Ein Rückblick auf den Buren-Krieg von 1899 bis 1902

In diesem Oktober jährt sich der Ausbruch des zweiten Südafrikanischen Kriegs, besser bekannt unter dem Namen Buren-Krieg, zum hundertsten Mal. Im Verlauf der nächsten drei Jahre wird die hundertjährige Wiederkehr dieses Datums in Südafrika mit einer Vielzahl von Jubiläums- und Gedächtnisveranstaltungen gefeiert werden. Eine Reihe von Büchern stehen zur Veröffentlichung an und eine Flut von Radio- und Fernsehsendungen werden das Ereignis würdigen.

Eine dieser Sendungen, die sich über zwei Wochen erstreckte, brachte die BBC in ihrem 4. Programm Mitte September. Sie trug den Titel "Der Burenkrieg" und wurde von dem Historiker Denis Judd zusammengestellt, Autor des Buchs "Empire: The British Imperial Experience, from 1765 to the Present". Die Sendung versuchte, neue Sichtweisen des Kriegs zu beleuchten. Der erste Teil untersuchte die Behauptung, es sei ein reiner "Krieg der Weißen" gewesen, während der zweite den Einsatz von Konzentrationslagern durch die Briten und die Behauptung, sie hätten eine bewusste Politik des Völkermords gegenüber den Buren verfolgt, unter die Lupe nahm.

Die Sendung stützte sich auf Tonarchive und brachte Interviews mit einer Reihe von führenden Historikern. Sie setzte Schauspieler ein, die die zeitgenössische Berichterstattung vortrugen, und interviewte an einem Punkt eine 109 Jahre alte Frau, die sich an den Krieg als neunjähriges Mädchen erinnerte. Dadurch entstand ein fesselndes Programm.

"Krieg der Weißen"

Der erste Teil begann mit einem Besuch in Mafeking, der angestammten Heimat des Tswana sprechenden Baralong-Volks und Schauplatz der berühmtesten Belagerung im Buren-Krieg. Die Baralongs fühlen sich durch die hundert Jahre zurückliegenden Ereignisse gedemütigt. Sie erwägen eine Entschädigungsklage gegen die britische Regierung, weil sie die Briten während des Kriegs unterstützt hatten, was damals von Oberst Baden-Powell, dem kommandierenden Offizier in Mafeking, abgestritten wurde.

Professor Shula Marks vom Londoner Institut für Orientalische & Afrikanische Studien ist der Überzeugung, dass die "Geschichtsschreibung des Empire es als erwiesen ansah, dass dies ein Krieg der Weißen war und dass sie Schwarze als Teilnehmer des Kriegs wie überhaupt als aktiv Handelnde in der Geschichte ignorierte". Seit dem Ende der Apartheid in Südafrika wird dieser Standpunkt neu überdacht, und viele, darunter auch weiße Konservative, sehen die Notwendigkeit, die Schwarzen mit in die Geschichtsschreibung aufzunehmen.

Die Sendung stellte die Entdeckung von Gold in Transvaal im Jahr 1886 - Transvaal war eine der von den Buren kontrollierten Republiken - als den entscheidenden Grund für den Ausbruch des Kriegs dar. Für Großbritannien sei die Versuchung einzugreifen einfach zu groß gewesen. Großbritannien habe dann seine Interventionsabsichten damit gerechtfertigt, dass es die Uitlanders schützen müsse. (Uitlanders ist das holländische Wort für Ausländer - damit waren Briten und andere Europäer gemeint, die nach der Entdeckung des Golds ins Transvaal strömten.) Diese Ansicht über die Gründe für den Ausbruch des Kriegs vereinfacht die Dinge aber zu sehr.

Es stimmt, dass das Gold eine Rolle spielte. Die Überzeugung, die Bergwerksbesitzer hätten die britische Regierung dazu gebracht, den Krieg zu provozieren, war zu dieser Zeit und während des nächsten halben Jahrhunderts weit verbreitet. Regierungsdokumente, die in den 60er Jahren freigegeben wurden, machen aber deutlich, dass die britische Regierung die Bergwerksbesitzer genauso manipuliert hatte wie umgekehrt. Unabhängig davon, welche Regierung im Transvaal die Macht ausübt, wären die Bergwerke in Privatbesitz geblieben und das Gold an der Londoner Edelmetallbörse gehandelt worden. Deshalb war es nicht in erster Linie das Gold, dass die britische Regierung dazu bewog, einen Krieg zu beginnen.

Im späten neunzehnten Jahrhundert hatten die europäischen Mächte Afrika unter sich aufgeteilt - was unter der Bezeichnung "Scramble for Afrika" (Wettlauf um Afrika) in die Geschichte einging. Südafrika, das an der unteren Spitze des Kontinents liegt, verfügte über eine wichtige strategische Position, da der gesamte Schiffshandel in den Osten daran vorbei führte. Mit der Herrschaft über die Kap-Kolonie und das Natal kontrollierte Großbritannien die gesamte südliche Küste. Diese Kolonien waren nicht bedroht.

Anders sah es dagegen weiter nördlich aus. 1884 hatte Deutschland die Herrschaft über Südwest-Afrika (Namibia) - direkt nordwestlich der Kap-Kolonie - errungen. Portugal kontrollierte einige Zeit lang Mozambique (unmittelbar nordöstlich des Natal). Es lag daher in Großbritanniens strategischem Interesse, in nördliche Richtung zwischen die beiden vorzustoßen.

Ein unabhängiger Burenstaat, speziell ein wohlhabender, bedrohte zwar nicht unmittelbar die britischen kolonialen Besitzungen, stand aber zukünftigen Eroberungen im Wege. Großbritannien bemühte sich daher, sicherzustellen, dass ein derartiger Staat keinen Zugang zum Meer hatte und damit nicht in der Lage war, unabhängig von britischem Einfluss zu operieren. Aus diesem Grund annektierte es Zululand und Tongaland (1887 und 1895). So wurde der Vorstoß der Buren zum indischen Ozean unterbunden und das Transvaal und der Oranje-Freistaat isoliert. Die militärische Intervention im Transvaal war dann nur noch die logische Schlussfolgerung aus der Politik der vorangegangenen 30 Jahre, in deren Verlauf Grossbritannien auch noch das Basutoland und das südliche Bechuanaland annektiert hatte und nach Rhodesien vorgedrungen war.

Das Transvaal war vollständig isoliert. Deutschland und die Vereinigten Staaten, zwei potentielle Verbündete der Buren, unterstützten die Ziele Großbritanniens, da sie von der Öffnung des Transvaal profitieren konnten. Die USA verglichen die Buren mit den Sklavenbesitzern der Südstaaaten vor dem Bürgerkrieg. Republikanisch gesinnte Sympathisanten aus den USA und Europa halfen den Buren und unterstützten sie, aber die Weltmächte im allgemeinen unterstützten Großbritannien und hielten es für selbstverständlich, dass die größte Macht der Welt einen Krieg anzettelte, um ihre strategischen Interessen zu verteidigen.

Professor Bernard Mbenga von der Nordwest-Universität in Mafeking sieht drei wichtige Gründe, warum der Buren-Krieg als Krieg der Weißen angesehen wurde. Erstens betrachteten es beide Seiten als widerlich, moralisch anstößig und empörend, Schwarze in einem Krieg zwischen Weißen einzusetzen. Zweitens waren die Briten von einem schnellen Sieg überzeugt. Und als letztes hielten es beide Seiten für gefährlich, Schwarze in großem Umfang zu bewaffnen, da das später zu einem Aufstand gegen die weiße Herrschaft führen konnte.

Als die Briten unter unerwartet hohen Druck durch die Buren gerieten, bewaffneten sie dennoch Schwarze aus dem Burenstaat. Jan Smuts, ein führender Intellektueller unter den Buren, erklärte in einem Schreiben an eine britische Tageszeitung, dass es abscheulich sei, dass Großbritannien Schwarze bewaffnet habe. Das sei, argumentierte er, viel schlimmer als der Einsatz von Konzentrationslagern oder der Tod von Frauen und Kindern, weil es die Zukunft bedrohe.

General Piet Cronje äußerte in einem Brief an Oberst Baden-Powell dieselbe Meinung: "Man hört dass Sie Mischlinge, Fingos und Baralongs gegen uns bewaffnet haben - das ist ein Akt von ungeheurer Niedertracht... Überdenken Sie die Angelegenheit, selbst wenn es Sie den Verlust von Mafeking kostet... Entwaffnen Sie Ihre Schwarzen, und erfüllen Sie damit die Rolle eines Weißen in einem Krieg unter Weißen."

Die Briten waren mit ihren veralteten Kampfstrategien völlig unvorbereitet auf den Krieg, in einem Gelände, das sie nicht kannten, und mit einem Gegner, den sie nicht sehen konnten. Diese Inkompetenz führte zum Tod von etwa 22.000 britischen Soldaten - 13.000 starben an Krankheiten - und zwang zu einer Neueinschätzung der Rolle schwarzer Afrikaner in den Kämpfen. Zwischen 10.000 und 30.000 von ihnen wurden bewaffnet und nahmen am Krieg teil, obwohl Baden-Powell das bestritt. Sie nahmen an einer Reihe von militärischen Angriffsoperationen teil, darunter auch auf Burenhöfe, und wurden hinter den Linien des Feindes eingesetzt, um Vieh etc. zu stehlen. Die Beteiligung von Schwarzen war weit verbreitet - viele beteiligten sich aus eigenen Beweggründen, nicht zuletzt um alte Rechnungen zu begleichen.

Unter den Schwarzen war die Überzeugung weit verbreitet, dass Großbritannien eine liberalere Ordnung verkörpere und dass es die Treue der Schwarzen nach dem Krieg belohnen würde. Der bekannte schwarze Chronist der Belagerung von Mafeking, Salomon T. Plaatje, der später einer der Begründer des African National Congress wurde, war überzeugt, dass Großbritannien eine Zukunft repräsentiere, die gerecht und frei sei.

Großbritannien hat dieses Vertrauen verraten und gegen seine eigenen öffentlichen Erklärungen aus dem Jahr 1901 gehandelt, wonach es eine "Schande" sei, Schwarze von den Bürgerrechten auszuschließen. Beim Friedensvertrag von Vereeniging ging es einen Kompromiss mit den Buren ein und schloss Afrikaner von jeglichen politischen Rechten aus. Das wurde später bei der Gründung der Südafrikanischen Union im Jahre 1910 noch verschlimmert, denn dort wurde die weiße Vorherrschaft in der Verfassung verankert. Die Frage der "Bürgerrechte für Einheimische" sollte aufgeschoben werden, bis eine "verantwortungsvolle Regierung" geschaffen sei. Das dauerte schließlich bis 1994, dem Ende der Apartheid.

Konzentrationslager

Der zweite Teil der Sendung beschrieb ein Treffen zwischen Neville Chamberlain und Hermann Göring, in dem Chamberlain sich darüber beschwerte, dass Deutschland Konzentrationslager benutze. Göring erwiderte mit dem Verweis auf ein Lexikon, laut dem Großbritannien diese erfunden habe. Die Sendung untersuchte, ob die Konzentrationslager der Nazis und der Briten vergleichbar seien.

Elria Wessels, die Direktorin des Buren-Krieg-Museums in Bloemfontein, zeigte Judd eine der Stätten, an denen ein Lager existiert hatte. Sie beschrieb, wie es dort ausgesehen hat. Zwischen 5000 und 7000 Menschen wurden in Bloemfontein interniert, und das war nur eins von etwa 50 Lagern. Insgesamt 27.000 Frauen und Kinder starben in den Lagern, davon 81 Prozent Kinder. Während sich Großbritannien bemüht hat, dieses Kapitel aus seiner Geschichte zu löschen, wurde es von den Buren auf das Niveau einer Volkssage erhoben. Beide Wege führten zu einer Entstellung der Geschichte.

Die Briten waren nicht in der Lage, die Buren mit militärischen Mitteln zur Kapitulation zu zwingen. Im Jahr 1900 befahl General Sir Herbert Kitchener als Reaktion darauf eine Politik der verbrannten Erde. Dr. Keith Surridge beschrieb, wie britische Soldaten auf der Suche nach Farmen, die sie niederbrennen konnten, das Land durchstreiften. Er schätzt, dass etwa 30.000 Farmhäuser vernichtet wurden. Riesige Mengen Vieh wurden abgeschlachtet und oft zum Verrotten liegengelassen. Diese Politik verursachte ein gewaltiges Flüchtlingsproblem, denn die, die zurückgelassen wurden, baten die Briten oft, sie mitzunehmen. Die Briten willigten ein und brachten sie in "Laagers" unter, die dann zu Konzentrationslagern wurden.

Damit mussten die Briten jetzt nicht nur 250.000 bis 400.000 Soldaten ernähren, sondern auch die Zivilbevölkerung der Kriegszone. Da sie den größten Teil der Landwirtschaft in der Region vernichtet hatten, mussten sie Lebensmittel einführen. Diese Aufgabe überforderte sie. Professor Albert Grundlingh von der Südafrikanischen Universität in Pretoria meint, dass das Zusammenpferchen von so vielen Menschen auf so kleinem Raum vergleichbar sei mit einer jähen Verstädterung dieser Bauernbevölkerung. Unter den hygienisch miserablen Zuständen breiteten sich Krankheiten sehr schnell aus - Tausende starben an Masern.

Die Sendung machte klar, dass der Krieg nicht nur für die Buren eine Tragödie war. Genauso viele Schwarze wurden von den Kämpfen erfasst. Zehntausende wurden zusammen mit den Familien, für die sie arbeiteten, vertrieben. Ihr Leiden wurde größtenteils ignoriert. Grundlingh weist darauf hin, dass mehr als 14.000 in den schwarzen Lagern starben, in denen die Bedingungen noch schlimmer waren als in den Buren-Lagern. Er stellt die These auf, dass die Erinnerungen der Schwarzen an die Erfahrungen während des Kriegs in dem Maße in den Hintergrund getreten sind, in dem die Erfahrungen der Apartheid dominierend wurden. Der Buren-Krieg wurde zu einer von vielen schlechten Erfahrungen. Für die Buren jedoch blieb der Krieg bis heute ein Thema von brennendem Interesse.

Viele Buren hatten zu dieser Zeit geglaubt und denken heute noch, dass Großbritannien, eine bewusste Politik des Völkermords einleitete, als es diese Lager errichtete. Grundlingh brachte überzeugende Argumente dagegen vor. Er glaubt, dieser Standpunkt sei aus politischen Gründen fabriziert worden und der Grund dafür, dass in den Lagern so viele starben, habe in der schlechten Verwaltung und einem Mangel an medizinischer Versorgung gelegen. Er wies außerdem darauf hin, dass die Briten auch ihre eigenen Kranken sehr schlecht versorgt haben.

Andere Wissenschaftler stimmten dem zu. Dr. Donal Lowry von der Oxford Brookes Universität wies darauf hin, dass die Art, wie die Buren behandelt wurden, den Groll förderte, der dem Nationalismus und der Paranoia der Buren zugrunde liegt. Sie nährte ein Gefühl der Benachteiligung und Unterlegenheit und bestärkte so die Auffassung, dass arme Weiße einen Anspruch auf besondere Vorrechte haben, die unter dem Namen Apartheid bekannt wurde.

Laut Grundlingh stellt der Krieg für die Buren eine heroische Periode dar, in der die Briten ihnen Unrecht taten. Es war eine Zeit, in der sie moralisch im Recht waren und für die sie sich nicht zu schämen brauchen. Der Krieg wird jetzt zu einer heiligen Periode der Geschichte hochstilisiert.

Die Sendung endete damit, dass ein Kamerateam die Familie von Eugene Terre-Blanche, dem Gründer der faschistischen AWB-Partei, beim Besuch eines Kriegsdenkmals begleitete. Terre-Blanche spekulierte darüber, was es für die weiße Bevölkerung ausmachen würde, wenn die 26.000 Frauen und Kinder nicht getötet worden wären. Die weiße Bevölkerung, errechnete er, würde dann mindestens 10 bis 12 Millionen umfassen statt 5,4 Millionen, die Situation im Lande wäre völlig anders. Stattdessen, sagte er, "werden sie im neuen Südafrika die Lehrpläne ändern und über die Kaffern-Kriege lehren, nicht aber über die Kriege, die die Weißen ausgefochten haben."

Beide Sendungen haben einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, die Aufmerksamkeit auf die Arbeiten neuerer Historiker zu lenken, die versuchen, sich von den alten nationalistischen Mythen zu lösen, die unter dem Apartheidregime in Südafrika entstanden sind. Ihre Arbeiten zeigen, dass die britischen Konzentrationslager nicht dasselbe waren, wie die der Nazis - Teil eines bewussten Programms des Völkermords. Sie waren aber einer der brutalsten Aspekte eines imperialistischen Kriegs um die strategische Kontrolle von Land und Bodenschätzen.

Emily Hobhouse, eine Menschenrechtskämpferin, war damals in der Lage - ohne Gefahr für ihre persönliche Sicherheit oder Freiheit -, in die britischen Konzentrationslager zu reisen und bei ihrer Rückkehr in der Presse die erschreckenden Bedingungen und entsetzliche Anzahl von Toten, besonders unter Frauen und Kindern, anzuklagen. Das wäre im Nazi-Deutschland nicht möglich gewesen. Der Vergleich mit dem Faschismus war ein oberflächlicher und selbstsüchtiger Versuch, die Buren als unterdrücktes Volk darzustellen, deren Privilegien unter der Apartheid nur eine Wiedergutmachung für vorheriges Unrecht darstellen.

Gleichzeitig machten die Sendungen unabsichtlich deutlich, dass die Historiker heute unter dem Druck stehen, eine Version der südafrikanischen Geschichte zu präsentieren, die neuen nationalistischen Konzepten entspricht. Im Südafrika der Post-Apartheid betrachten die Baralong die Bestätigung ihrer Rolle im Buren-Krieg als Mittel, um eine finanzielle Entschädigung zu bekommen, die ihnen im Kampf um Investitionen nützt. Die Rolle der schwarzen Afrikaner im Krieg, ob sie nun für den britischen Imperialismus gekämpft haben oder in den Lagern gelitten haben, hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern, der ihm bisher verweigert wurde; aber eine nationalistische Interpretation der Geschichte darf nicht eine andere ersetzen. Der schwarze Nationalismus des ANC ist keine Antwort auf die Rhetorik von Terre-Blanche, weil keiner von beiden ein objektives Bild der Vergangenheit zeigt.

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