Opfer der rot-grünen Asylpolitik

Dieser Artikel erschien ursprünglich in mehreren Teilen zwischen dem 4. und 16. Mai 2000 auf der WSWS.

In jüngster Zeit häufen sich Berichte über die Schicksale einzelner Menschen und Familien, die der unter der rot-grünen Regierung verschärften Asyl- und Flüchtlingspolitik und dem gnadenlosen Vorgehen der deutschen Ausländerbehörden zum Opfer fallen.

So berichtete die Frankfurter Rundschau Ende März vom Tod der 42-jährigen Hamida Mujanovic. Sie starb am 17. November 1999, drei Monate nach ihrer erzwungenen Rückkehr aus Deutschland nach Bosnien an ihrem schwerem Asthma. Die Krankheit konnte in dem vom Bürgerkrieg schwer beschädigten Land nicht wirksam behandelt. Hamida Mujanovic hinterlässt ihren Mann und zwei kleine Kinder. Sie war mit ihrer Familie 1993 vor dem Bürgerkrieg in Bosnien nach Deutschland geflohen und hatte in Velbert (nahe Düsseldorf) Aufnahme gefunden. Nach dem Ende des Krieges wurde der Familie erstmals 1997 die Abschiebung angedroht, falls sie nicht freiwillig ausreise. Bereits damals litt die Frau an schwerem Asthma. Mehrmals musste im Krankenhaus stationär behandelt werden.

Ärztliche Gutachten und Atteste warnten vor einer Rückkehr nach Bosnien, da dort aufgrund der schlechten medizinischen Versorgungslage eine ausreichende Behandlung der Patientin nicht möglich sei. Ausdrücklich wurde festgestellt, dass eine Abschiebung ihr Leben gefährden würde. Die zuständige Ausländerbehörde ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Nachdem ein letzter Versuch, eine Verlängerung ihrer Duldung in Deutschland aus zwingenden gesundheitlichen Gründen zu erreichen, gescheitert und erneut eine Zwangsabschiebung angedroht worden war, verließ die Familie im August vergangenen Jahres "freiwillig" Velbert.

Der Arzt, der Hamida Mujanovic von August bis November 1999 in Bosnien behandelte, ihr aber nicht helfen konnte, weil er über keine wirksamen Medikamente verfügte, erklärte in einem Brief an seine deutschen Kollegen: "Dies schreibe ich aus dem Grund, weil Frau Mujanovic und ihr Leben außerhalb der paraphierten Verträge zwischen Bosnien und Deutschland lag. Wir sind nicht flexibel. Aber traurig ist, dass auch Sie als eines der fortschrittlichsten und meist entwickelten Länder der Welt es auch nicht sind."

Der Fall der Familie Zumberov aus Duisburg

Bundesweit bekannt wurde der Fall der Roma-Familie Zumberov aus Duisburg. Sie musste kurz vor Ostern untertauchen, um einer Zwangsabschiebung nach Mazedonien zu entgehen. Das Duisburger Ausländeramt hat die Familie daraufhin zur Fahndung ausgeschrieben, als handele es sich um Schwerverbrecher. Worin besteht ihr Vergehen?

Die Eltern waren 1988 mit dem damals acht Monate alten Sohn Ajnur nach Duisburg gekommen, um den zunehmenden Diskriminierungen der Roma in Mazedonien zu entgehen. Ajnur ist heute 12 Jahre alt, seine in Deutschland geborene Schwester Samanta 9 Jahre. Beide Kinder gehen hier in die Schule, sprechen gut deutsch, haben viele Freunde und sind vollständig integriert. Nach der im März 1996 unter der Kohl-Regierung vereinbarten sogenannten Altfall-Regelung für Flüchtlinge hätten die Zumberovs gute Aussichten auf ein Bleiberecht in Deutschland gehabt. Die Familie war aber zwei Monate vorher "freiwillig" aus Deutschland nach Mazedonien ausgereist, um ihren Kindern die traumatische Erfahrung einer Zwangsabschiebung zu ersparen, die ihnen Duisburger Ausländerbehörde massiv angedroht hatte.

Sie versuchten in Mazedonien Fuß zu fassen, was aber aufgrund der dort vorherrschenden politischen und ökonomischen Umstände nicht gelang. Die Eltern fanden keine Arbeit. Vater und Sohn erhielten als Staatenlose keine Sozialhilfe. Der Vater versuchte sich als Trödelhändler durchzuschlagen, aber sein Sohn bekam Panikattacken, als er mit ansehen musste, wie die Polizei Roma auf dem Markt zusammenschlug. Deswegen kehrte die Familie 1998 nach Duisburg zurück. Lehrer, Eltern, Mitschüler solidarisierten sich mit der Familie, um eine erneut angedrohte Abschiebung zu verhindern. Auch der Schriftsteller Ralph Giordano, der selbst als Kind während der Nazizeit aus Deutschland fliehen musste, setzte sich für die Familie ein.

Aber die Behörden kennen keine Gnade, weder auf kommunaler noch auf Landesebene. Der langjährige Duisburger Rechtsdezernent und seit einiger Zeit auch Stadtdirektor Jürgen C. Brandt von der SPD, an den Giordano seinen ersten offenen Brief richtete, lud den Schriftsteller im Gegenzug nach Duisburg ein, um sich ein Bild von der "schwierigen Arbeit" der Mitarbeiter des Ausländeramts zu machen. Giordano kam nach Duisburg und richtete daraufhin einen weiteren Brief an den Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags mit der Bitte "Gnade vor Gesetz - nicht Recht" ergehen zu lassen.

Auch der Petitionsausschuss setzte sich wiederholt und nachdrücklich mit rechtlichen und humanitären Argumenten beim Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf für einen Verbleib der Familie in Duisburg ein. Der Innenminister von NRW Fritz Behrens, ebenfalls SPD, blieb ungerührt. Er ließ dem Petitionsausschuss schroff ausrichten: "Ein Aufenthaltsrecht auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sieht das Ausländerrecht nicht vor."

Die Stadt Duisburg erklärte daraufhin, dass die Abweisung der Proteste und Petitionen durch das Innenministerium, die ihr brieflich mitgeteilt wurde, die sofortige Abschiebung der Familie zwingend vorschreibe. Selbst Bemühungen von verschiedenen Seiten, die sich dafür einsetzten, die Kinder wenigstens das laufende Schuljahr abschließen zu lassen, scheiterten am "Nein" der von der SPD mit Unterstützung der Grünen regierten Stadt Duisburg.

Protest gegen die Abschiebung von traumatisierten Flüchtlingen aus dem Balkan

Die rigorose Vorgehensweise der Innenminister des Bundes und der Länder hat inzwischen selbst zu Protest quer über Parteigrenzen hinweg aus dem parlamentarischen Lager geführt. So unterzeichneten 100 Abgeordnete des Bundestages einen Appell an Innenminister Schily (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder für einen humaneren Umgang mit Balkanflüchtlingen aus Bosnien und dem Kosovo.

Von den 350.000 Flüchtlingen aus dem Bosnienkrieg, die vorübergehend in Deutschland Zuflucht gefunden hatten, haben inzwischen 300.000 das Land mehr oder weniger freiwillig wieder verlassen. Bei den 50.000 noch in Deutschland verbliebenen Flüchtlingen handelt es sich überwiegend um sogenannte "Problemgruppen". Dazu gehören Behinderte und Kranke, alleinstehende alte Menschen, Mütter mit Kleinkindern, unbegleitete Minderjährige; durch den Krieg traumatisierte Menschen, wenn es ihnen von Fachärzten bescheinigt wurde; Ehepaare, die verschiedenen ethnischen Gruppen angehören; ehemalige Lagerinsassen; Kriegsdienstverweigerer und Deserteure; Zeugen in Kriegsverbrecherprozessen; Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind. Die Unterzeichner des Protestbriefs fordern ein dauerhaftes Bleiberecht für die oben aufgeführte Personengruppe oder zumindest eine sorgfältige Einzelfallprüfung, bevor Tausende Menschen mittels einer automatisierten Abschiebungsdrohung erneut in Panik versetzt werden.

Angesichts der Härte in zahlreichen Einzelfällen, bei denen sich oft ganze Gemeinden gegen die Abschiebung von Mitschülern der Kinder oder geschätzten und liebgewonnenen Arbeitskollegen und Freunden zur Wehr setzen - meistens leider ohne Erfolg - ist es fraglich, ob dieser Appell etwas bewirkt. Die beschleunigte und verschärfte Abschiebung der Flüchtlinge aus den Balkankriegen ist unter anderem Folge der ausdrücklichen Nichteinbeziehung dieser Flüchtlingsgruppe in die im November 1999 verabschiedete "Altfall-Regelung" der Innenministerkonferenz in Görlitz. Unabhängig davon, wie lange sich die Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien bereits in Deutschland aufhalten, wie gut sie integriert sind, wie wenig sie eine Lebensperspektive in diesem vom Krieg zerrütteten und nach dem Dayton-Abkommen bzw. dem Kosovo-Krieg ethnisch streng abgegrenzten Land haben, sie dürfen nicht in Deutschland bleiben.

Die Süddeutsche Zeitung vom 21. April schreibt zu dem Brandbrief aus dem Parlament: "Das zeigt aber letztendlich nur, wie weit sich die deutsche Innenpolitik auf dem Gebiet des Flüchtlingsrechts von humanitären Grundsätzen entfernt hat, im Bund wie in den Ländern: Infolge Abstumpfung ist diese Politik nicht mehr in der Lage zu erkennen, wo unzumutbare Härte beginnt - und sie will es auch nicht mehr erkennen. So klagen nicht mehr nur Pro Asyl, die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände, so klagen jetzt also auch hundert Parlamentarier der Parteien, die diese Innenpolitik machen."

Innenministerkonferenz beschließt Beschleunigung von Abschiebungen

Die Innenminister von Bund und Ländern beschlossen auf ihrer am 4. und 5. Mai in Düsseldorf abgehaltenen Frühjahrskonferenz, die Abschiebung von nicht anerkannten Asylbewerbern und Flüchtlingen aus Deutschland zu beschleunigen. Dazu soll nach den Worten des nordrhein-westfälischen Innenministers Behrens (SPD), der zur Zeit Vorsitzender und Sprecher der Länderinnenminister ist, die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den Länderbehörden, die für die Durchführung der Abschiebungen zuständig sind, verstärkt werden. Konkret sollen Erkenntnisse aus dem Asylverfahren benutzt werden können, um "Rückführungshindernisse" aus dem Weg zu räumen.

Bundesinnenminister Schily wurde von seinen Länderkollegen aufgefordert, eine Außenstelle der Bundesgrenzschutzdirektion direkt in Berlin einzurichten, die auf die Beschaffung von Passersatzpapieren spezialisiert ist. Solche Papiere werden für die Abschiebung von Flüchtlingen ohne gültige Ausweispapiere benötigt. Weitere Forderungen beziehen sich auf eine Verfahrensbeschleunigung bei Abfragen über die erkennungsdienstliche Behandlung von Flüchtlingen außerhalb des Asylverfahrens. Des weiteren soll die Bundesregierung noch größeren Druck als bisher auf die Herkunfts-Staaten ausüben, um Hindernisse für die schnelle Abschiebung von Menschen zu beseitigen. Vieles von dem, was hier gefordert wird, ist schon seit einiger Zeit gängige Praxis.

Der bayerische Innenminister Beckstein (CSU) dankte während der Konferenz Bundesinnenminister Schily (SPD) ausdrücklich für seine "beharrlichen Verhandlungen", mit denen er die Voraussetzungen für die schnelle Rückkehr der Flüchtlinge aus dem Kosovo geschaffen habe. Schily erklärte, dass 30.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo bis Anfang Mai die Bundesrepublik verlassen hätten. Bei 692 weiteren Fällen sei aus "zwingenden Gründen" mit Zwang abgeschoben worden.

Europaweit verschärfen die Regierungen und politischen Parteien die Angriffe auf Flüchtlinge und Asylsuchende. Diese Maßnahmen sind Bestandteil der Politik, die Grenzen um die Europäische Union herum für Menschen immer undurchdringlicher zu machen. Tausende verlieren jedes Jahr beim Versuch, diese hermetischen Absperrungen zu überwinden ihr Leben. Auf die an Europa angrenzenden Länder, wie z.B. Marokko im Süden oder die osteuropäischen Staaten wird massiv Druck ausgeübt, ihre eigenen Grenzkontrollen und Unterdrückungsapparate auszubauen. Dabei wird in erheblichem Maße mit wirtschaftlichen Sanktionen oder deren Androhung gearbeitet.

Auch die Höhe bzw. Auszahlung von Entwicklungshilfe an die Länder, in denen nach Meinung der deutschen Behörden noch Abschiebungshindernisse bestehen, wie z.B. Sri Lanka, wird unter anderem davon abhängig gemacht, dass diese Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Die Angriffe auf Flüchtlinge und Asylsuchende gehen Hand in Hand mit dem Abbau von sozialen Leistungen und dem Angriff auf demokratische Rechte der Bevölkerung insgesamt. So ist es kein Zufall, dass die Innenministerkonferenz gemeinsam mit der Beschleunigung von Abschiebungen die Video-Überwachung von öffentlichen Strassen und Plätzen beschloss, auf denen es öfter zu kriminellen Delikten kommt. Das von SPD und Grünen regierte Nordrhein-Westfalen hat bereits vor kurzem eine Gesetzesänderung beschlossen, um die Videoüberwachung zu ermöglichen.

Aus Deutschland abgeschoben - in der Türkei gefangen genommen und gefoltert

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl und der Niedersächsische Flüchtlingsrat haben erneut das Schicksal von 13 aus Deutschland in die Türkei abgeschobenen Kurden dokumentiert, die nach ihrer Ankunft in der Türkei von den türkischen Sicherheitsorganen inhaftiert und schwer misshandelt und gefoltert wurden. Bei allen Betroffenen hatten die deutschen Behörden zuvor geleugnet, dass ihr Leben bei einer Rückkehr in die Türkei gefährdet sei und ihnen auf dieser Grundlage Asyl verweigert. (Bereits im Oktober letzten Jahres legten die beiden Organisationen eine Dokumentation über 19 solche Fälle vor. Sie trägt den Titel Von Deutschland in den türkischen Folterkeller.)

Der 33jährige Ferrit M. war sofort nach seiner Ankunft auf dem Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Zehn Tage wurde er aufgrund des Verdachts, ein Unterstützer der PKK zu sein, mit Schlägen und Stromstößen bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert. Nachdem Ferrit M. erneut die Flucht gelang und er anhand von ärztlichen Attesten seine individuell konkret erlittene Folter beweisen konnte, erhielt er vom Asylbundesamt das sogenannte "kleine Asyl", das heißt eine Duldung wegen drohender Gefährdung in seiner Heimat. Dieser und ähnliche Fälle stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Über das Schicksal vieler Abgeschobener ist nichts oder wenig bekannt. Und nur wenigen gelingt erneut die Flucht.

Ein weiterer prominenter Fall, der in der oben genannten Dokumentation geschildert wird, ist der Fall des abgelehnten Asylbewerbers Hüseyin Ayhanci. Für dessen Rückkehr nach Deutschland setzt sich inzwischen sogar das Außenministerium bei Innenminister Schily ein, weil "nicht ausgeschlossen werden kann, dass die nach der Abschiebung im November 1999 am 28. Januar 2000 erfolgte körperliche Misshandlung von Herrn Ayhanci durch türkische Polizeibeamte im ursächlichen Zusammenhang mit dem erfolglosen Asylverfahren steht".

Worauf hier angespielt wird, ist das Konsultationsverfahren von deutschen und türkischen Behörden bei Abschiebungen in die Türkei, das seit dem Amtsantritt von Otto Schily forciert worden ist. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion im Bundestag geht hervor, dass am 9. November 1999 erstmalig ein gemeinsamer Ausschuss hoher Beamter aus Deutschland und der Türkei zusammen trat, um Verfahrensfragen im Zusammenhang mit dem im Jahre 1995 vereinbarten Konsultationsverfahren zu klären. Während von türkischer Seite Vertreter des Außen-, des Justiz- und des Innenministeriums vertreten waren, wurde das Auswärtige Amt auf deutscher Seite offenbar nicht beteiligt, obwohl dessen Einschätzungen und Lagebeurteilungen zur Menschenrechtssituation auch maßgeblich für Entscheidungen über Abschiebungen bzw. Abschiebungsstopps durch die Innenminister sein sollen.

Laut offizieller Begründung wird von den deutschen Behörden bei den türkischen angefragt, ob Kurden, die sich im Zusammenhang mit der PKK an Straftaten in Deutschland beteiligt haben sollen, im Falle ihrer Abschiebung in der Türkei eine Strafverfolgung oder -vollstreckung droht. Wird das von den türkischen Behörden verneint, steht ihrer Abschiebung aus Deutschland nichts mehr im Wege. Auf diesem Wege werden den türkischen Behörden nicht nur die Namen der Betroffenen, sondern auch alle relevanten Erkenntnisse über politische Aktivitäten während ihres Aufenthalts in Deutschland an die Hand gegeben.

Wie es um die Beachtung der Menschenrechte auch für die türkische Bevölkerung bestellt ist, schilderte vor kurzem die türkische Anwältin Eren Keskin, die stellvertretende Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, auf einer Vortragsreise in Deutschland. Die Anwendung von Folter gehört zu den üblichen Vernehmungsformen im türkischen Polizeigewahrsam. Ermittlungsverfahren wegen Folter werden nicht zugelassen. Die Organisationsfreiheit von Arbeitern, das Recht sich in Gewerkschaften und politischen Parteien zu organisieren, Presse- und Meinungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Der Vorsitzende des IHD Akin Birdal kam erneut wegen einer Meinungsäußerung ins Gefängnis, obwohl er bei einem Anschlag auf das Büro des IHD vor einiger Zeit schwere Verletzungen davon getragen hat.

Bei dem Konflikt zwischen Außen- und Innenministerium geht es auch darum, dass inzwischen etwas kritischere Lageberichte des Außenministeriums über die Gefährdungslage in einzelnen Ländern nicht in die Entscheidungen der Ausländerbehörden einbezogen werden, die darüber befinden, ob ein Asylsuchender in Deutschland bleiben darf oder nicht. Dies bezieht sich nicht nur auf die Türkei.

Verstärkte Abschiebungen nach Sri Lanka

So entschied z.B. das Berliner Verwaltungsgericht am 22. Februar dieses Jahres, dass der tamilische Asylbewerber Muthiah I. weder Asyl noch Abschiebeschutz erhalten sollte. Der 28jährige hatte angegeben, dass er in seiner Heimat schwer gefoltert worden ist und sein Leben bei einer zwangsweisen Rückkehr stark gefährdet sei.

Die Berliner Richter bezogen sich bei ihrer Entscheidung auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Januar 1999, worin es heißt, Tamilen seien in Sri Lanka "vor staatlicher oder dem Staat zuzurechnenden Repressalien von asylerheblicher Relevanz hinreichend sicher".

Diesen Lagebericht hatte das Auswärtige Amt zu dieser Zeit bereits selbst aus den Verkehr gezogen. Am 4. Februar hatte das Außenministerium das Bundesjustizministerium aufgefordert, die Lageberichte für einige Länder nicht mehr zu verwenden, da "eventuell zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen" noch nicht berücksichtigt werden konnten. Außer dem Heimatland von Mutiah I., Sri Lanka, gehörten dazu die Länder Albanien, Eritrea, Mazedonien, Sudan und Tadschikistan.

Die Verfolgung und Schikanierung von Tamilen in Sri Lanka hat in den letzten Jahren nie aufgehört. Die Zuspitzung des Krieges im Norden des Landes in den letzten Wochen und die Versuche von singhalesischen Chauvinisten, angesichts der militärischen Niederlagen der srilankischen Armee erneut und verstärkt antitamilischen Rassismus zu schüren, gefährdet die tamilische Bevölkerung sowohl im Norden wie im Süden des Landes. (siehe dazu unsere ausführlichen Berichte zu Sri Lanka unter http://www.wsws.org/de/aktuell/asien/srilanka.shtml.)

Die Richter am Berliner Verwaltungsgericht waren über die amtliche Bitte des Auswärtigen Amts informiert, die Lageberichte für die oben genannten Staaten bis zu einer Aktualisierung, nicht mehr ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Das Auswärtige Amt hatte sogar Einzelauskünfte bis zur Vorlage von aktualisierten Berichten angeboten. Die Richter beriefen sich dennoch bei ihren Entscheidungen auf die alten Berichte.

In einem anderen Asylverfahren wiesen sie sogar den Antrag eines tamilischen Flüchtlings zurück, Beamte des Auswärtigen Amtes als Zeugen zu laden, damit diese aussagen könnten, ob die Einschätzung des gut ein Jahr alten Lageberichts über die Verfolgungssituation in Sri Lanka noch dem aktuellen Erkenntnisstand entspräche.

Flüchtlingshilfegruppen und Rechtsanwälte sind seit einiger Zeit vermehrt mit Fällen konfrontiert, in denen Asylsuchende, die seit mehreren Jahren in Deutschland leben und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, aufgefordert werden innerhalb weniger Wochen das Land zu verlassen. Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten berichtete, dass es Pläne gebe, in den nächsten Monaten 4500 tamilische Flüchtlinge nach Sri Lanka abzuschieben. Sie berichtete auch, dass bei einer Abschiebung von 22 tamilischen Flüchtlingen im März 18 direkt bei ihrer Ankunft in Sri Lanka verhaftet worden sind.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass sich durch veränderte Lageberichte des Auswärtigen Amtes etwas Grundlegendes ändern würde. Der Hintergrund für die Korrektur einiger Berichte ist die seit Jahren existierende Kritik an beschönigenden Asyllageberichten, die dazu beigetragen haben, die Anerkennungsquote für Asylbewerber zu senken. Besonders peinlich wurde es für die Regierung im Frühjahr letzten Jahres, als Außenminister Joseph Fischer (Grüne) bereits mit sorgenzerfurchter Miene vor ethnischen Vertreibungen im Kosovo warnte, um die öffentliche Meinung auf die Beteiligung der Bundeswehr an dem Kriegseinsatz der Nato gegen Jugoslawien einzustimmen, während nach wie vor Menschen nach Kosovo abgeschoben wurden. Grundlage dafür waren Lageberichte des Auswärtigen Amtes, die keine Gefährdung sahen. Für das Außenministerium handelte es sich nur um eine Informationspanne. Für viele Asylsuchende geht es um ihre bloße Existenz.

Selbstmord im Flughafen-Asyl

Am 6. Mai, Samstag vor einer Woche, erhängte sich die 40-jährige Asylbewerberin Naimah H. im Duschraum der Transitunterkunft des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens. Die Frau aus Algerien war über sieben Monate dort festgehalten worden. Der Transitbereich des Flughafens gilt als exterritorialer Bereich. Flüchtlinge, die mit dem Flugzeug ankommen, werden dort festgehalten, damit sie nicht "deutschen Boden" betreten und sich wirkungsvoller für ihr Asyl- und Aufenthaltsrecht in Deutschland einsetzen können.

Naimah H. war aus Algerien geflohen, weil ihr Mann dort als "Terrorist" gesucht wurde und sie selbst mehrfach von algerischen Polizisten vergewaltigt worden ist.

Obwohl Naimah H. die Flucht aus Algerien nach Deutschland geglückt war, sollte ihr Leidensweg hier kein Ende finden. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte ihren Asylantrag ab, und auch das Frankfurter Verwaltungsgericht wies ihn Ende September als unglaubwürdig zurück.

Gestützt auf Berichte des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und der Caritas, die jeweils Flüchtlingen versuchen beizustehen, die auf dem Frankfurter Flughafen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden, recherchierte die Frankfurter Rundschau die tragischen Umstände, die Naimah H. in den Selbstmord trieben.

Nach Ablehnung ihres Asylantrags begannen für Naimah H. - mangels Ausweispapieren - Monate des Wartens auf die gefürchtete Abschiebung nach Algerien. Angaben ihrer Betreuer zufolge ging es der Frau bereits 1999 bei ihrer Ankunft in Frankfurt sehr schlecht. Im Februar dieses Jahres berichtete der Flughafensozialdienst, dass sie stundenlange Weinkrämpfe gehabt habe. Am 26. Februar brach sie das erste Mal zusammen und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Kurz zuvor hatte ihr Rechtsanwalt Andreas Metzner einen Appell an das Bundesinnenministerium gerichtet, Naimah H. aus humanitären Gründen einreisen zu lassen. Er blieb ohne Antwort.

Das Flughafen-Asylverfahren wurde 1993 unter der Kohl-Regierung und dem damaligen Innenminister Kanther eingeführt. Es ist Bestandteil des sogenannten Asyl-Kompromisses, der das Asylrecht fast bis zur völligen Unkenntlichkeit einschränkt und nur mit Unterstützung der damaligen SPD-Opposition zustande kam. Für die Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl war eine Bundestagsmehrheit von Zweidritteln notwendig.

Von Anfang an wurde das Flughafen-Asylverfahren aufgrund extrem kurzer Verfahrensfristen und der schäbigen Unterbringung von Menschenrechts- und Flüchtlingshilfeorganisationen scharf kritisiert und seine Abschaffung gefordert. Laut Gesetz ist ein Aufenthalt von höchstens 19 Tagen auf dem Flughafen zulässig. In dieser Zeit soll über Anerkennung oder Ablehnung eines Asylantrags im Schnellverfahren entschieden werden, was praktisch kaum möglich ist. Ist das Verfahren nach 19 Tagen nicht abgeschlossen, darf der Flüchtling einreisen. Dies wird aber so nicht praktiziert.

Dauert das Verfahren länger, oder ist aus anderen Gründen (z.B. fehlende Ausweispapiere) eine umgehende Abschiebung nicht möglich, muss der Zufluchtsuchende eine sogenannte Freiwilligkeitserklärung unterschreiben, damit ein längerer Aufenthalt auf dem Flughafengelände rechtlich abgesichert ist. Dies kommt einer Nötigung gleich. Viele Betroffene tun es dennoch, weil ihnen sonst Abschiebehaft droht.

Auch Naimah H. hatte diese umstrittene Freiwilligkeitserklärung unterschrieben, nachdem ihr Asylantrag im September 1999 abgelehnt worden war. Psychisch schwer angeschlagen, habe sie diese am 29. Februar widerrufen, woraufhin sie in die Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim in Abschiebehaft genommen wurde.

Verständlicherweise habe sie es auch dort nicht ausgehalten, berichtet ihr Rechtsanwalt, und hat die "Freiwilligkeitserklärung" für den weiteren Aufenthalt auf dem Flughafen wieder unterzeichnet. Am 4. Mai brachte sie der Bundesgrenzschutz zurück in die Flughafenunterkunft, wo sie ihrem Leben zwei Tage später ein Ende setzte. Sie hatte keine Chance bekommen, mit dringend benötigter psychischer Hilfe und menschlichen Lebensumstände das ihr in Algerien zugefügte Leid zu bewältigen.

Der Selbstmord von Naimah H. ist zwar der erste Selbstmord eines Flüchtlings auf dem Frankfurter Flughafen seit der Einführung des umstrittenen Flughafenverfahrens, aber nicht der erste Selbstmordversuch. Seit 1997 wurden von den Kirchenverbänden 18 Selbstmordversuche von Flüchtlingen registriert. Laut Caritas-Direktor ist dies Folge der unerträglichen psychischen Belastung durch die Langzeitinternierung der Flüchtlinge. "Beengter Raum, Fluglärm, keine Grünflächen, nur unzulängliche Trennung der Geschlechter", beschreibt Rechtsanwalt Metzner die Verhältnisse im Transitbereich.

Zur Zeit leben dort 42 Flüchtlinge, zehn von ihnen schon seit mehr als hundert Tagen. 30 Flüchtlinge richteten vor kurzem einen dramatischen Appell an Amnesty International Frankfurt, in dem sie über "inhumane und entwürdigende Bedingungen" und das "Fehlen jeglicher Intimität bei unserem Leben im Transit" klagen.

Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl hatte von der rot-grünen Regierung gefordert, die monatelange - manchmal bis zu anderthalb Jahren dauernde - Abschiebehaft und das Flughafenverfahren abzuschaffen. Das einzige, wozu sich die rot-grüne Regierung in ihrer Koalitionsvereinbarung durchringen konnte, war der Satz: "Die Dauer der Abschiebungshaft und des Flughafenverfahrens werden im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft." Und selbst dies ist nicht geschehen.

Nach Angaben des Frankfurter Flughafensozialdienstes nahm in der Zeit von 1997 bis 1999, als bereits Rot-Grün regierte, der Anteil der Flüchtlinge, die länger als 19 Tage am Flughafen festgehalten wurden, stetig zu. 1999 waren 21 Prozent der Airport-Asylbewerber betroffen, 1997 dagegen 13 Prozent. 33 Flüchtlinge saßen 1999 sogar länger als 100 Tage fest. 1997 waren es noch zwei.

Selbst Kinder sind von Internierungen unter solchen Bedingungen am Flughafen nicht ausgenommen - ein Zustand, der auch schon von einer von Unicef vorgestellten Studie im August letzten Jahres kritisiert wurde und gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstößt. Dass es sich dabei nicht um Ausnahmen handelt, sondern um ein häufig vorkommendes Phänomen, wurde bereits in dem Fernsehspiel von Christian Wagner "Zehn wahnsinnige Tage" thematisiert, das Arte am 12. Mai ausstrahlte.

Die Frankfurter Rundschau schrieb in einem Kommentar am 12. Mai 2000: "Der Airport ist für Asylbewerber weiter das, was er bereits unter Kanther war: ein Internierungslager vor den Toren der Republik, am Rande des Rechtsstaats. Ein Ort, der Menschen krank macht und - wie anscheinend die Algerierin Naimah H. - in den Tod treibt."

Angesichts der Bilanz von Rot-Grün in der Asylpolitik stehen die Chancen schlecht, dass der erste Selbstmord im Transit etwas an deren Abschreckungscharakter ändert. Bundesinnenminister Schily und die deutschen Ausländerbehörden kennen keine Gnade, weder in dieser noch in anderen mit dem Asyl- und Ausländerrecht verbunden Härten und Fragen.

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