Die "soziale Ausgewogenheit" des Sparpakets

Fallbeispiel Ökosteuer

Ein äußerst bezeichnendes Fallbeispiel für die "soziale Ausgewogenheit", die Schröder und Eichel für ihr Sparprogramm und für die Politik der Regierung insgesamt in Anspruch nehmen, ist die Ökosteuer, eines der zentralen Projekte der rot-grünen Koalition.

Seit April diesen Jahres werden auf Benzin und Diesel eine um 6 Pfennig und auf Strom, Gas und Heizöl eine um 2 Pfennig höhere Steuer erhoben. Weiterhin ist inzwischen beschlossen worden, in den Jahren 2000 bis 2003 jeweils am 1. Januar den Benzinpreis um jeweils weitere 6 Pfennig und den Strompreis um 0,5 Pfennig anzuheben. Für den Staat soll diese Steuerreform insgesamt aufkommensneutral sein, d.h. keine zusätzlichen Einnahmen ergeben, weil die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern je zur Hälfte zu tragenden Sozialbeiträge in entsprechendem Umfang sinken sollen.

Nachdem die Regierung schon in der Frage des Umfangs der Energiekostensteigerung ein weiteres Mal vor dem Druck der Industrie in die Knie gegangen war, hat sie die konkrete Ausgestaltung der Steuerreform zusätzlich vollkommen im Interesse der Wirtschaft vorgenommen. Während die große Mehrheit der Bevölkerung keine Möglichkeit hat, den höheren Kosten für Benzin, Diesel und Strom auszuweichen, gelten für die Industrie, insbesondere für die größten Energieverbraucher, zahlreiche und weitgehende Ausnahmeregelungen.

Laut einer Pressemitteilung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) vom 31. August sind die privaten Haushalte die Nettozahler der Reform: "Ihre Belastung mit Energiesteuer übertrifft die Entlastungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung um 1,175 Mrd Mark." Das verarbeitende Gewerbe dagegen wird nach dieser Untersuchung netto um 540 Millionen Mark entlastet.

Die Umweltschutzorganisation BUND kritisiert in einem Presseinfo vom 2. August die umfangreichen Ermäßigungsregelungen, von denen besonders die energieintensiven Großunternehmen profitieren. Sie sind dadurch in der Lage, ihre Belastung durch die Ökosteuer um bis zu 99 Prozent zu senken. Und das geht so:

Erstens wird dem produzierenden Gewerbe generell 80 Prozent der an und für sich fälligen Ökosteuern erlassen. Zweitens erhalten diese Unternehmern alle Energiesteuern zurückerstattet, die das 1,2-fache der Senkung ihrer Lohnnebenkosten übersteigen.

Der BUND nennt dafür zwei Beispiele, die Heidelberger Zement AG und die BASF:

"Beispiel Heidelberger Zement AG:

Das Unternehmen erzielte 1995 einen Umsatz in Höhe von 792 Millionen Mark. Bei dem damaligen Energieverbrauch müßte es in der ersten Ökosteuer-Stufe ca. 12 Millionen Mark Ökosteuern auf Strom, Heizöl und Erdgas zahlen, wenn es keine Ermäßigung gäbe. Das entspräche 1,5 Prozent vom Umsatz. Da die Ökosteuern für die Industrie um 80 Prozent ermäßigt sind, reduzieren sich die Ökosteuer-Zahlungen auf 2,4 Millionen Mark.

Die von der Heidelberger Zement AG zu zahlenden Lohnnebenkosten werden im Rahmen der Öko-Steuerreform um ca. 250.000 Mark reduziert. Laut derzeit geltendem Gesetz darf die Nettobelastung nur um maximal 20 Prozent über der Lohnnebenkostensenkung liegen; in diesem Beispiel also um ca. 50.000 Mark. Von den bereits reduzierten Ökosteuern in Höhe von 2,4 Millionen Mark erhält das Unternehmen über diesen ‚Spitzenausgleich‘ also nochmals 2,1 Millionen zurück. Gegenüber der regulären Belastung ergibt sich daraus eine Ermäßigung von ca. 99,5 Prozent!

Beispiel BASF, Ludwigshafen:

Durch die Ermäßigungs- und Rückerstattungsregelungen haben sich die Ökosteuer-Zahlungen für die BASF auf 15,6 Millionen Mark reduziert. Nach den ursprünglichen Plänen wären 131 Millionen Mark zu zahlen gewesen. Da die BASF im Rahmen der Reform 13 Millionen Mark weniger Rentenversicherungsbeiträge zahlen muß, reduziert sich die Nettobelastung auf 2,6 Millionen Mark. Im Verhältnis zum Konzernumsatz in Höhe von 54,1 Milliarden Mark beträgt die Ökosteuer-Belastung also weniger als 0,05 Promille."

Der BUND kritisiert die geltende Ökosteuer vom Standpunkt der Kleinunternehmen in der Dienstleistungsbranche - einem der Bereiche, in denen sich die aufstrebende Grünen-Klientel bevorzugt tummelt. Er forderte mehr Ökosteuer-"Gerechtigkeit". Große und kleine Unternehmen müssten gleichbehandelt werden, Dienstleistungsunternehmen die gleiche Energiesteuer-Ermäßigung erhalten wie Industriebetriebe.

Das schreiendste Unrecht trifft aber die Ärmsten der Bevölkerung. Berufstätige müssen die Ökosteuer voll bezahlen, werden für die höheren Energiepreise aber wenigstens z.T. noch durch niedrigere Sozialbeiträge kompensiert. Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfempfänger und Studenten dagegen - d.h. alle diejenigen, die keine Sozialbeiträge bezahlen, also auch nicht von ihrer Senkung profitieren - werden von der vollen Wucht der Mineralöl- und Stromsteuererhöhung getroffen und finanzieren den Unternehmern die Steuernachlässe.