Italienische Wahlen

Berlusconi schürt ein Klima der Einschüchterung

Die Frage der Pressefreiheit und der Kontrolle über die Medien ist ins Zentrum des italienischen Wahlkampfs gerückt. Medienzar Silvio Berlusconi, der Spitzenkandidat des Rechtsbündnisses "Haus der Freiheit", reagiert auf kritische Beiträge nicht von ihm kontrollierter Medien, indem er wild um sich schlägt und eine Klima der Einschüchterung erzeugt.

Bereits vor zwei Wochen war es zu einer heftigen Debatte um die Sendung "Satyricon" des öffentlichen Fernsehsenders RAI gekommen. In dieser Sendung war das Buch "Der Geruch des Geldes" vorgestellt worden, das dunkle Flecken in Berlusconis Vergangenheit beleuchtet. Berlusconi reagierte, indem er den Rücktritt des Moderators und der gesamten RAI-Spitze forderte und einen Boykott des staatlichen Senders verkündete. Das umstrittene Buch ließ er systematisch aufkaufen, was eine unerwartete Auflagensteigerung zur Folge hatte. Statt wie ursprünglich geplant 5.000 sind inzwischen 220.000 Exemplare gedruckt worden.

Dabei waren die in dem Buch erhobenen Vorwürfe keineswegs neu. In verschiedenen Büchern, Zeitungsartikeln, Prozessakten und einem Dossier der italienischen Notenbank waren die Umstände des Aufstiegs des kleinen Bauunternehmers zum reichsten Mann Italiens bereits vor Jahren detailliert aufgelistet worden. Vieles deutet darauf hin, dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugegangen war. Zur Zeit laufen noch fünf gerichtliche Verfahren gegen Berlusconi, zwei wegen Bilanzfälschung und Korruption, zwei wegen der Bestechung von Richtern und eines wegen Betrugs.

Trotzdem hatten Berlusconis Drohungen gegen die RAI Erfolg. Der öffentliche Sender nahm vorübergehend alle politischen Fernseh- und Radiosendungen aus dem Programm und untersagte Politikerauftritte außerhalb von Nachrichtensendungen. Berlusconis drei Privatsender verfügten so praktisch über ein politisches Monopol.

Inzwischen hat die zuständige parlamentarische Aufsichtskommission eine neue Regelung für Wahlsendungen vorgelegt. Sie gilt für das öffentliche und das private Fernsehen und verbietet jede kommerzielle Wahlwerbung. Der Aufritt von Politikern ist nur im Rahmen von politischen Programmen erlaubt, wobei keine Partei bevorzugt werden darf. Das öffentliche Fernsehen ist außerdem verpflichtet, allen Parteien täglich zwei TV-Spots zu ermöglichen, in denen sie ihre Standpunkte darlegen können.

Im Berlusconi-Lager, das über hohe Summen für den Wahlkampf verfügt, hat diese Regelung einen neuen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Die Regierungskoalition wolle damit die Opposition zum Schweigen bringen, weil sie in Umfragen vorne liege, dröhnte der Medien-Tycoon. Das öffentliche Fernsehen sei eine Waffe der Linken, das seine Sendungen nur benutze, um Schlamm auf den politischen Gegner zu werfen.

Berlusconi stellt damit die Tatsachen auf den Kopf. Die neue Regelung gibt ihm freien Zugang zu den öffentlichen Medien, während es ihm trotz der geänderten Vorschriften nicht all zu schwer fallen dürfte, die von ihm kontrollierten Privatsender weiterhin im eigenen Interesse zu nutzen. Eine quantitative Analyse der Nachrichten der Belusconi-eigenen Sender hat ergeben, dass Berlusconis Forza Italia 54 Prozent der gesamten Sendezeit in Anspruch nimmt.

Auch die gedruckten Medien werden immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen Berlusconis nach dem Motto "Haltet den Dieb".

Opfer der jüngsten Attacke des rechten Spitzenkandidaten, der über die Verlagsgruppe Mondadori mehrere Tages- und Wochenzeitungen kontrolliert, wurde der über 90-jährige, konservative, aber äußerst angesehene Publizist Indro Montanelli. Er hatte in einem Fernsehinterview erklärt, er werde bei den bevorstehenden Wahlen für das "Olivenbaum"-Bündnis stimmen, und wurde daraufhin übel beschimpft. Berlusconi bezeichnete ihn als notorischen Lügner und seine Partner überzogen ihn mit ähnlichen Beleidigungen. Er erhielt anonyme Anrufe und unverhüllte Drohbriefe.

Montanelli setzte sich zur Wehr, indem er Berlusconi Missachtung der Pressefreiheit vorwarf und über seine diesbezüglichen Erfahrungen im Jahr 1994 berichtete. Er war damals Chefredakteur der von ihm selbst gegründeten Mailänder Zeitung Giornale,die sich im Besitz von Berlusconis Medienimperium befand. Während des Wahlkampfs habe ihn Berlusconi, der die Wahl schließlich gewinnen sollte, täglich angerufen und mit politischen Direktiven versorgt. Aus diesem Grund sei er damals zurückgetreten, berichtete Montanelli.

Die Ausfälle Berlusconis gegen Motanelli nahmen schließlich derart heftige Formen an, dass sich selbst Italiens auflagenstärkste Zeitung, der sonst eher zurückhaltende Corriere della Sera,zu einem Kommentar veranlasst sah. Er beklagte sich über die "Gewaltsamkeit der Sprache" und über die Tonlage, die "eines zivilisierten Landes unwürdig" sei.

Auch die Justiz wird immer mehr zur Zielscheibe Berlusconis. Nachdem er seit Jahren über Staatsanwälte herzieht, die sein Finanzgebaren kritisch unter die Lupe nehmen, hat er nun auch erstmals das oberste Verfassungsgericht angegriffen, indem er ihm mangelnde Neutralität vorwarf. "Gesten hat er die Justiz als rote Kavallerie beschimpft, heute beschreibt er das Verfassungsgericht als in der Hand der Linken - hoffentlich erklärt Berlusconi nicht morgen das Parlament für zu gefährlich," kommentierte dies der amtierende Justizminister Piero Fassino.

Berlusconis aggressives Auftreten lässt erahnen, was bevorsteht, sollte er die Wahl gewinnen. Zusammen mit seinen Verbündeten, der neofaschistischen Alleanza Nazionale und der offen rassistischen Lega Nord, würde er eine politische und publizistische Macht in seinen Händen konzentrieren, die in Europa einmalig ist und jedem demokratischen Anspruch Hohn spottet.

Berlusconis Finanzholding Fininvest kontrolliert die TV-Holding Mediaset mit einem Anteil von knapp 50 Prozent im Wert von 8 Mrd. Euro. Allein im vergangenen Jahr konnte Mediaset seinen Nettogewinn um ein Viertel auf 400 Mio. Euro und seine Werbeeinnahmen um 12 Prozent auf 2,36 Mrd. Euro steigern. Die drei Fernsehkanäle von Mediaset - Italia 1, Rete Quattro und Tele 5 - verfügen über eine Zuschauerquote von 43 Prozent.

Ein Wahlsieg Berlusconis würde die Bilanzen von Mediaset mit Sicherheit zusätzlich positiv beeinflussen. Berlusconi hat bereits deutlich gemacht, dass er sich in einem solchen Fall nicht aus seinen kommerziellen Aktivitäten zurückziehen wird. Er wäre dann in der Lage, das öffentliche Fernsehen RAI stärker an die Kandare zu nehmen und das Aufkommen unliebsamer Konkurrenz im privaten Bereich zu verhindern. Die italienische Telecom hat sich schon bisher vergeblich um eine entsprechende Lizenz bemüht und würde unter einer Regierung Berlusconi kaum mehr Erfolg haben.

Das Mitte-Links-Bündnis hat Berlusconi außer moralischen Appellen und Ermahnungen, die demokratischen Spielregeln zu achten, nichts entgegenzusetzen. Obwohl es im letzten Wahlkampf für ein Gesetz zur Entflechtung von politischer und Medienmacht eingetreten war, hat es in seiner fünfjährigen Amtszeit kein solches verabschiedet. Berlusconi konnte sein Imperium sogar ausbauen. Die Ohnmacht des "Olivenbaums" gegenüber dem provozierenden und aggressiven Auftreten Berlusconis resultiert letztlich daher, dass es selbst ein Programm vertritt, dass sich kaum von demjenigen der Rechten unterscheidet und den sozialen Interessen der Massen diametral entgegensteht.

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