Yabu Bilyana 1944-1999

Australischer Sozialist starb im Alter von 54 Jahren

Yabu Bilyana, Mitglied der Socialist Equality Party Australiens und der erste Aborigine [Nachfahre australischer Ureinwohner], der dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale beitrat, starb am Montag, den 5. April in Brisbane. Zwei Jahre zuvor hatte er einen Schlaganfall erlitten, in dessen Folge er eine dauerhafte Behinderung davontrug. Er war 54 Jahre alt.

Die genaue Todesursache muß noch festgestellt werden, aber schon während der letzten Monate war Bilyana ständig schwächer geworden. Am Sonntag wurde er von seinem Pflegeheim in das Logan Hospital verlegt, wo aufgrund von starken Blutungen sein Blutdruck schnell fiel. Die Ärzte waren nicht in der Lage ihn zu retten.

Während seines gesamten Lebens als Erwachsener hat sich Yabu Bilyana für die Rechte der schwarzen Arbeiter und Jugendlichen eingesetzt. Als er der Socialist Labour League (Vorläuferorganisation der SEP) im Jahre 1990 beitrat, war er bereits ein bekannter Aktivist und Führer der Aborigines. Aber, wie er in einer Rede vor den Studenten des Tranby Colleges in Sydney 1994 betonte: "Als ich die Socialist Labour League traf, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben begriffen, daß die Emanzipation der Menschheit nur durch den Klassenkampf erreicht werden kann - durch die Abschaffung der Klassengesellschaft, durch die internationale Arbeiterklasse."

Von diesem Zeitpunkt an widmete er sich mit aller Kraft dem Kampf für den Sozialismus, bis ein Schlaganfall im Jahre 1997 auf tragischer Weise sein politisches Leben beendete.

Yabu Bilyana wurde am 2. Dezember 1944 geboren und wuchs mit seiner Schwester und drei Brüdern in der ländlichen Stadt Springsure im zentralen Hochland von Queensland auf. Die Bedingungen für die Familien der Aborigines waren dort extrem hart. Wie viele andere Kinder mußte er die Schule früh verlassen. Als er neun Jahre alt war, half er seinem Vater als Viehtreiber und Schafscherer in entlegenen Gebieten. Mit 14 Jahren verließ er sein Zuhause und arbeitete zuerst in Brisbane, später in Sydney. Zunächst arbeitete er als Kanalarbeiter, später als Aushilfe in Fabriken und schließlich in der Bauindustrie.

Es dauerte nicht lange, bis Yabu aufgrund seiner Opposition gegen mangelnde Sicherheitsvorkehrungen auf dem Bau von seinen Kollegen zum Gewerkschaftsdelegierten gewählt wurde. Als einer seiner besten Freunde bei einem Betriebsunfall tödlich verunglückte, führte Yabu einen Streik an, der sich über ganz Brisbane ausweitete. Deswegen wurde er von der Bauindustrie auf die "Schwarze Liste" gesetzt.

Danach arbeitete er unter anderem als Stahlarbeiter und Lastkraftfahrer. 1976, nachdem er sich schon mehrere Jahre für die Rechte und bessere Lebensbedingungen der Aborigines eingesetzt hatte, wurde zum Vorsitzenden der Rechtshilfe der Aborigines für den Staat Queensland gewählt. Schon bald verlor er jedoch seine Illusionen, nicht nur hinsichtlich der Rechtshilfe, sondern auch in die Perspektive des schwarzen Nationalismus.

Er trat von seiner Position zurück und begann die Suche nach einer Alternative, wie die Belange und Bestrebungen der Aborigines wirklich gewährleistet werden könnten. 1986 beschloß er eine weitere Ausbildung aufzunehmen und trat in das Mt Gravatts Teacher`s College in Brisbane ein. Im darauffolgendem Jahr schrieb er sich für Sozialarbeit in der University of Western Sydney ein.

Yabu wurde nie müde zu erklären, warum er sich für den Trotzkismus entschieden hatte. Es war die Erkenntnis, daß die Aborigines Teil der internationalen Arbeiterklasse sind und daß der Ausweg aus den schrecklichen Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, in der Vereinigung mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern aller Hautfarben, Völker und Nationen in einem gemeinsamen Kampf gegen das Profitsystem besteht.

Diese Grundwahrheit begann er auf der ersten Parteiversammlung, die er im Jahre 1989 besuchte, zu verstehen. Der Vortrag auf dieser Versammlung wurde von David North gehalten, dem Vorsitzenden der Socialist Equality Party der Vereinigten Staaten (damals noch die Workers League). Die Versammlung war einberufen worden, um die Arbeiter und Jugendlichen zu verteidigen, die sich damals in einer heftigen Auseinandersetzung mit der chinesischen Bürokratie befanden. Bald sollte ihre Rebellion mit dem Massaker auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" in Blut ertränkt werden. Yabu erklärte später, daß das, was er auf der Versammlung gehört hatte, ihn sehr bewegt habe. Ihm wurde dadurch ein Teil der komplexen Geschichte und Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse enthüllt, von der er vorher praktisch gar nichts wußte.

Yabus politischer Bruch mit dem schwarzen Nationalismus brachte ihm viele Feinde im Milieu der radikalen Aborigine-Aktivisten ein. Sie fühlten sich dadurch in ihren zunehmend privilegierten Stellungen und ihren Verbindungen zu der Labor Party und dem Gewerkschaftsapparat bedroht. Jede Perspektive, die Aborigines unabhängig als Bestandteil der internationalen Arbeiterklasse zu mobilisieren, war ihrer Orientierung diametral entgegengesetzt. Sie richteten Appelle an den kapitalistischen Staat, indem sie sich an Politiker, Richter und andere seiner Vertreter wandten.

Yabu paßte sich niemals dem Druck an, den sie auf ihn ausübten. Nachdem er Parteimitglied geworden war, setzte er sich für den Kampf für eine sozialistische Perspektive ein. Er begann viel zu lesen, mit dem Ziel ein marxistisches Verständnis der Geschichte, Gesellschaft und Religion der Aborigines zu entwickeln. Er wurde Mitarbeiter bei der Post, wo er im Briefzentrum von Alexandria und später im Briefzentrum Seven Hills in den westlichen Vorstädten Sydneys arbeitete, und er setzte sich nimmermüde für die Standpunkte der Partei in allen Teilen der Arbeiterklasse ein.

1991 nahm er als Delegierter der SLL an der internationalen Konferenz gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus teil. Diese hatte das IKVI als Reaktion auf den Golfkrieg in Berlin organisiert. Seine Ansprache an die Konferenz war eine bewegende Anklage des Völkermords an den australischen Ureinwohnern und den andauernden Todesfällen von schwarzen Arbeitern und Jugendlichen in den Polizeistationen und Gefängnissen des Landes.

Bei den Wahlen 1993 war er Kandidat der SLL für Chifley, eine Vorstadt im Westen Sydneys.

Im März 1994 war er einer der sechs Vorsitzenden der von der SLL initiierten Untersuchung über den Tod von Daniel Yock. Schon vor der Anhörung hatte er in den umfangreichen Nachforschungen, die von der Untersuchungskommission durchgeführt wurden, eine wichtige Rolle gespielt. Bei diesem Fall ging es um die Umstände des Todes eines 18jährigen Aborigine, der am hellichten Tag in den Händen der Polizei von Brisbane zu Tode kam. Yabu beteiligte sich an Interviews mit Daniels Freunden und anderen Zeugen in dem Ort, wo er umgebracht worden war. Auch besuchte er die Familie Daniels in der Aborigine-Gemeinde Cherbourg, die sich etwa 300 km nördlich von Brisbane befindet.

Nach der Untersuchung und der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse sprach Yabu häufig mit farbigen Studenten und Jugendlichen in Schulen, Colleges und Universitäten und hob die politische Bedeutung des Falles für alle Jugendlichen hervor.

1995 repräsentierte Yabu die Partei bei den Wahlen im Staat New South Wales und trat in Heffron an; im folgenden Jahr 1996 war er Kandidat der SLL in Kingsford Smith.

Die politische Arbeit von Yabu Bilyana war stets von Menschlichkeit, Wärme und Humor geprägt, die seinen direkten persönlichen Erfahrungen mit Rassismus, Armut und Ausbeutung entsprangen. Wie die meisten schwarzen Arbeiter hat er viele persönliche Krisen durchgemacht. Viele Jahre kämpfte er gegen den Alkoholismus, ein Kampf, den er - obwohl er sowohl physische als auch psychische Narben hinterließ - schließlich gewann. Die Umstände, unter denen er in seiner Kindheit und als Erwachsener gelebt hatte, schlugen sich in Diabetes, chronisch hohem Blutdruck, Herzbeschwerden und Asthma nieder und trugen zu seinem Schlaganfall und frühen Tod bei. Das ist die Realität hinter der Statistik, daß die Lebenserwartung von männlichen Aborigines 20 Jahre geringer ist, als die der übrigen männlichen Bevölkerung.

In seinen beiden letzten Lebensjahren nach dem Schlaganfall ist Yabu seinem schrecklichen Zustand mit außergewöhnlichen Mut und Würde begegnet. Er litt unter einer Dauerschädigung jener Teile des Gehirns, die Bewegung, Gleichgewicht und Sprache steuern. Trotzdem war er in der Lage, alles um ihn herum zu verstehen und zur Kenntnis zu nehmen. Besucher seines Krankenhauses oder seiner Pflegestation wurden stets mit einem freundlichen Lächeln und einem Heißhunger auf Neuigkeiten empfangen. Er folgte so gut er konnte der politischen Analyse der Partei und freute sich auf jeden Besuch und Brief, über jede Botschaft und Kassette von seinen Genossen in Australien und weltweit.

Yabu Bilyana liebte seine neun Kinder und elf Enkel. Er schätzte sowohl die Malerei und die Künste, als auch Sport, vor allem Rugby. Er hatte ein lautes Lachen, das jeden in Hörweite mit Heiterkeit ansteckte. Körperlich groß, war er nichtsdestotrotz ein freundlicher und sanfter Mann, der immer eng zu seinen Freunden hielt. Aber die große Leidenschaft seines Lebens war der Kampf für Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit für die gesamte Menschheit.

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