Die Krise nach dem Staatsstreich auf den Fidschiinseln hält an

Wo ist die Stimme der Arbeiterklasse?

Es sind nunmehr fünf Wochen vergangen, seit der gescheiterte und desperate Geschäftsmann George Speight als Anführer einer bunten Meute von Schlägern und Militärangehörigen das Parlament der Fidschiinseln verhaftete und den Premierminister Mahendra Chaudhry mitsamt dem größten Teil seines Kabinetts als Geisel nahm.

Seit mehr als einem Monat, seit dem 19. Mai, halten Speight und seine Unterstützer in Suva Hof und führen absurde Verhandlungen mit den Kommandierenden der Armee, die offen ihre Sympathie mit Speights rassistischen Forderungen bekundet, das Kriegsrecht verhängt und die Verfassung ausgesetzt haben. Unter der Herrschaft des Militärs sind politische Versammlungen, Proteste und Streiks für illegal erklärt worden.

Bis jetzt haben die Militärchefs Speights Forderung nach einer Beteiligung an einer neuen Regierung zurückgewiesen - aus Angst vor Unruhe in der Bevölkerung und internationaler Isolation. Aber sie arbeiten mit Speights Unterstützern zusammen, um eine nicht-gewählte Regierung von Bankern einzusetzen, die dem Anschein nach von Laisenia Qarase geführt werden wird, dem Generaldirektor der Handelsbank und ehemaligem Hauptgeschäftsführer der Entwicklungsbank der Fidschis. Wie berichtet wird, sollen dem Kabinett von Qarase der ehemalige Präsident der Notenbank der Fidschis, ein ehemaliger Armeekommandeur sowie zwei bekannte Geschäftsleute indischer Herkunft angehören.

Speight und seine Ganoven werden ganz und gar nicht wie Terroristen behandelt. Ihnen wurde Immunität zugesichert, eine Rolle in der vorgesehenen militärgestützten Regierung zugesagt sowie Einfluss beim Entwurf einer neuen Verfassung, die dafür sorgen soll, dass die Macht in den Händen von ethnischen Fidschianern bleibt.

Außerdem befinden sich seine Banden weiterhin auf freiem Russ und terrorisieren ungehindert indische Familien und Gegner ihres Putsches. Unter den Augen der militärischen Autoritäten sind Hunderte von indischstämmigen Bewohnern der Fidschis zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden.

Die arbeitende Bevölkerung der Fidschiinseln - Einheimische wie Zuwanderer - ist nicht nur ihrer grundlegenden demokratischen und gewerkschaftlichen Rechte beraubt, sondern auch noch tiefer in Armut gestoßen worden, da die Wirtschaft beinahe zum Stillstand gekommen ist und somit Arbeitsplätze und Lebensunterhalt vernichtet werden.

Je länger dieser bizarre und reaktionäre "Staatsstreich" andauert, desto stärker stellt sich die Frage: Wo ist die Stimme der Arbeiterklasse, eine der stärksten und militantesten im Südpazifik?

Warum ist keine Massenbewegung entstanden, die Speight und seine Hooligans herausfordert? Warum ist die weitverbreitete Opposition gegen Speight geteilt und in verschiedene Richtungen zerstreut - in sezessionistische Bewegungen im Westen und Norden, Interessengruppen mit Unterstützung der Geschäftswelt, demütige Nachtwachen, Gebetstreffen und passive Petitionskampagnen?

Unter großen Teilen der arbeitenden Bevölkerung herrscht eine tiefe Feindschaft gegenüber Speight. Schlüsselsektionen der Arbeiter und Lehrer weigern sich die Arbeit wiederaufzunehmen, solange Speight die Geiseln hält. Zuckerbauern und Feldarbeiter boykottieren die außerordentlich wichtige Zuckerrohrernte, trotz den Androhungen der Armee, solche Handlungen nach dem Kriegsrecht zu verfolgen und bestrafen.

Weiterhin kommt der Arbeiterklasse auf den Fidschis ein beachtenswertes gesellschaftliches Gewicht zu. Nach einer jüngsten Schätzung sind 80 bis 90 Prozent der 800.000 Menschen umfassenden Bevölkerung Arbeiter, Kleinbauern, Dorfbewohner oder arbeitslos. In der Textilindustrie und anderen Industrien arbeiten Menschen verschiedenster ethnischer Herkunft Seite an Seite.

Der größte Teil der ethnischen Inder - beinahe die Hälfte der Bevölkerung der Fidschis - stammen von den 60.000 angelernten Arbeitern ab, die zwischen 1874 und 1920 von den britischen Kolonialherren und einem australischen Zuckerhersteller aus Indien auf die Fidschiinseln gebracht worden waren, damit sie auf den Zuckerrohrplantagen schufteten. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine multiethnische Arbeiterklasse in der Zuckerindustrie, dem Bergbau, in den Fabriken und Häfen und im öffentlichen Dienst.

Eine vereinigte Bewegung der Arbeiter und Unterdrückten gegen Speight und das Militär, die für volle demokratische Rechte und anständige Lebensbedingungen für alle kämpft, würde den Rassisten schnell den Boden entziehen.

Aber die Führer der Labour Party und der Gewerkschaften stellen sich gegen eine solche Mobilisierung. Der Gewerkschaftsverband der Fidschis (FTUC) blies schnell einen teilweise nationalen Streik am 23. Mai ab und hat wiederholt Pläne für einen weiteren verschoben mit der Begründung, dieser sei nicht notwendig. Der Generalsekretär des FTUC Felix Anthony kritisierte den Militärputsch am 29. Mai, führt aber auch "aufrichtige" Verhandlungen mit Commodore Frank Bainimarama, in denen er den Kriegsrechtskommandanten darauf drängt, eine Regelung in den Grenzen der Verfassung von 1997 zu finden.

Das letzte, was die Führer von Labour und den Gewerkschaften wünschen, ist eine militante Massenbewegung der Arbeiterklasse, da die Forderungen, Bedürfnisse und Hoffnungen der arbeitenden Bevölkerung schnell in Konflikt geraten würden mit ihrem gesamten Wirtschaftsprogramm, das ganz an den Bedürfnissen der Arbeitgeber und des globalen Finanzmarktes ausgerichtet ist.

Chaudhrys IWF-Programm

Chaudhrys Regierung der "Volkskoalition" war eine Allianz der Labour Party mit ethnisch fidschianischen, nationalistischen Gruppierungen - der Partei des Fidschianischen Zusammenschlusses, der Partei der Nationalen Einheit und der Christlich Demokratischen Allianz. Mit dem Versprechen gegen Massenarbeitslosigkeit und Armut zu kämpfen, wurden sie im Mai 1999 an die Macht gebracht, wobei sie einen erdrutschartigen Sieg über den Führer des Militärputsches von 1987 Sitiveni Rabuka davontrugen.

Aber bald zeigte die Regierung ihre Ergebenheit gegenüber den Forderungen der Wirtschaft. Nach Einwänden von australischen und asiatischen Textilfabrikanten - die ihren Arbeitern einen Durchschnittswochenlohn von nur umgerechnet 30 US-Dollar zahlen - nahm die Regierung Abstand von ihrem versprochenen Minimalwochenlohn von 60 US-Dollar, der die Armutsgrenze markiert. Statt dessen schlugen die Führer von Labour eine Dreiparteien-Diskussion mit Arbeitgebern und Gewerkschaften vor, die sich auf einen "erträglichen Lohn" verständigen sollte.

Bevor sie abgesetzt wurde, war Chaudhrys Regierung bereits mit Teilen der Arbeiterklasse in Konflikt geraten. Eines der letzten Gesetze vor Speights Staatsstreich drohte streikenden Krankenschwestern Strafverfolgung an.

Angesichts chronischer Unterbesetzung und großer Abwanderung nach Übersee hatten die 1.300 Krankenschwester einen jährlichen Anfangslohn von umgerechnet 6.711 US-Dollar gefordert, was einer Steigerung von 2.000 US-Dollar entspricht. Nach viermonatigen, gescheiterten Verhandlungen zwischen ihren Gewerkschaftsführern und der Chaudhry-Regierung traten die Krankenschwestern am 12. Mai in den Streik.

Chaudhry und seine Minister verleumdeten die Streikenden als Teil einer politisch inszenierten Bewegung von Rabukas Partei Soqosoqo ni Vakavulewa ni Taukei (SVT), die die Regierung in die Knie zwingen solle. Die Regierung erklärte den Streik für illegal und organisierte Streikbrecher. Nach zweieinhalb Tagen kehrten die Krankenschwestern mit einer geringen Lohnerhöhung an ihre Arbeit zurück.

Hinter diesen Attacken auf die Arbeiterklasse steht die Ergebenheit der "Volkskoalition" gegenüber den Richtlinien der Politik, die vom Vorstand des Internationalen Währungsfond (IWF) im Oktober 1998 festgelegt wurden.

In seinem Bericht über die Wirtschaft der Fidschiinseln vermerkte der IWF einen starken Rückgang der Investitionsquote von 25 Prozent in den Jahren 1980-85 (vor Rabukas Staatsstreich) auf weniger als 13 Prozent in der jüngsten Zeit. Er kritisierte Rabukas Regierung dafür, "nur begrenzte Fortschritte in strukturellen Schlüsselfragen, die Investitionen behindern" gemacht zu haben. Weiterhin erklärte der IWF, dass "entschlossene Maßnahmen an vielen Fronten nicht länger verschoben werden können".

Unter den "Reformen" mit Schlüsselcharakter des IWF fanden sich "Lohnzurückhaltung", Beschleunigung der Privatisierung, umfassende finanzielle und wirtschaftliche Deregulierung und "die Notwendigkeit zur Beschränkung von freiwilligen und unproduktiven Ausgaben, um die Lohnkosten im öffentlichen Sektor zu senken".

Diese Vorschriften bildeten die Basis für das Programm der Chaudhry-Regierung.

Die Rolle der Gewerkschafts- und Labourführer

Die Antwort der Gewerkschaften auf Speights Staatsstreich erinnert an ihre Rolle vor 13 Jahren, als Rabuka die kurzlebige, von Labour geführte Regierung unter Timoci Bavadra absetzte. Während sie sich bemühten, jede allgemeine Mobilisierung der Arbeiterklasse zu verhindern, appellierten sie gleichzeitig an die großen kapitalistischen Länder, zu intervenieren und "Recht und Ordnung" wiederherzustellen.

1987 gab es unter der arbeitenden Bevölkerung der Fidschiinseln und in der ganzen Region eine starke Opposition gegen die Militärdiktatur. Die Zuckerbauern und Mühlenarbeiter der Fidschis verweigerten die Arbeit und lähmten damit einen Großteil der Wirtschaft. Australische Arbeiter verhängten einen Boykott, der den Handel der Fidschis praktisch zum Erliegen brachte - bis der Boykott aufgehoben wurden, weil die australische Labor-Regierung unter Hawke darauf bestand.

Rabuka konnte sich vor allem deshalb durchsetzen, weil Bavadra, sein Finanzminister Chaudhry und die Gewerkschaftsführer jede Bewegung unterdrückten, die sich gegen die Interessen der Geschäftswelt richtete. Sie beendigten den Zuckerboykott, versuchten ihre Koalition mit indischen Geschäftsleuten durch die Partei der Nationalen Föderation aufrechtzuerhalten und riefen zur "nationalen Versöhnung" auf. Als er erst einmal aus dem Militärgewahrsam entlassen war, akzeptierte Bavadra de facto die Absetzung seiner Regierung und meldete sich freiwillig, einem Beratergremium beizuwohnen, das der Generalgouverneur eingerichtet hatte.

Mitte der 90-er Jahre schlossen sich die Führer von Labour und den Gewerkschaften mit den kolonialen und regionalen Mächten Großbritannien, Australien und Neuseeland zusammen, um eine neue, leicht geänderte Version von Rabukas rassistischer Verfassung aus dem Jahr 1990 zu entwerfen. Die daraus entstandene 1997-er Verfassung bewahrte die Vergabe von Parlamentssitzen nach rassischen Gesichtspunkten und die weitreichenden Vetorechte des Großen Hauptrates. Aber sie machte das Regime den Investoren schmackhafter, da die Position von Rabukas Kumpanen und Schwindlern wie Speight geschwächt wurde.

Und wieder einmal bitten heute die Führer von Labour und FTUC diese Mächte um Unterstützung. Sowohl Vertreter der "Volkskoalition" wie auch der FTUC haben dem britischen Commonwealth Dokumente vorgelegt, in denen Sanktionen und eine militärische Intervention gefordert werden. Am 5. Juni sandte der FTUC-Generalsekretär Anthony eine Nachricht an das Regierungstreffen der Commonwealth-Länder in London, in der er erklärte, die fidschianischen Arbeiter hielten an der Verfassung von 1997 fest, die eine Produkt von fünfjähriger Konsenssuche gewesen sei. Anthony warnte vor einem "kompletten Zusammenbruch von Recht und Ordnung", wenn die Chaudhry-Regierung nicht wieder eingesetzt würde und rief die Commonwealth-Staaten dazu auf, die Entsendung einer "stabilisierenden und friedenserhaltenden Truppe" vorzubereiten.

Dies sind die gleichen Mächte, die über mehr als ein Jahrhundert lang die Wirtschaft und die menschlichen Ressourcen des Landes geplündert haben. Australische Interessen, vor allem Banken, Finanzhäuser, Reiseveranstalter, Zucker-, Textil- und Bergbauunternehmen, kontrollieren heute große Teile der Wirtschaft. Jede militärische Truppe wird ihrem Schutz verpflichtet sein und nicht die politischen Rechte oder den Lebensstandard der fidschianischen Massen verteidigen.

Während der fünfjährigen "Konsenssuche", auf die sich Anthony beruft, profitierten australische und andere internationale Bekleidungsfirmen von der Steuerfreiheit, die auf Rabuka zurückging und mit der die Fidschiinseln als Standort für Billiglohnarbeit etabliert werden sollten. In der Textilverarbeitung und anderen Fabriken arbeiten indischstämmige und ethnisch fidschianische Frauen unter erschreckenden Bedingungen - lange Schichten mit minimalen Pausen, irreguläre Arbeitszeiten, ständige Überwachung, keine grundlegenden Rechte. Während der Arbeitszeit ist es sogar verboten miteinander zu reden.

Die Erfahrungen der letzten 13 Jahre haben die vollständige Unterwürfigkeit der Führer von Labour und den Gewerkschaften gegenüber dem Finanzkapital und der lokalen herrschenden Elite offenbart. Sowohl Labour wie auch FTUC tragen die Verantwortung für die heutige Lage. Sie haben Bedingungen geschaffen, unter denen die grundlegenden demokratischen Rechte der fidschianischen Arbeiterklasse ungehemmt von rassistischen Schlägern und dem Militär angegriffen werden.

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