Briefe zu den "Boot-Camps" für Jugendliche

Liebe Redaktion,

Danke für Euren Artikel, der die Brutalität und Dummheit der jüngsten Bestrafungsmethoden für Problemteenager aufdeckt: "Boot-Camps".

Ich habe aus mehreren Gründen ein besonderes Interesse daran: 1. war ich selbst vier Jahre lang in der US-Armee und habe meine "Grundausbildung" in den ersten paar Monaten in Fort Leonard Wood, Missouri, erhalten, und 2. lebe ich in South Dakota und habe deshalb eine Menge über den Tod von Gina Score und über die Art und Weise, wie die "Boot-Camps" meines Staates geführt werden, gehört (es gibt eins für Mädchen in Plankington und eins für Jungen in Custer).

Eine der wichtigsten Rechtfertigungen für die"Boot-Camps" ist die Vorstellung, die Art, wie die Armee dieser Nation ihre Rekruten trainiert, habe den Nebeneffekt, diese auch reifer und verantwortungsvoller - kurz, zu besseren Staatsbürgern zu machen. Der Gouverneur meines Staates, Bill Janklow, rechnet es der US-Marine hoch an, dass sie sein Leben verändert habe.

Das Hauptproblem mit Problemjugendlichen, so wird argumentiert, bestehe darin, dass es ihnen an "Respekt" (vor den Rechten anderer, vor gesellschaftlichen Einrichtungen und vor der "Autorität") und an Selbstdisziplin fehle. Diese Kinder seien zu schlecht angepasst, als dass man ihnen durch Beratung helfen könnte, sie müssen durch einen Schock in die richtige geistige Verfassung gebracht werden, so die Fans der "Boot-Camps". Das Problem mit dieser Auffassung besteht jedoch darin, dass unser Militärdienst keineswegs bessere Staatsbürger oder psychologisch gesündere Individuen hervorbringt.

In den Suppenküchen, Obdachlosenheimen, Gefängnissen und ähnlichen Fundgruben, die unsere Gesellschaft für ihre "Verlierer" bereit hält, findet man unverhältnismäßig viele militärische Veteranen, von denen die meisten noch nicht einmal in die Nähe einer Schlacht gekommen sind. Warum ist das so? Ich glaube, es liegt daran, dass unsere militärischen Einrichtungen ihre Rekruten auf eine Art und Weise sozialisieren, dass sie einfach schlecht darauf vorbereitet sind, mit dem üblichen Stress und der Anspannung des normalen Alltagslebens zurechtzukommen.

Das erste Ziel des militärischen Drills besteht darin, den Menschen das Ausführen von Befehlen beizubringen, ohne dass sie dabei irgendwelche Rücksicht auf ihre eigene körperliche Sicherheit oder auf den moralischen Wert dessen nehmen, was ihnen befohlen wird (wie z.B.: "Geh dort rüber und töte diesen dir völlig fremden Menschen, der dir noch nie etwas zuleide getan hat".) Dieses Ziel wird zunächst durch ein intensives Programm der Entpersonalisierung erreicht, auch"Boot-Camp" genannt (oder "Grundausbildung", je nachdem in welchem Zweig man dient). Der "ideale" Kadett eines militärischen "Boot-Camps" ist ein gestörtes und isoliertes Individuum, ein reiner Befehlsempfänger - in der Lage, auf Befehl zu töten.

Es scheint mir logisch, dass die Kinder, die der Erfahrung dieser "Boot-Camps" ausgesetzt werden, sich, wenn überhaupt, zum Schlechteren ändern. Wie sollen den die Kids, denen man die Fähigkeit, einer Autorität gegenüber "Nein" zu sagen, psychologisch (und physisch) ausgetrieben hat, jemals in der Lage sein zu widerstehen, wenn sie unter Druck gesetzt werden, einer Gang beizutreten, wenn sie das "Boot-Camp" wieder verlassen haben? (Und das Bandenwesen im Alltagsleben von "Problemkids" kommt der Existenzweise im Militär am nächsten.)

Das wirkliche Motiv hinter dem Aufschwung der "Boot-Camps" ist ganz einfach Rache. Unsere Gesellschaft will "schlechten" Kids Leid zufügen und sich gleichzeitig sagen können, dass die Bestrafung dieser Kinder "zu ihrem eigenen Besten" sei. Ein weiterer Aspekt des "Boot-Camp"-Phänomens, das einen nachdenklich machen sollte, besteht darin, dass die Kinder, die in solche Einrichtungen geschickt werden, meistens arm sind und oft aus einer Minderheit stammen. Selbst in South Dakota, das über neunzig Prozent weiß ist, stammen die Mehrheit der "Zöglinge" in unseren "Boot-Camps" aus Minderheiten (meist geborene Amerikaner).

"Boot-Camps" dienen - wie auch das übrige "Strafjustizsystem" - dazu, die Armen und Minderheiten an ihren Platz in der Gesellschaft zu erinnern. Kinder aus "gutem Elternhaus", die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, wie Jenna und Barbara Bush [die Töchter des Präsidenten; die Red.], wird man in keinem "Boot-Camp" finden.

Im Zusammenhang mit Gina Scores Tod geht Euer Artikel auf die vielen Beschwerden über das System und seine Funktionsweise ein. Ich glaube, es wäre für Eure Leser nützlich, im einzelnen zu erfahren, wie Gina Score im Boot-Camp in Plankington, South Dakota, zu Tode kam.

Gina Score war ein krankhaft fettleibiger Teenager: sie war 1,60 m groß und wog über 113 kg. An ihrem ersten Morgen im Mädchencamp wurde sie gezwungen, an einem 5-km-Lauf teilzunehmen. Es war ein heißer, schwüler Junimorgen. Sie überhitzte sich und sagte ihrem Ausbilder, sie könne den Lauf nicht zu Ende führen. Ihr wurde gesagt, sie habe keine Wahl, und sie wurde angestachelt und angetrieben weiterzulaufen. Schließlich brach Gina Score zusammen. Die Ausbilder und andere Aufseher beschuldigten sie, einen Hitzekollaps nur vorzutäuschen, und taten nichts, ihr zu helfen; sie standen im Gegenteil noch zwei Stunden lang um sie herum, machten sich über sie lustig und tranken kühle Getränke - ihr aber verweigerten sie Schatten und Wasser. Schließlich verfärbten sich ihre Lippen blau, Schaum trat vor ihren Mund und sie starb.

LG

Sioux Falls, SD

7. Juli 2001

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Danke für den Artikel, der auf den Horror der "Boot-Camps" in den Vereinigten Staaten eingeht.

In Südafrika war ein privates Zentrum christlicher Fundamentalisten zur angeblichen Rehabilitierung Drogensüchtiger in den letzten Monaten mehrmals in den Schlagzeilen, nachdem dort zwei Jugendliche gestorben waren. Das Zentrum, das nach den im WSWS -Artikel beschriebenen Grundsätzen der "rauhen Liebe" geführt wird, unterhält ein "Straflager" für diejenigen, die sich der Disziplin des leitenden Pfarrers nicht beugen. Der erste Todesfall ereignete sich, nachdem ein Jugendlicher im Straflager die ganze Nacht in einem Käfig angekettet worden war. Die Umstände des zweiten Todesfalls sind unklar und werden noch untersucht. Es kommen immer neue Schauergeschichten früherer Insassen über schrecklichen Missbrauch an die Öffentlichkeit. Grausame Schläge, der Einsatz von Pit-Bull-Terriern gegen Jugendliche und verbale und psychologische Erniedrigung werden mit einem christlichen Fundamentalismus der rückständigsten Art vermischt.

Weil die Regierung soziale Einrichtungen mehr und mehr herunterschraubt, müssen wir damit rechnen, dass sich solche Einrichtungen noch viel mehr ausbreiten. In den Vereinigten Staaten wird Präsident Bushs Plan, die staatliche Verantwortung an "glaubens-gebundene" Gruppen abzutreten, sicherlich zu weiteren Todesfällen von jungen Menschen führen, die man den Befürwortern der "rauhen Liebe" überlassen hat.

Euer

EG

Südafrika

6. Juli 2001

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Liebe Redaktion,

Euer Artikel über "Boot-Camps" in den Vereinigten Staaten enthüllt eine bestürzende Verwechslung von Disziplin und Grausamkeit auf Seiten ihrer Anhänger.

Ein Kind zu zwingen, Erniedrigungen zu ertragen, wie sie in dem Artikel beschrieben wurden, hat nichts mit Disziplin zu tun, aber viel mit perversem und sogar lüsternem Missbrauch von Macht über einen anderen um seiner selbst Willen.

Missbräuche, wie sie in solchen Camps offenbar begangen werden, fördern nicht Disziplin, sondern vergrößern die Probleme wohl eher, statt sie zu vermindern. Wenn Disziplin zu etwas gut sein soll, dann muss sie Respekt vor der Person (vor allen Personen, auch vor "Insassen") und Fürsorge beinhalten, nicht Missachtung bis hin zu Folter.

Wie soll eine junge Frau sich selbst respektieren lernen (als erstem Schritt andere zu respektieren), wenn Männer eine Leibesvisitation bei ihr durchführen? Das ist eine weiche Form der Vergewaltigung und sollte zu einem juristischen Nachspiel für die Täter führen.

Grüße

DG

Sydney, Australien

8. Juli 2001

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An das WSWS:

Die Besitzer dieses Landes töten schon seit so langer Zeit Kinder im Ausland und in unseren Stadtzentren mittels "internationaler Ordnung" und "Law and Order", dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie anfangen würden, junge Leute in den Boot Camps zu foltern und zu töten und das dann auch noch zu rechtfertigen.

Als Lehrer, der jetzt seit fünf Jahren junge Leute unterrichtet, die in einer Kultur der "rauhen Liebe" aufgewachsen sind, kann ich bezeugen, dass die Politik der "rauhen Liebe" der Unternehmen, der Kirche und des Staates wenig mehr erreichen, als die Zerstörung der Fantasie. Viele Lehrer in dieser Stadt (New York) werden bestätigen, dass die Probleme, die wir in den öffentlichen Schulen haben, nicht so sehr mit einer "nicht unterrichtbaren" Generation zu tun haben, sondern mehr damit, dass in einer Kultur, in der die Erziehung immer mehr als ein Prozess betrachtet wird, in dem man die "richtigen" Antworten für einen Test lernt, die natürliche Neugierde der Jugend und das Lernen auf ein freudloses Gegenüber von Lehrern und Schülern reduziert wird.

Füge diesem unterfinanzierten und überarbeiteten Schlamassel die Tendenz der Boojwah-Diktatur hinzu, die Medikamentenabhängigkeit von Erwachsenen und Jugendlichen zu fördern, die eine natürliche Unzufriedenheit mit dem blinden Kreislauf von Konsum und Produktion fühlen, dann ergibt das die Situation, mit der wir es heute im staatlichen Schulsystem zu tun haben.

Die Boot Camps sind das natürliche Ergebnis einer brutalen Gesellschaft, die in dem Streben nach immer höherem Profit die wichtigste Voraussetzung für technologische Innovation aus dem Auge verloren hat: die zusätzliche Zeit, die uns die Weltraumtechnologie theoretisch für unsere Selbstentwicklung verschafft hat.

Die Frage ist, wie Rosa Luxemburg es schon vor so langer Zeit formuliert hat: Sozialismus oder Barbarei.

Die Nachrichten bombardieren uns mit Bildern der Bush-Dynastie, Vater und Sohn, wie sie auf ihrem Golfwagen sitzen und mit dem Schläger in die Kameras winken. Diese personifizierten politischen Idioten, die Spitzen der kapitalistischen Zivilisation in der Narrenkappe. Die Gesichtszüge der Bushs ähneln denen eines Labrador Retriever, der einem Tennisball nachjagt. Der Augenblick ist alles für diese sturen Esel und ihre Schüler; eine Erholung, die noch nicht einmal etwas wieder-belebt(im Englischen ein Wortspiel: re-create).

Die Zukunft liegt in der Diktatur des Proletariats, oder es gibt keine Zukunft für die Menschheit oder für irgendwas.

MHP

New York City

8. Juli 2001

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