Haiders FPÖ unter der Lupe

Ein gutes Buch mit Schwächen

Hans-Hennig Scharsach / Kurt Kuch: Haider- Schatten über Europa, Verlag Kiepenheuer und Witsch 2000

Seitdem Jörg Haider und seine rechte Freiheitliche Partei (FPÖ) in Österreich zunehmend an Einfluss gewonnen hat und nun seit über einem Jahr sogar auf Bundesebene in einer Koalition mit der konservativen Volkspartei (ÖVP) regiert, hat sich eine ganze Schar von Journalisten und Schriftstellern mit Haider, seiner Partei und deren Aufstieg beschäftigt. Hans Henning Scharsach und Kurt Kuch, beide Redakteure des österreichischen Wochenmagazins NEWS, leisten mit ihrem vorliegenden Buch einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema.

Allerdings werden die Autoren dem selbst erhobenen Anspruch, die ideologischen Inhalte Jörg Haiders und der FPÖ aufzudecken, nur ansatzweise gerecht. Überall dort, wo es um politische Verallgemeinerungen und Analyse geht, bleibt das Buch auf einem recht niedrigen Niveau des Nachrichtenjournalismus. Seine Stärke liegt in dem gut recherchierten und systematisch dokumentierten Faktenmaterial.

Hier liefert das Buch viele Informationen, um die im Vorwort gestellten Fragen zu beantworten: "Ist Jörg Haider Rechtsextremist? Ist er Rassist? Ist er Faschist? Ist er Neonazi? Vor allem aber: Ist Jörg Haider Demokrat?"

Das Buch beginnt mit Haiders Beziehung zum Nationalsozialismus und Zitaten aus seinen Lobreden auf die "lieben Freunde" von der Waffen-SS, einer nationalsozialistischen Eliteeinheit, die für die Ermordung tausender Juden und Kriegsgefangener verantwortlich war.

Noch heute finden alljährliche Gedenkfeiern auf dem Ulrichsberg bei Klagenfurt, der Landeshauptstadt von Kärnten, statt - dem Bundesland, in dem Jörg Haider Ministerpräsident ist. Ende der achtziger Jahre wurden bei einem dieser Traditionstreffen von Alt- und Neonazis nicht weniger als 50 Hakenkreuz-Abzeichen von der österreichischen Polizei beschlagnahmt.

Wie es bei internen Veranstaltungen derartiger Kameradschaftstreffen zugeht und welche Rolle dabei Jörg Haider spielt, dokumentiert ein Videoband, das 1995 ein Hamburger SS-Veteran "für bettlägerige Kameraden aufnahm, die sich die Reise nach Klagenfurt nicht mehr zumuten wollten". Scharsach und Kuch stützen auf diese Videoaufnahmen folgenden Bericht.

"Unter den Anwesenden befinden sich Gudrun Burwitz, Tochter von Reichsführer SS Heinrich Himmler, Otto Kumm, der letzte Kommandant der SS-Leibstandarte Adolf Hitler, der dänische Kriegsverbrecher Sören Kam und SS-Offiziere wie Peter Timm von der berüchtigten SS-Sturmbrigade Dirlewanger oder Henri Moreau von der SS-Division Wallonie. Diese ´lieben Freunde` würdigt Haider als `anständige Menschen, die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind`".

Im weiteren dokumentiert dieser Bericht in welchem Ausmaß sich Jörg Haider mit seiner Zuhörerschaft auf diesem Traditionstreffen der Waffen-SS identifizierte. Wiederholt sprach er von "wir" und betonte, "wir werden jenem Linken (...) beibringen, dass wir nicht umzubringen sind und dass sich Anständigkeit in unserer Welt allemal noch durchsetzt, auch wenn wir momentan vielleicht nicht mehrheitsfähig sind. Aber wir sind den anderen überlegen..."

Haiders Traditionspflege und gute Beziehungen zu ehemaligen NS-Kriegsverbrechern und deren Sympathisanten wird in einer Vielzahl derartiger Beispiele verdeutlicht. So gehört auch Geschichtsfälschung, wie das Leugnen oder Verharmlosen des Holocaust in der FPÖ und deren Umfeld zum Alltag.

Der Freiheitliche Akademikerverband hatte in der Vergangenheit als Gastredner den bekannten Holocaustleugner David Irving eingeladen, und 1998 verteidigte der Programmschreiber und Parteihistoriker der FPÖ Lothar Höbelt Irvings Theorien. Höbelt, Geschichtsprofessor an der Wiener Universität, bezeichnete gegenüber der Tageszeitung Standard die Holocaust-Leugnung als "historische Diskussion".

Seit seinen Äußerungen über die "ordentliche Beschäftigungpolitik im Dritten Reich" ist Haider bei öffentlichen Erklärungen zum Nationalsozialismus zwar etwas vorsichtiger als seine Kameraden, setzt aber immer noch die millionenfache Vernichtung der Juden mit der Vertreibung der Sudetendeutschen gleich.

Sarsach und Kuch widmen über siebzig Seiten den rassistischen Ausfällen von Haider & Co. wobei sie den FPÖ-Rassismus in den Alten (gegen Juden) und den Neuen (gegen Ausländer) einteilen. Allein die Vielzahl der Fälle die eingehend geschildert werden zeigt deutlich, dass Rassismus in der FPÖ zum Programm gehört. Die Autoren stellen fest: "Der Antisemitismus des Nationalsozialismus ist fester Bestandteil der freiheitlichen Parteigeschichte. Selbst gesellschaftliche Ächtung und drohende Strafen haben ihn nicht verschwinden lassen. Sie haben ihn nur verändert. Statt offen artikuliert zu werden, versteckt er sich in sprachlichen Umschreibungen und unterschwelligen Ausdrucksformen."

Generalsekretär Peter Sichrovsky, selbst jüdischer Abstammung, bezeichnete in einem Interview den Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzikant, als "unglaublich geldgierigen Berufsjuden, der tote Verwandte ausnützt um ins Fernsehen zu kommen".

Kurz vor der Wiener Gemeinderatswahl im letzten Monat startete der Kärntner Landeshauptmann Haider eine üble antisemitische Kampagne gegen Muzikant, um seine rassistische Anhängerschaft zu mobilisieren. Allerdings wurden dagegen eher die Gegner Haiders mobilisiert, und die Freiheitlichen mussten eine empfindliche Niederlage einstecken.

Weit offener hetzt die FPÖ gegen Ausländer. 1999 gelang ihr dadurch die Regierungsbeteiligung. "Ein verletzender Anti-Ausländer-Wahlkampf jenseits aller politischen Kultur und jeden guten Geschmacks macht die Freiheitlichen 1999 zur zweitstärksten Kraft im Land."

Das Buch setzt sich an dieser Stelle detailliert mit dem offen rassistischen Wahlkampf, Anti-Ausländer Volksbegehren und anderen ausländerfeindlichen Initiativen der Freiheitlichen auseinander. Die berechtigten Sorgen in der Bevölkerung über wachsende Arbeitslosigkeit und sinkende soziale Standards missbrauchten die FPÖ-Politiker dabei für ihre fremdenfeindliche Demagogie. Nicht ohne dabei natürlich noch kräftig zu übertreiben und die Fakten zu verdrehen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Einschätzung der Autoren über die Rolle der damaligen Regierungskoalition von SP und VP. "Unter dem Druck der FPÖ-Propaganda beginnen die Regierungsparteien, ausländerfeindlichen Forderungen nachzugeben und - zumindest in Ansätzen - die ausgrenzende Rhetorik der FPÖ zu übernehmen....Die Hoffnung Jörg Haider damit die Argumente zu nehmen, erfüllt sich nicht. Im Gegenteil: Die Wähler fassen die Regierungspolitik als Bestätigung des FPÖ-Kurses auf."

Letzten Endes konnte die Freiheitliche Partei so die Regierung weiter nach rechts treiben. "Nach mehrfachen Verschiebungen treten die neuen Ausländergesetze erst unter Innenminister Karl Schlögel mit Jahresbeginn 1998 in Kraft. Unter dem Druck freiheitlicher Ausänder-Agitation glaubt sich die Regierung neuerlich in Zugzwang. Im Frühjahr 1999 kündigt der sozialdemokratische Innenminister an, es werde de facto keine Zuwanderung mehr geben. Die FPÖ antwortet wie sie immer geantwortet hat. Generalsekretär Peter Westenthaler fordert die Minus-Zuwanderung."

Deutlich auch die Aussage über die daraus resultierende Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. "Der politische Flurschaden dieses Wettlaufs um die Stimmen der ängstlichen und zu kurz gekommenen Klein- und Spießbürger lässt sich nicht mehr gutmachen. Eine 1999 veröffentlichte Studie des Wirtschaftsministeriums verdeutlicht die Auswirkungen auf die Einstellung der Österreicher: Knapp die Hälfte reagiert eindeutig ausländerfeindlich".

Weiter wird das Verhältnis von Haiders Partei zur Demokratie unter die Lupe genommen. Hier hat Haider den Begriff der "Dritten Republik"- ein Begriff der unweigerlich an "Drittes Reich" erinnert- geprägt. Dies entspricht im wesentlichen einem faschistischen Führerstaat, indem das Parlament entmachtet und die repräsentative Demokratie überwunden ist.

In seiner Partei hat sich diese autoritäre Struktur bereits durchgesetzt. Die Auswirkungen dieses Führungsstils werden folgendermaßen beschrieben: "Haider signalisiert, was seine Kernschichten anspricht: das Führerprinzip, die Notwendigkeit der Loyalität bei angeblicher Außenbedrohung, die Drohung mit seinem Abgang und den damit verbundenen Untergang der Partei."

Im April 1998 verhängt Haider zusammen mit Susanne Riess-Passer über die zerstrittene Salzburger Parteiorganisation eine Kollektivstrafe. 700 gewählte Funktionäre werden ihrer Ämter enthoben und unter die kommissarische Leitung des Bundesgeschäftsführers gestellt. Politologie Anton Pelinka dazu: "So etwas hat es in einem nicht faschistischen System noch nie gegeben."

Da ist es schon nahezu selbstverständlich, dass die Freiheitlichen im Interesse einer autoritären Staatstruktur aggressiv gegen demokratische Grundrechte wie Presse- und Demonstrationsrecht angehen. Die Kriminalisierung politischer Gegner wird verbunden mit dem Ruf nach einem starken Staat, der für Recht und Ordnung sorgt.

Ein Kapitel widmet sich der Frage: Schwarz-blaue Koalition. Rechts oder rechtsextrem? Die Liste der bereits durchgeführten oder geplanten Maßnahmen macht deutlich, dass trotz parteiinternen Krisen und Konflikten die FPÖ das erste Jahr ihrer Regierungsbeteiligung genutzt hat, um auf allen wichtigen Regierungsfeldern die Weichen neu zu stellen und eine extrem rechte, neoliberale Politik durchgesetzt hat. Die großspurige Ankündigung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), er werde dafür Sorge tragen, dass die Freiheitlichen in die "demokratische Verantwortung" eingebunden werde, ist längst widerlegt. Ein Blick auf die wichtigsten Regierungsmaßnahmen macht deutlich, dass eindeutig Haider und seine FPÖ in der Regierung den Ton angeben.

Das erste "Sparpaket" beinhaltet eine deutliche Umverteilung, "die Arbeitnehmer, Alte und Kranke mit 13 Milliarden belastet, Unternehmer, Freiberufler und Landwirte um etwa den gleichen Betrag entlastet." Das Frauenministerium wurde ersatzlos gestrichen und die Gelder für Förderungsprogramme zur Wiedereingliederung von Frauen ins Berufsleben radikal zusammengestrichen. Die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose wurden verschärft und Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet. Trotz angekündigter Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof wegen sozialer Unausgewogenheit und Verfahrensfragen wurden Rentenreform, Sicherheitsgesetz, Regionalradiogesetz und Zivildienstnovelle durchgesetzt.

Die Autoren versuchen, das bisher umgesetzte oder geplante Regierungsprogramm in "demokratiepolitisch bedenkliche" und "einfache rechte, aber demokratische Maßnahmen" bzw. Vorhaben einzuteilen. Hier zeigt sich die Hauptschwäche des Buchs. Die Gegenüberstellung von demokratisch akzeptabel und undemokratisch kann nicht erklären, dass die völlig reaktionäre, auf ein diktatorisches Regime ausgerichtete Politik der FPÖ aus den parlamentarischen Strukturen des demokratischen Systems entstanden ist. Es waren sogar die Parteien, die ständig ihren demokratischen Charakter betonen, Sozialdemokratie und Volkspartei, die der rechten FPÖ den Weg geebnet haben.

Was die Autoren völlig weg lassen, ist der Klassencharakter der Politik. Weil alle im Parlament vertretenen Parteien die Interessen der großen Konzerne und Banken in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen, geraten sie immer deutlicher und schärfer in Konflikt mit der großen Mehrheit der Bevölkerung. Das Anwachsen der FPÖ ist ein Ergebnis der Tatsache, dass diese Politik der Sozialkürzungen immer weniger mit demokratischen Mitteln durchgeführt werden kann.

Um die sozialen und demokratischen Rechte zu verteidigen und den Einfluß der Haider-Partei zu bekämpfen, ist daher ein politisches Programm notwendig, das die Bedürfnisse der Bevölkerung höher stellt als die Profitinteressen der Wirtschaftverbände und eine sozialistische Perspektive vertritt.

Siehe auch:
Weiter Analysen zur FPÖ und der politischen Entwicklung in Österreich
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