Tamilischer Sozialist darf nicht nach Australien einreisen

Ein ungewöhnlicher Fall macht zur Zeit der australischen Regierung zu schaffen: Seit Beginn des Jahres erhält ihre Einwanderungsbehörde laufend Protestbriefe, Faxe und E-Mails, worin man ihr eine rassistisch und politisch motivierte Entscheidung vorwirft. Prominente Politiker Australiens und Sri Lankas, Gewerkschafter, Bürgerrechtler und einfache Arbeiter aus der ganzen Welt haben bereits Protestbriefe geschrieben. Was ist der Grund?

Ende des vergangenen Jahres hat die australische Regierung dem tamilischen Sozialisten Tajendiram Sutharsan die Einreise nach Australien verweigert. Sutharsan ist Mitglied der Vierten Internationale. Er arbeitet als Organisator der Socialist Equality Party im Gebiet von Kilinochchi, im nördlichen, von den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) beherrschten Teil Sri Lankas, wo er wegen seiner aufrechten internationalistischen Haltung gut bekannt ist.

Im vergangenen Jahr wurde er zusammen mit drei weiteren tamilischen Sozialisten 50 Tage lang von der LTTE inhaftiert. Die LTTE-Führung, die für ihre brutale Vorgehensweise gegen politische Gegner berüchtigt ist, weigerte sich lange Zeit, die Öffentlichkeit über den Zustand der inhaftierten SEP-Mitglieder überhaupt zu informieren. Nur durch eine weltweite, über das Internet verbreitete Kampagne des Internationalen Komitees der Vierten Internationale konnten die vier Sozialisten ihre Freiheit wieder erlangen.

Danach wurde Sutharsan von der Socialist Equality Party Australiens eingeladen, an ihrem traditionellen Sommerseminar Anfang Januar teilzunehmen und danach als Gastredner an Veranstaltungen in Melbourne und Sydney über seine Arbeit in Sri Lanka und seine Verfolgung durch die LTTE zu berichten.

Aber das australische Hochkommissariat in Colombo verweigerte Sutharsan das Einreisevisum. Die offizielle Begründung lautete, er habe nicht bewiesen, daß er tatsächlich die Absicht habe, anschließend wieder nach Sri Lanka zurückzukehren. Auch als der Behörde eine 25seitige Dokumentation vorgelegt wurde, die Sutharsans politische Funktion, seine Verfolgung durch die LTTE und die internationale Unterstützung, die er erfahren hatte und die der Grund seiner Reise bildete, nachwies, weigerte sie sich immer noch, ihre Entscheidung zu ändern. Sie wiederholte, Sutharsan stelle ein "unakzeptabel hohes Risiko" für Australien dar, weil er - der im übrigen in Sri Lanka eine Frau und drei Kinder hat - nach Ablauf seines Visums vielleicht in Australien bleiben könnte.

Da diese Entscheidung einen Präzedenzfall darstellt - noch niemals zuvor hat man srilankischen Besuchern der australischen SEP ein befristetes Einreisevisum verweigert - veröffentlichten die australische SEP und das Internationale Komitee diesen Fall im World Socialist Web Site.Seither reißt der Strom der Proteste nicht ab.

Da ist zum Beispiel Rajendram Ramamoorthy, ein Parlamentsabgeordneter aus Jaffna, der tamilischen Region im Norden von Sri Lanka. Er hat die Haltung der australischen Regierung in seinem Brief an das australische Hochkommissariat in Colombo scharf verurteilt. Er schrieb: "Sutharsan ist einer von vier Mitgliedern der Socialist Equality Party von Sri Lanka, die vergangenes Jahr von der LTTE gefangengenommen und eingesperrt worden sind. Die internationale Kampagne, die seine Partei geführt hat und die von vielen australischen Gewerkschaften und Individuen unterstützt wurde, führte schließlich dazu, daß ihre vier gefangenen Mitglieder frei gelassen wurden. Aus diesem Grunde müßte eigentlich jeder vernunftbegabte Mensch zum Schluß kommen, daß Sutharsan nun die Gelegenheit nutzt, Australien zu besuchen, um all jenen zu danken, die sich für seine Freilassung eingesetzt haben.

Ich weiß, daß die srilankische SEP eine verantwortungsvolle Organisation ist, und daß sie alles tut, um die Arbeiter weltweit unter der Fahne der Vierten Internationale zu vereinen. Auf dieser Grundlage kämpft sie auch gegen den Krieg gegen die Tamilen. So hätte Sutharsans Reise auch eine Gelegenheit sein können, die Bedingungen bekannt zu machen, mit denen die Tamilen im Bürgerkrieg konfrontiert sind... Ich fordere Sie ernsthaft auf, diese Entscheidung zu revidieren."

Ein srilankischer Künstler und Kunstkritiker, Darshana Medis, schrieb: "Es ist bekannt, daß Sutharsan kürzlich in LTTE-Gefangenschaft war, und daß er nicht an deren Wohlwollen appelliert hat, um frei zu kommen. Im Gegenteil, die LTTE sah sich schließlich durch seine unbeugsame und feste ideologische Haltung ihr gegenüber gezwungen, ihn freizulassen, wozu auch der Druck beitrug, den die SEP international erzeugen konnte.

Meine Schlußfolgerung ist, daß eine Person von diesem Kaliber sich nicht erniedrigen und um politisches Asyl in einem anderen Land betteln wird. Gleichzeitig gehe ich davon aus, daß sowohl die SEP (Sri Lanka) als auch die SEP (Australien) verantwortungsvolle Parteien sind, deren Garantien mehr als ausreichend sind, um jeden Zweifel hinsichtlich seiner Rückkehr nach Sri Lanka zu zerstreuen."

In einem Brief im Namen der Seeleutegewerkschaft von Australien (Maritime Union of Australia, MUA), Landesverband New South Wales, schrieb Jim Donovan, stellvertretender Sekretär: "Zwar können wir Ihre Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit, daß der Antragsteller eine Rückkehr in sein eigenes Land verweigern könnte, nachvollziehen. Jedoch sind wir der festen Meinung, daß es in diesem Fall eine fadenscheinige Entschuldigung ist, um ihm das Visum zu verweigern.

Die tragischen Ereignisse in Sri Lanka, das Chaos, die Zerstörung und die schrecklichen Todesopfer beschäftigen alle Freunde dieses derart von Krieg heimgesuchten Landes. Sicher haben alle Regierungen und Individuen, die ernsthaft und guten Willens sind, den Wunsch nach einer gerechten und demokratischen Lösung dieses Krieges und einem sofortigen Ende des Blutbades. Deshalb sind wir der festen Ansicht, daß alle vernünftigen Menschen dieses Landes Mr. Sutharsans Besuch in Australien begrüßen würden und großes Interesse an seinen Erklärungen und seiner Meinung über die Ereignisse in seinem Land hätten."

Der Brief fährt fort: "Wir haben stark den Eindruck, daß die Verweigerung dieses Visums undemokratisch und unbegründet ist. Wenn diese Entscheidung nicht geändert wird, kann sie nur dazu führen, unser Land der Lächerlichkeit der ganzen demokratischen Welt preiszugeben."

Anthony Albanese, der Bundesabgeordnete der Labor Party für Grayndler, einer südwestlichen Vorstadt von Sydney, schrieb in seinem Brief: "Mr. Rajendiram hat dieses Visum beantragt, um einer Jahrestagung zur Weiterbildung in Sydney beizuwohnen und an Diskussionen über die politische Situation in Sri Lanka teilzunehmen. Ich fordere den Minister für Einwanderung und multikulturelle Angelegenheiten auf, einzugreifen und Mr. Rajendiram ein Besuchervisum zu verschaffen, damit er in Australien einreisen und an dieser Konferenz teilnehmen kann."

In einem Interview im singhalesischen Wochenprogramm auf Radio 3CR, einer lokalen Radiostation in Melbourne, erklärte ein Mitglied der srilankischen SEP, Rajitha Pereira, die Entscheidung sei "Bestandteil einer allgemeinen Politik, Menschen aus armen Ländern Einreisevisa zu verweigern".

"Wir haben festgestellt, daß es eine Regierungsanweisung gibt, in der etwa vierzig Länder aufgelistet sind, die als Risiko für die Region bezeichnet werden. Menschen einer bestimmten Altersklasse werden ganz einfach nicht nach Australien hereingelassen. Aufgrund dieses Gesetzes werden Antragsteller schon ausgeschlossen, bevor sie überhaupt einen Antrag auf ein Visum stellen können. In diesem besonderen Fall," fuhr er fort, "kommt die Entscheidung einem Angriff auf demokratische Grundrechte gleich, nicht nur auf die Rechte von Sutharsan, sonder von allen Arbeitern und Jugendlichen dieses Landes, welche die Kampagne der Vierten Internationale unterstützt haben, unsere Mitglieder aus dem LTTE-Gefängnis zu befreien. Es ist eine politisch motivierte Entscheidung."

Als ihn der Interviewer nach den politischen Gründen dafür fragte, antwortete Pereira: "Die australische und die srilankische Regierung haben sehr enge Beziehungen, die für beide Länder eine wichtige Rolle spielen. Australien ist der zweitgrößte Investor in Sri Lanka. Andererseits ist die LTTE stark in Australien repräsentiert, mindestens in finanzieller Hinsicht.

Der Krieg ist zu einer Last geworden, nicht nur für die srilankische Regierung, sondern auch für die LTTE. Beide Seiten haben finanzielle Probleme, aber auch Schwierigkeiten, immer neue Kräfte aufzubieten. Und es ist klargeworden, daß der Krieg sich negativ auswirkt, wenn es darum geht, Investoren nach Sri Lanka anzuziehen. Die meisten transnationalen Konzerne haben deutlich klargestellt, daß der Krieg ihre Profite beeinträchtigt. Von allen Seiten wird die Frage gestellt, ob eine Fortsetzung wirklich noch sinnvoll sei.

Im vergangenen Oktober haben Unternehmer im Süden des Landes einen runden Tisch mit den wichtigen Parteien gefordert, um die sogenannte ,ethnische Frage‘ zu lösen. Sie insistieren, daß alle großen Parteien einem Modell begrenzter Unabhängigkeit [für die tamilische Seite] zustimmen sollten. Gleichzeitig signalisierte die LTTE ihre Bereitschaft, an Diskussionen teilzunehmen, sobald eine ,dritte Partei‘ einbezogen würde. Schon früher haben zweitrangige LTTE-Führer einen solchen Vorschlag gemacht, aber es ist das erste Mal, daß der LTTE Führer Prabhakaran selbst offen dazu aufgerufen hat.

Wenn Sie dies alles in Betracht ziehen, so ist klar, daß Australien ein deutliches Interesse an der Situation hat. Australien versteht sehr wohl, daß seine Position gegenüber anderen großen kapitalistischen Ländern gestärkt würde, wenn es die Rolle dieser dritten Partei spielen könnte. Nach der Unterzeichnung des SAFTA-Abkommens (South Asian Free Trade Area, Freihandelszone im südlichen Asien) wird Sri Lanka auch der Brückenkopf nach Indien sein. Das alles ist schon in mehreren australischen Zeitungen zur Sprache gekommen, besonders in der Financial Review.

So können wir die Frage stellen: Hat die australische Regierung Angst, daß ein Besuch eines SEP-Mitglieds - dessen sozialistischen Anschauungen der Haltung sowohl der srilankischen Regierung als auch der LTTE diametral entgegengesetzt sind - diese wichtigen Beziehung stören könnte?"

Das World Socialist Web Site fordert weiterhin Gewerkschafter, Bürgerrechtler und alle Menschen, die für die Verteidigung demokratischer Grundrechte einstehen, dringend auf, Protestbriefe zu schicken und zu fordern, daß die Australischen Behörden Sutharsan die Einreise nach Australien nicht länger verweigern. Briefe, Faxe und E-Mails müssen an folgende Adressen gesandt werden:

Philip Ruddock Minister for Immigration and Multicultural Affairs Suite MF40 Parliament House Canberra 2600, Australia Fax: (Australien) 61-2-6273-4144

Alexander Downer Minister for Foreign Affairs and Trade Parliament House Canberra 2600, Australia Fax: (Australien) 61-2-6273-4112

Australisches Hochkommissariat P.O. Box 742 Colombo, Sri Lanka Fax: 0011-94-1-682-311

Bitte schickt Kopien aller Protesterklärungen an das World Socialist Web Site: Fax: 030-308 72 620; E-mail: Info@gleichheit.de

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