem die LSSP vor dem singhalesischen Chauvinismus in die Knie gegangen war. Dies führte in den siebziger Jahren schließlich zur Entstehung der LTTE und ähnlich gesonnener tamilischer Nationalistengruppen unter der studentischen Jugend in Jaffna.

Ein weiterer ausschlaggebender Faktor für die Entstehung des tamilischen Separatismus war die Rolle des Stalinismus in Sri Lanka und weltweit. Lange vor der LSSP hatte bereits die Kommunistische Partei Ceylons versucht, die Arbeiterklasse Bandaranaike und der SLFP unterzuordnen, welche sie als Vertreter der "progressiven" bzw. "anti-imperialistischen" Bourgeoisie bezeichnete. Dies war die srilankische Variante der Zweistufentheorie der Revolution - jener menschewistisch-stalinistischen Auffassung, wonach die Arbeiterklasse die Führung der nationalen Bourgeoisie so lange hinzunehmen habe, bis die demokratische Revolution vollendet sei.

Von noch größerer Bedeutung war die Rolle der konterrevolutionären stalinistischen Sowjetbürokratie. Im Rahmen des Kalten Krieges ermutigte und manipulierte die UdSSR verschiedene nationale Bewegungen, um auf diesem Wege Druck auf den Imperialismus auszuüben. Die Unterstützung der Bürokratie für solche Bewegungen war stets ihrer Suche nach einem Modus vivendi mit dem Imperialismus nachgeordnet. Der Entzug der sowjetischen Unterstützung für den eritreischen nationalen Kampf und die folgende militärische Unterstützung des Mengistu-Regimes, das die alten Grenzen des äthiopischen Reiches zu verteidigen suchte, ist nur ein besonders krasses Beispiel dafür, wie die Unterstützung Moskaus für diverse nationale Bewegungen von plumpen Berechnungen hinsichtlich der Politik zwischen den Großmächten bestimmt war. Dennoch verlieh die Sowjetbürokratie durch ihre Förderung des Nationalismus der Perspektive der nationalen Befreiung als einem vom Kampf für den Weltsozialismus getrenntes und losgelöstes Stadium eine gewisse historische Glaubwürdigkeit und sogar revolutionäres Ethos.

In Erwägung, daß der Verrat der LSSP ausschlaggebend für den Bruch zwischen dem tamilischen nationalen Kampf und dem Klassenkampf des Proletariats war, und unter Berücksichtigung der schädlichen Förderung des Nationalismus durch den Stalinismus, war die Revolutionary Communist League, die Vorläuferin der SEP, unter jenen tamilischen Jugendgruppen aktiv, die sich als Reaktion auf die Verfassung von 1972 und auf die Einführung rassistischer Quoten bei der Zulassung zum Universitätsstudium gebildet hatten. Während diese Gruppen eine große Militanz und Opferbereitschaft an den Tag legten, blieben sie stets an die Klassenpolitik der tamilischen Elite gebunden und arbeiteten in ihren Anfangsjahren eng mit der damals wichtigsten politischen Organisation der tamilischen Bourgeoisie zusammen, der Tamil United Liberation Front.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, insbesondere nachdem die UNP nach ihrer Rückkehr an die Regierungsmacht 1977 neue Angriffe auf die Tamilen entfesselt hatte, wurden die LTTE und die übrigen tamilischen Jugendgruppen in Wortwahl und Taktik radikaler. Dem ausgetretenen Pfad bürgerlich-nationaler Bewegungen folgend, wandten sie sich an andere bürgerliche Staaten (in diesem Falle an Indien), sowie an die stalinistischen Bürokratien der Sowjetunion und Chinas, um dort um Unterstützung nachzusuchen. Um Unterstützung unter tamilischen Arbeitern und Bauern zu gewinnen, deren soziale Forderungen sie bislang übergangen hatten, und um sich bei den Stalinisten einzuschmeicheln, nannten sich die LTTE und die übrigen radikalen tamilischen Nationalistengruppen von nun an "Sozialisten".

Sie nahmen sich jedoch niemals der Sache der tamilischen Plantagenarbeiter an, noch stellten sie die Legitimität der von den Imperialisten diktierten Grenze an der Palk Strait jemals in Frage. Damit wollen wir nicht behaupten, daß ein "Groß-Tamil-Nadu" (unter Einbeziehung der tamilisch-sprachigen Bevölkerung auf der Insel und in Südindien) ein fortschrittlicheres oder angemesseneres Ziel wäre. Es zeigt aber, daß die Ziele und Bestrebungen der LTTE sowie der übrigen tamilischen Separatistengruppen an die traditionelle, egoistische Politik der tamilischen bürgerlichen Elite des Nordens und Ostens anknüpfen.

Absonderung im Namen der nationalen Befreiung - die neuen nationalen Bewegungen

Die LTTE war eine der zahlreichen neuen nationalen Bewegungen, die in den siebziger und achtziger Jahren entstanden, um im Namen der Selbstbestimmung die Zerstückelung der "entkolonialisierten" Staaten in Asien und Afrika zu fordern. Wenn man nur Indien betrachtet, so erschütterten während der vergangenen zwanzig Jahre sezessionistische Kampagnen den Pandschab, Kaschmir und den Nordosten. Sie betrafen die Assamesen, die Gurkhas, die Bodos und andere Volksgruppen.

Während die historischen nationalen Bewegungen für die Vereinigung unterschiedlicher Völker im Kampf gegen den Kolonialismus eingetreten waren, begründen diese neuen nationalen Bewegungen ihre Forderung nach der Schaffung neuer Staaten mit ethnischen, sprachlichen und religiösen Unterschieden.

Aufgrund tiefsitzender sozioökonomischer und nationaler Mißstände gewannen diese Absonderungsbewegungen Unterstützung in der Bevölkerung und konnten diese sogar zu heroischen Opfern veranlassen. Doch die Fäulnis der historischen nationalen Bewegungen und der von ihnen geschaffenen Nationalstaaten verleiht dem Programm des nationalen Separatismus auf Grundlage von Abstammung, Sprache oder Religion noch lange keinen Wert. Sie unterstreicht vielmehr die Dringlichkeit der trotzkistischen Perspektive der permanenten Revolution und illustriert, wie weitsichtig die Trotzkisten auf dem indischen Subkontinent gehandelt hatten, als sie 1947-48 darauf bestanden, daß die neu geschaffenen Staaten Indien, Pakistan und Sri Lanka im grundlegenden historischen Sinne nicht lebensfähig waren, denn sie resultierten aus einer abgewürgten, keiner siegreichen demokratischen Revolution.

In Südasien können die vielfältigen national-ethnischen Gruppen ebenso wenig wie auf dem Balkan oder in Afrika entflochten und entsprechend nationaler Grenzen neu geordnet werden. Der Versuch dazu würde nie endende Forderungen nach weiteren Teilungen nach sich ziehen - die wiederum unweigerlich von den imperialistischen Mächten ausgenutzt würden - und zu fürchterlichem Blutvergießen führen.

Eine demokratische, dauerhafte Lösung des Problems der nationalen Unterdrückung und Spaltung wird nur als Bestandteil des Kampfs für eine höhere Gesellschaftsordnung verwirklicht werden, für die Abschaffung des Kapitalismus und des Nationalstaatensystems, in dem er historisch wurzelt.

Die Fäulnis der historischen nationalen Bewegungen und die Entstehung einer neuen Welle separatistischer Bewegungen haben ihre Ursache in großen Veränderungen der politischen Ökonomie.

Die globale Integration der Produktion hat den ökonomischen Zwang beseitigt, der einst dem Konflikt zwischen der nationalen Bourgeoisie in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung und dem Imperialismus zugrunde gelegen hatte. So lange das Produktivkapital weitgehend im Rahmen der Nationalstaaten organisiert gewesen war, hatte die politische Kontrolle über den Nationalstaat der entstehenden nationalen Bourgeoisie ein bedeutendes Mittel in die Hand gegeben, sich dem imperialistischen Druck zu widersetzen und ihre Kontrolle über den Binnenmarkt zu errichten. Die Globalisierung und die daraus folgende schwindende Bedeutung dieser nationalen Märkte hat jedoch die bürgerlich-nationalen Regierungen - von Indien bis Mexiko und Argentinien - gezwungen, ihre traditionellen nationalen Wirtschaftsstrategien aufzugeben. Die nationalen bürgerlichen Regierungen versuchen mittlerweile, ihre Interessen dadurch zu sichern, daß sie dem internationalen Kapital alle Hindernisse für die Ausbeutung der natürlichen und menschlichen Ressourcen ihrer Länder aus dem Weg räumen.

Während die neuen globalen Wirtschaftsverhältnisse den anti-imperialistischen Ansprüchen der traditionellen bürgerlichen nationalen Bewegungen den Garaus machen, bieten sie gleichzeitig die objektive Grundlage für die Entstehung eines neuen Typus nationaler Bewegungen. Letztere streben die Aufteilung bestehender Staaten an, auf daß regionale Eliten eigene Verbindungen zum internationalen Kapital anknüpfen können. Dies gilt nicht nur für die vom Imperialismus unterdrückten Länder. Auch in den ältesten bürgerlichen Nationalstaaten, beispielsweise in Kanada, Italien und Großbritannien, sind einflußreiche separatistische Bewegungen entstanden.

"In Indien und China", schrieb das IKVI in einer seiner jüngsten Erklärungen, "stellte sich den nationalen Bewegungen die fortschrittliche Aufgabe, grundverschiedene Völker in einem gemeinsamen Kampf gegen den Imperialismus zu vereinen - eine Aufgabe, die unter der Führung der nationalen Bourgeoisie nicht gelöst werden konnte. Die neue Form des Nationalismus macht sich stark für einen Separatismus nach ethnischen, sprachlichen und religiösen Kriterien, mit dem Ziel, existierende Staaten im Interesse lokaler Ausbeuter aufzuspalten. Solche Bewegungen haben nichts mit dem Kampf gegen den Imperialismus zu tun, und genau so wenig verkörpern sie in irgend einer Weise die demokratischen Bestrebungen der unterdrückten Massen. Sie dienen dazu, die Arbeiterklasse zu spalten und den Klassenkampf in einen ethnischen Bürgerkrieg umzulenken." ("Globalisierung und internationale Arbeiterklasse. Eine marxistische Einschätzung")

Die Geschichte der LTTE

Im Verlauf des vergangenen Vierteljahrhunderts haben die radikalen tamilischen Nationalistengruppen, die als Alternative zur verfassungstreuen Politik der Federalist Party und der TULF entstanden waren, ihre organische Unfähigkeit unter Beweis gestellt, die Tamilen in Eelam von der nationalen Unterdrückung zu befreien, von einer Lösung für die brennenden sozialen Probleme der tamilischen Massen ganz zu schweigen.

Die Eelam Peoples Democratic Party (EPDP), die Tamil Eelam Liberation Organization (TELO), die Peoples Liberation Organization of Tamil Eelam (PLOTE) und die übrigen mit der LTTE rivalisierenden nationalistischen Gruppen haben sich alle dem srilankischen Staat und dessen Bourgeoisie in die Arme geworfen. Heute betätigen sie sich als Hilfstruppen der srilankischen Sicherheitskräfte in den Kämpfen, die die Tamilen im Norden und Osten unter die Kontrolle Colombos bringen sollen.

Ungeachtet ihrer Deklamationen über die Selbstbestimmung der Tamilen begründet die LTTE unterdessen ihren Kampf weiterhin auf Manöver mit Teilen der singhalesischen Bourgeoisie, mit der indischen Regierung und mit den imperialistischen Mächten. Mehr als zehn Jahre nachdem Prabakaran, der oberste Führer der LTTE, die Behauptung aufgestellt hatte, er sei bei der Unterzeichnung des indisch-srilankischen Abkommens in eine Falle gelockt worden, erwartet die LTTE von der Regierung in Neu Delhi immer noch die mögliche Befreiung der Tamilen und unterstützt sogar eifrig das Streben der indischen Bourgeoisie, zur südasiatischen Regionalmacht aufzusteigen. Hatte die LTTE einst eine nationalistische Wirtschaftsstrategie als "Sozialismus" verkauft, so tritt sie heute dafür ein, daß ein unabhängiges Tamil Eelam die ostasiatischen "Tigerstaaten" als Billiglohnland für Investoren ausstechen sollte. Die Klassenlogik der Politik der LTTE - von ihrer finanziellen Abhängigkeit von reichen kapitalistischen Emigranten ganz zu schweigen - erzeugt zwangsläufig politische Beziehungen, die den Opfern ihrer Kader Hohn sprechen. Im Jahr 1994 unterstützte die LTTE die Wahl der heutigen Volksallianz-Regierung; heute hofft sie den tamilisch-srilankischen Konflikt dadurch zu "internationalisieren", daß sie die imperialistisch dominierten Vereinten Nationen hinzuzieht.

Für die singhalesischen Massen hat die LTTE nichts als Verachtung und Feindschaft übrig. Immer stärker greift sie in jüngster Zeit zu Bombenanschlägen und bewaffneten Überfällen auf singhalesische Arbeiter und andere Zivilisten im Süden. Solche willkürlichen Terrorakte stärken nur den singhalesischen Chauvinismus, indem sie den Kampf des tamilischen Volkes in ethnisch-spalterischen Verruf bringen und die singhalesischen Unterdrückten für die Verbrechen der srilankischen Bourgeoisie strafen.

Die LTTE mußte in den vergangenen Jahren empfindliche militärische Rückschläge hinnehmen, im Jahr 1996 verlor sie sogar die Kontrolle über Jaffna. Angesichts der Krise der Volksallianz-Regierung und der wachsenden Ablehnung des Krieges in der Bevölkerung ist es jedoch durchaus möglich, daß die LTTE wieder in die Offensive gehen kann. Neue militärische Siege würden unweigerlich dazu führen, daß die LTTE-Führung erneut auf die internationale Anerkennung - d.h. den Segen der Großmächte - eines eigenen Tamilenstaates drängt; und die imperialistischen Mächte, die die destabilisierende Wirkung einer Störung des bestehenden Staatensystems fürchten, würden dann auf eine Verhandlungslösung mit der LTTE drängen.

In welcher Weise die Forderung nach einem Tamil Eelam verwirklicht würde, hat sich bereits im indisch-srilankischen Abkommen von 1987 abgezeichnet. Die USA, Großbritannien, weitere imperialistische Mächte sowie die indische Bourgeoisie würden eine "Friedenskonferenz" einberufen, um die Heraustrennung eines Tamilenstaates aus Sri Lanka zu bewerkstelligen. Als Bedingung für die Absegnung einer Einigung würden sie sowohl Colombo als auch die LTTE-Führung zu wirtschaftlichen und geopolitischen Garantien verpflichten, während sie sich untereinander Macht und Einfluß in beiden Regionen streitig machen würden.

Die Festlegung einer neuen Grenze und die Aufteilung der Mittel und Ressourcen der Insel würde die Spannungen zwischen Singhalesen und Tamilen unweigerlich anheizen - und der Imperialismus würde diese Spannungen weidlich ausnutzen. Das Endergebnis wäre die Schaffung rivalisierender, militarisierter Staaten, die beide mit nationalen und ethnisch motivierten Konfliktherden übersät wären. Die LTTE hat mit der Anfrufung der Hindu-Mythologie und mit ihrer offenen Gewaltanwendung gegen Nicht-Hindus die tamilisch-sprachigen Moslems und Christen bereits vor den Kopf gestoßen und in der weitgehend moslemischen Ostprovinz zum Aufstieg einer gegenwärtig mit der Volksallianz verbündeten bürgerlich-separatistischen Partei beigetragen, die die Schaffung eines eigenen Staates für die Moslems fordert. Die einzigen Moslems und singhalesisch-sprachigen Menschen, die in Jaffna verblieben sind, gehören dem srilankischen Militär an. Würde es der LTTE gelingen, ihren eigenen Tamilenstaat zu bekommen, dann würden sich die singhalesischen Chauvinisten ihrerseits an der tamilischen Minderheit im Süden rächen und diese für den gescheiterten Krieg der srilankischen Bourgeoisie verantwortlich machen.

Das ist keine bloße Spekulation. Immer wieder haben die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen im vergangenen halben Jahrhundert erlebt, wie die Führer bürgerlicher "Befreiungs"bewegungen ihren Guerilla-Kampfanzug gegen Nadelstreifen eintauschten und von den Imperialisten ausgehandelte Abkommen akzeptierten, nach denen sie als Gegenleistung für eine Beteiligung an der politischen Macht die imperialistischen Investitionen und Interessen garantierten. Der Afrikanische Nationalkongreß, Sinn Fein und die Irisch-Republikanische Armee, sowie die Palästinensische Befreiungsorganisation sind nur die herausragendsten Beispiele für diesen Prozeß während der neunziger Jahre.

Soll die LTTE ein anderes Szenario für die Verwirklichung ihres Programms vorlegen! Ist es keine Tatsache, daß die LTTE-Führung kein wichtigeres Anliegen hat, als die internationale Anerkennung eines Staates Tamil Eelam? Ist angesichts der Ablehnung einer Perspektive, die sich auf die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse stützt, der bewaffnete Kampf der LTTE kein Mittel, um neue Beziehungen zur srilankischen und internationalen Bourgeoisie herzustellen?

In vieler Hinsicht ähnelt die Geschichte der LTTE mit ihrem bewaffneten Kampf und ihren bitteren Rückschlägen jener der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Die PLO genoß die Unterstützung der Massen und konnte auf heroische Opfer zählen, aber ihre Politik war stets die einer bürgerlich-nationalen Bewegung, deren größte Furcht darin bestand, daß der nationale Befreiungskampf ihrer Kontrolle entgleiten und sich mit einem sozialistischen Kampf für die Abschaffung jeglicher Unterdrückung und Ausbeutung verbinden könnte. Sie akzeptierte das "Friedens"abkommen von Oslo aus zwei Beweggründen heraus: ihrer Furcht vor der wachsenden Militanz der Intifada und dem Zusammenbruch der stalinistischen Bürokratie in der Sowjetunion, die ihr und diversen arabischen bürgerlichen Regierungen als Gegengewicht zum imperialistischen Druck gedient hatte. In der Vergangenheit hatte die PLO-Führung alle möglichen anti-imperialistischen Manifeste herausgegeben, heute verteidigen die palästinensischen Behörden das Eigentum und die Profite einer dünnen Schicht Bourgeois, während sie gemeinsam mit der amerikanischen CIA und dem zionistischen Staat Unruhen der Bevölkerung abwürgen.

Soll die LTTE-Führung erklären, in welcher Weise ein unter ihrer Regie gegründetes Tamil Eelam fortschrittlicher wäre oder die Lage der Massen stärker verbessern würde, als die Palästinensischen Autonomiebehörden auf der West Bank und im Gazastreifen!

In welcher Hinsicht wäre die Lostrennung der Nord- und Ostprovinz und die Schaffung eines zweiten kapitalistischen Staates auf der Insel die Grundlage für eine wirklich demokratische Lösung für das Problem des Zusammenlebens von Tamilen und Singhalesen in Sri Lanka und Eelam? In welcher Weise würde die Schaffung eines Tamil Eelam die Voraussetzungen zur Überwindung der schweren sozialen Probleme der tamilischen Arbeiter und Bauern bieten, die die Mehrheit seiner Bevölkerung ausmachen würden? Würden die Löhne angehoben werden? Würden die Bauern auf dem Weltmarkt höhere Preise für ihre Produkte erzielen? Würde das soziale und kulturelle Niveau der Massen gehoben?

Mit dem Zusammenbruch des asiatischen Wirtschafts"wunders" haben sich die Aussichten für die Entwicklung eines kleinen, armen Staates zusätzlich verdüstert. Doch weit entfernt von einem Programm, mit dem sie die Auswirkungen einer weltweiten kapitalistischen Depression auf das Leben der Massen abfedern könnte, unterstützt die LTTE das ostasiatische "Entwicklungsmodell".

Wir stellen diese Fragen nicht, um die Selbstaufopferung der LTTE-Kader zu leugnen. Uns geht es darum, die Logik politischer Programme und Klassenbeziehungen zu verdeutlichen. Während die LTTE-Führung im Namen des tamilischen Volkes als ganzes zu sprechen beansprucht, ist sie ihrem Programm, ihrer Geschichte und ihrer Klassenzusammensetzung nach ein politisches Werkzeug der tamilischen Bourgeoisie, die ihrerseits mit dem Imperialismus verbunden und ihm ergeben ist.

Sympathie für das Schicksal der LTTE-Kader kann nicht rechtfertigen, zu verschweigen, was ausgesprochen werden muß - die LTTE hat die tamilischen Massen in eine Sackgasse geführt.

Der Weg vorwärts

Die Kapitulation der LSSP vor dem singhalesischen Nationalismus ändert nichts daran, daß die einzige Perspektive, die einen Ausweg aus der Sackgasse des bürgerlichen Nationalismus bietet, von einem vereinten Kampf der singhalesischen und tamilischen Arbeiterklasse ausgehen muß. Unter der Hegemonie der tamilischen und srilankischen Arbeiter muß der nationale Kampf der Tamilen mit der Mobilisierung aller Unterdrückten gegen die Herrschaft der nationalen Bourgeoisie verbunden werden. Wie alle anstehenden Aufgaben der demokratischen Revolution kann die Abschaffung der nationalen Unterdrückung nur von einer Arbeiter- und Bauernregierung gewährleistet werden, im Rahmen des Kampfs für eine sozialistische Welt. Konkret bedeutet dies, daß man dem srilankischen Staat in seinem Krieg gegen die Tamilen entschieden entgegentreten muß, daß man die Annullierung der gültigen Verfassung und die Abschaffung aller Privilegien für das Singhalesische und den singhalesisch-sprachigen Bevölkerungsteil verlangen muß, und daß man die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Sri Lanka und Eelam auf sein Banner schreibt. Ein Schlüsselelement in diesem Kampf ist die gemeinsame Mobilisierung der Massen in Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka und Eelam gegen das 1947-48 geschaffene reaktionäre Staatensystem und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Südasien.

Die SEP und ihre Vorläuferin, die RCL, führen ihre Ursprünge auf die proletarische internationalistische Tendenz zurück, die sich in Opposition zur Kapitulation der LSSP vor dem singhalesischen Nationalismus und Chauvinismus gebildet hatte. Seit mehr als drei Jahrzehnten setzen sich die RCL und die SEP dafür ein, die Hindernisse zu beseitigen, die der Verrat der LSSP der Entstehung einer von der Arbeiterklasse geführten Bewegung aller Unterdrückten in den Weg gelegt hat - vor allem das Zerwürfnis zwischen den Tamilen und der Arbeiterklasse im Süden sowie die kleinbürgerlich-chauvinistische Politik der Janata Vimukti Peramuna (JVP).

Heute jedoch ändern sich die objektiven Bedingungen auf Weltebene und auf der Insel in dramatischer Weise, und zwar derart, daß die Arbeiterklasse in den Augen der tamilischen Massen erneut als ihr wahrer Befreier erscheinen kann.

Der wirtschaftliche Zusammenbruch Ostasiens, der, wie die internationale Bourgeoisie heute eingesteht, nichts geringeres als eine Systemkrise des Weltkapitalismus darstellt, nimmt das Wiederauftreten des internationalen Proletariats als Gegenspieler des Kapitals vorweg. Dieses erneute Auftreten wird die Weltpolitik von Grund auf verändern - ganz besonders in Asien, wo die numerische Größe und das spezifische Gewicht der Arbeiterklasse in den vergangenen drei Jahrzehnten exponentiell gewachsen sind.

Die Globalisierung und der Zusammenbruch der Sowjetbürokratie zwingen unterdessen die nationale Bourgeoisie in den Ländern mit verzögerter kapitalistischer Entwicklung, ihre wahre Natur als Verbündete und Agentur des Imperialismus immer offener zu zeigen.

Die breite Unterstützung, die die Verteidigungskampagne der SEP von Tamilen im Süden der Insel und von Tamilen im Exil erhielt, zeugt vom deutlich schwindenden Einfluß der LTTE und von wachsendem Interesse an einer alternativen Perspektive. Schon die Welle der Verhaftungen, mit denen die LTTE die SEP überzogen hatte, trug den Charakter eines Präventivschlags.

In den kommenden Wochen und Monaten wird die SEP ihre Bemühungen verstärken, die unterdrückten Massen, Singhalesen wie Tamilen, mit der sozialistischen, internationalistischen Alternative zum separatistischen und prokapitalistischen Programm der LTTE auszurüsten.

Zwischen LTTE und SEP klafft ein politischer Abgrund. Dennoch veröffentlichen wir diese Erklärung in der Hoffnung, daß sie einen Dialog mit tamilischen Kämpfern erleichtern wird. Wir stimmen nicht mit dem Argument überein, daß die LTTE aus militärischen Erwägungen heraus in den von ihr kontrollierten Gebieten die politische Auseinandersetzung unterdrücken müsse. Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, daß eine solche Debatte den tamilischen Kampf gegen nationale Unterdrückung stärken wird, denn sie wird den tamilischen Massen von Sri Lanka und Eelam ermöglichen, zu einer neuen politischen Achse unter der Führung der Arbeiterklasse zu finden.

 

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