Deutliche Anzeichen einer weltweiten Rezession

Es mehren sich die Anzeichen für eine Rezession nicht nur in den USA, sondern in der Weltwirtschaft insgesamt.

In den USA hat es laut Angaben der Beraterfirma Challenger, Gray & Christmas im Februar 101.731 Entlassungen gegeben. Das war zwar ein Rückgang gegenüber dem Rekordhoch von 142.208 im Januar, aber fast dreimal soviel wie die 35.415 Entlassungen im gleichen Monat des Vorjahres.

Seit Anfang Dezember wurden 377.652 Stellen abgebaut, verglichen mit 130.752 in der gleichen Periode des Vorjahres. Der Chef der Firma, John Challenger, meinte dazu: "Selbst während des massiven Personalabbaus der neunziger Jahre hat es keine solchen Zahlen gegeben."

Der Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley Dean Witter (MSDW), Stephen Roach, spricht vom wahrscheinlichen Beginn einer weltweiten Rezession.

"Volle 30 Prozent der Weltwirtschaft - die USA und Japan - befinden sich schon in einer Rezession", schrieb er in einem Kommentar vom 26. Februar. "Die neuesten Daten deuten auf ein gnadenloses Gemetzel an der Gewinnfront hin, das zu scharfen Kürzungen von Kapitalinvestitionen und Beschäftigung im IT-Bereich geführt hat. Der andauernde Rückgang des Konsumentenvertrauens bestätigt nur die Auswirkungen solcher Kostensenkungsmaßnahmen auf die breite Öffentlichkeit. Dies lässt sich kaum als eine zeitweilige Bestandskorrektur abtun, die schnell wieder dem allseits beliebten zyklischen Szenario - der V-förmigen Erholung - Platz machen wird."

In einem Kommentar vom 2. März warnte Roach, die Entlassungen und die Kürzung der Kapitalinvestitionen stünden erst am Anfang. "Die betrieblichen Investitionen werden wohl noch einige Quartale lang zurückgehen und dadurch die Dauer des Abschwungs, der Ende 2000 begann, verdoppeln. Wenn die Rezession tiefer wird oder länger dauert, als wir gegenwärtig annehmen, dann werden die Anpassungen bei Kapital und Beschäftigung sich nur verschärfen. Meiner Meinung nach besteht diese Gefahr momentan durchaus, da die rezessive Dynamik sich immer noch weiter entfaltet."

Nach allgemeiner Auffassung geht man in den USA davon aus, dass die Notenbank in der Lage sein wird, durch weitere Zinssenkungen eine Rezession entweder zu verhindern oder zumindest abzuschwächen. Wie die Financial Times in einem Kommentar bemerkte, sind fast alle Analysten und Investoren der Ansicht, dass die amerikanische Bundesbank den Schlüssel in der Hand hält und dass, wie bei allen Konjunkturzyklen seit dem Krieg, "eine kluge Geldpolitik eine wirtschaftliche Erholung wieder möglich machen wird".

Aber inzwischen kommen Zweifel an diesem tröstlichen Szenario auf. Wie die Financial Times schrieb: "Aber was, wenn dieser beinahe universelle Glaube an die Macht der Zentralbank, die Nachfrage zu stimulieren, doch fehl am Platz ist? Was, wenn an diesem Konjunkturzyklus zur Jahrhundertwende etwas anders ist, das die Fähigkeit der Geldpolitik, die gewünschten Resultate zu bewirken, einschränkt?"

Sie wies weiter darauf hin, dass allen bisherigen Rezessionen der Nachkriegszeit eine Periode wachsender Inflation vorausgegangen war, auf die die Zentralbank (die Fed) mit der Anhebung der Zinsen reagiert hatte, was dann wieder einen Rückgang bewirkt hatte. Aber dies sei in der gegenwärtigen Situation nicht der Fall.

"Statt einer üblichen, Nachfrage-induzierten Preisinflation, die die Fed zum Reagieren zwingt und eine Rezession verursacht, setzte die gegenwärtige Schwäche infolge einer Überakkumulation des Angebots ein, hervorgerufen durch die gestiegenen Geschäftsinvestitionen der neunziger Jahre. Reale produktivitätssteigernde Technologieinvestitionen verleiteten Firmen dazu, die Kapazitäten trotz höherer Wachstumsraten weit über den Bedarf hinaus auszudehnen. Es ist dieser Prozess, und nicht die Bekämpfung einer Inflation, der jetzt in einen tiefen Fall der Aktienpreise und einen scharfen Rückgang der Investitionen mündet.

Negatives Wachstum in Japan

Das Problem für die Fed besteht in einer solchen Situation darin, dass Versuche, die Nachfrage durch Zinssenkungen zu stimulieren, etwa so erfolgreich sind wie der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln - ein Phänomen, das die Finanzbehörden in Japan schon seit zehn Jahren kennen.

Dort steht die Wirtschaft nach zehn Jahren ohne Wachstum (nachdem Anfang der neunziger Jahre eine Spekulationsblase geplatzt war) erneut vor einer Rezession, die als negatives Wachstum in zwei aufeinander folgenden Quartalen definiert ist. Der Rückgang um 0,6 Prozent im dritten Quartal des letzten Jahres dürfte sich im letzten Quartal wiederholt haben. Die Zahlen werden in Kürze veröffentlicht.

Wirtschaftsminister Taro Aso sagte, das Wirtschaftswachstums sei zum Stillstand gekommen, und Finanzminister Kiichi Miyazawa warnte vor beträchtlichen "Rezessionsrisiken", während die japanische Regierung ein weiteres Konjunkturstützungsprogramm ankündigte.

Wie die Maßnahmen auch aussehen mögen, man rechnet nicht damit, dass sie mehr bewirken werden als die Vielzahl von Konjunkturstützungsmaßnahmen der vergangenen zehn Jahre. Außerdem wird der Spielraum für die Regierung immer enger. Da die Zinsen ohnehin nahe Null sind, hätte eine weitere Senkung keine Wirkung, und die Möglichkeit, die Ausgaben immer weiter zu erhöhen, ist durch die gigantische Höhe der Staatsschulden begrenzt. Die Verschuldung liegt inzwischen bei 130 Prozent des Bruttosozialprodukts; das ist der höchste Wert unter den großen Industrienationen.

Japan mag sich mittels verschiedener Maßnahmen der Regierung noch eine Weile hinschleppen. Fraglich ist allerdings, wie lange. Die Financial Times kritisierte die Regierung in einem Kommentar letzten Freitag zum wiederholten Mal scharf für ihre Weigerung, "die schmerzhaften Konsequenzen der Schließung maroder Firmen und insolventer Banken zu akzeptieren".

Die Wirtschaft sei nur durch "gigantische staatliche Finanzspritzen" über Wasser gehalten worden, aber die Vorstellung sei nicht weit hergeholt, "dass dieser letzte Zyklus wirtschaftlicher Abschwächung derjenige sein könnte, der Japan in eine tiefe Rezession" stürzen und als Auslöser für die "lange aufgeschobenen" Industriepleiten wirken werde.

Europa hat in der letzten Periode einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, aber auch dort gibt es Anzeichen eines beginnenden Abschwungs. Laut Goldman Sachs erwartet die Eurozone dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent, nachdem es im letzten Jahr 3,4 Prozent waren. Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder rechnet mit einer Fortsetzung des "außerordentlich guten" Wachstums von 2000, aber die Wirtschaftsindikatoren des Landes weisen in die entgegengesetzte Richtung.

Die offiziellen Zahlen zeigen, dass die Wirtschaft Ende des letzten Jahres schon beinahe auf der Stelle getreten ist, die Wachstumsrate betrug im letzten Quartal nur noch 0,2 Prozent und lediglich 0,3 Prozent im dritten Quartal.

Die Wirtschaften Ostasiens haben in zweifacher Hinsicht Probleme. Der Abschwung in den USA bringt sinkende Exporte, und gleichzeitig gleitet Japan, das ökonomische Schwergewicht der Region, in eine weitere Rezession.

Wende in der australischen Wirtschaft

Mit am Schärfsten ist die Wende der Weltwirtschaft in Australien zu spüren. Noch im November korrigierte die Regierung die Wachstumserwartungen nach oben. Diese Woche schon erwarten die Finanzmärkte ängstlich die Veröffentlichung der statistischen Daten, die vermutlich ein geringes Wachstum für das letzte Quartal des Jahres 2000 und möglicherweise sogar ein negatives Wachstum zeigen werden.

In einem Leitartikel auf der ersten Seite erklärte der Australian am 3. März: "Australien steht am Rande einer Rezession; erhebliche Rückgänge bei den Ausgaben für Investitionsgüter und im Wohnungsbau weisen auf den ersten Rückgang der Wirtschaftsleistung seit 1991 hin. Angeblich hat das Finanzministerium die Howard-Regierung gewarnt, dass die offiziellen Zahlen... verstärkt darauf hindeuten, dass die Wirtschaft sich im letzten Quartal 2000 im Rückwärtsgang befunden haben könnte."

Die stärksten Rückgänge gab es bei Kapitalinvestitionen (5,5%), Wohnungsbau (12,8%) und beim Export (2,2%). Der Einzelhandel legte um 1,8% zu, hatte jedoch im vorherigen Quartal einen Rückgang um 3,3% zu verzeichnen gehabt. Am Montag wurde eine von der ANZ-Bank durchgeführte Untersuchung der Stellenanzeigen veröffentlicht, die einen Rückgang um zehn Prozent ergab - der größte Rückgang seit der Rezession von 1991. Der Chefökonom der Bank, Saul Eslake, sagte, die Unternehmen verringerten die Belegschaften, "weil die Wirtschaft sich abschwächt und die Profite unter Druck stehen".

Der letzte Abschwung in den USA und weltweit ist zehn Jahre her. Seither hat sich die wirtschaftliche Lage wegen der engeren Integration der Finanzmärkte weiter kompliziert. Die Finanzkrise in Asien griff durch sogenannte "Ansteckung" auf Russland und dann auf die Wall Street über, was im September 1998 zum Zusammenbruch des milliardenschweren Hedgefonds Long Term Capital Management führte. Die Krise wurde durch die Intervention der Zentralbank unter Kontrolle gebracht, und die Rezessionstendenzen in Asien wurden durch die fortgesetzte Expansion der US-Wirtschaft abgemildert.

Aber eine Finanzkrise in den "aufstrebenden Märkten", sagen wir in der Türkei, Argentinien oder Südostasien, findet heute unter anderen Umständen statt.

MSDW-Ökonom Roach bemerkte: "1997-98 wurden die Risiken in den aufstrebenden Märkten letztlich durch den amerikanischen Boom abgefedert. Die US-Wirtschaft strotzte in diesen beiden Jahren vor Stärke, mit jährlichen Wachstumsraten von 4,4 Prozent, und die Importe zogen in dieser Zeit um 13 Prozent an. Infolgedessen wurde die gewaltige Krise vor zwei bis drei Jahren in den aufstrebenden Märkten durch den wichtigsten Importeur der Welt gestoppt... Nicht so dieses Mal. In 2001 wird jedes Risiko in den aufstrebenden Märkten durch die Rezession der US-Wirtschaft verschärft."

Nach seiner Analyse könnte das Fehlen eines starken Wachstums in den USA "eine relativ kleine Krise in einem aufstrebenden Markt in eine viel größere verwandeln. Der amerikanische Boom milderte die schleichenden endemischen Risiken in den aufstrebenden Ländern. Die amerikanische Rezession könnte die gleichen endemischen Risiken zum Ausbruch bringen."

Mit anderen Worten könnte die Kombination aus einer Rezession und einer Finanzkrise eine weitaus ernstere Situation schaffen, als die Anhänger einer V-förmigen Erholung sich vorstellen.

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