Der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform 2000

Einige Gedanken zur rot-grünen Gesundheitspolitik

Der Leser M.K. aus Augsburg hat dem wsws den folgenden Beitrag zugesandt:

Die radikalen Kürzungen und Privatisierungsschritte im Gesundheitswesen waren mit Sicherheit auch ein Grund dafür, daß die CDU/CSU/FDP-Regierung letztes Jahr abtreten mußte. Sogleich machte sich die neue Regierung daran, auch im Gesundheitswesen einiges zu verändern.

Zuerst wurden die Sparmaßnahmen der alten Regierung zurückgenommen, welche den zurecht größten Ärger in der Bevölkerung hervorgerufen hatten. Zum einen wurden die nach einigen Reformen immer wieder angehobenen Zuzahlungen bei Medikamenten etwas gekürzt, und vor allem wurde bei Zahnersatz wieder eine prozentuale Beteiligung der Kassen vereinbart, auch für nach 1978 Geborene. Wer danach jedoch dachte, es würde sich eine Wende vollziehen und der Sparkurs, der seit Mitte der 70er Jahre besteht, würde zurückgenommen, der hatte sich mächtig getäuscht.

Mit Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) sitzt an der Spitze des Gesundheitsministeriums eine knallharte Ökonomin, die nicht im mindesten daran interessiert ist, das Gesundheitssystem den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung anzupassen. Das beste Beispiel dafür ist der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform 2000. Ein viel diskutiertes und nicht minder kritisiertes Papier, welches tiefgreifende Änderungen enthält und nach Frau Fischers Willen zum 1. Januar 2000 in Kraft treten soll.

Einer der Punkte, die dazu ausgearbeitet wurden, ist das von Frau Fischer immer wieder verteidigte Hausarztsystem. Danach soll jeder Patient zuerst seinen Hausarzt aufsuchen, der ihn dann eventuell an einen Facharzt überweist. Mit einem Bonussystem soll der entsprechende Anreiz dafür geschaffen werden. Damit ist natürlich die freie Arztwahl des Patienten nicht mehr gegeben. Darüber hinaus ist bei der Konkurrenz unter Ärzten nicht mit Sicherheit zu sagen, daß eine notwendige Überweisung stattfindet. Frau Fischers Aussage, daß der Patient auf diesem Weg zielgenau zum richtigen Arzt gelangt, ist blanker Unsinn. Außerdem gilt dieses System nur für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen, nicht für Privatpatienten.

Mit einer "Positivliste" will die Ministerin die Ausgaben für Arzneien drastisch senken und festlegen, welche Medikamente künftig von den Kassen übernommen werden sollen und welche die Versicherten gegebenenfalls selbst bezahlen müssen. Darunter fallen hauptsächlich Durchblutungsmittel, leichte Schmerzmittel, Abführmittel etc. Außerdem werden die Ausgaben für Arzneien allgemein begrenzt. In diesem Zusammenhang warnen die Kassenärzte bereits, daß die Arzneimittelbudgets bereits im Herbst erschöpft seien, und dann nur noch lebenserhaltende Arzneien verordnet werden könnten.

Hauptpunkt ist mit Sicherheit die Krankenhausfinanzierung. Hier sollen künftig die Kassen über Investitionen, Ausgaben, Stillegungen usw. entscheiden. Damit wird den Kassen weit mehr Macht gegeben als bisher. Seit 1990 wurden bereits 100.000 Betten abgebaut und entsprechend viele Einrichtungen geschlossen. Dieser Trend dürfte sich nach dieser Reform weiter verstärken.

Dem Ganzen soll mit einem Globalbudget noch die Krone, besser gesagt der Deckel aufgesetzt werden. Ein festes Budget soll die Ausgaben für alle Bereiche von vornherein festsetzen. Als Orientierungspunkt wird die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen herangezogen. Da diese jedoch stetig sinken, wird dadurch ein bisher nicht gekannter Sparzwang für alle Bereiche entstehen.

Dies alles soll dem Ziel dienen, eine qualitativ hohe Gesundheitsversorgung zu erhalten und die Beiträge zur Krankenversicherung stabil zu halten. Doch mit diesen Maßnahmen wird keines der Ziele erreicht. Durch Rationierungszwänge und Personaleinsparungen wird die Qualität der Versorgung wohl kaum gesteigert. Ministerin Fischer sagte in einem Interview gegenüber "Die Welt", die Kliniken müßten Anreize dafür bekommen, daß sie belohnt werden, nur das Notwendigste zu tun. Selbstverständlich werden auch eine Menge Beschäftigte aus Gesundheitsberufen ihren Arbeitsplatz verlieren.

Was die stabilen Beiträge angeht, so wird, tritt die Reform so in Kraft, eine Beitragssatzsteigerung im ersten Halbjahr 2000 um 0,8 Beitragssatzpunkte unvermeidlich sein, so die AOK Baden-Württemberg.

Stabile Beiträge waren auch schon in der Kohl-Ära ein beliebter Vorwand für Kürzungen bzw. höhere Kosten zu Lasten der Versicherten. Trotzdem stiegen sie beständig, ganz einfach deshalb, weil gemessen am Bruttosozialprodukt nicht die Ausgaben der GKV steigen, sondern die Einnahmen sinken. Der Lohnanteil am gesellschaftlichen Reichtum sinkt durch Arbeitslosigkeit, und damit schwindet die Basis der Sozialversicherungen.

Frau Fischers Pläne stoßen auf heftige Kritik von verschiedenen Seiten, und somit ist noch unklar, welche Veränderungen, wann, und inwieweit in Kraft treten werden. Dennoch läßt sich daraus ersehen, daß es zu tiefgreifenden Einsparungen auf Kosten der Versicherten, das sind etwa 90 Prozent der Bevölkerung, kommen wird. Und mehr noch, Leistungen im Gesundheitswesen werden so weit zusammengestrichen, daß eine ausreichende Versorgung ernsthaft gefährdet ist.

Siehe auch:
Erfahrungen mit der Pflegeversicherung
(19. März 1999)
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