Zu wenig

Bride of the Wind (Die Windbraut), ein Film von Bruce Beresford, nach dem Buch von Marilyn Levy

Die Windbraut ist die fiktive Darstellung einer dreißigjährigen Periode aus dem Leben der Alma Mahler (1879-1964), die mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius (Bauhaus-Gründer) und dem Schriftsteller Franz Werfel ( Die vierzig Tage des Musa Dagh) verheiratet war, und die eine romantische Beziehung zu dem expressionistischen Maler Oskar Kokoschka (und möglicherweise auch zum Komponisten Alexander Zemlinsky und dem Maler Gustav Klimt) pflegte. Alban Berg widmete ihr seine bahnbrechende Oper Wozzeck. Alma Mahler gilt als eine der bemerkenswertesten "Musen" des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ein Dutzend ausgezeichnete Filme oder Novellen hätte man aus diesem Stoff schaffen können. In Alma Mahlers Leben kamen viele große Themen vor: das kulturelle und politische Leben im damaligen Wien, Mahlers ganz spezielles Genie und Dilemma, der Aufstieg des Modernismus in der Kunst, der Zusammenbruch des Habsburgerreiches, die Auswirkungen der russischen Revolution auf die europäischen Intellektuellen, der Aufstieg des Faschismus und so weiter. (Um der faschistischen Gefahr zu entkommen, verließen Alma und der aus Tschechien stammende, jüdische Werfel 1938 Österreich und fuhren nach Frankreich. 1940 flüchteten sie nach Spanien - gemeinsam mit Heinrich Mann zu Fuß über die Pyrenäen - und schließlich in die USA. Alma starb 1964 in New York.) Unglücklicherweise haben die Filmemacher beschlossen, sich nur auf ihren engsten Lebensumkreis zu konzentrieren und fast alle diese Fragen außen vor zu lassen, und das Ergebnis ist letztlich schwach.

Die Windbraut (der Name stammt von einem berühmten Gemälde von Kokoschka) befasst sich mit einem Zeitraum, der ungefähr von Almas erster Begegnung mit Mahler gegen Ende des Jahres 1901 bis zu ihrer Heirat mit Werfel 1929 reicht. Wir sehen sie als erstes im Alter von zwanzig Jahren, als eigensinnige und verwöhnte junge Frau, ganz der Musik und der Kunst ergeben, mit ihrem eigenem Willen und eigener Meinung. In ihrer ersten Unterhaltung mit dem um zwanzig Jahre älteren Mahler, einer prominenten Persönlichkeit der Wiener Musikwelt, unterwirft sie seine Komposition einer scharfen Kritik und nennt sie "repetitiv" (sich wiederholend) und von fremden Strömungen beeinflusst.

Mahler nimmt Alma auf musikalischem und persönlichem Gebiet für sich ein. Schon bald spricht er von Heirat, wobei er nur eine Bedingung stellt: Er will, dass sie ihre eigenen Kompositionsversuche einstellt. (Im Film wird dies in einem kurzen Gespräch im Kaffeehaus zusammengefasst, in Wirklichkeit war dies der Inhalt eines 14-seitigen Briefes, den Mahler an Alma richtete, in dem es heißt: "Wie kannst du eine Ehe zweier Komponisten, wie wir es sind, ins Auge fassen? Ist dir nicht aufgefallen, wie lächerlich und schließlich auch erniedrigend für uns eine derart sonderbare Rivalität zwangsläufig werden müsste?") Alma willigt ein, doch natürlich bleibt die Bitterkeit darüber, ihre Arbeit aufgegeben zu haben.

Diese Szene und die darauf folgenden über das gemeinsame Leben von Gustav und Alma sind die stärksten des Films. Jonathan Pryce ist als Mahler ergreifend, und dasselbe trifft in diesem ersten Teil auch auf Sarah Wynter, die australische Schauspielerin, zu, wenigstens solange ihre eindimensionale Darstellungsweise (Gereiztheit in wechselnder Schattierung) noch nicht die Oberhand gewinnt. Bruce Beresford, der Regisseur, hat sich offensichtlich die Mühe gemacht, das Bild von Wien und dem ländlichen Österreich der damaligen Zeit einzufangen. Darin ist eine gewisse Intelligenz und Sensibilität spürbar.

Solche Qualitäten allein reichen jedoch nicht aus, um eine Arbeit aufzuwerten oder zu retten. In diesem Fall überwiegt die beschränkte Perspektive des Regisseurs, die schließlich den Ausschlag gibt. Vieles ist leider zu stark voraussehbar, wie zum Beispiel die Neigung zum Feminismus im Skript. Mahlers Ultimatum war zwar verwerflich, unter den historischen Umständen jedoch kaum überraschend. Aber der Film baut alles darauf auf, dass die Alma aufgezwungene Entscheidung, das Komponieren aufzugeben, der Schlüssel zu ihrem Leben und all ihren Beziehungen sei. "Eine Legion von Liebhabern: das ist alles, was ich erreicht habe," wie sie sich an einer Stelle beschwert. Tatsächlich wird das Sich-Beschweren ihr Lebensinhalt. Als Mahler eines Abends seinen größten musikalischen Triumph erlebt, begrüßt sie ihn mit den Worten: "Die erste Geige kam zu früh". Und als andere ihn umringen, ihm gratulieren und sie in den Hintergrund drängen, sollen wir sie offenbar bedauern. "Er hat mich unterdrückt", wird sie später einer Freundin vorjammern. Das kann wohl sein, aber ist das alles, was diese zwei außerordentlichen Persönlichkeiten und ihre Situation hergeben? Wie armselig.

Einmal kommt es doch zu einer Szene mit Tiefgang, die gesellschaftliche Widersprüche andeutet, als Mahler entdeckt, dass Alma eine Affäre (mit Gropius) hatte. Ihre Reaktion besteht darin, ihn zu beschuldigen, er lasse ihr keine Luft zum Atmen, und am Ende ihrer wütenden Tirade beschimpft sie seine "jüdische Musik". Einen kurzen Moment lang wird eine denkwürdige Wahrheit sichtbar. Alma ist nicht nur die "unterdrückte Frau": sie ist auch eine verwöhnte Kleinbürgerin mit einem guten Schuss Antisemitismus im Blut, sowohl Täterin wie Opfer. Wäre dies doch nur weiter entwickelt worden. Stattdessen wird damit verfahren, wie mit manch anderen kritischen Fragen, die, eben flüchtig aufgegriffen, schon wieder fallen gelassen werden. Der Film ist einfach überladen mit derartigen Anspielungen, in denen zum Beispiel ein Gropius grummeln kann: "Wir müssen von all diesen Schnörkeleien loskommen", was offenbar die spätere Entwicklung der Bauhaus-Bewegung erklären soll.

Die Schwäche des Films scheint aus zwei Problemen zu bestehen, die vielleicht sogar zusammenhängen: erstens ist es ganz offensichtlich, dass das Interesse an dem Werk stark nachlässt, sobald die Mahlers Figur nicht mehr darin vorkommt (er starb im Mai 1911, zwei Monate vor seinem 51. Geburtstag). Der Alma-Kokoschka-Abschnitt des Films ist irritierend (wofür hauptsächlich Vincent Perez als Kokoschka verantwortlich ist), das Alma-Gropius Zwischenspiel ist oberflächlich und der Alma-Werfel-Teil schlicht flach. Die Mahler-Darstellung von Pryce trägt dazu bei, unser Interesse wach zu halten, doch es muss noch einen tieferen Grund geben, der in der Persönlichkeit des Komponisten selbst liegt.

Alma Mahler war zweifellos eine außergewöhnliche Person, und dasselbe trifft auf viele ihrer Bewunderer und Liebhaber zu. Im Grunde war Mahler jedoch der größte der Künstler-Intellektuellen, die in der Windbraut vorkommen, und obwohl die Filmemacher ihn in fiktiver und vereinfachter Form darstellen, erlauben sie uns einen Blick auf ihn, der gerade ausreicht, um unser Interesse zu wecken, nicht jedoch, es zu stillen.

Ein paar Worte über Mahler. Geboren 1860 im böhmischen Kalitsch als Sohn jüdischer Eltern, eines Kaffeehausbesitzers und einer Seifensiedertochter, zeigte Mahler eine frühe musikalische Begabung und trat mit 15 Jahren ins Wiener Konservatorium ein. Er entschloss sich, den Dirigentenberuf zu ergreifen, und komponierte viel in seiner Freizeit. 1888 wurde Mahler zum Direktor der Ungarischen Oper in Budapest ernannt und 1897 zum Direktor der Wiener Hofoper. Seine wichtigsten Werke sind seine zehn Symphonien (die letzte unvollendet), zu denen man sein Lied von der Erde hinzurechnen kann.

Ein Kommentator schreibt: "Vom rein musikalischen Standpunkt setzte Mahler besonders oft chromatische Harmonien ein, die in [Wagners] Tristan und Parsifal zum erstenmal zur Anwendung kamen. In dieser Hinsicht bildet er das Bindeglied zwischen Wagner und Schoenberg, der bald darauf die Destruktion der klassischen tonalen Harmonie vollenden wird. Als Komponist war Mahler zweifellos einer der originellsten Künstler seiner Zeit, ein Intellektueller und starker Theoretiker. Er brach mit traditionellen Formen und schuf Symphonien von gigantischem Ausmaß, mit überbordend reicher Orchesterbesetzung, inspiriert vom geistigen und poetischen Anspruch seines Werks."

Mahler schrieb einmal in einem Versuch, eine seiner Symphonien zu "erklären": "Wofür hast du gelebt? Warum hast du gelitten? Ist das bloß ein großer, schrecklicher Scherz? Wir müssen diese Fragen irgendwie beantworten, um in Zukunft weiterzuleben - und auch, um zu sterben."

Als Intellektueller verfolgte Mahler verschiedene philosophische Strömungen. Wie viele andere Zeitgenossen aus seiner Gesellschaftsschicht las und verinnerlichte er Nietzsche und Schopenhauer und auch weniger bekannte Denker, besonders wenn sie den Versuch unternahmen, Wissenschaft und Metaphysik zu vereinen. Er beschäftigte sich mit Pantheismus, Buddhismus, usw.

Es ist jedoch nicht möglich, die beunruhigenden und erschütternden Seiten von Mahlers Musik und seine Vorausahnungen wie einer seiner Biografen einfach damit zu erklären, dass in seinem Kopf "Probleme der Philosophie und der Metaphysik... hämmerten". Ein Komponist ist nicht bloß eine "leere Maschine" (Trotzki), die Formen schafft, sondern ein lebendiges menschliches Wesen, das unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Umständen lebt und diese zwangsläufig auf bestimmte Art und Weise in seinem oder ihrem Werk umsetzt.

Mahler ist eine der größten künstlerischen Persönlichkeiten des letzten Jahrzehnts des neunzehnten und des ersten des zwanzigsten Jahrhunderts. Trotzki beschrieb diese Jahre so: "Die kapitalistische Menschheit durchschritt zwei Jahrzehnte eines noch nie dagewesenen wirtschaftlicher Aufschwungs, der alle bisherigen Vorstellungen von Reichtum und Macht über den Haufen warf, neue Maßstäbe und Kriterien für das Mögliche und Unmögliche schuf und den Menschen vom Unterbewusstsein her zu immer neuen Wagnissen trieb. Indessen lebte die offizielle Öffentlichkeit noch im Automatismus des gestrigen Tages. Die bewaffnete Welt, mit ihrem diplomatischen Flickwerk, dem Dreschen leeren Strohs in den Parlamenten, der Außen- und Innenpolitik, aufgebaut auf einem System von Sicherheitsventilen und Bremsen - alles das lastete auch auf der Dichtkunst, während die in der Luft aufgestaute Elektrizität mächtige Entladungen entließ." (L. Trotzki: "Der Futurismus", in: Literatur und Revolution, Essen 1994, S.131)

Diese Periode erlebte einen allgemeinen Aufschwung im politischen Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse, das sich im Anwachsen der sozialistischen Massenparteien ausdrückte, wie auch in der Gegenoffensive der europäischen Bourgeoisie in Form der Ermutigung nationalistischer und antisemitischer Extreme. Es war dies die Zeit der Dreyfus-Affäre in Frankreich. In Wien wurde 1897 Karl Lüger mit einem offen antisemitischen Wahlprogramm zum Bürgermeister gewählt. Im gleichen Jahr konvertierte Mahler, wahrscheinlich als Bedingung für seine Ernennung zum Operndirektor, offiziell zum Katholizismus. Dies täuschte die reaktionären Elemente nicht. 1900 wurde er Opfer der ersten größeren antisemitischen Kampagne; darauf folgten mehrere Angriffe in der Presse und Intrigen. 1907 sah er sich gezwungen, zurückzutreten, als er zum Chefdirigenten der Metropolitan Opera in New York ernannt wurde.

Es ist schwer vorstellbar, dass diese belastende Situation, wie auch seine erschöpfende Dirigententätigkeit und seine umfangreichen Kompositionen (neben dem Komponieren dirigierte er 107 Konzerte allein in den ersten zehn Monaten an der Wiener Oper und brachte zusätzlich seine eigene Musik in verschiedenen europäischen Städten zur Aufführung) nicht zu seinem frühen Tod beigetragen haben. Er starb an einer Entzündung der Herzinnenhaut.

Mahler konnte nicht völlig abgeschirmt von den politischen und sozialen Konflikten seiner Zeit gelebt haben. Es ist bemerkenswert, dass er 1879-80 mit Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer, zwei Pionieren des österreichischen Sozialismus, befreundet war. Ein Biograph schreibt darüber: "Der politische Gehalt von alledem ging Mahler nicht unter die Haut". In einem oberflächlichen Sinn ist das zweifellos richtig. (Obwohl der gleiche Biograph schreibt, dass Jahre später, als er schon eine "arrivierte Persönlichkeit" war, Mahler für Adler stimmte und an einem Ersten Mai kurz an einer Arbeiterkundgebung teilnahm - recht ungewöhnliche Aktionen für einen durch und durch unpolitischen Mann, würde man meinen, der noch dazu fast ständig unter den Attacken feindlicher Kräfte zu leiden hatte.) Dies verkennt jedoch die tiefere, organische Beziehung zwischen der Entwicklung der modernen Kultur (einschließlich der Technik und Wissenschaft) und dem Sozialismus.

Auf jeden Fall enthält Mahlers Leben ein Übermaß an Material, dass sich zur Dramatisierung eignet. Auch in der Windbraut, hätte man mehr aus den Lebensumständen dieser Nebenrolle machen können. Dies hätte zwar seine unsensible Haltung den kompositorischen Bemühungen seiner Frau gegenüber nicht entschuldigt, doch zumindest hätte es den historischen Zusammenhang hergestellt.

Und dieser Fehler ist mit dem zweiten und allgemeineren Problem des Filmes verbunden, der Unfähigkeit der Filmemacher, ernsthaft das Wesen von Leben und Gesellschaft auszuloten, wie es im Wien der ersten zehn Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts existierte. Das ist am Ende der Grund, warum Almas eigene Anziehungskraft nie richtig zur Geltung kommt. Gutaussehende und selbstbewusste Frauen gibt es viele; Alma Mahler muss etwas an sich gehabt haben, was darüber hinausging: die Brillanz des kulturellen und intellektuellen Lebens, die sie, da sie der künstlerischen Berufung nicht hatte folgen können, in ihrer Persönlichkeit verkörperte.

Aber wenn man nicht in der Lage oder nicht Willens ist, das kulturelle und intellektuelle Umfeld zu untersuchen - im Wien der Maler Kokoschka, Klimt und Egon Schiele, der Musiker Mahler, Arnold Schoenberg, Berg und Anton von Webern, der Dichter und Schriftsteller Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal und Robert Musil, der Psychoanalytiker Sigmund Freud und Alfred Adler, des journalistischen Essayisten Karl Kraus, der Austromarxisten und auch der russischen Revolutionäre im Exil, Trotzki und Joffe - dann gibt es kaum eine Lösung. Eine solche Untersuchung hätte zwangsläufig dazu geführt, die Rolle der sozialistischen Arbeiterbewegung und des Marxismus in Betracht zu ziehen, der intellektuellen Strömung, in deren Kraftfeld sich alle anderen kritischen Trends bewegten. Es reicht zu erwähnen, dass der einzige Bezug zur Arbeiterbewegung im ganzen Film eine kurze Szene einer Demonstration ist, an der rote Fahnen zu sehen sind.

So hat der Film also intelligente Momente, kluge Lichtblicke, hie und da ein Aufblitzen von Erkenntnis, aber es fehlt ihm Tiefgang und Wirklichkeit. Der Schluss zeigt ein Konzert mit Almas Liedern (vorgetragen von Renée Fleming in der Brahmshalle des Musikvereins in Wien), und die späte, öffentliche Anerkennung ihrer kompositorischen Fähigkeiten. Ein vollkommen berechtigtes Ereignis, aber ist es nicht absurd und kurzsichtig, so viel Gewicht auf diesen persönlichen Erfolg und ihr persönliches Glück zu legen (sie hat gerade erst Franz Werfel geheiratet), während wir doch wissen, dass nur wenige Jahre später Werfels Bücher von den Nazis verbrannt werden und, noch einige Jahre danach das Paar zur Flucht aus Österreich gezwungen sein wird? An der einen oder anderen Stelle müssen die Filmemacher gemerkt haben, wie unangebracht ihr Happy End doch ist: so hat der Film kein richtiges Ende, sondern er entwischt gleichsam verschämt durch die Hintertür.

Man ist gezwungen, immer wieder zu dieser Frage zurückzukehren: Viel zu viele künstlerische Darstellungen historischer Themen kranken - oder zerbrechen - heute daran, dass die meisten zeitgenössischen Künstler eine unhistorische und seichte Haltung zu ihnen einnehmen. Die Fähigkeit, unabhängig von seinem eigenen Umfeld die moralischen, sozialen und emotionalen Gegebenheiten einer Zeit - wie auch deren komplexe Beziehung zu seiner eigenen Situation - zu erfassen und zu reproduzieren, erfordert gründliche Kenntnis der Geschichte und der historischen Prozesse.

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