Briefe an das wsws

Wir veröffentlichen hier eine Auswahl von Briefen, die in den vergangenen Tagen das wsws erreichten. Bei einigen haben wir die Antwort der Redaktion beigefügt.

6. Oktober 2000

hi !

ich muss aus meiner sicht sagen, das eure wsws hompage mit abstand die informativsten und aktuellsten berichte bringt, die man auf deutsch von linken gruppierungen lesen kann. auch eure berichte über österreich und haider waren um einiges tiefgründiger und durchdachter, als man sie sonst lesen konnte.

auch die polemik spielt bei euch nicht die zentrale rolle und das finde ich auch gut so.

die gefahr sehe ich nur, das ihr als kleine gruppe eure kraft nicht nur auf das internet konzentrieren solltet, ok das werd ihr selber wissen, weil internet ein bisschen irreal ist und die täglichen kämpfe nicht ersetzen kann.

auch das thema zusammenarbeit verschiedener trotzkistischer gruppierungen ( ich selber gehöre keiner an) fehlt bei euch völlig.

hab gestern geocities/ trotzky oder so ähnlich gelesen. es gibt ungefähr 27 sogenannte trotzkistische internationalen, das würde doch einen diskussionsprozess rechtfertigen.

mit solidarischen grüßen

stefan

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17. Oktober 2000

Lieber Stefan,

es freut uns sehr, dass Dir unsere Web Site gefällt.

Was die Konzentration auf das Internet und die Zusammenarbeit verschiedener trotzkistischer Gruppen betrifft, so sehen wir diese Frage etwas anders. Wir betrachten es als unsere wichtigste Aufgabe, die politische Krise in der Arbeiterklasse zu überwinden, die selbst ein Produkt der jahrzehntelangen Vorherrschaft der sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratien über die Arbeiterbewegung und der damit verbundenen Niederlagen ist. Das Internet ist dazu das mit Abstand geeignetste Medium. Es erlaubt uns, eine um ein Vielfaches größere Leserschaft zu erreichen, als dies früher, als wir noch auf gedruckte Zeitungen angewiesen waren, der Fall war. Außerdem bauen wir damit als internationale Redaktion eine Weltpartei auf und können ein internationales Publikum erreichen.

Warum diese Art der täglichen Praxis - die kontinuierliche Analyse aktueller Ereignisse vom marxistischen Standpunkt, Polemiken, Berichte über kulturelle Ereignisse und Fragen, usw. - im Gegensatz zu dem, was Du als "tägliche Kämpfe" bezeichnest, "irreal" sein soll, verstehe ich nicht. Was genau meinst Du mit "täglichen Kämpfen". Ist es nicht so, dass (äußerst selten stattfindende) Streiks, Demonstrationen, Proteste und ähnliche Formen des Kampfs durch ein erschreckend niedriges politisches Niveau, durch Konfusion und Orientierungslosigkeit gekennzeichnet sind?

Man denke nur an die Proteste gegen den IWF in Seattle und anderswo. In Seattle protestierten rechte Nationalisten (Buchanan-Anhänger) Seite an Seite mit Gewerkschaftsbürokraten und diversen "Linken". Natürlich ignorieren wir solche Ereignisse nicht. Aber auch hier besteht der wichtigste Beitrag, den wir leisten können, in der Klärung der politischen Perspektiven. Deshalb veröffentlichen wir einige Texte im wsws auch als Flugblätter im PDF-Format.

Zur Frage der Zusammenarbeit. Natürlich ist es bedauernswert, dass es so viele verschiedene Organisationen gibt, die sich - mit welcher Berechtigung ist eine andere Frage - auf den Trotzkismus berufen. Aber man kann dieses Problem nicht lösen, indem man sich einfach zusammenschließt. Dies zu glauben wäre eine Illusion. Letztlich kann politische Einheit nur auf der Grundlage klarer Perspektiven erwachsen. Manchmal ist es besser, man bleibt getrennt, als im Interesse größerer Mitgliederzahlen einen Prinzipienschacher zu treiben.

Wenn das wsws, wie Du selbst schreibst, in der Lage ist, "mit Abstand die informativsten und aktuellsten Berichte" zu bringen, dann ist das nicht zuletzt ein Ergebnis der Tatsache, dass wir in unserer langen Geschichte Prinzipien stets höher gestellt haben als taktische Manöver. Unsere Partei - das Internationale Komitee der Vierten Internationale - blickt in dieser Hinsicht auf eine fünfzigjährige Geschichte zurück. Als wir uns 1953 von der Tendenz trennten, deren bekanntester Vertreter Ernest Mandel wurde, erschien das vielen als kleinlicher Streit. In Wirklichkeit ging es um Grundfragen der politischen Perspektiven. Wir beharrten darauf, dass kein Weg daran vorbeiführt, die Vierte Internationale als unabhängige marxistische Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen. Mandels Anhänger suchten nach Ersatz bei "fortschrittlichen" Stalinisten - Tito, Mao, Fidel Castro, und anderen. Heute ist von ihrer Organisation kaum noch etwas übrig.

Man kommt nicht darum herum, diese historischen Fragen zu studieren, wenn man sich ernsthaft dem Aufbau einer marxistischen Organisation widmen will. Wir haben dazu in unserem Verlag (http://arbeiterpresse.de) viel wichtiges Material veröffentlicht. Die umfangreichste Darstellung der Geschichte der Vierten Internationale ist "Das Erbe, das wir verteidigen" von David North.

In der Hoffnung, bald wieder von Dir zu hören, mit freundlichen Grüssen,

Peter Schwarz

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11. Oktober 2000

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute war ich zum ersten mal auf Ihrer Seite. Ich fühle mich sehr angesprochen. Zumindest weil ich einige Themen, die hier angesprochen wurden, hautnah erlebt habe.

Ich kann nur sagen, weiter so.

MfG

W. B.

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12. Oktober 2000

Sehr geehrte Partei für soziale Gleichheit,

was ich von Ihnen im Internet gelesen habe, gefällt mir ganz gut.

Aber wie kann eine neue sozialistische Gesellschaft konkret aussehen, wenn man sich mal vorstellt, dass 90% der Bevölkerung eines Landes sie wollten?

Vielleicht können Sie mir Literaturhinweise geben?

Vielleicht können Sie mal auf meine Web-Seite schauen und erfassen dann ganz schnell, was ich suche. Ich suche möglichst einen Sachtext, aber es geht auch Prosa oder Sience-Fiction oder kurz: Eine sogenannte "positive Utopie".

Vielen Dank,

Ihr O. D.

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13. Oktober 2000

Lieber O. D.,

die Utopie einer sozialistischen Gesellschaft lässt sich schwer in einem kurzen Brief entwerfen. Und letztlich ist es auch gar nicht unser Ziel, dies zu tun, denn ein wesentlicher Bestandteil einer sozialistischen Gesellschaft wird das Recht der Menschen sein, selbst zu bestimmen, wie sie leben wollen. Dass dies in der heutigen, kapitalistischen Gesellschaft, in der ökonomische Zwänge und Interessen das Leben bestimmen, nur beschränkt möglich ist, lässt sich wohl kaum bezweifeln.

Der erste Schritt in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft muss daher darin bestehen, diese Zwänge zu beseitigen und zu überwinden. Konkret: Die modernen Produktivkräfte, die Dinge leisten können, die bis vor kurzem Zeit nur im Traum möglich schienen, müssen in den Dienst der menschlichen Bedürfnisse anstatt der Profitmacherei gestellt werden. Das setzt eine politische Umwälzung voraus, in der die Arbeiterklasse - d.h. die große Mehrheit der Bevölkerung - tatsächlich die politische Macht übernimmt und ausübt. Sie darauf vorzubereiten und dazu in die Lage zu versetzen, ist unser Ziel.

Schauen Sie doch einmal auf unsere Web Site, neben der "www.wsws.org/de", die Sie ja schon kennen, auch auf die Site der Partei für Soziale Gleichheit, "gleichheit.de". Dort finden Sie auch unser Parteiprogramm. Was literarische Texte betrifft, so kommt mir spontan nur der über hundert Jahre alte, aber trotzdem ausgezeichnete Artikel von Oscar Wilde "Der Sozialismus und die Seele des Menschen" in den Sinn.

Herzlichen Gruß,

Peter Schwarz

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12. Oktober 2000

Ja - der Artikel und Kommentar zur 18-Prozent-Initiative in der Schweiz war überaus gelungen und sehr gut recherchiert.

Doch - hier liegt für mich die zentrale Frage - wie erreicht man wirkliche Toleranz bei der/dem durchschnittlichen Wohlstandseuropäer/in?

Die paradoxe Situation liegt und lag doch darin, dass sich die Schweizer Bevölkerung (und die umliegenden Staaten in Westeuropa hätten ähnliche Probleme angesichts einer solch gelagerten "Volksabstimmung", die es "dank" fehlender basisdemokratischer Rechte dort nur nicht gibt...) nur mit der Drohung ökonomischer Nachteile toleranteren Argumenten gefolgt ist - die Abstimmungskampagne ist wohl leider nur die Spitze eines xenophoben Eisbergs, der wohl allen wohlhabenden Staaten der Europas eigen ist.

Die Migrationsbewegungen in die erste Welt sind doch bei genauerem Hinsehen nichts anderes als eine Infragestellung des Reichtumsmonopols - doch in ihrer individualistischen Erscheinungsform werden sich die Staaten der "Metropolenländer" wohl noch lange dagegen wehren können & und alle kruden Rechtsmilieus können noch kräftig ihre Süppchen darauf kochen.... (was dann auch wieder ganz gut zur Verbesserung der "Inneren Sicherheit" zur Verwendung steht).

Außer der Analyse habe ich jedoch auch keine Antwort zu bieten - es sei denn... aber dies ist wohl ein Romantizismus des 19. Jahrhunderts gewesen & überhaupt...

Beste Grüße von H. L.

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17. Oktober 2000

Lieber H. L.,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die eine Menge Diskussionsstoff enthält. Obwohl Sie meinen Artikel loben, scheint es, dass Sie mit seiner Aussage nicht ganz übereinstimmen.

Ich hatte darin folgenden Unterschied zu machen versucht: Einerseits wurde eine ausgesprochen fremdenfeindliche Initiative in der Bevölkerung entschieden abgelehnt. 64 Prozent stimmten dagegen, in der französischen Schweiz sogar 75 Prozent. Andererseits erlebten wir diese erschreckende Kampagne der Politiker, Wirtschaftsprecher und Medien, die eine zahlenmäßige Zuwanderungsbegrenzung wegen ökonomischer Interessen, wegen der Verhandlungen mit der EU etc. zur Zeit nicht wollen, im Grunde aber ausländischen Arbeitern und Flüchtlingen gegenüber genau so arrogant und feindlich eingestellt sind, wie die Urheber der Initiative selbst.

Ihrem Schreiben liegt die pessimistische Auffassung zugrunde, dass all diejenigen, die "Nein" stimmten, dies in Wirklichkeit nur aus den gleichen opportunistischen Gründen getan hätten wie die offiziellen Sprecher der Banken, Parteien und Medien. Sie schreiben: "Die paradoxe Situation liegt und lag doch darin, dass die Schweizer Bevölkerung (...) nur mit der Drohung ökonomischer Nachteile toleranteren Argumenten gefolgt ist - die Abstimmungskampagne ist wohl leider nur die Spitze eines xenophoben Eisbergs, der wohl allen wohlhabenden Staaten Europas eigen ist." Und Sie fragen: "Wie erreicht man wirkliche Toleranz bei dem/der durchschnittlichen Wohlstandseuropäer/in?"

Hier kommt meiner Meinung nach eine Pauschalisierung zum Ausdruck, die für eine ernsthafte politische Herangehensweise unzulässig ist: Der "durchschnittliche Wohlstandseuropäer" als allgemeines Phänomen - das gibt es nicht. Die Gesellschaft besteht aus unterschiedlichen Klassen, Schichten und Zwischenschichten, die zueinander in Beziehung stehen und teilweise widersprüchliche Interessen haben.

Globale Veränderungen haben in den letzten Jahren die Landschaft auch in der Schweiz verändert. Eine starke soziale Polarisierung zeichnet sich ab. Die Arbeitslosigkeit, die 1980 noch bei 0,2 Prozent lag, stieg vorübergehend auf über fünf Prozent und ist erst in letzter Zeit auf ca. drei Prozent wieder abgesunken. Die Arbeitsverhältnisse sind im allgemeinen unsicherer und schwieriger geworden, und während sich eine kleine Schicht enorm bereichert, tragen Angestellte, Arbeiter und Arbeitslose alle Kosten.

Rückständige Fremdenfeindlichkeit ist zunächst typisch für eine bestimmte Schicht der Mittelklasse, d.h. der Kleineigentümer, die in der Globalisierung eine ganz konkrete Bedrohung sehen und sich am Alten festklammern wollen. Es gehört schon eine große Portion Borniertheit dazu, die demagogische Schweiz-Tümelei eines global agierenden Großkapitalisten wie Christoph Blocher zu akzeptieren, im italienischen oder srilankischen Arbeiter jedoch eine Bedrohung für die eigene Existenz zu erblicken.

Doch schließen wir die Augen nicht davor, dass rechte und nationalistische Tendenzen auch in ungebildeteren und rückständigeren Schichten der Arbeiterklasse Einzug halten. Der Grund dafür liegt in erster Linie im Niedergang und der völligen Verbürgerlichung der traditionellen Parteien und politischen Organisationen der Arbeiterbewegung, der Sozialdemokratie, des Stalinismus und der Gewerkschaften.

Weder Gewerkschaft noch Sozialdemokratie, noch die schweizerische stalinistische Partei, die Partei der Arbeit, gehen in ihren politischen Erwägungen auch nur im Geringsten vom elementaren Prinzip der internationalen Solidarität aus. Oft treten ihre Vertreter für nationalistische Parolen ein. Nur eine Woche vor der Abstimmung trat die Präsidentin des Gewerkschaftsverbands SMUV, Christiane Brunner, die seither zur SP-Sekretärin aufgestiegen ist, in einem Interview der Neuen Luzerner Zeitung ausdrücklich für eine Quotenregelung der Zuwanderung ein - da sonst alle Arbeiter zur SVP abwandern würden.

Ist es ein Wunder, wenn Arbeiter auf die enormen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen mit Verwirrung reagieren, solange keine prinzipielle politische Alternative existiert?

Sie schreiben ja selbst - da, wo sie von der einzig denkbaren Antwort sprechen - dies sei "wohl ein Romantizismus des 19. Jahrhunderts". Das kann nur eine Anspielung auf proletarischen Internationalismus und Marxismus sein. Die Tatsache, dass diese Alternative heute so vielen als "Romantizismus des 19. Jahrhunderts" erscheint, rührt daher, dass Sozialismus mit Stalinismus gleichgesetzt wird, wobei erstens die stalinistische Bürokratie die zentralen sozialistischen Prinzipien im zwanzigsten Jahrhundert ins pure Gegenteil verdreht hat, und zweitens der Niedergang der Bürokratie Anfang der neunziger Jahre propagandistisch als "das Ende des Sozialismus" ausgeschlachtet wurde.

Obwohl die öffentliche Meinung stark von den Kapitalinteressen dominiert wird, ist die arbeitende Bevölkerung nicht einfach eine manipulierte Masse, sondern hat ihre eigenen Hoffnungen und Überlegungen. Immerhin hat in der Schweiz die Mehrheit gerade die sechste xenophobe Initiative der letzten dreißig Jahre zurückgewiesen. Fast am gleichen Tag konnte man in andern Ländern weitere Beispiele einer zunehmende Entfremdung größerer Teile der Bevölkerung vom herrschenden politischen System beobachten: In Dänemark wurde die Einführung des Euro entgegen dem Votum der offiziellen Politik abgelehnt, und in Frankreich verweigerte sich die Bevölkerung durch eine Rekordstimmenthaltung von über siebzig Prozent einem Verfassungsreferendum.

Natürlich reichen solche Äußerungen der Unzufriedenheit mit der offiziellen Politik für eine Veränderung nicht aus. Eine fundierte solidarische Zukunftsperspektive erfordert eine neue politische Partei der Arbeiterklasse. Und genau das ist unser Ziel und das Ziel unserer Website, der World Socialist Web Site. Als Alternative zur Europäischen Union treten wir für das Ziel der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ein - als Schritt hin zu einer geplanten sozialistischen Weltwirtschaft.

Warum ist dies kein "Romantizismus aus dem 19. Jahrhundert"? Weil die materiellen Voraussetzungen dafür im Zuge der Globalisierung ganz objektiv heranreifen - einer Globalisierung, die unter kapitalistischem Vorzeichen zwar für eine winzige Schicht von Börsenhaien astronomischen Reichtum und Millionen Menschen Hunger und Elend bringt, die aber durch die enorme Produktionssteigerung mittels moderner Technologie auch die Vorbedingungen schafft, um das sogenannte "Reichtumsmonopol" zu knacken und der ganzen Menschheit eine lebenswürdige Existenz zu ermöglichen.

Ich freue mich, Ihre Meinung zu diesen Argumenten kennenzulernen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

M. Arens

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17. Oktober 2000

Hallo Genossen,

die zentrale These im Artikel "Wie der Westen den Sturz von Milosevic organisierte" von Chris Marsden ist, dass der Westen den Sturz Milosevics in Zusammenarbeit mit DOS organisiert hat. Weiter "Sollte sich eine solche wirkliche demokratische Massenbewegung entwickeln, würde ihr nichts als Feindschaft entgegenschlagen von jenen Medienvertretern, die den 5. Oktober bejubelten."

Letztere Aussage ist sicherlich richtig, was sich allein daran zeigt, dass die Medien als wichtigste Aufgabe sehen, "Ruhe und Ordnung" wieder herzustellen, sowie dass Kostunica die Unterordnung Jugoslawiens sicherstellt. Der Westen sieht seine Chance, Jugoslawien für westliche Konzerne zu öffnen. Hierfür wurden auch beachtliche Mittel "investiert".

Aber sind die Ereignisse in Jugoslawien als westlicher Putsch ausreichend erklärt ?

Ich denke, der Genosse übersieht die Rolle der serbischen ArbeiterInnen und Otpor. Diese waren nicht einfach Marionetten. Sie kämpften gegen die politischen und sozialen Bedingungen des Regimes Milosevic - Massenarbeitslosigkeit, Repression, Armut und Zensur. Es stimmt, dass diese nicht in der Lage waren - sowohl organisatorisch als auch ideologisch - die Interessen der ArbeiterInnen zu formulieren. Dies führte dazu, dass DOS teilweise die Führung erlangen konnte. Wenn mensch aber deren Rolle in der Vergangenheit (z.B. 1996) betrachtet, wird deutlich, dass Führer wie Djindjic oder Draskovic die Bewegung immer zurückgehalten haben. Das war dieses mal auch nicht anders. Die Stärke der Bewegung war ihre Massenbasis und ihre Spontaneität.

Das Spontaneität nicht ausreicht, sollte nach der Februar-Revolution 1917, den Revolutionen im Ostblock 1989 und Indonesien 1998 klar sein. Beim Fehlen einer revolutionären, sozialistischen Arbeiterpartei füllen kleinbürgerlichen Demokraten das ideologische Vakuum. Deren Politik konnte noch nie wirkliche soziale Veränderungen bewirken. Es werden zwar bürgerliche-demokratische Rechte erkämpft, die Besitzverhältnisse werden nicht angerührt. Wenn sich die Herrschenden wieder stark genug fühlen, werden selbst diese nach und nach wieder zurückgenommen.

Als Sozialisten sollten wir für den Aufbau einer marxistischen Arbeiterpartei argumentieren und Beispiele, wie die Macht der Bergarbeiter von Kolubara und den Kampf um die Betriebsleitungen hervorheben. "Wirkliche demokratische" Massenbewegungen gleichen immer der in Jugoslawien am 5.10 - solange sie auf demokratische Ziele beschränkt sind und von Liberalen geführt werden. Eine Partei muss aufgebaut werden, die der Arbeiterklasse ermöglicht ihre eigenen Interessen zu formulieren.

Mit sozialistischen Grüßen

L. S.

Siehe auch:
Fremdenfeindliche Initiative in der Schweiz abgelehnt
(29. September 2000)
Wie der Westen den Sturz von Milosevic organisierte
( 17. Oktober 2000)
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