Die Vereinigten Staaten nehmen Venezuela ins Visier

Bush bereitet aggressive Lateinamerika-Politik vor

Die zukünftige republikanische Regierung in Washington bereitet sich auf eine härtere und aggressivere Gangart gegenüber Lateinamerika vor. Ins Visier geraten dabei lateinamerikanische Nationalisten, die als Gegner der ökonomischen und politischen Interessen der Vereinigten Staaten angesehen werden, darunter die Führer von Venezuela und Haiti wie auch der traditionelle Sündenbock des US-Imperialismus, der kubanische Präsident Fidel Castro.

Nach einem Bericht vom 28. Dezember in der Tageszeitung New York Times - die traditionell ein Resonanzboden für die außenpolitischen Vorhaben der amerikanischen Regierung ist - steht der venezolanische Präsident Hugo Chavez, der als populistischer ehemaliger Offizier die Politik des ölreichen Landes dominiert, im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die Times zitiert "Vertreter der Republikanischen Partei und außenpolitische Experten" und berichtet von einem "wachsenden Glauben in republikanischen Kreisen, dass Herr Chavez die amerikanische Außenpolitik unterhöhlt, indem er Öl an Kuba liefert, sich dem ‚Plan Colombia' widersetzt, mit dem die USA unter Einsatz von 1,3 Milliarden Dollar den Drogenhandel in Südamerika bekämpfen wollen, und indem er Guerillatruppen und oppositionelle Kräften in den benachbarten Andenstaaten politisch unterstützt."

Venezuela ist der viertgrößte Öllieferant der Vereinigten Staaten, der Anteil des Landes an den amerikanischen Ölimporten beläuft sich derzeit auf 13 Prozent. Chavez hat sich den angespannten Ölmarkt und den dadurch erzeugten wirtschaftlichen Druck zunutze gemacht und die Ölpreise angehoben, um eine unabhängigere Stellung der venezolanischen Außenpolitik zu erreichen. Er ist das einzige lateinamerikanische Staatsoberhaupt, das seit dem letzten Golfkrieg den Irak besucht und sich der Wirtschaftsblockade unter Führung der Vereinigten Staaten widersetzt hat, und kürzlich empfing er Castro bei dessen Staatsbesuch in Caracas.

Chavez hat sich öffentlich gegen die zunehmende militärische und politische Einmischung der Clinton-Regierung in den Bürgerkrieg im benachbarten Kolumbien gestellt und vor einer Flüchtlingswelle nach Venezuela gewarnt, sollte sich der Guerillakampf zu einem größeren Konflikt ausweiten.

Außenpolitische Experten der Republikaner sagten gegenüber der Times, dass die Bush-Regierung sich stärker auf Mexiko als Öllieferanten stützen wolle, um die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von venezolanischen Importen zu verringern. Bis zum Jahre 2000 war Venezuela der größte Einzellieferant in die Vereinigten Staaten, ist aber hinter Kanada, Mexiko und Saudi-Arabien gefallen, seit Chavez die Produktion stark verringerte, um die Preise hochzutreiben. Auf Chavez‘ Drängen hat Venezuela eine prominentere Rolle in der OPEC eingenommen, und der venezolanische Ölminister Ali Rodriguez wird mit Jahresbeginn 2001 der Generalsekretär der OPEC werden.

Weiter wird die Bush-Administration gegenüber Venezuela eine Politik betrieben, die auf die interne Unterhöhlung des Chavez-Regimes abzielt. Die Times schreibt: "Von der nächsten Regierung wird erwartet, dass sie ihre Kontakte zum venezolanischen Militär festigt, das zunehmend unzufriedener mit Herrn Chavez ist, wie republikanische Experten mitteilen. Anders als Herr Chavez haben viele venezolanische Offiziere in den Vereinigten Staaten studiert, sind dort ausgebildet worden und teilen seinen Argwohn nicht, wie gesagt wird."

Deutlicher ausgedrückt bedeutet dies, dass die Regierung der Vereinigten Staaten einen Militärputsch gegen Chavez organisieren wird, wenn dieser nicht spurt. Noch bevor Bush das Präsidentenamt übernommen hat, hat das Außenministerium der Vereinigten Staaten bereits damit begonnen, Vorwürfe von drei südamerikanischen Ländern - Kolumbien, Ecuador und Bolivien - zu prüfen, wonach Chavez linke Guerillagruppen oder Organisationen der indigenen Bevölkerung mit Materiallieferungen unterstützen soll.

Eine erneute Aggressivität der Vereinigten Staaten in Lateinamerika signalisierte Bush bereits im Wahlkampf in einer Rede, die er am 26. August vor einem größtenteils kubanisch-amerikanischen Publikum an der Florida International University in Miami hielt. Der republikanische Kandidat erklärte, dass Lateinamerika von höchster Wichtigkeit für die Vereinigten Staaten sei und deutete an, dass die Interventionen des amerikanische Militärs im Mittleren Osten und auf dem Balkan in der westlichen Hemisphäre wiederholt werden könnten.

"Unser Land hatte Recht, über ein Land wie den Kosovo beunruhigt zu sein," sagte er, "aber der Konflikt in Kolumbien erzeugt mehr Flüchtlinge. Amerika hat Recht, über Kuwait beunruhigt zu sein, aber ein größerer Teil unseres Öls kommt aus Venezuela. Amerika hat Recht, den Handel mit China zu begrüßen, aber wir exportieren beinahe ebenso viel nach Brasilien."

Bush erklärte auch seine Unterstützung für den "Plan Colombia" der Clinton-Regierung, ein 1,3 Milliarden Dollar umfassendes Militärhilfeprogramm für die kolumbianische Regierung und ihren Kampf gegen verschiedene Guerillagruppen, das mit Hilfe des republikanisch kontrollierten Kongresses verabschiedet wurde. Das kolumbianische Militär hat angekündigt, am 31. Januar 2001 den zweijährigen Waffenstillstand mit den Guerillas zu beenden, um den Südwesten des Landes zurückzuerobern, der während der Waffenruhe von der größten Guerillagruppe FARC kontrolliert wurde.

Ein anderes unmittelbares Ziel amerikanischen Drucks ist die Regierung von Jean-Bertrande Aristide in Haiti. Aristide wurde im November ein zweites Mal zum Präsidenten gewählt und kehrte damit in das Amt zurück, in das er 1990 zum ersten Mal gewählt worden war. (Der ehemalige Geistliche wurde 1991 durch einen Militärputsch gestürzt und kam 1994, nach der amerikanischen Besatzung, wieder an die Macht. 1995, als seine fünfjährige Amtszeit zu Ende ging, verließ er das Präsidentenamt.)

Obwohl Aristide und seine Lavalas Partei sowohl die Präsidentenwahl im November wie auch die Parlamentswahlen im vergangenen Mai erdrutschartig gewonnen haben, fordern die Republikaner im Kongress, dass Washington ihn vom allamerikanischen Gipfel ausschließen soll, der im April in Kanada stattfinden wird. Jesse Helms, der Vorsitzende des Komitees für auswärtige Angelegenheiten im Senat, verunglimpfte die Wahlen in Haiti als "Betrug", obgleich Aristide eine überwältigende Unterstützung in der Bevölkerung genießt und sein Sieg echter war als der von George W. Bush.

In einer gemeinsame Stellungnahme verurteilten Jesse Helms und der Kongressabgeordnete von Florida, Porter J. Gross, der dem Komitee für Geheimdienstfragen vorsteht, die "Drogenhändler, Kriminellen und anderen anti-demokratischen Elemente, die Jean-Bertrande Aristide umgeben" und forderten ein Ende "aller direkter Unterstützung für die haitianische Regierung", die auf Hilfsgelder der Vereinigten Staaten stark angewiesen ist.

Als Antwort auf den Druck der Republikaner entsandte die Clinton-Regierung den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Anthony Lake, um Aristide eine erniedrigende Erklärung zu entlocken, die jüngste Demonstration der Unterwürfigkeit des haitianischen Präsidenten gegenüber Washington. Aristide stimmte insgesamt acht Forderungen zu, unter anderem einer Entscheidungswahl um Senatssitze, die von seinen politischen Gegnern gefordert wurde, einer Einladung an Oppositionsparteien der Regierung beizutreten, einer neuen Wirtschaftspolitik, die von IWF und Weltbank festgesetzt wird, und einer neuen politischen "Reform", die von der Organisation Amerikanischer Staaten überwacht werden soll.

Aristide stimmte sogar zu, die Küstenwache der Vereinigten Staaten unter dem Vorwand der Verfolgung von Drogenhändlern in den territorialen Gewässern Haitis patrouillieren zu lassen - eine Maßnahme, die vor allem gegen die illegale Einwanderung aus Haiti in die USA gerichtet ist. Besteht die derzeitige Politik der Vereinigten Staaten in Bezug auf haitianischen Immigranten vor allem in Abschiebung und Rückführung, so wird sie zukünftig durch eine Art Seeblockade der karibischen Nation ersetzt.

Siehe auch:
Die politische Krise in den USA und ihre Auswirkungen
(23. Dezember 2000)
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