Westmächte machen sich die wachsenden Spannungen zwischen Serbien und Montenegro zunutze

In den vergangenen neun Jahren haben die Westmächte das Auseinanderbrechen der Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) aktiv vorangetrieben, indem sie Kräfte, die für eine Abspaltung ihrer Region vom jugoslawischen Staatsgebiet eintraten, diplomatisch, finanziell und militärisch unterstützten. Die daraus entstandenen Konflikte haben bereits zweimal als Vorwand für ein militärisches Eingreifen auf dem Balkan gedient. Auf diese Weise wurde die Region in eine Reihe von Staaten zerteilt, die sich nach ethnischen Kriterien definieren und von westlichen Wirtschaftsinteressen beherrscht werden.

Montenegros Streben nach größerer Unabhängigkeit von der Bundesrepublik Jugoslawien ist vom Westen aktiv unterstützt worden. Obwohl die Westmächte bislang nicht für die gänzliche Lostrennung der winzigen Republik eintreten, haben sie die daraus resultierenden Spannungen benutzt, um ihre Kampagne zur Absetzung des Milosevic-Regimes in Belgrad zu verstärken.

Milo Djukanovic, der Chef des nach Unabhängigkeit strebenden Regimes in Montenegro, verkündete im vergangenen Jahr, dass seine Regierung die föderalen Strukturen Jugoslawiens nicht anerkennen würde. Anschließend brach die montenegrinische Zentralbank die Verbindungen zur jugoslawischen Zentralbank ab und unter dem Einfluss des Internationalen Währungsfond wurde ein Währungsrat eingerichtet. Parallelen zu den Vereinbarungen, die im Abkommen von Dayton für Bosnien-Herzegowina getroffen wurden, sind dabei nicht zu übersehen.

Seit Djukanovic 1997 an die Macht kam, war er auf die finanzielle und politische Unterstützung aus Amerika und der Europäischen Union (EU) angewiesen, die beide um die Kontrolle des Balkans wetteifern. Die Vereinigten Staaten haben Montenegro Investitionen im Wert von 70 Millionen Dollar in diesem Jahr zugesagt. Eine Söldnereinheit namens Military Professional Resources Inc. (MPRI), die mit hochrangigem ehemaligen Personal der US-Armee ausgestattet ist, trainiert mit Unterstützung des Pentagons die paramilitärischen Truppen Montenegros. Die MPRI hatte 1995 ebenfalls Offiziere der kroatischen Armee ausgebildet.

Nichtsdestotrotz ist Deutschland die dominante Wirtschaftsmacht in Montenegro, wo die deutsche Mark im vergangenen Jahr als Parallelwährung zum jugoslawischen Dinar eingeführt wurde. Inzwischen werden 80 Prozent der finanziellen Transaktionen der Republik in DM getätigt und Deutschland hält auch den größten Anteil an Kapitalinvestitionsprojekten des Westens. Im Mai kündigte die EU ein Wirtschaftshilfepaket im Wert von 20 Millionen Euro an.

Alle Großmächte bestehen darauf, dass eine solche Unterstützung mit der Einführung von "freier Marktwirtschaft" und umfassenden Privatisierungsmaßnahmen verbunden ist, während sie gleichzeitig die Republik Montenegro als Bühne für Provokationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien benutzen.

Die Kommunalwahlen am 11. Juni waren dazu gedacht, Djukanovic‘ Stellung zu festigen und den Druck gegen Milosevic zu erhöhen. Tatsächlich stellte das Wahlergebnis einen gewissen Rückschlag für die nach Unabhängigkeit strebende Regierung dar. Obwohl Djukanovic‘ regierende Koalition Da Zivimbo Bolje (DZB - "Für ein besseres Leben") die uneingeschränkte Macht in der Hauptstadt Podgorica behielt, verlor sie die Küstenstadt Herceg Novi an die "Jugoslawische Koalition", die von der Sozialistischen Volkspartei (SNP) unter Momir Bulatovic angeführt wird.

Ein Bericht über die Wahlen von der britischen Helsinki-Menschenrechtsgruppe kommentierte die geringe Unterstützung der Bevölkerung für Djukanovic, die im Wahlergebnis sichtbar wurde: "Zwar haben die letzten Jahre einige deutliche Verbesserungen für Podgorica gebracht - am auffälligsten ist wohl eine neue Brücke, die von der EU finanziert wurde (und ironischerweise direkt über dem Hauptquartier der SNP verläuft). Doch das Hauptthema der DZB im Wahlkampf - dass sie das Land sicher auf den Weg zum Wohlstand geführt hätte - war für die meisten Wähler kaum glaubwürdig. Die Löhne und Renten mögen höher sein als in Serbien (auch dies hauptsächlich dank der direkten Gelder von der internationalen Gemeinschaft), aber auch die Preise sind höher infolge der Wirtschaftsblockade gegen Serbien. Fabriken, die einst für den unermesslich größeren serbischen Markt produzierten, stehen praktisch still, während die einzigen offensichtlichen Nutznießer von Djukanovic‘ viel gerühmten Reformen die überall präsenten 20.000 Polizisten sind, die scheinbar den ganzen Tag damit verbringen, Bestechungsgelder von Autofahrern zu kassieren."

Die westliche Unterstützung ist lediglich einer kleinen, kriminellen Elite im Umkreis der Regierung zugute gekommen. Die Arbeitslosigkeit ist auf 80 Prozent gestiegen, während die Regierung eine Einkommenssteuer von nur 2,5 Prozent eingeführt hat. Zigarettenschmuggel nach Italien über die Adria soll nach Schätzungen 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Montenegros ausmachen. Die Angaben stammen von den italienischen Behörden, die über die Verbindungen zur Familie Ciro Mazzarella und der neapolitanischen Camorra (Mafia) sowie die eigenen Steuerverluste beunruhigt sind. Eine Untersuchung enthüllte die Verstrickung von hochrangigen Figuren in und um die montenegrinische Regierung in den Schwarzhandel. So musste z.B. der ehemaligen Außenminister Branko Perovic aufgrund von Vergehen, die bis 1993 zurückreichen, von seinem Posten zurücktreten. Djukanovic‘ Bruder Aca wurde ebenfalls mit dem Zigarettenschmuggel in Verbindung gebracht.

Der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic hat auf die montenegrinische Herausforderung reagiert und versucht, seine Macht auszubauen. Am 6. Juli stimmten beide Kammern des Parlaments in Belgrad für eine Änderung der jugoslawischen Verfassung, die Milosevic nunmehr eine zweite Amtszeit als Präsident erlaubt. Bislang schrieb die Verfassung vor, dass der Präsident von einem Wahlausschuss aus Abgeordneten ernannt wird und nur eine Legislaturperiode lang das Amt bekleiden kann.

Die Verfassung schrieb auch vor, dass sich das Oberhaus des Bundes aus jeweils 20 Abgeordneten der serbischen und montenegrinischen Unterhäuser zusammensetzt, obwohl in Montenegro lediglich 7 Prozent der jugoslawischen Bevölkerung leben. Diese Zusammensetzung, die aus Titos Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt, sollte ein Gleichgewicht zwischen den jugoslawischen Volksgruppen garantieren; die verschiedenen Bestandteilen des Landes sollten den gleichen Status besitzen. Die von den Pro-Milosevic-Parteien in Serbien und Montenegro abgesegneten Verfassungsänderungen erlauben eine Direktwahl des Präsident durch die Bevölkerung, eine zweite Amtszeit desselben und die Reduzierung der Abgeordnetenzahl Montenegros im Oberhaus, so dass diese zur Minderheit werden.

Djukanovic attackierte die Verfassungsänderung als "illegal" und sagte, Belgrad hätte "die Verfassung des Landes gekippt und sein Schicksal in Frage gestellt".

Nach den Kommunalwahlen trat der Vorsitzende der Internationalen Krisengruppe (ICG) in Brüssel, der ehemalige australische Außenminister Gareth Evans dafür ein, Serbiens Konflikt mit Montenegro als Vorwand für eine direkte Militärintervention gegen Milosevic zu nutzen. Die ICG ist ein Think Tank für westliche Außenpolitik, zu dessen Geldgebern der milliardenschwere Finanzier George Soros gehört. Evans verlangte im Wall Street Journal vom 16. Juni, dass die NATO im Falle eines Konflikts mit der Bundesrepublik Jugoslawien auf Seiten Djukanovic‘ militärisch interveniert. Die NATO solle deutlich machen, dass einer solchen Situation "eine rasche militärische Antwort folgen wird, einschließlich strategischer Angriffe auf das jugoslawische Kommando- und Kontrollsystem [...] Es sollte außerdem eine Truppenbewegung in die Region geben, um die Entschlossenheit der NATO zur Abschreckung serbischer Aggressionen zu demonstrieren."

Das Pentagon hat bereits Pläne zur militärischen Intervention gegen die Bundesrepublik Jugoslawien für den Fall der Unabhängigkeitserklärung Montenegros. Eine Armeeeinheit - das zweite Marineexpeditionskorps - wurde ausgewählt, um eine Invasion anzuführen. "Schwimmende Plattformen" der US-Navy liegen vor der Adriaküste und die Eingreiftruppe des Marinekorps befindet sich in ständiger Bereitschaft. Bislang jedoch sind die Vereinigten Staaten und andere NATO-Mächte den Forderungen nach einem weiteren militärischen Abenteuer auf dem Balkan nicht nachgekommen. Die anhaltende Instabilität der derzeitigen Protektorate Bosnien und Kosovo, Sorgen bezüglich der europaweiten Folgen einer weiteren Zerstückelung Jugoslawiens und nicht zuletzt Unstimmigkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und Europa haben diesbezüglich als Hemmnis gewirkt.

Neben Montenegro unterstützen die Westmächte auch eine Bewegung für größere Autonomie in der Provinz Wojwodina im Norden Jugoslawiens. Der Export von Getreide aus dieser Region bringt der Föderation 25 Prozent ihres Bedarfs an harter Währung ein, zudem wurde das Getreide der Wojwodina gegen Öl und Gas aus Syrien, Libyen, Russland, dem Irak und der Ukraine getauscht. Eine Bewegung für Autonomie in der Wojwodina könnte das angrenzende Ungarn in den Konflikt hineinziehen. Ungarn ist erst kürzlich Mitglied der NATO geworden und fordert die Rückgabe der nördlichen Territorien, die nach dem Ersten Weltkrieg von dem besiegten Königreich Österreich-Ungarn abgetreten wurden. Bereits einen Monat nach dem Ende des NATO-Bombenkriegs 1999 führte der ungarische Premierminister Viktor Urban geheime Gespräche mit dem amerikanischen Verteidigungsminister William Cohen, die um die Frage der Autonomie für die ethnischen Ungarn im Norden der Provinz kreisten.

Siehe auch:
Politische Lehren aus dem Balkankrieg
(16. Juni 1999)
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