Der Triumph der Gewalt und die Schande des "freien" Westens

Ein Artikel, der von der taz zurückgewiesen wurde

Den folgenden Artikel sandte uns der Leser AB zu. Er war ursprünglich für die Tageszeitung (taz) bestimmt, die ihn aber zurückwies, ohne dem Autor zu antworten.

Acht Jahre nach dem Golfkrieg zur "Befreiung" eines menschenverachtenden, dafür aber öl- und geldstrotzenden Scheichtums am Persischen Golf dürfen sich die US-Militärs nun erneut auf der irakischen Spielwiese austoben. Nachdem diplomatische Bemühungen einen amerikanischen Luftschlag am 14. November sprichwörtlich in letzter Sekunde verhindert hatten, ließen die Drahtzieher der Macht in Washington lästigen diplomatischen Störern dieses Mal erst gar keine Chance. Daß die Diplomatie hier gar nie gefragt war, beweist die Arroganz und Ignoranz, mit der UNSCOM-Chef Richard Butler UN-Generalsekretär Kofi Annan überging und seinen Abschlußbericht seinen Auftraggebern im Weißen Haus direkt in die Hände spielte. Die hatten bereits sehnsüchtig auf einen Vorwand zum Losschlagen gewartet. Und den lieferte ihnen Butler mit seinem von Russen und Chinesen als "skandalös" bezeichneten Bericht.

Darin warf der australische "Abrüstungsexperte" der irakischen Regierung vor, nicht, wie am 14. November als Reaktion auf die Resolution 1205 des Sicherheitsrates vom 5. November versprochen, voll mit der UNSCOM kooperiert zu haben.

Daß die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die für die Verifizierung des irakischen Atomprogramms zuständig ist, Bagdad indessen durchaus "das erforderliche Maß an Kooperationsbereitschaft" attestierte, die ihren Inspektoren eine "effektive und effiziente Arbeit" ermöglicht habe, beeindruckte Washington und seinen immertreuen britischen Vasallen in London nicht im geringsten. Ignoriert wurde auch die Feststellung von IAEA-Generaldirektor Mohammed el Baradei, der in seinem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan schreibt, die verbliebenen Fragen und Besorgnisse könnten bald ausgeräumt werden.

Bereits Baradeis Vorgänger, Hans Blicks, mußte die Erfahrung machen, daß Meldungen über Fortschritte bei der Zusammenarbeit mit den irakischen Behörden Washington ganz und gar nicht ins Konzept passen und regelmäßig mit einer Rüge quittiert wurden.

Es ist ganz offensichtlich, daß die jüngste Konfrontation mit dem Irak ganz gezielt durch die UN-Abrüstungskommission provoziert wurde:

Seit dem 17. November haben die Waffeninspekteure der UN 427 Plätze besucht, und nur an fünf Orten gab es Meinungsverschiedenheiten mit den Inspekteuren und angebliche Behinderungen bei deren Tätigkeit. Unter diesen Orten befanden sich ein Büro der Baath-Partei und ein Gästehaus der Regierung. Einmal wurde die Erlaubnis mit 45minütiger Verspätung erteilt. In zwei Fällen bezogen sich die Klagen der UNSCOM darauf, daß sie diese Einrichtungen jeweils an einem Freitag kontrollieren wollte - dem heiligen Tag der Muslime. Die Iraker erklärten der UNSOM, diese Einrichtungen seien freitags nicht geöffnet, die Inspekteure könnten sie jedoch mit offizieller irakischer Begleitung einsehen. Dies entspricht genau der Vereinbarung zwischen dem Irak und der UNSCOM über freitägliche Inspektionen.

Eine Provokation ersten Ranges stellte auch der UNSCOM-Wunsch dar, die Zentrale der regierenden Baath-Partei zu kontrollieren. Da die CIA, wie Clinton offen vor dem UN-Sicherheitsrat verkündete, gezielt auf den Sturz des Baath-Regimes und Saddam Husseins hinarbeitet, mußten die Inspektoren der UNSCOM damit rechnen, daß die irakischen Behörden ihnen den Zutritt zur Baath-Zentrale verweigern würden. Auf diese Weise hatte man einen öffentlichkeitswirksamen Vorwand für die bereits seit langem geplanten Luftangriffe geschaffen.

In Wahrheit hatte der Irak niemals eine Chance, und wer heute noch vom angeblichen "Katz- und Maus-Spiel" des irakischen Diktators faselt (wie etwa die FAZ), der hat nichts begriffen, will nichts begreifen oder spielt ganz bewußt das schändliche Spiel Washingtons mit: Diese Spiel ist nicht nur von äußerster Brutalität und Menschenverachtung gekennzeichnet (nach mittleren US-Schätzungen wird mit zirka 10.000 Opfern unter der irakischen Bevölkerung gerechnet), sondern auch von grenzenloser Feigheit. Eine mit den modernsten und effektivsten Waffensystemen der Welt ausgerüstete Supermacht exekutiert einen am Boden liegenden, hilflosen Gegner, der zu keinerlei Gegenwehr mehr fähig ist. Ein Null-Risiko-Spiel für amerikanische "Helden" und für die US-Militärs, die ihre neuesten Waffensysteme gefahrlos erproben und die amerikanischen Macht- und Profitinteressen fernab der Heimat sicherstellen können.

Der Zeitpunkt der Bombardierung beruht auf dem politischen Kalkül eines in die Enge gedrängten US-Präsidenten und seiner zynischen Berater. Aber die Militäraktion selbst ergibt sich direkt aus der amerikanischen Politik in dieser Region. In den acht Jahren seit dem Ende des mit erheblichen PR-Lügen inszenierten Golfkriegs haben die USA das in weiten Teilen verwüstete und militärisch nahezu hilflose Land immer weiter stranguliert. Die von den Vereinten Nationen verhängten Sanktionen kosteten nach Schätzungen des International Action Centers von Ramsey Clark etwa 1,6 Millionen Menschen das Leben (darunter vor allem Kinder), aufgrund fehlender Nahrungsmittel, medizinischer Versorgung sowie anderen Dingen des täglichen Bedarfs.

Der offizielle Vorwand für das Wirtschaftsembargo, der Irak, der kaum mehr über Elektrizität und fließendes Wasser verfügt, habe nichtsdestotrotz nukleare, chemische und biologische Waffen gehortet, ist offenkundig absurd. Weder die amerikanischen noch die von den USA kontrollierten UNSCOM-Inspekteure haben je Beweise dafür geliefert, daß der Irak zur Zeit Massenvernichtungswaffen besitzt. Statt dessen verlangte man vom Irak das Unmögliche, nämlich die Nichtexistenz solcher Waffen zu beweisen. Erst wenn die UNSCOM bescheinigen könne, so wurde verlangt, daß der Irak weder atomare, biologische und chemische Waffen besitze noch über die Fähigkeit verfüge, sie jemals wieder herstellen zu können, erst dann werde die Wirtschaftsblockade gegen das Land aufgehoben. Es liegt auf der Hand, daß diese Forderung angesichts der Flexibilität moderner Technologie erst dann erfüllt ist, wenn eine Industrie im Irak nicht mehr existiert.

Als Clinton seine Operation "Wüstenfuchs" (welch Euphemismus, Godzilla wäre treffender!) anordnete, erklärte er noch, die Ziele seien Iraks mythische "Massenvernichtungswaffen", also Einrichtungen zur Herstellung oder Lagerung atomarer, biologischer oder chemischer Waffen. Mittlerweile haben Sprecher der Regierung längst eingeräumt, daß keine einzige dieser angeblichen Einrichtungen von Bomben oder Cruise missiles getroffen wurden - aus dem einfachen Grund, weil es sie nicht gibt!

Die tatsächlichen Ziele der Luftangriffe sind Iraks konventionelle militärische Einrichtungen: Kasernen, Panzer, Luftabwehrrakteten etc. und seine industrielle Infrastruktur: Fabriken zur Herstellung von Pestiziden, Brauereien, Molkereien und andere Einrichtungen, die eine industrialisierte Gesellschaft kennzeichnen.

Ziel der USA und ihres britischen Vasallen ist es ganz offensichtlich, den Irak in ein vorindustrielles Zeitalter zurückzubomben - sowie seinerzeit Vietnam in die Steinzeit - und sich damit langfristig die Vorherrschaft in dieser geostrategisch wichtigen und erdölreichen Region zu sichern. Der Einmarsch amerikanischer Truppen und die Installierung eines Marionettenregimes von Washingtons Gnaden ist angesichts der Schwäche aller potentiellen Gegner einer US-amerikanischen Vorherrschaft nur noch eine Frage der Zeit. Die schwächlichen und wenig aufrichtigen Proteste - vom "Verständnis" der deutschen Bundesregierung und ihres opportunistischen grünen Wurmfortsatzes für die amerikanische Kriegspolitik ganz zu schweigen - werden die USA mit Sicherheit auch zukünftig nicht daran hindern, ihre Großmachtinteressen mit ähnlicher Brutalität zu verfolgen. Daß das Verhältnis des Weißen Hauses zur UN sowie zu den Verbündeten in der NATO lediglich instrumentellen Charakter hat und man sich dieser Instrumente je nach Interessenlage bedient, sollte mittlerweile auch dem letzten Provinzpolitiker klargeworden sein.

Die Angriffe gegen das einst blühende Land zwischen Euphrat und Tigris sind so auch eine Machtdemonstration gegenüber allen, die es zukünftig wagen, ihr Haupt gegen den US-Imperialismus zu erheben. Die ebenso brutale wie primitive Botschaft lautet: Entweder Ihr ordnet Euch unter oder wir schlagen Euch den Schädel ein! Wem das nicht zu denken gibt, der hat bereits ausgedacht.

Siehe auch:
Ein Leser kommentiert die Berichterstattung zum Krieg gegen den Irak
(14. Januar 1999)
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