Reform Party schwenkt auf ultra-rechten Kurs ein

Patrick Buchanan auf den Schild gehoben

Am vergangenen Wochenende kam es in der amerikanischen Reform Party, die als dritte Kraft bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen mitmischen will, unter heftigen Auseinandersetzungen zu einem deutlichen Kurswechsel. Der bisherige Vorsitzende Jack Gargan wurde von Anhängern des ultra-rechten Präsidentschaftskandidaten Patrick Buchanan abgesetzt, und der Gouverneur des Bundesstaates Minnesota, der Berufsringer Jesse Ventura, erklärte seinen Parteiaustritt.

Erst vor sechs Monaten, auf dem Parteitag der Reform Party in Dearborn, Michigan, war Ventura zum neuen "Star" der Partei aufgebaut worden. Gargan war auf ausdrücklichen Wunsch Venturas hin zum Vorsitzenden gewählt worden. Er schlug zwei Kandidaten, die dem Gründer der Partei, dem texanischen Milliardär H. Ross Perot, eindeutig näher standen.

Doch am vergangenen Samstag wurde Gargan nun auf einer Sitzung des Parteivorstands in Nashville, Tennessee, mit überwältigender Mehrheit wieder abgesetzt. Am Vortag hatte Ventura eine Pressekonferenz gegeben, in der er seinen Austritt aus der Partei erklärte und den bundesstaatlichen Verband der Reform Party in Michigan aufforderte, mit der Bundesorganisation zu brechen.

Unmittelbarer Auslöser des Bruchs in der Reform Party ist der Konflikt über ihren Präsidentschaftskandidaten, der sich bereits seit letztem Oktober hinzieht. Damals hatte Buchanan bekannt gegeben, dass er sich nicht länger um eine Nominierung für die Republikaner bemühen, sondern fortan auf die Reform Party setzen werde. Eine Nominierung für diese Partei wird ihn in vielen Bundesstaaten wählbar machen und ihm mehr als 12,6 Millionen Dollar staatliche Gelder für den Wahlkampf einbringen.

Buchanans Kandidatur wird von Perot halbherzig unterstützt. Perot war bei den Wahlen von 1992 als unabhängiger Kandidat angetreten und 1996 von der Reform Party nominiert worden. Seinen Entschluss, den Republikanern für die Kampagne im Jahr 2000 den Rücken zu kehren und sich um die Nominierung der Reform Party zu bemühen, hatte Buchanan im Vorfeld mit dem texanischen Milliardär besprochen.

Patrick Choate, der 1996 als Vize-Kandidat Perots gedient hatte, wird in der Leitung von Buchanans Kampagne tätig sein. In jenen Staaten, wo die Reform Party nicht wählbar ist, bemüht sich Buchanan um eine Kandidatur als unabhängiger Kandidat.

Ventura und Gargan haben sich gegen Buchanans Kandidatur ausgesprochen. Sie schlugen eine Reihe von anderen Personen vor, die nicht ganz so stark mit der extremen Rechten identifiziert werden - vom ehemaligen Senator und Gouverneur Connecticuts Lowell Weicker bis hin zum milliardenschweren Immobilienmakler Donald Trump. Doch keiner dieser potentiellen Kandidaten zeigte am Ende Interesse. Trump spielte zwar mehrere Monate lang mit dem Gedanken, erklärte aber nach dem politischen Coup vom vergangenen Samstag in Nashville, dass er nun verzichte.

Mehrere Monate lang war der Kampf um die Nominierung in einer verschleierten Form ausgetragen worden: der Vorstand der Reform Party stritt um den Ort, an dem der Nominierungs-Parteitag abgehalten werden soll. Ventura und Gargan waren für St. Paul, Minnesota, wo ihre Anhänger wahrscheinlich die Mehrheit darstellen würden. Perots Anhänger, die im Vorstand die Mehrheit stellten, waren für Long Beach, Kalifornien - so weit weg von Minnesota, wie in den USA überhaupt möglich.

Der Kampf erreichte seinen Höhepunkt, nachdem Gargan am 1. Januar als Nachfolger von Perots langjähriger rechter Hand Russell Verney offiziell seinen Posten angetreten hatte. Am 9. Januar entschied der Vorstand mit 7 zu 4 Stimmen gegen Gargans Willen, den Parteitag in Kalifornien abzuhalten, und berief eine Tagung des Nationalkomitees nach Nashville ein. Diese Sitzung fand am Samstag in einer äußerst gespannten Atmosphäre statt. Vor dem Tagungsort war Polizei stationiert, bereit, Gargan und seine Anhänger im Falle einer Störung zu verhaften.

Das Nationalkomitee entschied als erstes, Gargan als Vorsitzenden seiner Tagung abzusetzen, und entband ihn dann mit 109 gegen 31 Stimmen gänzlich von seinem Posten. Zwei mit Perot verbundene Postenträger, der Vize-Vorsitzende Gerry Moan und der Sekretär Jim Mangia, behielten ihre Ämter, doch Schatzmeister Ronn Young, ein Anhänger Gargans, wurde ebenfalls abgesetzt. Young reichte am nächsten Tag eine Klage vor dem Distriktgericht ein, um Einblick in die Finanzaufstellungen der Partei zu erlangen, die ihm seinen Aussagen zufolge von seinen Perot-treuen Vorgängern niemals ausgehändigt worden seien.

Gargans Posten als Vorsitzender wurde von Choate übernommen, was bedeutet, dass die Reform Party nun fest in der Hand Perots und Buchanans liegt. Choate erklärte sofort, es gebe keinen Gegensatz zwischen Buchanans extrem rechten Ansichten über gesellschaftliche Fragen wie Abtreibung oder Homosexualität und den gemäßigt liberalen Standpunkten, welche die Reform Party und Perot persönlich zuvor vertreten hatten. "Er hat eine persönliche Überzeugung über die Frage der Abtreibung", erklärte Choate über Buchanan. "Wir wissen, wo er steht, und er weiß, wo wir stehen. Wir akzeptieren seine Haltung."

Choate erklärte, zweifellos nach Rücksprache mit Perot, dass Buchanan deshalb als Präsidentschaftskandidat geeignet sei, weil er gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) und die Welthandelsorganisation (WTO) Stellung beziehe. Außerdem unterstütze er die Haltung der Reformpartei zur Änderung der Wahlkampffinanzierung. "Nur dank uns wird es in diesem Jahr eine wirkliche Debatte über die Handelspolitik, über die Globalisierung, über die illegale Einwanderung, über unsere außenpolitischen Verstrickungen und über wirkliche politische Reformen geben," erklärte er.

Die Verbindung Perot-Buchanan verheißt nichts Gutes für die amerikanische Politik. Sie folgt einem internationalen Muster, das bereits von Jörg Haider in Österreich, Jean-Marie le Pen in Frankreich, Preston Manning in Canada und Pauline Hanson in Australien vorgegeben wurde.

Diese reaktionären politischen Gebilde sind aus klar erkennbaren politischen Umständen geboren. In einem Land nach dem anderen haben die Gewerkschaften und die alten sozialreformerischen Parteien jeden Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialleistungen aufgegeben. Sie haben ihre alte reformistische Politik aufgekündigt und sich an den rechten Konsens des "freien Marktes" angepasst, wie ihn das internationale Kapital verlangt.

Massen von Leuten aus der Mittel- und Arbeiterklasse stellen fest, dass sie von keiner traditionellen bürgerlich oder sozialdemokratisch orientierten Partei mehr vertreten werden, nicht einmal mehr im beschränktesten Sinne. Da eine wirklich sozialistische Alternative, die unter Arbeitern eine größere organisatorische Unterstützung genießt, bislang fehlt, herrscht unter breiten Schichten der Bevölkerung Verwirrung und Orientierungslosigkeit über politische Fragen vor. In das so entstandene politische Vakuum stoßen rechte Kräfte vor. Sie nutzen soziale Missstände aus, indem sie in der Regel gegen Minderheiten hetzen und Nationalismus schüren.

Buchanan, der seit langer Zeit auf dem rechten Flügel der Republikanischen Partei aktiv ist, versucht die Entfremdung breiter Schichten der amerikanischen Bevölkerung von den Demokraten und Republikanern auszunutzen. Er sucht eine Basis für eine Partei rechts von den Republikanern. Sein Bündnis mit Perot ist kein Zufall.

Perot unterhält seit langem enge persönliche Verbindungen zu Kräften auf der äußersten Rechten, die zumeist aus dem Milieu des Militärs und der Geheimdienste stammen und in jene Zeit zurückreichen, da er die Suche nach angeblich vermissten Kriegsgefangenen in Vietnam förderte. Dennoch hatten Perots Präsidentschafts-Kampagnen von 1992 und 1996 nicht offen auf einem rechtsextremen Programm basiert. Hinter der verschwommenen Parole der "Reform" konzentrierten sie sich auf Fragen wie politische Korruption und Günstlingswesen in Washington. Zugleich erhob Perot den Nationalismus zu einem zentralen Punkt seines Programms; er führte von einem protektionistischen Standpunkt her eine medienwirksame Kampagne gegen die NAFTA und gewann damit in der Gewerkschaftsbürokratie eine gewisse Unterstützung.

Perots Bewegung "United We Stand", die zu den Wahlen von 1996 in die Reform Party umgewandelt wurde, war von Anfang an die Keimform einer rechtsextremen Bewegung gewesen. Von ihren Ursprüngen an war die Reform Party eine kapitalistische Partei, die den Demokraten und Republikanern ihre Korruption und ihre Monopolisierung des politischen Lebens vorwarf, jedoch keine substantielle programmatische Alternative bot. Indem Perot dem Wirtschaftsnationalismus breiten Raum beimaß, ebnete er den Weg für die Entwicklung der Reform Party zu jenem offenen amerikanischen Chauvinismus und ausländerfeindlichen Rassismus, wie ihn Buchanan vertritt.

In der Woche vor der Tagung in Nashville hatte Buchanan lautstark seine rechten Ansichten zur Schau gestellt. Ohne Widerspruch ließ er sich vom Führer des Ku Klux Klan, David Duke, feiern, der am 6. Februar verkündete, er sei bereit, aus der Republikanischen Partei, deren größter Wahlkreisorganisation in Louisiana er vorsitzt, auszutreten und sich zur Unterstützung von Buchanans Kandidatur der Reform Party anzuschließen.

Bei einem Wahlkampfauftritt in Richmond, Virginia, zwei Tage später verurteilte Buchanan prompt den diplomatischen Boykott gegen Österreich anlässlich der Aufnahme von Haiders Freiheitlichen in die österreichische Regierung: "Ich kann nicht erkennen, dass von Herrn Haider oder der Koalitionsregierung in Wien irgend eine Gefahr für Europa oder die Welt oder sonst wo ausgeht. Aber es zeigt meiner Ansicht nach, dass ein Kandidat der Rechten allgemeine Ablehnung erwarten darf."

Haider ist berüchtigt für seine öffentliche Bewunderung der Beschäftigungspolitik der Nazis sowie den "Mut" und die "Disziplin" der Hitlerschen Waffen-SS, der sich während dem Zweiten Weltkrieg viele Österreicher angeschlossen hatten. Seine Freiheitliche Partei zieht vor allem gegen die Europäische Union zu Felde und macht die Einwanderer für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Österreichs verantwortlich. Buchanan fühlt sich ihm seelenverwandt. "Er ist ein Gegner der gesamten globalen neuen Weltordnung", sagte Buchanan über den österreichischen Demagogen.

Auf der Pressekonferenz vom 11. Februar, bei der er seinen Rückzug aus der Reform Party bekannt gab, verurteilte Ventura Buchanan mit den Worten: "Ich kann nicht in einer Partei bleiben, die Pat Buchanan nominiert und von David Duke unterstützt wird." Der Vorsitzende der Reform Party im Bundesstaat Minnesota, Rich McCluhan, hat angekündigt, dass er beim Vorstand einen Parteitag seiner Organisation für den 4. März beantragen will, um über eine Abspaltung von der Bundespartei abzustimmen.

Doch der Gouverneur von Minnesota hatte keine andere Alternative zu Buchanans ultrarechter Politik, als sich hinter die Demokraten und Republikaner zu stellen. Auf seiner Pressekonferenz pries er Al Gores Leistungen als Vizepräsident, Georg Bushs Leistungen als Gouverneur von Texas und John McCains Bemühungen um eine Reform der Wahlkampffinanzierung - womit er nahe legte, dass er einen dieser Anwärter für das Präsidentenamt unterstützen wird.

Siehe auch:
Präsidentschaftswahlen und Klassengegensätze in Amerika
(28. Januar 2000)
Loading