Pakt zwischen den Vereinigten Staaten und Usbekistan wirft ein Schlaglicht auf Washingtons Kriegsziele in Zentralasien

Die Vereinigten Staaten und Usbekistan haben am 12. Oktober in einer gemeinsame Erklärung den Abschluss eines Abkommens bestätigt, wonach amerikanische Streitkräfte in Usbekistan stationiert werden - für die Dauer des laufenden Konfliktes mit Afghanistan und eine unbestimmte Zeit danach. Im Gegenzug verpflichtete sich die Bush-Regierung, die Sicherheit und territoriale Integrität der ehemaligen Sowjetrepublik zu schützen.

Das Abkommen wurde am 7. Oktober unterzeichnet, dem Tag nachdem die Bombardierung Afghanistans durch die Vereinigten Staaten begonnen hatte. Es war ein Ergebnis des Besuch des amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld in der usbekischen Hauptstadt Taschkent im Rahmen seiner Reise durch vier Länder, um Unterstützung für die amerikanischen Militärintervention in Zentralasien zu gewinnen. An der Seite des usbekischen Präsidenten Islam Karimov erklärte Rumsfeld: "Das Interesse der Vereinigten Staaten ist eine langfristige Beziehung mit diesem Land."

Mehr als 1.000 amerikanische Soldaten befinden sich bereits in Usbekistan. Es sind Teile der 10. Bergdivision, einer speziellen Anti-Guerilla-Kampfeinheit, von der man annimmt, dass sie eine Bodenoffensive gegen angebliche Hochburgen von Osama bin Laden und seiner Al-Qaeda-Organisation in Afghanistan anführen wird. Weitere 1.000 Soldaten werden erwartet.

Amerikanische Kampfflugzeuge wurden auch auf usbekischen Flugplätzen stationiert und haben freien Zugang zum usbekischen Luftraum, obwohl bislang keines von ihnen für die Bombardierungen eingesetzt wurde - zumindest nach offiziellen Angaben. Berichten zufolge befindet sich ebenfalls eine unbekannte Anzahl von amerikanischen Spezialeinheiten im Land, in streng bewachten Lagern, die von einem dreifach Kordon von Soldaten umringt sind.

Rustam Dschumajew, Sprecher des usbekischen Präsidenten Karimov, sagte, dass Usbekistan kein Mitglied der von den Vereinigten Staaten errichteten "Anti-Terror-Allianz" sei, und behauptete, dass die Infrastruktur des Landes "in erster Linie" für humanitäre Zwecke genutzt werde (d.h. um Geiseln oder abgeschossene Piloten aus Afghanistan zu retten). Die von Usbekistan vorgeschobenen humanitären Gründe werden von der Tatsache widerlegt, dass das Land seine Grenze für afghanische Flüchtlinge geschlossen hat, die vor der Taliban-Regierung und den amerikanischen Bomben fliehen.

Die gemeinsame Erklärung der beiden Regierungen verkündete die Errichtung einer "qualitativ neuen Beziehung auf der Grundlage einer langfristigen Verpflichtung zur Förderung von Sicherheit und regionaler Stabilität". Während die Vereinigten Staaten formal keine Garantie für die usbekischen Grenzen übernommen haben, stellt der Pakt "die Notwendigkeit" fest, "sich dringend über angemessene Schritte zu beraten, um auf den Fall einer direkten Bedrohung der Sicherheit und territorialen Integrität der Republik Usbekistan vorbereitet zu sein."

Diese Allianz ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es ist das erste Mal, dass die Vereinigten Staaten militärische Verbindungen zu einer ehemaligen Sowjetrepublik eingegangen sind und sich gar dazu verpflichtet haben, Grenzen zu schützen, die erstmals 1922 nach der Russischen Revolution festgelegt wurden.

Praktisch gesehen ist die amerikanische Unterstützung für die territoriale Integrität Usbekistans eine höchst wichtige Entwicklung in der geopolitischen Strategie des amerikanischen Imperialismus. Usbekistan ist geografisch isoliert gelegen, ohne jeglichen Zugang zum Meer - nicht einmal zu einem Binnenmeer. Aus Sicht der Vereinigten Staaten liegt es buchstäblich auf der anderen Seite der Welt.

Eine Besonderheit von Usbekistan ist die Tatsache, dass es nicht nur von Landmassen umgeben ist, sondern von Ländern - Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Afghanistan und Turkmenistan - die entweder selbst ganz von Land umgeben sind oder an das Kaspische Meer, ein Binnenmeer, grenzen. Die 10. Bergdivision musste die Türkei, Georgien, Aserbaidschan und Russland überfliegen, um ihr Ziel zu erreichen.

Angesichts dieser Realitäten kann der Pakt zwischen den Vereinigten Staaten und Usbekistan kein isoliertes Abkommen sein. Er muss Teil einer umfassenden Neuorientierung vieler zentralasiatischen Länder sein, über die noch keine Details öffentlich bekannt gemacht worden sind.

Es ist wohlbekannt, dass die Vereinigten Staaten in dem gesamten Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der UdSSR eine diplomatische Offensive in Zentralasien durchgeführt haben, hinter der vor allem die Aussicht auf Kontrolle über die riesigen Ölressourcen des Kaspischen Beckens stand.

Usbekistan mag für amerikanische Streitkräfte schwer zu erreichen sein, aber wenn sie dort einmal stationiert sind, befinden sie sich in der Position, einige der strategisch wichtigsten und rohstoffreichsten Territorien des Planeten zu kontrollieren. Direkt nördlich von Usbekistan liegen die riesigen Thenghiz-Ölfelder in Kasachstan. Südlich, in Turkmenistan, befinden sich enorme Gasressourcen. Direkt im Westen, auf der anderen Seite des Kaspischen Meeres, liegt Baku, die Hauptstadt von Aserbaidschan und das Zentrum der Ölindustrie, die im Kaspischen Meer fördert. Das unmittelbare Ziel der amerikanischen Streitkräfte mag Afghanistan sein, aber langfristig betrachtet sind es die Energieressourcen der Region, auf die sich das Hauptinteresse der Vereinigten Staaten richtet.

Den Vereinigten Staaten geht es vor allem darum, den Verlauf von Pipelines zu bestimmen, die diese Ressourcen dem Weltmarkt zuführen. Im April trafen Präsident Bush und Außenminister Powell die Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan und diskutierten mit ihnen über den langjährigen Grenzkonflikt zwischen den beiden Ländern. Dieses Gespräch war Teil der Bemühungen, den Weg frei zu machen für eine Pipieline von Baku über Aserbaidschan, Georgien und die Türkei zum Mittelmeer. Einen Monat später billigte ein Konsortium von Ölkonzernen vorläufig das mit drei Milliarden Dollar veranschlagte Projekt. (Der führende Konzern in dem Konsortium ist British Petroleum (BP) - eine Tatsache, die ein Schlaglicht auf die glühende Unterstützung des britischen Premierministers Tony Blair für die amerikanische Militärintervention in Zentralasien wirft.)

Der russische Einfluss nimmt in ganz Zentralasien ab. Russische Truppen wurden aus allen Republiken abgezogen - mit Ausnahme Tadschikistans, wo sie an der Grenze zu Afghanistan patrouillieren. Früher in diesem Jahr hatten die Präsidenten von Usbekistan, Kirgisien und Turkmenistan ein geplantes Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin abgesagt.

Nach jüngsten Berichten in der amerikanischen und indischen Presse, begann die Kooperation zwischen amerikanischen und usbekischen Militärvertretern und Geheimdiensten ernstlich im Jahre 1998. Zwei Ereignisse waren die Auslöser für diese Zusammenarbeit: Eine Offensive der Taliban im Februar 1998, wobei der von Usbekistan unterstützte General Dostum vernichtend geschlagen wurde und die Taliban bis zur 135 Kilometer langen Grenze zwischen Afghanistan und Usbekistan vordringen konnten, und die Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania im August desselben Jahres.

Der erste öffentliche Hinweis auf die geheime Beziehung fand sich in der Rede von Präsident Bush vor dem Kongress am 20. September, als er völlig unerwartet die Islamische Bewegung Usbekistans, eine islamisch-fundamentalistische Oppositionsgruppe, zu einem Ziel des amerikanischen Militärs erklärte. Es darf bezweifelt werden, dass Bush den Namen dieses Landes richtig aussprechen oder es gar auf einer Landkarte zeigen könnte, wenn nicht die Köpfe der amerikanischen Politik schon lange ein Auge auf das mit 25 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land unter den fünf ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien geworfen hätten.

Die Washington Post berichtete: "Das usbekische Militär hat Offiziere und hochrangige Angehörige auf amerikanische Militärschulen geschickt, um Führung und Taktik zu verbessern. Amerikanische Spezialeinheiten haben das Land bis zu vier Mal pro Jahr besucht, um usbekische Soldaten auszubilden."

Diese Beziehung entwickelte sich auch weiter, als die usbekische Regierung scharf gegen die Opposition im Inneren vorging, wobei nicht weniger als 7.000 Menschen ins Gefängnis geworfen wurden, darunter viele islamische Fundamentalisten. Viele der Gefangenen wurden von Sicherheitskräften der Regierung gefoltert und geschlagen. Die Karimov-Regierung übt eine strenge Pressezensur und andere Einschränkungen demokratischer Rechte aus.

Das Pentagon hat sich den weitgehend geschlossenen Charakter der usbekischen Gesellschaft zunutze gemacht und sieht in ihm einen Vorteil für seine Militäroperationen. Ein Offizier der Luftstreitkräfte freute sich hämisch gegenüber der Presse, dass es kein Filmmaterial der CNN geben werde, das amerikanische Kampfflugzeuge beim Start auf usbekischen Flugplätzen zeigt. Der usbekische Regierungssprecher Dschumajew bestätigte dies und sagte, die Nachrichtensperre "geht nicht nur von unserem Verteidigungsminister aus. Dies ist auch vom Pentagon so gewollt."

Nur wenige Wochen vor den terroristischen Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September veröffentlichte die New York Times einen Leitartikel, in dem sie die politische und religiöse Unterdrückung in Usbekistan verurteilte und davor warnte, dass die Karimov-Regierung, wie der Iran unter der Herrschaft des Schahs, die Bedingungen für eine Revolte unter Führung fundamentalistischer Kräfte schaffe. Angst um die Stabilität des pro-amerikanischen Regimes ist zweifellos ein Bestandteil des ökonomischen und politischen Gesamtkomplexes, der hinter dem derzeitigen Krieg im benachbarten Afghanistan steht. Ziel der Vereinigten Staaten im Krieg gegen Afghanistan ist es, die amerikanische Vorherrschaft in der ölreichen Region zu etablieren.

Siehe auch:
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