Powells Reise zum zehnten Jahrestag des Golfkriegs

Die amerikanische Politik im Nahen Osten steckt in einer Sackgasse

Das Ziel der jüngsten Nahost-Reise von US-Verteidigungsminister Colin Powell bestand darin, die schwindende internationale Unterstützung für Amerikas Wirtschaftssanktionen gegen den Irak zurückzugewinnen. Gleichzeitig sollte jede Kontroverse vermieden und der Anschein einer unparteiischen Haltung im israelisch-palästinensischen Konflikt vermittelt werden.

Letzten Endes jedoch erreichte Powell lediglich, dass die Krise der US-Strategie im Nahen Osten erneut deutlich wurde. Die neue Regierung unter Bush hat keine Alternative zum bisherigen Kurs.

Powells Besuch fiel mit den kuwaitischen Feiern zum zehnten Jahrestag des Golfkrieges gegen den Irak zusammen. Powell war als Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs 1991 verantwortlich für den von den USA angeführten Krieg. Damals wurde eine breite Koalition gegen die Herrschaft der Ba'ath-Partei unter Saddam Hussein zusammengezimmert, der sich die europäischen Mächte und die Mehrheit der arabischen Länder anschlossen.

Ein Jahrzehnt später kehrte Powell nun nach Kuwait zurück. Seine Reise führte ihn außerdem nach Ägypten, Israel, in die palästinensischen Territorien, nach Jordanien, Saudi Arabien und Syrien. Doch mittlerweile wird die Politik Amerikas gegenüber dem Irak von allen großen europäischen Mächten - außer Großbritannien - abgelehnt. Sie halten die Sanktionen gegen den Irak sowohl politisch wie auch ökonomisch für kontraproduktiv und missachten sie regelmäßig, um sich einen Anteil an den großen Ölreserven des Landes zu sichern.

Die Stimmung bei den arabischen Regierungen ist noch ungünstiger. Wirtschaftlich schadet die Isolation des Irak dem gesamten Nahen Osten und vielen arabischen Ländern, vor allem aber Syrien. Syrien wird verdächtigt, 100.000 Barrel irakisches Öl pro Tag durch eine neue Pipeline an die Mittelmeerküste zu pumpen.

Politisch stellen die Sanktionen gegen den Irak eine Gefahr für die führenden Eliten der Region dar, weil die Unterstützung eines imperialistischen Embargos bei den arabischen Massen auf weit verbreitete Opposition trifft. Amerika offen zu unterstützen ist ohnehin ein gefährliches Spiel. Unter den heutigen Bedingungen einer palästinensischen Intifada gegen das traditionell mit den USA verbündete Israel kommt es geradezu einer Zeitbombe gleich.

Der Aufstand in der West Bank und dem Gazastreifen gegen Israels Brutalität und gegen die Wahl des notorischen Kriegsverbrechers Ariel Scharon zum israelischen Premierminister üben einen enormen Druck auf Hosni Mubarak von Ägypten, König Abdullah von Jordanien und andere treue Vasallen der USA aus, die Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak zu unterstützen und eine gemeinsame Position gegen Israel und seinen wirtschaftlichen und politischen Hauptsponsor einzunehmen.

Die Bush-Regierung wurde bereits vor der Abreise Powells in die Defensive gedrängt, als Amerikas einseitige Entscheidung, am 16. Februar Ziele in der Umgebung von Iraks Hauptstadt Bagdad zu bombardieren, vom Großteil Europas, von Russland, China und den arabischen Staaten verurteilt wurde. Nur Großbritannien und Kanada waren anderer Meinung. Powell war daher gezwungen, den Großteil seiner viertägigen Reise darauf zu verwenden, ein neues Programm "intelligenter Sanktionen" zu propagieren, die ausdrücklich auf Husseins führende Elite abzielen und die bisherigen ersetzen sollen, die, wie Bush selbst zugibt, so häufig verletzt werden, dass sie eher einem Schweizer Käse gleichen. Trotzdem fand Powell nicht gerade eine herzliche Aufnahme. Denn die Änderung der Politik, die Powell andeutete, ging immer noch davon aus, den Irak als die größte Bedrohung für die Stabilität im Nahen Osten hinzustellen und war mit Bushs Warnung an Hussein garniert, "keine Linie zu überschreiten" und nicht "unsere Entschlossenheit zu testen". Powell fügte noch hinzu: "Wir müssen alles tun, um ihn unter Kontrolle zu halten."

Ägyptens Außenminister, Amr Moussa, antwortete auf Powells Beschwörungen mit der Bemerkung: "Was uns betrifft kann ich keine solche Bedrohung erkennen."

Die Schwierigkeiten der USA werden noch durch deutliche Uneinigkeiten über die Nahostpolitik innerhalb der Bush-Regierung selbst erhöht. Powell gilt in einigen republikanischen Kreisen als Versöhnler, der zu der Invasion des Irak in Kuwait eine zweideutige Position eingenommen und argumentiert habe, die US hätten nur Truppen entsenden sollen, wenn Hussein in Saudi Arabien eingedrungen wäre.

Einer seiner damals schärfsten Kritiker, Vizepräsident Dick Cheney, der Verteidigungsminister unter Bushs Vater war, fordert zusammen mit Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dem stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, Husseins Regime mit Hilfe irakischer Widerstandgruppen in den USA zu stürzen. Powell scheint die Effektivität solcher Initiativen jedoch weiterhin skeptisch zu beurteilen, besonders angesichts der instabilen Situation im Nahen Osten und dem Fehlen jeglicher Unterstützung in Europa. Selbst der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon ließ Kritik an Äußerungen des US-Verteidigungsberaters Richard Perle verlauten. Letzterer hatte gesagt: "Die Bush-Regierung anerkennt, dass nur ein Sturz Saddams das Problem lösen kann. Ich bin mir sicher, dass das Vereinigte Königreich dieses unterstützen und sich daran beteiligen wird." Hoon erklärte gegenüber dem ITV-Reporter Jonathan Bimbleby, dass "eine Änderung des Regimes bisher nicht die Politik Großbritanniens gewesen ist. Wir würden niemals als Ziel unserer Politik die Entfernung Saddams bezeichnen."

Die zwei bedeutendsten Zwischenstationen auf Powells Reise - Israel und Kuwait - bringen das aktuelle Patt der US-Politik auf den Punkt. In Israel traf sich Powell mit Scharon, bevor er in einem gepanzerten Konvoi in die palästinensischen Territorien reiste, um sich mit Jassir Arafat zu treffen.

Die Bush-Regierung hat bereits Scharons Position anerkannt, dass die von der Clinton-Regierung entworfenen Vorschläge zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts null und nichtig seien. So bezeichnete Powell die Aussichten auf Frieden als "noch in weiter Ferne", wobei er betonte: "Das Beste, was wir kurzfristig hoffen können, ist eine Verminderung der Gewalt." Scharon fühlte sich darüber hinaus dadurch bestätigt, dass Powell die Gefahren betonte, die vom Irak ausgingen und Scharon als einen "sehr reflektierenden, sehr nachdenklichen, sehr engagierten" Menschen bezeichnete.

Offensichtlich machte man sich in den USA Sorgen, dass Scharons kriegerische Einstellung den Nahen Osten in einen regelrechten Krieg stürzen könnte. Powell drängte die israelische Regierung , "sobald wie möglich" ein Ende der wirtschaftlichen Belagerung der Autonomiebehörde ins Auge zu fassen, "damit die ökonomische Aktivität in der Region wieder beginnen kann". Deutlicher wurde er jedoch nicht und sprach auch nicht Israels Weigerung an, den palästinensischen Gebieten 57 Millionen Dollar Steuereinnahmen zu überweisen, weil er genau wusste, dass Scharon unter den Bedingungen einer "zunehmenden Spirale der Gewalt" darauf nicht eingehen würde

Scharon interpretierte diese Aussage sofort als Anerkennung seiner Ablehnung von Verhandlungen und forderte: "Die palästinensische Autonomiebehörde muss sofort handeln und den Terror und die Gewalt beenden. Ich werde Verhandlungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde führen, wenn die Feindseligkeiten eingestellt sind."

Unter diesen Bedingungen war Powells nachfolgender Besuch in Kuwait eine offene Provokation. Er stellte sich in die Kontinuität des ehemaligen US-Präsidenten George Bush und der früheren britischen Premierminister Margaret Thatcher und John Major, indem er das militärische Bündnis zwischen den USA und Kuwait erneuerte. Die genannten ehemaligen Staatsoberhäupter trafen sich während einer gemeinsamen amerikanisch-kuwaitischen Militärübung, die das Aufstellen und das Abfeuern von Patriot-Raketen gegen eine irakische Invasionsstreitmacht testete. Kampfjets, Panzer, Raketen und hoch explosive Materialien wurden in einem simulierten Kampf mit irakischen Panzern erprobt.

Ungefähr 4.500 US-Soldaten sowie mehrere Staffeln amerikanischer und britischer Militärflugzeuge sind in Kuwait zur Überwachung des südlichen Irak stationiert. Iraks stellvertretender Informationsminister Hamid Said sagte, dass die Manöver, "eine Eskalation gegen den Irak sind, weil er die Intifada unterstützt". Er warnte, dass "solch eine Eskalation eine Explosion heraufbeschwört".

Ein Jahrzehnt zuvor lieferte Iraks Invasion in Kuwait den USA den notwendigen Vorwand für die Ausführung eines seit langem bestehenden Plans, militärisch am Persischen Golf zu intervenieren und die Kontrolle über seine gewaltigen Ölvorräte zu ergreifen. Seitdem haben die USA 17.000 bis 24.000 Soldaten als permanente militärische Garnison in der Region stationiert.

Damals erreichten die USA die Kooperation der anderen Großmächte durch eine Kombination von Erpressung -unter Ausnutzung ihrer Rolle als einziger verbliebener Supermacht - und einem Appell an deren Eigeninteresse. Die europäischen Mächte hofften, dass eine Unterstützung von Amerikas Ambitionen im Mittleren Osten ihnen ermöglichen würde, auch ihren eigenen kolonialistischen Ambitionen künftig freien Lauf zu lassen.

Die Mehrheit der arabischen Regime gab damals den letzten Anschein anti-imperialistischer Politik und den letzten Glauben an die arabische Einheit auf und entlarvte sich als Handlanger der USA, deren einzige Sorge war, weiterhin von der Ausbeutung der regionalen Öl-Reserven durch die globalen Öl-Giganten mit zu profitieren.

Nach dem Krieg schien es, als ob die USA die politischen Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten nach Belieben in ihrem Interesse beeinflussen könnten. Die Unterwerfung der führenden Kreise der arabischen Bourgeoisie fand ihren vollendeten Ausdruck, als Arafat und die PLO 1993 die amerikanischen Bedingungen für ein Abkommen mit Israel annahmen. Sie akzeptierten damit die Schaffung eines palästinensischen Rumpfstaates in Teilen der West Bank und im Gazastreifen.

Aber die USA konnten ihre militärische und ökonomische Macht nicht einfach nutzen, um dem Nahen Osten eine Pax Americana aufzuzwingen. Heute ist diese Region instabiler als jemals zuvor in der Geschichte. Es gibt keine gemeinsame Golf-Politik der USA, Europas und Japans, weil sie in einen verdeckten Krieg um die Kontrolle über die Reichtümer der Region verwickelt sind.

Das Abkommen von Oslo ist gescheitert, weil sich der rechte Flügel der zionistischen Bourgeoisie weigerte, den darin vorgesehenen begrenzten Kompromiss mit den Palästinensern zu akzeptieren. Überdies hat die unerträgliche Situation, in die Arafat sein Volk gebracht hat, seine Führung weitgehend diskreditiert und es der Autonomiebehörde unmöglich gemacht, den gegenwärtigen Volksaufstand gegen die israelische Besatzungsmacht aufzuhalten. Das Ansehen der anderen arabischen Führer ist in den Augen der Arbeiter und Bauern noch schlechter.

Da die Regime, auf die sich die USA im Nahen Osten stützen, derart diskreditiert sind, und zwar die arabischen wie das israelische, ist die Bush-Regierung mit enormen sozialen und politischen Spannungen konfrontiert, die um so größer sind, da sie zehn Jahre Zeit hatten heranzureifen. Letztlich haben die USA dafür keine andere Lösung als weitere militärische Aggressionen.

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