"Was ihn auszeichnete, war seine große Achtung von Ideen"

Zahlreiche Mitglieder der SEP Großbritanniens nahmen an der Gedenkveranstaltung teil. In ihrem Namen sprach der Vorsitzende der britischen SEP Chris Marsden.

Genossen und Freunde,

als Erstes möchte ich im Namen der britischen Socialist Equality Party Ernsts geliebter Partnerin Almuth, seiner Familie und seinen zahlreichen Freunden unser tief empfundenes Beileid aussprechen.

Als ich darüber nachdachte, was ich heute hier sagen sollte, fiel mir auf, dass man sich als Mitglied der Vierten Internationale vor einem Fehler hüten muss, an den man vordergründig oft gar nicht denkt.

Der Kampf für die sozialistische Emanzipation der Menschheit ist ein edles Anliegen, dem sich die besten und herausragendsten Menschen verschreiben. Wenn man täglich von ihnen umgeben ist, dann nimmt man es allzu leicht als selbstverständlich hin, die begabtesten, prinzipientreuesten und humansten Menschen zu seinen Freunden zählen zu dürfen.

Dies möchte ich in Bezug auf Ernst betonen. Sein Tod hat uns alle veranlasst, uns noch einmal zu vergegenwärtigen, was für ein außergewöhnlicher, ja herausragender Mensch er war.

Wir alle kennen Ernsts körperliche Erscheinung. Er war groß und stark. Doch das will nicht viel heißen, so können auch Schläger und Feiglinge sein.

Ernst war ganz anders. Seinen Freunden gegenüber war er sanft und fürsorglich - das ging manchmal so weit, dass er sie regelrecht begluckte.

Doch was ihn vor allem auszeichnete, war seine große Achtung vor Ideen. Darin sah er seine eigene Stärke. Ernst war ein denkender Mensch, der die Welt in erster Linie verstehen wollte, um sie zu verändern. Dieser Wille hatte ihn in die sozialistische Politik gebracht und beseelte jeden Tag seines viel zu kurzen Lebens.

Ich darf nicht behaupten, Ernst so nahe gestanden zu habe, wie mancher von Euch hier. Doch jedes Mal, wenn ich ihn treffen konnte, empfand ich das Gespräch mit ihm als wertvoll. Er hörte überaus aufmerksam zu und brachte auch seine eigene Meinung stets unmissverständlich zum Ausdruck.

Er war ein Bilderstürmer, der unsere Partei deshalb unterstützte, weil er selbst zutiefst von den historischen Prinzipien der trotzkistischen Bewegung überzeugt war.

Ich lernte Ernst kennen, als er während der Wahlkampagne von 1992, die wir gemeinsam mit dem Bund Sozialistischer Arbeiter (Vorläufer der PSG) führten, die britische Sektion unterstützte.

Schon in dieser Entscheidung zeigte sich seine ganze Persönlichkeit. Ernst war Internationalist. Er verabscheute jede Art des Nationalismus aus ganzem Herzen. Er war damals nach mehreren Jahren außerhalb der Partei gerade wieder politisch aktiv geworden. Diese Entscheidung traf er bezeichnenderweise gerade dann, als die imperialistischen Mächte mit Hilfe der deutschen Sozialdemokratie mit der Bombardierung des Irak begonnen hatten.

Nur ein Jahr später kam er nach Großbritannien, um jedem, dem er begegnete, zu erklären, dass die brennende Aufgabe des Tages darin bestand, die internationale Einheit der Arbeiterklasse herstellen, um gegen den Kapitalismus und dessen politische Verteidiger in der Arbeiterbewegung anzugehen.

Von diesem Zeitpunkt an gab es kein einziges Treffen zwischen unseren beiden Sektionen, an dem Ernst nicht einer der Ersten war, der uns begrüßte. Normalerweise erbot er sich, die "britischen Genossen" - so nannte er uns - vom Flughafen abzuholen.

Eine Autofahrt mit Ernst war immer eine anstrengende Sache. Erst stellte er ein halbes Dutzend Fragen über die politische Situation in Großbritannien. Dann folgte ein weiteres halbes Dutzend Fragen zu verschiedenen Weltereignissen. Als Nächstes wollte er über Deutschland diskutieren - über die Arbeit der PSG, über verschiedene Anekdoten, die den schamlosen Opportunismus der Sozialdemokraten, der Stalinisten und der Gewerkschaftsbürokratie illustrierten. Anschließend wollte er dann Ratschläge darüber, wie er einen Artikel schreiben könnte.

Zwischendurch wies er immer wieder aus dem Autofenster, um uns einen stillgelegten Betrieb zu zeigen oder auf den Schauplatz einer größeren Auseinandersetzung mit den Unternehmern hinzuweisen. Er war der ideale Touristenführer für Revolutionäre.

Auf jedem Sommerlager steuerte Ernst einen eigenen Diskussionsbeitrag bei und fragte in den - höchst wichtigen - Kaffeepausen andere Genossen nach ihrer Meinung.

Für mich war Ernst ein Vertreter aller guten und wertvollen Eigenschaften der deutschen Arbeiterklasse. Er wies die Nachkriegspolitik der Klassenzusammenarbeit zurück, die zur Geißel der Arbeiterbewegung geworden war, und kämpfte nach bestem Wissen für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse.

Der Sozialismus war für ihn nicht nur ein Ideal, sondern ein Leitprinzip, von dem die Zukunft der Menschheit abhing. Für die Sache des Sozialismus gab er alles, ohne Einschränkung und ohne Zögern. Ich bin stolz darauf, ihn gekannt zu haben, und werde das Andenken an diesen von uns allen so hoch geschätzten Genossen bewahren.

Weitere Beiträge der Gedenkveranstaltung:
Grußbotschaft der Socialist Equality Party der USA
"Ernst Schwarz gab sich nie mit der Welt zufrieden, wie sie war"
"Ernst ließ sich nicht korrumpieren"
Danksagung der Angehörigen
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