Die politischen Fragen denen die amerikanischen Arbeiter am Wahltag gegenüberstehen

Die hervorstechendste Tatsache, der die amerikanischen Arbeiter am Tag der 2000-er Präsidentschaftswahl gegenüberstehen, ist die Abwesenheit jeder wirklichen politischen Alternative. Die Abstimmungsmöglichkeiten, die dem Wähler präsentiert werden, unterstreichen, dass der breiten Mehrheit der Bevölkerung durch das gegenwärtige politische System effektiv das Wahlrecht entzogen wurde. Keine der beiden offiziellen Parteien vertritt ihre Interessen.

Die Republikanische Partei ist die Partei der unverfrorenen Reaktion. Die Nominierung des texanischen Gouverneurs George W. Bush, eines Mannes, der in keiner Hinsicht in der Lage ist die enorme Verantwortung der Präsidentschaft zu übernehmen, zeigt das Ausmaß ihrer Geringschätzung gegenüber der amerikanischen Bevölkerung.

Im Namen des "mitfühlenden Konservatismus" schicken die Republikaner einen Politiker ins Rennen, der für die Hinrichtung von 145 Menschen verantwortlich ist. Als ein Mann ohne intellektuelle Interessen erfüllt Bush zum größten Teil die Rolle eines Aushängeschilds - ein lächelndes Gesicht, hinter dessen Fassade die schlimmsten und reaktionärsten Kräfte der amerikanischen Gesellschaft am Werke sind. Die Hauptstoßrichtung von Bushs Wahlprogramm ist die Abschaffung aller Beschränkungen in Bezug auf persönliche Bereicherung, auf die Ausbeutung der Arbeiterklasse und auf die Plünderung von Natur und Umwelt.

Die Demokratische Partei stellt sich zwar als Verteidigerin der Arbeiterklasse und Mittelklasse dar, ist aber den Interessen der Wirtschaft verpflichtet. Der Kandidat der Demokraten Al Gore hat in keinerlei Beziehung ernsthafte soziale Reformen vorgeschlagen. Er hat wiederholt dem finanziellen Establishment versichert, dass er jede Rückkehr zu einer "starken Regierung" ablehnt - womit er eine liberale Reformpolitik meint.

Gores gelegentliche populistische Rhetorik täuscht über die Bilanz der Clinton-Gore-Regierung hinweg, unter der das soziale Sicherheitsnetz vernichtet und eine energische Sparpolitik verfolgt wurde und die privilegierten sozialen Schichten sich kolossal bereichern konnten. Unter Clinton und Gore wurde die gegen die Arbeiterklasse gerichtete Offensive fortgesetzt, die Reagan begonnen hatte, wodurch die soziale Ungleichheit weiter anwuchs.

Dennoch verfolgen die Demokraten eine etwas andere Klassenstrategie als die Republikaner, indem sie sich direkter auf die Mitarbeit der Gewerkschaftsbürokratie und des Bürgerrechts-Establishments stützen. Doch trotz all der grimmigen Kämpfe zwischen den beiden Parteien sind sie sich in den Punkten einig, die für die amerikanische Finanzoligarchie von grundlegendem Interesse sind.

Auch der Kandidat der Grünen Ralph Nader stellt keine wirkliche Alternative für die arbeitende Bevölkerung dar. Seine eklektische und wirre reformistische Perspektive ist ein Ausdruck dessen, dass sich die Grünen auf die Mittelklasse als gesellschaftliche Basis ihrer Politik stützen.

Nader kritisiert einige der offensichtlichsten Mängel des Zwei-Parteien-Systems, aber er verteidigt das kapitalistische Profitsystem, auf dem das Zwei-Parteien-Monopol basiert. Er fördert die Illusion, dass die herrschende Elite irgendwie, unter dem Druck der Öffentlichkeit, dazu bewegt werden kann, ihre Kontrolle über das politische System zu lockern und Reformen mit demokratischem und egalitären Charakter durchzuführen. Er verbindet seine Forderung nach liberalen Reformen mit einem reaktionären Appell an wirtschaftsnationalistische Gefühle - eine politische Orientierung, die den extrem rechten Kräften Glaubwürdigkeit verleiht.

Und schließlich kämpft Nader nicht für einen prinzipiellen Bruch mit der Demokratischen Partei. Im Gegenteil stellt er eine Stimmabgabe für die Grünen als Mittel zur Unterstützung der Demokraten dar. Hiermit, so betont er, würde der Flügel unterstützt, den er "progressiv" nennt, und dadurch die Demokartische Partei als Ganze nach links gedrückt.

Die Socialist Equality Party wirbt nicht dafür, irgendeinem dieser Kandidaten die Stimme zu geben. Nicht deshalb, weil wir für politische Enthaltung eintreten würden, sondern weil die Empfehlung eines Kandidaten bedeutet, dass man Verantwortung für seine oder ihre Politik übernimmt.

Viele, die zur Wahl Gores aufrufen, tun dies nicht, weil sie von dem Kandidaten begeistert sind, sondern weil sie geltend machen, dies sei der einzige Weg um einen Wahlsieg der Republikaner zu verhindern. Diese Argumentation - die Politik des "geringeren Übels" - wurde immer wieder vorgebracht, um Unterstützung für die Demokraten zu mobilisieren. Und immer wieder, wenn sie das Präsidentenamt mit dem Versprechen gewonnen hatten, der Politik der Republikaner entgegenzutreten, haben die Demokraten große Teile des republikanischen Programms übernommen und durchgesetzt. Die Clinton-Gore-Regierung ist ein hervorragendes Beispiel hierfür.

Der Angriff auf die Arbeiterklasse in den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde immer auf der Grundlage der Verständigung zwischen den zwei Parteien durchgeführt - sowohl unter demokratischen wie auch unter republikanischen Präsidenten und sowohl mit demokratischer wie auch mit republikanischer Kongressmehrheit. Auf dem Feld der Außenpolitik haben sich die beiden Parteien zudem die Hände gereicht, um militärische Aggressionen durchzuführen, sei es in Panama, im Irak oder in Jugoslawien.

Selbst nach amerikanischem Standard hat sich der diesjährige Wahlkampf durch seinen schieren Zynismus von vorhergegangenen unterschieden. Keine der Parteien hat erklärt, was sie zu unternehmen gedenkt, wenn der spekulative Boom zu Ende geht. Unerwähnt im Wahlkampf blieb die drohende Finanzkrise, für die sich die Anzeichen in den letzten Wochen verdichtet haben, das Auf und Ab an der Börse, der Aufruhr in den Währungsmärkten, ein Außenhandelsdefizit in Rekordhöhe, sinkende Unternehmensgewinne so wie Produktionsrückgänge und Entlassungen. Die Kandidaten haben sich in Phantom-Debatten gestürzt, wobei beide Parteien die sich vertiefende Wirtschaftskrise ignorierten, die in letzter Instanz die Politik der nächsten Regierungszeit bestimmen wird - egal, welche Partei den Präsidenten stellt.

Der schärfste Ausdruck für die Krankheit des politischen Systems ist das Schweigen aus beiden Lagern über die größte konstitutionelle und politische Krise des letzten Jahrhunderts - den ein Jahr dauernden Versuch des republikanisch kontrollierten Kongresses und rechter Kräfte in den Medien, der Justiz und der Wirtschaft, die Clinton-Regierung abzusetzen. Die Republikaner wagen nicht, die Impeachment-Verschwörung anzusprechen, weil sie eine allgemeine Empörung der Öffentlichkeit hervorrief und zur Niederlage der Republikaner in den Kongresswahlen 1998 führte. Die Demokraten vermeiden das Thema ebenso, weil sie fürchten, damit die Öffentlichkeit auf den Niedergang der demokratischen Institutionen und den enormen Einfluss ultra-rechter Kräfte innerhalb des politischen Establishments aufmerksam zu machen.

Die Hauptlehre, die aus den 2000-er Wahlen unabhängig von ihrem Ausgang gezogen werden muss, ist die Notwendigkeit, eine Alternative der Arbeiterklasse zu den zwei großen Parteien aufzubauen. Eine neue Partei muss errichtet werden, um den Forderungen des Profitsystems ein sozialistisches und internationalistisches Programm entgegenzustellen, das Ausdruck der Bedürfnisse der Arbeiterklasse ist. Dies ist die politische Aufgabe, die sich die Socialist Equality Party und ihr Organ, das World Socialist Web Site, gestellt haben.

Siehe auch:
Weitere Artikel zu den US-Wahlen
Veranstaltung an der Berliner Humboldt-Universität:
Die amerikanische Präsidentschaftswahl und ihre internationale Bedeutung

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