Nordrhein-Westfalen:

Kurdischer Sprecher des Wanderkirchenasyls in die Türkei abgeschoben

Am Dienstag den 31. Oktober wurde der Kurde Hüseyin Calhan, einer der Sprecher des Wanderkirchenasyls, das im letzten Jahr mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet worden war, von Düsseldorf nach Istanbul abgeschoben. Ebenso wie Mehmet Kilic, einem weiteren bekannten Vertreter des Wanderkirchenasyls, der eine Woche vorher aus Nordrhein-Westfalen abgeschoben worden war, drohen ihm in der Türkei Verhaftung und schwere Misshandlungen. Mehmet Kilic war bei seiner Ankunft direkt von der Flughafenpolizei in Istanbul verhaftet worden.

Über 200 kurdische Flüchtlinge befinden sich seit mehr als zwei Jahren im Wanderkirchenasyl, das von vielen Kirchengemeinden getragen wird. Hüseyin Calhan war 1995 nach Deutschland gekommen, nachdem er in der Türkei verfolgt und mehrfach gefoltert worden war. Trotzdem wurde sein Asylantrag von den deutschen Behörden abgelehnt und alle Klagen dagegen von den Gerichten abgewiesen. Seit 1998 beteiligte er sich an dem Wanderkirchenasyl und wurde ein Sprecher dieser Initiative, die sich für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht der Flüchtlinge in Deutschland einsetzt.

Bei einer erneuten Einzelfallprüfung aller Teilnehmer des Wanderkirchenasyls, die das SPD-geführte nordrhein-westfälische Innenministerium auf Vermittlung der Grünen Anfang 1999 zugesagt hatte, wurden nur sehr wenige der Betroffenen als Asylberechtigte anerkannt. Calhans Antrag wurde erneut abgelehnt, weil er angeblich "keine nachprüfbaren Fakten" für seine politische Verfolgung vorlegen konnte. Von zwanzig Flüchtlingen, die sich im Wanderkirchenasyl in Bielefeld befinden, hat bisher erst eine Familie eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung bekommen. Die meisten anderen erhielten nur eine kurzfristige Duldungen.

Im Januar dieses Jahres kam es zur ersten Abschiebung aus dem Wanderkirchenasyl. Yusuf Demir wurde nach seiner Abschiebung aus Deutschland von der türkischen Anti-Terror-Polizei verhaftet und mehrfach misshandelt. Dabei wurde er auch über andere Teilnehmer am Wanderkirchenasyl befragt. Dies wird nicht nur von türkischen Menschenrechtsgruppen und Flüchtlingsorganisationen wie amnesty international bestätigt, sondern auch durch einen Lagebericht des deutschen Außenministeriums. Yusuf Demir lebt derzeit versteckt in der Türkei aus Angst vor weiteren Zugriffen des türkischen Militärs, wie das Aachener Flüchtlingsplenum berichtete.

All diesen Berichten und zahlreichen Protesten zum Trotz setzt die rot-grüne Landesregierung von NRW ihre brutale Abschiebepolitik fort. Auch zwei tamilische Flüchtlinge, die nach wochenlangem Hungerstreik Anfang Oktober von Düsseldorf nach Sri Lanka abgeschoben wurden, wurden sofort nach ihrer Ankunft in Colombo verhaftet.

Im Fall von Hüseyin Calhan hatten in der Nacht vor seiner Abschiebung Mitglieder mehrerer Flüchtlingshilfeorganisationen vor dem Abschiebegefängnis in Büren für ein Bleiberecht für ihn demonstriert. Auch Schriftsteller wie Günter Grass und Günter Wallraff, Künstler und Intellektuelle haben gegen seine Abschiebung und die Asyl- und Abschiebepraxis der Düsseldorfer Landesregierung protestiert. Offensichtlich soll jetzt das Wanderkirchenasyl als letzte Zuflucht für abgelehnte Asylbewerber zerschlagen werden.

Am 31. Oktober hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf zwei Eilanträge gegen Calhans Abschiebung abgelehnt. Am gleichen Tag wurde er in die Türkei abgeschoben. Auch sein angeschlagener Gesundheitszustand nach wochenlangem Hungerstreik wurde nicht als Abschiebehindernis anerkannt. Das Gesundheitsamt in Paderborn attestierte, dass er reisefähig sei.

Auch Mehmet Kilic hatte in den letzten zwei Wochen vor seiner Abschiebung, nachdem er in Büren inhaftiert worden war, Essen und Trinken verweigert. Eine unabhängige Ärztin bezeichnete seinen Zustand als präkomatös - kurz vor dem Koma. Für die Behörden kein Abschiebe-Hinderungsgrund.

Das Flüchtlingsplenum Aachen wirft dem von Fritz Behrens (SPD) geführten Innenministerium in Nordrhein-Westfalen vor, bei seiner Abschiebepolitik über Leichen zu gehen. Es forderte den Aachener Oberbürgermeister Jürgen Linden auf, Zivilcourage gegenüber seinem Parteigenossen, Innenminister Fritz Behrens, zu zeigen und mit seinem Rücktritt zu drohen, falls die Abschiebung von Hüseyin Calhan nicht verhindert werde. Linden hatte gemeinsam mit Calhan am 27. September bei einem Fest der Aachener Zeitung für ein "Engagiertes Nein gegen Rassismus" aufgerufen. Am gleichen Tag wurde Calhan in Aachen verhaftet und am nächsten Tag in die Abschiebehaft nach Büren gebracht.

Siehe auch:
Rot-grüne Koalition in NRW schiebt Tamilen ab
(10. Oktober 2000)
Opfer der rot-grünen Asylpolitik
( 4. Mai 2000)
Opfer der rot-grünen Asylpolitik
( 10. Mai 2000)
Loading