Motorenwerke Mannheim

Arbeiter bezahlen eine teure Zeche

Lohnkürzungen von 250 bis 1.500 DM vom Bruttolohn müssen die Arbeiter der Motorenwerke Mannheim (MWM) künftig hinnehmen. Sie arbeiten jetzt schon fast rund um die Uhr - ihre Arbeitswoche fängt regelmäßig sonntags um 22 Uhr an - und gleichzeitig hängt über ihnen das Damoklesschwert der Betriebsschließung. 87 Kollegen erhalten bereits die Kündigung; sie werden für ein Jahr in die Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus GmbH abgeschoben, danach stehen sie auf der Straße. Für die restliche Belegschaft gibt es eine Beschäftigungsgarantie; diese läuft jedoch am 31. Dezember 2000 aus. Zur Zeit sind noch rund tausend Menschen bei MWM beschäftigt, in den letzten drei Jahren wurden bereits 300 Stellen abgebaut.

Dies alles nennt der Betriebsratsvorsitzende Peter Schwab einen "ersten Kompromiss", über den er erleichtert sei. Seit Mitte Juli verhandeln Betriebsrat und IG Metall über ein sogenanntes "Standortsicherungspaket". Darin werden die Entlassungen "Anpassung" und die Lohnkürzungen "leistungsorientiertes Lohnsystem" genannt. Die IG Metall hat als Gegenleistung für eine Standortgarantie von sich aus Lohnkürzungen - allerdings nicht ganz so hohe - und die Überführung entlassener Arbeiter in eine Beschäftigungsgesellschaft vorgeschlagen.

Noch Ende März 1999 hatte sich Anton Schneider, Chef der Kölner Muttergesellschaft Deutz AG, damit gebrüstet, dass die MWM in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben würde. Jetzt setzen die Deutz AG (vormals KHD, Klöckner-Humboldt-Deutz) und ihr Großaktionär Deutsche Bank die Belegschaft massiv unter Druck: Weitere Investitionen sollen nur dann nach Mannheim fließen, wenn bei den Löhnen vier Millionen eingespart werden.

Mitte August erhielt jeder einzelne MWM-Mitarbeiter einen Drohbrief des Deutz-Konzerns zugeschickt, in dem ein stärkerer Stellenabbau als bisher vorgesehen angekündigt und gleichzeitig die Zukunft des Standorts Mannheim in Frage gestellt wurde.

Peter Schwab berichtete dem Mannheimer Morgen, wie der Vorschlag des Betriebsrats hinsichtlich der Löhne ausgesehen habe: Nach der Vorstellung des Betriebsrats sollte jeder MWMler 576 DM weniger Lohn erhalten. Damit wären an den Löhnen 1.3 Millionen DM eingespart worden, zusammen mit allen anderen Einsparungen wären das elf Millionen gewesen. Schwab sagte: "Auf die Frage, ob das von uns geschnürte Einsparungspaket in Höhe von elf Millionen DM nicht ausreiche, hieß es bei Deutz lakonisch: Nein. Und das war's dann." Zur Zeit dieses Interviews forderte Deutz schon, 2.8 statt 1,3 Millionen bei den Löhnen einzusparen, inzwischen - eine Woche später - beläuft sich ihre Forderung auf vier Millionen DM Lohneinsparungen.

Der Mannheimer Morgen kommentierte: "Seit Jahren schreibt MWM Verluste, seit Jahren muss Deutz zubuttern. Und jetzt soll der traditionsreiche Maschinenbauer MWM wegen läppischer 1.5 Millionen Mark keine Zukunft mehr haben? Das ist nicht nachvollziehbar."

Die Motorenwerke Mannheim sind einer der ältesten und momentan noch größten Arbeitgeber Mannheims. Ihr Gründer hieß Carl Benz und war der Erfinder des Automobils. Heute stellen sie große Dieselmotoren für Schiffe und Kraftwerke her. Die Produktion von Traktormotoren wurde Ende 1998 eingestellt; dadurch verloren 58 Beschäftigte ihre Arbeit.

Am 27. Mai erklärte der Vorstandsvorsitzende Anton Schneider auf der Hauptversammlung der Deutz AG: "Bei den Mittel- und Großmotoren aus Mannheim (380 - 7.400 kW) lag der Umsatz 1998 mit 394 Mio. DM (1997: 527 Mio. DM) deutlich unter dem Vorjahresniveau. Ausschlaggebend für den Umsatzrückgang war eindeutig die Asienkrise." Als Konsequenz wolle sich der Konzern vor allem auf Gasmotoren konzentrieren, die im Moment noch großen Absatz am Weltmarkt fänden.

Am 22. August zitierte der Mannheimer Morgen Anton Schneider: "Wir haben in Mannheim eine hervorragende Produktbasis. Der neue Großmotor 632 ist eine Revolution im Großmotorenbau... Der Auftragseingang liegt in Mannheim im ersten Halbjahr um rund hundert Millionen DM über dem Vergleichswert des Vorjahres." Bei dem Großmotor 632 handelt es sich um einen fünf Meter langen Gasmotor, der im Moment offensichtlich der Renner und somit einziger Hoffnungsträger für MWM ist. Nur ein Problem nennt Schneider: "Wir binden einfach zu viel Geld, weil die Motoren zu lange im Werk sind." Die Zeit zwischen Auftragseingang und Auslieferung betrage bei kleinen Motoren ca. drei Monate, bei großen neun. Sie solle halbiert werden.

Das Problem ist klar: Die MWM machen im Verhältnis zum Umsatz zu wenig Gewinn. Das Kapital muss schneller umgeschlagen werden, sprich: Die Produktion muss schneller und billiger vonstatten gehen. Außerdem muss die Qualität dem Weltmarkt standhalten. An der Technik kann nicht gespart werden, da im Gegenteil neue Maschinen erforderlich sind. Einsparungen müssen folglich bei der Belegschaft gemacht werden.

Deutz verlangt, dass bei MWM, wo seit Jahren rote Zahlen geschrieben werden, innerhalb von zwei Jahren Ertragsverbesserungen von rund fünfzig Millionen erreicht werden. Es wird klar, was die gewerkschaftsübliche Floskel "Erhaltung des Standorts" im Klartext bedeutet: Zwar würden Konzernleitung und Deutsche Bank auch in Zukunft gerne große Gasmotoren in Mannheim produzieren lassen, aber nur in einem auf diesen Kernbereich reduzierten Betrieb und mit einer Belegschaft, die rund um die Uhr Höchstleistungen erbringt und dabei mit einem Hungerlohn zufrieden ist. Andernfalls droht der Fabrik das Aus.

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