Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA

Vorwahlen in New Hampshire unterbrechen den normalen Gang der Kandidatenkür

Derzeit finden in den USA die Vorwahlen statt, mittels derer die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen bestimmt werden. Die Abstimmung über die Nominierung der Republikaner am 2. Februar im Bundesstaat New Hampshire unterbrach den bislang glatten Verlauf: John McCain, der Senator von Arizona, siegte über George W. Bush, den Gouverneur von Texas und Favoriten der Granden der Republikanischen Partei.

Obwohl er Millionen Dollar ausgegeben und McCain in Punkto Wahlwerbung im Fernsehen wie auch auf der Strasse hinter sich gelassen hatte, kam Bush nur auf einen erbärmlichen zweiten Platz. Er erhielt lediglich 31 Prozent der Stimmen, McCain dagegen 49 Prozent. Im letzten Sommer hatte Bush in den Meinungsumfragen noch mit 61 gegen nur drei Prozent für den Senator geführt.

Nach New Hampshire hat McCains Wahlkampagne durch die Medien weiteren Auftrieb bekommen. Außerdem erhielt er einen Zustrom von Spenden, fast eine Million Dollar in drei Tagen, hauptsächlich in kleinen Beträgen, die auf seiner Internet-Website eingingen. Für die nächsten Vorwahlen der Republikaner in South Carolina hat McCain, wie Meinungsforscher feststellten, zwanzig Prozentpunkte gutgemacht und liegt nun zwei Wochen vor den dortigen Wahlen am 19. Februar mit Bush gleichauf oder sogar vor ihm.

Die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten ist, wie alle politischen Ereignisse im beschränkten Rahmen des amerikanischen Zwei-Parteien-Systems, nur eine sehr verzerrte Widerspiegelung der Stimmung in der Bevölkerung. Medienmanipulation und das Fehlen einer politischen Alternative zu den beiden Partein des Kapitals spielen eine enorme Rolle. McCains Versuch, sich als "Außenseiter" in Washington, Gegner der "Lobbyinteressen" und Befürworter politischer Reformen zu profilieren, ist kaum mit seiner wirklichen Rolle als verlässlicher Interessenvertreter der Wirtschaft in Einklang zu bringen. Ohne Zweifel hat die Wahl in New Hampshire jedoch das Lager von Bush, die Parteiführung der Republikaner im Kongress und die Medienkommentatoren wirklich schockiert, da sie seit fast einem Jahr praktisch von einer sicheren Nominierung Bushs ausgegangen waren.

Bush genießt die Unterstützung von mindestens 35 der 55 republikanischen Senatoren, fast jedem republikanischen Gouverneur in den Bundesstaaten, und den meisten Abgeordneten der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. Er hat 1999 sage und schreibe 69 Millionen Dollar gesammelt, was ihm erlaubte, auf die staatlichen Bundeszuschüsse zu verzichten, dadurch die Ausgabenbeschränkungen zu ignorieren und praktisch unbegrenzte Summen für die Vorwahlen auszugeben. In den nationalen Meinungsumfragen führte er haushoch und gewann mühelos auf den Parteiversammlungen in Iowa, wo es auf Beziehungen im Parteiapparat und Geld ankam. Doch in New Hampshire nutzte ihm beides wenig.

McCain versuchte, aus der wachsenden Desillusionierung und Unzufriedenheit mit dem politischen System der USA Kapital zu schlagen. Er präsentierte sich als Einzelgänger, der alleine gegen das Establishment der Republikanischen wie Demokratischen Partei und der mächtigen Wirtschaftsinteressen stehe, die das offizielle Washington kontrollieren. Im letzten Herbst machte er mit dem öffentlichen Eingeständnis Furore, in Washington "sind wir alle korrupt", womit er auf die schamlosen Machenschaften der verschiedenen Lobbys anspielte, die dort um Einfluss und Stimmen feilschen. Als Kernstück seines Wahlkampfs verspricht er, die Finanzgesetze so zu reformieren, dass große Spenden von Konzernen und Gewerkschaften an die Republikanische und Demokratische Partei (sogenannte weiche Geldspenden) verboten würden.

Der Senator von Arizona hat offen um die Stimmen der Unabhängigen gebuhlt - diejenigen, die sich weder als Demokraten noch als Republikaner registrieren ließen und jetzt den größten Teil der Wähler in New Hampshire ausmachen. Zehntausende haben ihn gewählt und damit die Beteiligung an den Vorwahlen auf fast fünfzig Prozent der registrierten Wähler angehoben, ein historischer Rekord in diesem Bundesstaat. McCain schlug Bush bei den registrierten Unabhängigen, die in den Vorwahlen der Republikaner ihre Stimme abgaben, mit einem Stimmenanteil von drei zu eins.

Es ist bezeichnend, dass McCain der einzige Kandidat aller Parteien war, der - wenn auch nur in äußerst beschränkter Weise - die immer tiefere wirtschaftliche Ungleichheit ansprach. Er kritisierte Bushs Steuerpläne mit den Worten: "Sechzig Prozent von Bushs Steuersenkungen kommen den reichsten zehn Prozent der Amerikaner zugute." Er fügte hinzu: "Ich werde keine Steuersenkungen für die Reichen machen." Bushs Wahlkampfhelfer beschuldigten McCain daraufhin, er würde für den "Klassenkrieg" eintreten.

Um so erstaunlicher war es für die meisten Parteiführer, dass McCain in New Hampshire sogar bei den registrierten Republikanern führte, und selbst unter denjenigen Wählern, die sich selbst als "konservativ" bezeichnen. Hinter Bush lag er nur bei den Republikaner-Wählern, die sich als "sehr konservativ" oder als christliche Fundamentalisten bezeichnen.

In der letzten Woche der Kampagne hatte es noch geheißen, Bush befinde sich auf dem aufsteigenden Ast. Er hatte sich bei den Parteitagen von Iowa durchgesetzt, seine Wahlveranstaltungen profitierten von den Auftritten des früheren Gouverneurs von New Hampshire John Sununu und seinen Eltern George und Barbara Bush; außerdem betrieb er eine groß angelegte Werbekampagne im Fernsehen. Dann erlitt er jedoch die größte Niederlage in einer Vorwahl von New Hampshire seit dem Erdrutschsieg von Ronald Reagan über Bushs Vater 1980. Die Washington Post bemerkte dazu: "Bushs glanzloser Auftritt war die schlimmste Niederlage des Favoriten irgend einer Partei in der Geschichte der Vorwahlen von New Hampshire."

Der Ausgang der Vorwahlen in New Hampshire zeigte, dass weder Steuersenkungen noch Anti-Abtreibung, die beiden Hauptplanken republikanischer Politik auf dem Höhepunkt des Aufstiegs der Partei, die gewünschte Unterstützung mobilisieren konnten. Bush und der Milliardär Steve Forbes versuchten beide, Steuern zum Hauptthema der republikanischen Vorwahlen zu machen, aber ihr Stimmenanteil war zusammengenommen geringer als der von McCain. Die drei Kandidaten, die offen für die Politik der christlichen Fundamentalisten eintraten, mussten hinnehmen, dass ihr Stimmenanteil von zusammen 54 Prozent in Iowa auf knapp zwanzig Prozent in New Hampshire dahinschmolz, das schlechteste Abschneiden bei einer größeren republikanischen Wahl seit zwanzig Jahren, als die christliche Rechte zu einer bedeutenden Kraft in der Partei wurde. Forbes erhielt nur vierzehn Prozent der Stimmen, der Anti-Abtreibungs-Aktivist Alan Keyes fünf Prozent, und der Fundamentalist Gary Bauer nur ein Prozent, weswegen er seine Kampagne beendete.

Auf demokratischer Seite verbuchte Vizepräsident Al Gore einen relativ knappen Sieg über den früheren Senator Bill Bradley, mit 53 gegen 47 Prozent. Die Niederlage Bradleys war bedeutender, als man aus dem bloßen Stimmenverhältnis folgern könnte. Er hatte den ganzen Herbst hindurch in Meinungsumfragen in New Hampshire geführt, aber dann doch den Staat verloren, obwohl er mehr für Werbung ausgegeben und in den Medien beträchtliche Unterstützung genossen hatte. Es wird jetzt sechs Wochen lang keine weiteren Vorwahlkämpfe der Demokraten geben, bis am 7. März Vorwahlen in fünfzehn Staaten stattfinden, darunter Kalifornien, New York, Ohio, Missouri und den fünf Neuenglandstaaten [Maine, Vermont, Massachusetts, Rhode Island und Connecticut].

Während Bradley und McCain ähnliche Kampagnen als "Rebellen" gegen das Parteiestablishment geführt haben und sogar ein ungewöhnliches gemeinsames Auftreten in New Hampshire organisierten, um eine Reformierung der Kampagnenfinanzierung zu unterstützen, zögerte der Liberale Bradley mehr als der konservative McCain, wirtschaftlichen Populismus einzusetzen. Schließlich führte Bradley vor Gore nur bei zwei sozialen Gruppen: Familien mit einem Jahreseinkommen von über 100.000 Dollar und Jugendlichen im College-Alter, und er verlor massiv unter Gewerkschaftsmitgliedern, Wählern mit niedrigerem Einkommen und Wählern aus der Arbeiterklasse.

McCains angeblicher Feldzug gegen politische Korruption ist reine Heuchelei. Er war einer der fünf Senatoren, die mit dem überführten Sparkassenbetrüger Charles Keating zu tun hatten, und in seiner Funktion als Vorsitzender des Handelsausschusses des Senats pflegt er gute Beziehungen mit weiten Wirtschaftskreisen, besonders mit der Telekommunikationsbranche. Unter den führenden Sponsoren seiner politischen Karriere aus den Chefetagen befinden sich US West, AT&T, Bell South, Motorola, Viacom, Boeing, die Bank of America und Phelps Dodge, ein Konzern, der 1983 - ein Jahr nach McCains Einzug in den Kongress - einen erbitterten Streik der Kupferbergarbeiter in Arizona niedergeschlagen hatte,.

Der Senator aus Arizona war nur deshalb vorübergehend in der Lage, die Inthronisierung des Sohnes des früheren Präsidenten George Bush aufzuhalten, weil er die Unterstützung einer bedeutenden Schicht des Kapitals erhielt. Während andere Bush-Rivalen - Lamar Alexander, Elizabeth Dole, Dan Quayle - letztes Jahr aus dem Rennen schieden, weil sie nicht genügend Geld aufbringen konnten, sammelte McCain trotz seines schwachen Ergebnisses in den Umfragen und seiner Entscheidung, den ersten Test in Iowa auszulassen, über 14 Millionen Dollar.

Seinen populistischen Ausfällen gegen die inzestartigen Verhältnisse zwischen Washington und Wall Street zum Trotz bleibt McCain eine durch und durch reaktionäre politische Figur. Als Sohn und Enkel von Admirälen wurde der ehemalige Kriegsgefangene des Vietnamkriegs 1982 zunächst in das Repräsentantenhaus gewählt. Im US-Senat wurde er Nachfolger von Barry Goldwater, der damals als Verkörperung der republikanischen Rechten galt. In den achtzehn Jahren seiner Kongresstätigkeit vertrat er durchgehend rechte politische Positionen, er wandte sich gegen Mindestlohngesetze, unterstützte die Deregulierung und befürwortete viele der Steuergeschenke an die Konzerne, für deren Abschaffung er jetzt plädiert.

McCain stimmte auf einer Reihe von Veranstaltungen in South Carolina sofort einen neuen Ton für den nächsten Teil seiner Wahlkampagne an. Er empfahl sich als Konservativer und buhlte um die Unterstützung unabhängiger und konservativer Demokraten, die in den Republikanischen Vorwahlen wählen können, weil die Demokraten von South Carolina ihre Abstimmung an einem anderen Termin abhalten. Er erklärte, sein Ziel sei es, dem Beispiel von Reagan folgend "die Basis der Partei zu verbreitern und die konservative Philosophie hochzuhalten".

Zwei von McCains hauptsächlichen Unterstützern in South Carolina sind erwähnenswert. Zunächst der Kongressabgeordnete Lindsey Graham. Er war einer der zwölf Parlamentsbeauftragten für Clintons Amtsenthebungs-Verfahren und einer der aggressivsten Ankläger in der Verhandlung vor dem Senat. (McCain, wie mit fünf Ausnahmen alle republikanischen Senatoren, stimmte für Clintons Absetzung).

Der andere Helfer McCains ist Richard Quinn, ein langjähriger rechter republikanischer Stratege und Herausgeber von Southern Partisan,eine schmutzige, rassistische und ausländerfeindliche Zeitschrift, die den ehemaligen Ku Klux Klan Führer David Duke als "einen volksnahen Sprecher für die Wiederherstellung des amerikanischen Ideals" pries. Patrick Buchanan ist einer der beiden führenden Berater der Zeitschrift.

Als die Frage der Konföderiertenfahne, die nach wie vor über dem Kapitol in South Carolina flattert, zum erstenmal während der Präsidentschaftskampagne aufkam, gab McCain zu, dass die Fahne "ein Symbol des Rassismus und der Sklaverei" sei. Er korrigierte sich aber schleunigst, betonte, dass dies eine Frage sei, die South Carolina selbst entscheiden müsse, und nannte die Fahne nun "ein Symbol des Erbes".

Während McCain sich in South Carolina nach rechts bewegt, ist George W. Bush entschlossen, sich nicht ausstechen zu lassen. Er reagierte mit einem Sperrfeuer von Erklärungen, die McCains Ansichten als "liberal" und sogar "linksstehend" brandmarkten. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch nach den Vorwahlen erklärte Bush: "Ich bin der Rechte. Ich bin der konservative Kandidat."

Bushs erster Auftritt in South Carolina fand vor 5.000 Studenten in der Bob Jones Universität statt, dem fundamentalistischen College, das seine Steuerbefreiung in den siebziger Jahren verlor, weil hier offene rassistische Diskriminierung betrieben wird, wie zum Beispiel das Verbot gemischtrassiger Rendezvous. Ein paar Stunden danach gab das Lager von Bush bekannt, seine Nominierung für die Republikaner werde jetzt auch vom ehemaligen Vizepräsidenten Don Quayle unterstützt. Für Quayle sei Bush der Kandidat, der die "Familienwerte" verteidigt.

Die New York Times berichtete über die konsternierte Stimmung im Bush-Hauptquartier. Die Spendensammler werden mit Anrufen besorgter Spender überhäuft, die jetzt in Betracht ziehen, das Pferd zu wechseln und McCain mit Barem zu versorgen.

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