Italienische Wahlen

Berlusconi präsentiert sich als Mann der Unternehmer

Nach der Auflösung des Parlaments und der Festlegung des Wahltermins auf den 13. Mai ist der italienische Wahlkampf voll in Fahrt gekommen. Zu einer ersten Gegenüberstellung der beiden Spitzenkandidaten - Silvio Berlusconi vom rechten "Pol der Freiheit" und Francesco Rutelli vom Mitte-Links-Bündnis "Olivenbaum" - kam es am vergangenen Wochenende auf dem Kongress des Industrie- und Unternehmerverbandes Confindustria in Parma. Beide hielten dort eine Rede, allerdings an getrennten Tagen.

Star der Veranstaltung war eindeutig Berlusconi. Seine Rede wurde über zwanzig Mal von begeistertem Beifall unterbrochen, während Rutelli eher kühl empfangen wurde. Der Medienzar, der sich auf großflächigen Wahlplakaten auch als "Arbeiter-Präsident" vorstellt, präsentierte sich in Parma ohne jegliche Scham als hundertprozentiger Mann der Wirtschaft. "Ich werde euer Unternehmer von Italien sein", versprach er und verkündete ein Bündnis zwischen allen, die aus einer "Kultur des Machens" kommen - zwischen Confindustria und "Pol der Freiheit".

Einen 190-seitigen Wunschkatalog, den der Unternehmerverband ausgearbeitet hatte, bezeichnete Berlusconi als Fotokopie seines eigenen Programms. "Man fragt sich, ob ich euer Programm abgeschrieben habe oder umgekehrt", sagte er und bot dem Confindustria-Präsidenten Antonio D'Amato einen Ämtertausch an: "Lieber Antonio, warum vertauschen wir nicht den Posten? Du hast ein wahres Regierungsprogramm vorbereitet."

Berlusconi präsentierte den versammelten Unternehmern nach dem Vorbild des alttestamentarischen Moses "zehn Gebote". Sie verheißen massive Steuersenkungen, eine Lockerung des Kündigungsschutzes und ähnliche Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft. So sollen die Sozialabgaben gesenkt, die Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeschafft und das "Gesetz Tremonti", das wiederinvestierte Erträge von Steuern befreit, wieder eingeführt werden.

Die letzte Maßnahme dürfte auch Berlusconis persönlichen Interessen dienen. Als er 1994 für einige Monate an der Spitze der Regierung stand, hatte er mit Hilfe dieses Gesetzes 240 Millionen Mark an Steuern gespart und auf diese Weise seinen angeschlagenen Medienkonzern Fininvest saniert. Auch das Gebot Nr. 7, das den Tatbestand der "Bilanzfälschung" im Gesellschaftsrecht einschränken soll, betrifft Berlusconi persönlich. Als Unternehmer haben ihm die entsprechenden Gesetzesparagrafen schon manche Schwierigkeiten mit der Justiz eingetragen.

In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen dem Emporkömmling Berlusconi und den etablierten Kreisen der italienischen Wirtschaft eher gespannt. Führende Wirtschaftsvertreter - wie die ehemaligen Notenbankchefs Carlo Azeglio Ciampi (inzwischen Staatspräsident) und Lamberto Dini (Außenminister) oder der Chef des Staatskonzerns IRI Romano Prodi (Präsident der EU-Kommission) - hatten sich an führender Stelle im Mitte-Links-Bündnis engagiert und zu unterschiedlichen Zeitpunkten dessen Regierungen geführt. Auch das Verhältnis zwischen Gianni Agnelli und Berlusconi galt als gespannt. Agnelli besitzt und kontrolliert mit dem FIAT-Konzern das größte Privatunternehmen des Landes und galt jahrzehntelang als graue Eminenz der italienischen Privatwirtschaft.

Diesen Kreisen war, allgemein gesprochen, eine Politik, die eine zielstrebige Liberalisierung der italienischen Wirtschaft mit dem Erhalt des sozialen Friedens verband, lieber als die Hauruck-Methoden Berlusconis, die schon 1994 heftige Streiks und Demonstrationen provoziert hatten. Das hat sich nun geändert. Der "Olivenbaum"-Kandidat Rutelli, der in Parma davor warnte, dass die Rechte nicht in der Lage sei, "den sozialen Frieden zu wahren", und der angesichts der hohen Staatsverschuldung lediglich einen "dauerhaften Waffenstillstand in Steuerfragen" und damit keine Steuersenkungen anbot, stieß auf wenig Resonanz.

Dieser Kurswechsel hängt nicht zuletzt mit einem Führungswechsel im Unternehmerverband und einem Strukturwechsel in der italienischen Wirtschaft zusammen. Mit Antonio D'Amato steht erstmals ein Vertreter der Kleinunternehmer aus dem Süden, und nicht ein Vertrauensmann Agnellis an der Spitze von Confindustria. Als Folge des verschärften globalen Wettbewerbs und der Ausgliederung immer weiterer Unternehmensteile hat das Gewicht der Kleinunternehmen stark zugenommen. Großkonzerne mit über 500 Arbeitskräften beschäftigen heute nur noch 15 Prozent aller italienischen Arbeitnehmer, anstatt 30 Prozent vor zwanzig Jahren. In Deutschland sind es heute noch 56, in Frankreich 43 Prozent. Mittelständische Unternehmen mit 100 bis 400 Arbeitskräften beschäftigen in Italien weitere 10 Prozent. Der Rest, d.h. rund drei Viertel aller Arbeitnehmer, entfällt auf Kleinbetriebe mit weniger als 100 Beschäftigten.

Für die Besitzer dieser Kleinunternehmen, die sich im Börsenboom und Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre teilweise stark bereichert haben, die aber gleichzeitig unter einem ständigen Wettbewerbsdruck stehen, sind Steuern und Sozialabgaben ein rotes Tuch. Sie bilden die soziale Basis, die Berlusconi mobilisieren will, um einen rabiaten Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik durchzusetzen. Profitieren wird von einem solchen Kurswechsel allerdings weniger der Mittelstand als das Großkapital. Berlusconis Vorbild in dieser Hinsicht ist Margaret Thatcher, die er erst kürzlich wieder in London traf.

Die Angriffe auf die Arbeiterklasse, die Berlusconi in Parma angekündigt hat, beschränken sich nicht auf soziale Errungenschaften, sie machen auch vor demokratischen Rechten nicht halt. In einer Passage seiner Rede verglich er die italienische Verfassung mit der "Verfassung des Sowjet-Staates". Er zielte damit auf die sozialen Rechte und die staatlichen Kontrollen über die Wirtschaft, die infolge der Niederlage des Faschismus als Zugeständnis an die Arbeiterklasse in der Verfassung verankert worden waren. Gleichzeitig führt er eine hysterische Kampagne gegen das öffentliche Fernsehen RAI, die sich direkt gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung richtet.

Der populäre Satiriker Daniele Luttazzi hatte am vergangenen Mittwoch die Autoren eines neuen Buches in seine Sendung eingeladen, das sich mit Berlusconis Vergangenheit und dem Ursprung seines Vermögens befasst. Es enthält zahlreiche kompromittierende Dokumente, so das letzte - und nie veröffentlichte - Interview des Mafiajägers und Staatsanwalts Paolo Borsellino, der 1992 von der Mafia in die Luft gesprengt worden war.

Borsellino bringt in diesem Interview Berlusconi mit zwei bekannten Mafiafiguren in Verbindung: Vittorio Mangano und Marcello Dell'Utri, der zur Zeit wegen Mafia-Verdachts vor Gericht steht. Mangano war 1974 über ein Jahr lang in Berlusconis Haushalt beschäftigt, angeblich als Stallmeister und Chauffeur. Er gilt als einflussreicher Mafiaboss und Drogenhändler. Das Buch enthält auch Dokumente über die Ursprünge von Berlusconis Medienimperium, Vernehmungsprotokolle Dell'Utris und Berlusconis sowie Einzelheiten über die finanziellen Machenschaften während seiner ersten Regierungszeit.

Das Berlusconi-Lager reagierte mit helle Empörung auf die Sendung, die das Buch in breiteren Kreisen bekannt machte. Es forderte die Einstellung von Lutazzis Satiresendung und den Rücktritt der gesamten RAI-Spitze. Der "Pol der Freiheit" zog die von ihm benannten Mitglieder aus dem fünfköpfigen RAI-Vorstand ab und beschloss einen Boykott sämtlicher RAI-Sendungen, solange sich noch ein Verantwortlicher für den "unglaublichen Angriff" auf den Oppositionsführer im Amt befinde. Als dann am Freitag der bekannte RAI-Moderator Michele Santoro seine Diskussionssendung der Affäre widmete, blieben die Stühle der Vertreter des Rechtsblocks leer. Stattdessen rief Berlusconi persönlich mitten in der Sendung an und brüllte den Moderator an.

Bedenkt man, dass Berlusconi die drei größten Privatsender und mehrere einflussreiche Tageszeitungen kontrolliert und skrupellos für seine politischen Zwecke einsetzt, so kann man sich leicht vorstellen, was von der Meinungsvielfalt übrig bleibt, sollte er als Regierungschef auch noch das staatliche Fernsehen unter seine Kontrolle bringen.

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