Untersuchungen belegen rassistisch motivierte Menschenrechtsverletzungen der deutschen Polizei

Flüchtlings- und Fremdenpolitik mit dem Schlagstock

Teil 2

Im Frühjahr 1995 wurden über die Medien schwere Vorwürfe gegen Beamte der Hamburger Polizei erhoben. Im Zuge der weiteren Untersuchungen trat der damalige Innensenator zurück und wurde ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft etabliert.

"Ein Hamburger Polizist, der von seinen insgesamt 17 Dienstjahren die beiden letzten auf der Polizeiwache 11 verbracht hatte, stellte sich im Zusammenhang mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft als Hauptzeuge zur Verfügung. Der Beamte sagte aus, er habe beobachtet, wie ein Kollege sechs festgenommene Afrikaner zwang, sich nackt auszuziehen, und sie dann in eine Zelle steckte. Anschließend habe der Beamte den gesamten Inhalt einer Tränengas- Spraydose in die Zelle entleert und in großer Eile die Tür verschlossen. Bei einem anderen Vorfall - so der Zeuge - habe er gesehen, wie ein Polizeibeamter einen nackten Häftling mit einem Desinfektionsspray besprüht hätte. In der Fernsehsendung [die den Fall publik machte] wurde aus einer Warnung des Herstellers zitiert, das Spray könne schwere Hautverätzungen verursachen. Der Zeuge berichtete weiter, er habe die Prahlereien von Beamten mitangehört, sie hätten einen festgenommenen Afrikaner am Hamburger Hafen einer Scheinhinrichtung unterzogen. Wie es hieß, hatten die Polizisten den Festgenommenen gezwungen, sich nackt auszuziehen. Dann hatte einer von ihnen dem Mann eine Waffe an die Schläfe gedrückt, während ein anderer einen Schuss in die Luft abfeuerte. Das Opfer habe sich vor Angst ‚fast bepisst und beschissen.‘" ( ai, "Ausländer als Opfer")

Im Zuge der Untersuchungen stellte sich zudem heraus, dass ein Polizist einen "Nigerianer 1993 ins Gesicht geschlagen und ihm in englischer Sprache erklärt hatte: "I hate niggers." Nachdem der Beamte den Festgenommenen angewiesen hatte, sich nackt auszuziehen, hatte er dessen Kleidung durchsucht und ihn, als er darin ein Kondom fand, gefragt: ‚Is that for a German girl?‘" ( ai,"Neue Fälle - altes Muster")

Die Tatsache, dass hier ein Polizist gegen Kollegen aussagte, sowie das große öffentliche Interesse machten es den maßgeblichen Stellen unmöglich, wie gehabt über die Sache hinwegzugehen. So wurde in Hamburg der oben erwähnte Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Berichte über "polizeiliches Fehlverhalten" prüfen sollte und von Oktober 1994 bis November 1996 arbeitete.

Die Innenministerkonferenz gab Ende 1994 eine Studie unter dem Titel "Polizei und Fremde" bei der Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup in Auftrag, deren Ergebnisse im Februar 1996 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der 1.140 Seiten starke Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses folgert nach Auswertung von über 3.000 Akten, "dass davon ausgegangen werden (kann), dass es in den Räumen der PRW 11 (Polizeirevierwache) zu Misshandlungen in Form körperlicher Übergriffe durch Polizeibeamte gekommen ist". Ebenso sieht der Ausschuss sich zu der Aussage gezwungen, "dass nicht von Einzelfällen einiger weniger ‚schwarzen Schafe‘ gesprochen werden" könne. Allerdings konstatieren die Autoren des Berichts im gleichen Atemzug, dass der Ausschuss "Beweise für durchgängige und systematische Übergriffe... bei seinen Ermittlungen nicht zutage gefördert" habe.

Die Mitglieder des Ausschusses weigern sich, die Tatsache eines fremdenfeindlichen Grundtenors innerhalb der Polizeiorganisation anzuerkennen und fliehen in vage Interpretationen und die Gleichsetzung von Fremden und Kriminellen, wenn es um die Ursachenforschung geht: "Von ihrer Tätigkeit im Rahmen der Bekämpfung der Drogenszene frustriert und unter dem Eindruck einer zu milden Ahndung von Drogendelikten durch die Justiz, scheinen einige Beamte in eigenmächtiger und illegaler Weise ‚Strafe vor Ort‘ in Form von körperlichen Übergriffen gegen festgenommene oder in Gewahrsam genommene Personen ausgeübt zu haben."

Als Konsequenz aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses wurde eine unabhängige Polizeikommission gegründet. Dieses Gremium, besetzt mit Ehrenamtlichen, untersteht fachlich nicht der Hamburger Innenbehörde und soll Anlaufstelle sein, um Misshandlungen melden zu können. Die drei Gremiumsmitglieder haben das Recht unangemeldet Wachen zu besuchen und das Recht auf Akteneinsicht. Doch wie groß das Interesse des politischen Establishments in Hamburg an Aufklärung und Verfolgung tatsächlich ist, zeigen die Einschränkungen, die durch den Innensenator (Hartmut Wrocklage, SPD) eingebaut wurden: Polizisten, die dem Gremium über Fehlverhalten von Kollegen berichten wollen, müssen gleichzeitig ihren Vorgesetzten informieren.

Die zweite Konsequenz, die aus der Veröffentlichung der Misshandlungen gezogen wurde, betraf einen der Journalisten, der an der Veröffentlichung der Vorgänge auf dem Hamburger Polizeirevier beteiligt war. Während er beruflich einer Kundgebung Jörg Haiders in Hamburg beiwohnte, wurde er Opfer einer Polizeiattacke: "Zwei Personen in Zivilkleidung (sprechen mich) an - wie ich später erfahre, zwei Polizeiführer. Der eine droht: ,Heute passt Du auf!‘ Der andere packt mich mit den aggressiven Worten: ,Wir kennen uns ja!‘

Die Bekanntschaft ist einseitig. Ich weiß nicht wer die Männer sind. (...) Plötzlich kommen weitere Zivilbeamte auf mich zu. Einer schlägt mir wortlos mit voller Wucht seine Faust ins Gesicht. Mehrere Männer prügeln auf mich ein, dann kommen Uniformierte hinzu. Sie treiben mich mit schmerzhaften Knüppelschlägen vor sich her. (...) Mit Würgegriffen werde ich mehrfach zu Boden gerissen, immer weiter schlagen Uniformierte auf mich ein. (...) Dann kommt ein weiterer Beamter, der mir den Schuh vom rechten Fuß zieht und den Fuß in beide Hände nimmt. Dann dreht er den Fuß brutal aus dem Gelenk. Ein ohrenbetäubender Knall geht durch meinen Körper bis in den Kopf. Da passiert es noch einmal. Wieder wird der Fuß aus dem Gelenk gerissen, wieder ein Knall. Alle Bänder im rechten Fußgelenk sind zerfetzt, irreparabel zerstört. Die Beamten lassen auf Intervention eines Vorgesetzten von mir ab, ich bleibe schwer verletzt auf dem Pflaster liegen." ( ai-Journal, Internetausgabe 9/96)

Die polizeiinterne Studie aus Münster-Hiltrup konstatiert, die Ergebnisse deuteten darauf hin, "dass es sich weder um ‚bloße Einzelfälle‘ noch um ein ‚systematisches Verhaltensmuster‘ der Polizei handelt, sondern dass die Kumulation von Belastungen in Ballungszentren mit hoher illegaler Einwanderung und Kriminalität sowie bei Großeinsätzen gegen verbotene Demonstrationen manche Beamte überfordert. Diese geraten dann in die Gefahr, einerseits zu resignieren, andererseits mit ‚Ersatzjustiz‘ ihrem Gerechtigkeitsgefühl oder auch nur ihrer Frustration und Überlastung illegalen Ausdruck zu verleihen." ( ai,"Neue Fälle - altes Muster")

Die Studie bietet auch Lösungsansätze, die eine konsequente Verlängerung ihrer Begründung der polizeilichen Folter darstellen: "Verdienstmöglichkeiten für Ausländer durch Drogenhandel und Zuhälterei begrenzen, der illegalen Einwanderung und ethnischen Segregation entgegenwirken."

Die Polizeigewerkschaft vertritt diesen Standpunkt erwartungsgemäß mit der deutlichsten Vehemenz. Die Studie der Hiltruper hat ihrer Meinung nach "eine Fremdenfeindlichkeit der deutschen Polizei ausdrücklich verneint". Sie sieht die Ursachen für sporadische polizeiliche "Überreaktion" im Verhalten des Ausländers an sich: "Ausländische Tatverdächtige treten der Polizei oft mit Gewalt, mit Beleidigungen und anderen Provokationen entgegen." So sei es "auch nicht gerechtfertigt, einen ganzen Berufsstand mit einigen zumeist widerlegten Fällen weltweit zu diffamieren. Außerdem hat häufig eine Überprüfung der Misshandlungsvorwürfe durch die Justiz stattgefunden und zu Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen geführt." ("Polizei und Fremde", Homepage der DpolG)

Nur wenige Mausklicks weiter vertieft die Polizeigewerkschaft die Darstellung ihrer Fremdenfeindlichkeit. So findet man in ihrer Stellungnahme "Ausländerrecht" die Forderung nach Abbau von "Abschiebungshindernissen" juristischer Natur, sowie die Befürwortung der weiteren Entrechtung von Flüchtlingen/Ausländern: "Das Erfordernis einer rechtskräftigen Verurteilung ist insoweit [für die Abschiebung] also nicht mehr notwendig. Was der Forderung der DpolG entspricht."

Quellen:

Amnesty International, Ausländer als Opfer. Polizeiliche Misshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, Mai 1995, ai- Index: EUR 23/06/95.

Amnesty International, Neue Fälle - altes Muster. Polizeiliche Misshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, Juli 1997, ai- Index: EUR 23/04/97.

Amnesty International, Vorwürfe über Misshandlungen an Ausländern - aktuelle Entwicklungen seit Veröffentlichung des Berichts vom Mai 1995, Februar 1996, ai- Index: EUR 23/02/96.

Bericht des UN- Sonderberichterstatters über Folter, grausame und unmenschliche Behandlung oder Strafe an die UN- Menschenrechtskommission 1997; E/CN. 4/1997/7/add. Januar

Berichts des Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, November 1996.

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